TE Vfgh Beschluss 2021/2/24 V21/2019

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Veröffentlicht am 24.02.2021
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
Tir RaumOG 2016 §69, §70, §113
V der Tiroler Landesregierung betreffend die elektronische Kundmachung von Flächenwidmungsplänen vom 15.08.2013 §1, §2
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Inzing vom 10.11.2005
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Kein Eingriff in die Rechtssphäre durch einen bereits außer Kraft getretenen "analogen" Flächenwidmungsplan einer Tiroler Gemeinde wegen ausschließlicher Geltung des elektronisch kundgemachten Flächenwidmungsplans

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung "des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Inzing, 319FWP-BLATT1, vom 10.11.2005 (Planungsbereich Talbereich, Inzing Berg, Hof), genehmigt durch die Tiroler Landesregierung am 16.12.2005, kundgemacht vom 27.12.2005 bis zum 11.01.2006, soweit sich dieser auf das Grundstück 2400, inneliegend in EZ 1433, GB 81303 Inzing, bezieht".

Zudem regt die Antragstellerin an, "der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art139 Abs1 Z2 B-VG von Amts die Wortfolge 'bei nachgewiesenem Bedarf bzw' in Punkt 1.4. der Erläuterungen im präjudiziellen örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde Inzing, 1. Fortschreibung, 319Ö001-16, beschlossen am 8.9.2016, genehmigt durch die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 22.11.2016, kundgemacht vom 28.11.2016 bis 13.12.2016, in Prüfung ziehen und wegen Gesetzwidrigkeit aufheben".

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 (TROG 2016), LGBl 101/2016 (WV), lauteten (Hervorhebungen durch den Verfassungsgerichtshof):

"§69

Elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes

(1) Die elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes auf der Grundlage der digitalen Daten obliegt der Landesregierung.

(2) Die elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes hat in der Weise zu erfolgen, dass der Flächenwidmungsplan ab dem der Erteilung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung folgenden Tag auf der Internetseite des Landes zur Abfrage bereitgehalten wird. Der Flächenwidmungsplan und die Daten nach Abs3 sind derart bereitzuhalten, dass diese nach Grundstücken abgefragt werden können. Der Flächenwidmungsplan tritt mit dem Ablauf des Tages der Freigabe zur Abfrage in Kraft. Änderungen des Flächenwidmungsplanes treten mit dem Ablauf jenes Tages, an dem die geänderte Fassung des Flächenwidmungsplanes zur Abfrage freigegeben wird, in Kraft. Die elektronische Kundmachung hat den Tag, an dem die jeweils geltende Fassung des Flächenwidmungsplanes zur Abfrage freigegeben worden ist, zu enthalten.

(3) In der elektronischen Kundmachung sind weiters folgende Daten zur Abfrage bereitzuhalten:

a) das Datum der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Auflegung(en) des Entwurfes des Flächenwidmungsplanes und des Beginns und des Endens dieser Auflegung(en),

b) das Datum der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes,

c) das Datum und die Geschäftszahl des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsbescheides,

d) das Datum der Freigabe zur Abfrage.

(4) In der elektronischen Kundmachung sind weiters alle Änderungen des Flächenwidmungsplanes ersichtlich zu machen. Dabei ist über jede Änderung des Flächenwidmungsplanes eine planliche Darstellung des jeweiligen Änderungsbereiches und der gegenüber dem bisherigen Flächenwidmungsplan vorgenommenen Änderungen zur Abfrage bereitzuhalten. Weiters sind die die jeweilige Änderung betreffenden Daten nach Abs3 zur Abfrage bereitzuhalten. Im Fall einer aufsichtsbehördlichen Prüfung nach §72 sind statt des Datums und der Geschäftszahl des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsbescheides das Datum und die Geschäftszahl der aufsichtsbehördlichen Prüfung anzugeben. Die planliche Darstellung und die Daten nach Abs3 sind derart bereitzuhalten, dass diese nach Grundstücken abgefragt werden können.

(5) Wird eine Widmungsfestlegung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, so ist die Aufhebung in der elektronischen Kundmachung ersichtlich zu machen. Dabei ist eine planliche Darstellung des von der Aufhebung betroffenen Bereiches einschließlich der vormaligen Widmung(en) zur Abfrage bereitzuhalten. Weiters sind die Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt im vollen Wortlaut und das Datum des Inkrafttretens der Aufhebung zur Abfrage bereitzuhalten.

(6) Der Flächenwidmungsplan muss ohne Identitätsnachweis und unentgeltlich auf der Internetseite des Landes zugänglich sein und von jedermann ausgedruckt werden können.

§70

Berichtigung der elektronischen Kundmachung; neuerliche elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes

(1) Fehler in der elektronischen Kundmachung, die auf einem technisch mangelhaften Betrieb der entsprechenden EDV-Anwendung beruhen, sind von der Landesregierung nach Anhörung der betroffenen Gemeinde von Amts wegen zu berichtigen. Die die Berichtigung betreffenden Daten sind zur Abfrage bereitzuhalten.

(2) Die Landesregierung kann den Flächenwidmungsplan mit Zustimmung der betroffenen Gemeinde neuerlich elektronisch kundmachen. Die neuerliche elektronische Kundmachung ersetzt die bisherige elektronische Kundmachung mit dem Ablauf des Tages, an dem der Flächenwidmungsplan in seiner neu kundgemachten Fassung auf der Internetseite des Landes zur Abfrage bereitgehalten wird. Die neuerliche elektronische Kundmachung hat diesen Tag zu enthalten. Im Fall von Fehlern in der bisherigen elektronischen Kundmachung gilt Abs1 sinngemäß.

(3) In der neuerlichen elektronischen Kundmachung sind alle den Flächenwidmungsplan und seine Änderung betreffenden Daten nach §69 Abs3, 4 und 5 zur Abfrage bereitzuhalten. §69 Abs6 ist anzuwenden.

[...]

§113

Weitergeltung der analogen Flächenwidmungspläne

(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung für jede Gemeinde den Tag zu bestimmen, von dem an der Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundzumachen ist. Die Landesregierung hat den Flächenwidmungsplan für die jeweilige Gemeinde von diesem Tag an elektronisch kundzumachen. Die elektronische Kundmachung hat diesen Tag zu enthalten. Nach dem Ablauf des Tages, an dem der Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundgemacht worden ist, gilt ausschließlich der elektronisch kundgemachte Flächenwidmungsplan.

(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung die Art der Übernahme der analogen Flächenwidmungspläne in die elektronischen Flächenwidmungspläne festzulegen.

(3) Die analogen Flächenwidmungspläne, die am 30. Juni 2011 bestehen, gelten bis zum Ablauf des Tages, an dem der Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundgemacht wird, weiter. Auf diese Flächenwidmungspläne ist dieses Gesetz nach Maßgabe des Abs4 anzuwenden. Sie sind auch nach der erstmaligen elektronischen Kundmachung im Gemeindeamt weiterhin zur allgemeinen Einsicht während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden aufzulegen.

(4) Auf die analogen Flächenwidmungspläne nach Abs2 sind §29 Abs3 zweiter, dritter und vierter Satz, §35 Abs1, §36 Abs3, §43 Abs6, §52a Abs3 und 4, §53 Abs2 und 3, §64 Abs1, §67 Abs2 und 7, §69, §71 und §74 Abs1 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 56/2011 nicht anzuwenden. §52a Abs3 und 4 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 56/2011 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Gemeinde die Widmung als Freiland festzulegen bzw die Widmung als Vorbehaltsfläche aufzuheben hat. Statt der im ersten Satz angeführten Bestimmungen sind §11 Abs5, §35 Abs1, §36 Abs1 lite und 3, §43 Abs6, §52 Abs6, §53 Abs2 und 3, §64 Abs1, §66 Abs1 und 5 und §67 hinsichtlich der Flächenwidmungspläne und §71 Abs1 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 27/2006 weiter anzuwenden.

(5) Auf im Zeitpunkt der erstmaligen elektronischen Kundmachung des Flächenwidmungsplanes bestehende Sonderflächen ist §43 Abs6 gegebenenfalls in Verbindung mit §43 Abs7 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 27/2006 weiter anzuwenden.

(6) Besteht im Zeitpunkt der erstmaligen elektronischen Kundmachung des Flächenwidmungsplanes ein Vorbehalt nach §53 Abs2 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 27/2006, so läuft die Frist nach dem dritten Satz dieser Bestimmung als Frist nach §53 Abs2 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 101/2016 weiter.

(7) Auf die analogen Flächenwidmungspläne nach Abs2 ist die Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung 2004, LGBl Nr 13, in der jeweils geltenden Fassung weiter anzuwenden. §29 Abs4 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 27/2006 ist auf diese Verordnung weiter anzuwenden.

(8) Fehler in der elektronischen Kundmachung, die im Zug der Übernahme eines analogen Flächenwidmungsplanes in den elektronischen Flächenwidmungsplan aufgrund eines technisch mangelhaften Betriebes der entsprechenden EDV-Anwendung unterlaufen sind, sind von der Landesregierung nach Anhörung der betroffenen Gemeinde von Amts wegen zu berichtigen. Die die Berichtigung betreffenden Daten sind zur Abfrage bereitzuhalten.

(9) Abweichend von Abs1 können Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes, die am Tag, an dem der betreffende Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundgemacht worden ist, der Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorgelegen sind, nach Abs4 fortgesetzt werden. Die Landesregierung hat die betreffenden Änderungen nach der Erteilung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung elektronisch kundzumachen."

2. Die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 15. August 2013 über den Tag der erstmaligen elektronischen Kundmachung der Flächenwidmungspläne der Gemeinden Inzing, Kartitsch, Kundl, Langkampfen, Pfaffenhofen, Ramsau im Zillertal und Schwaz, LGBl 75/2013, lautet:

"§1

Gemeinden, erstmalige elektronische Kundmachung

(1) Für die Gemeinden Inzing, Kartitsch, Kundl, Langkampfen, Pfaffenhofen, Ramsau im Zillertal und Schwaz ist der Flächenwidmungsplan vom 31. August 2013 an nach §69 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 elektronisch kundzumachen.

(2) Vom 1. September 2013 an gilt ausschließlich der elektronisch kundgemachte Flächenwidmungsplan.

§2

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft."

3. §113 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 (TROG 2016), LGBl 101/2016 (WV), idF LGBl 122/2019 lautet (Hervorhebungen durch den Verfassungsgerichtshof):

"§113

Bestätigende elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes

(1) Alle Gemeinden mit Ausnahme der Stadt Innsbruck haben den von der Landesregierung nach §69 dieses Gesetzes in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 144/2018 elektronisch kundgemachten Flächenwidmungsplan in der am 15. November 2019 geltenden Fassung spätestens bis zum 31. Dezember 2019 im elektronischen Flächenwidmungsplan nach §70 Abs1 lita bestätigend elektronisch kundzumachen.

(2) Die Landesregierung hat der Gemeinde zum Zweck der bestätigenden elektronischen Kundmachung des Flächenwidmungsplanes folgende Daten konsolidiert im elektronischen Flächenwidmungsplan zur Verfügung zu stellen:

a) eine Aufstellung aller bis zum 15. November 2019 im elektronischen Flächenwidmungsplan erfolgten Kundmachungen; diese Aufstellung hat Bezug zu nehmen auf:

1. den Flächenwidmungsplan in seiner erstmalig elektronisch kundgemachten Fassung unter Anführung des Tages der seinerzeitigen Freigabe zur Abfrage,

2. die nach der erstmaligen elektronischen Kundmachung erfolgten Änderungen des Flächenwidmungsplanes jeweils unter Anführung der Änderungsnummer, des Datums der Beschlussfassung des Gemeinderates, des Datums und der Geschäftszahl der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bzw der aufsichtsbehördlichen Prüfung sowie des Tages der seinerzeitigen Freigabe zur Abfrage sowie

3. die weiteren nach diesem Gesetz kundgemachten Inhalte unter Anführung der Änderungsnummer sowie des Tages der seinerzeitigen Freigabe zur Abfrage;

b) im Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Flächenwidmungsplan in seiner elektronisch kundgemachten Fassung vor dem 15. November 2019 ganz oder teilweise mit der Wirkung aufgehoben hat, dass im Umfang der Aufhebung der analoge Flächenwidmungsplan wieder in Kraft tritt, statt der Daten nach lita, die dem Flächenwidmungsplan in seiner am 15. November 2019 geltenden Fassung entsprechenden Daten.

(3) Die Gemeinde hat den konsolidierten Datenstand nach Abs2 zu prüfen und längstens bis zum 20. Dezember 2019 durch Beschluss des Gemeinderates zu bestätigen. Gleichzeitig hat der Gemeinderat die bestätigende elektronische Kundmachung zu beschließen.

(4) Die bestätigende elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes hat derart zu erfolgen, dass

a) im Fall des Abs2 lita korrespondierend mit dem bisher bereits elektronisch kundgemachten Flächenwidmungsplan, der weiter dauerhaft zur Abfrage bereit zu halten ist, die der betreffenden Aufstellung zugrunde liegenden Daten,

b) im Fall des Abs2 litb die dem Flächenwidmungsplan in der dem Bestätigungsbeschluss des Gemeinderates nach Abs3 erster Satz entsprechenden Fassung zugrunde liegenden Daten vom Bürgermeister zur Abfrage freigegeben werden; die Freigabe der Daten hat unverzüglich nach der Beschlussfassung im Gemeindesrat zu erfolgen. Die bestätigende elektronische Kundmachung hat den Tag der Freigabe zur Abfrage zu enthalten.

(5) Der Flächenwidmungsplan ist mit dem Ablauf des Tages, an dem die bestätigende elektronische Kundmachung zur Abfrage freigegeben wird, in seiner bestätigend elektronisch kundgemachten Fassung anzuwenden."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin bringt vor, sie sei Eigentümerin des Grundstückes Nr 2400, EZ 1433, GB 81303 Inzing, das im angefochtenen Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen sei. Zur Antragslegitimation führt sie aus, dass sie der Flächenwidmungsplan unmittelbar in ihrer freien Nutzung des Grundstückes beschränke. Sie beabsichtige nämlich die Errichtung eines Wohngebäudes; dies sei ihr aber auf Grund der Flächenwidmung nicht möglich.

2. Den angefochtenen Flächenwidmungsplan erachtet die Antragstellerin insbesondere wegen Unsachlichkeit, Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung und zum Örtlichen Raumordnungskonzept sowie unzureichender Grundlagenforschung als gesetzwidrig.

3. Der Gemeinderat der Gemeinde Inzing legte Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er dem Antrag entgegentritt.

4. Die Tiroler Landesregierung legte Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

IV. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2. Aus dem Wortlaut des Art139 Abs1 Z3 B-VG ("verletzt zu sein behauptet") ergibt sich, dass die bekämpfte Verordnung zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreifen muss (siehe zu Verordnungen etwa VfSlg 12.634/1991, 13.585/1993, 14.033/1995 und zu Gesetzen etwa VfSlg 9096/1981, 12.447/1990, 12.870/1991, 13.124/1992, 13.397/1993). Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl zu Verordnungen etwa VfSlg 12.413/1990, 12.756/1991, 12.877/1991, 14.712/1996, 14.755/1997, 15.852/2000, 16.139/2001, 19.391/2011; zu Gesetzen etwa VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007; VfGH 6.3.2019, G 318/2018), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind und damit das Ziel des Art139 Abs1 Z3 B-VG schon erreicht ist (zB VfSlg 17.653/2005, 18.284/2007, 18.837/2009, 15.491/1999, 19.391/2011).

3. Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragstellers aktuell berühren (vgl zB VfSlg 16.581/2002, 18.235/2007; 10.313/1984, 15.888/2000, 17.798/2006; allgemein auch zB VfSlg 15.116/1998, 17.826/2006; 12.976/1992). Solches hat der Verfassungsgerichtshof bislang insbesondere dann angenommen, wenn es sich um einen auf einzelne Kalenderjahre bezogenen Anspruch handelt (VfSlg 16.581/2002) oder wenn die außer Kraft getretene Bestimmung die Rechtssphäre des Antragstellers weiterhin etwa in Beziehung auf privatrechtliche Verträge, die der Anfechtende während des Zeitraumes der Geltung abgeschlossen hat, unmittelbar berührt (VfSlg 12.976/1992).

4. Insbesondere erachtet der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Wirksamkeit angefochtener Verordnungsbestimmungen und damit die Antragslegitimation ungeachtet des Umstandes, dass die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, bei zeitraumbezogenen Regelungen für gegeben, weil diese für den entsprechenden Zeitraum weiterhin anzuwenden sind (siehe VfSlg 10.820/1986 sowie insbesondere die Rechtsprechung zu sogenannten Systemnutzungstarifen im Energierecht VfSlg 15.888/2000, 15.976/2000, 17.094/2003, 17.266/2004, 17.798/2006, 19.840/2013). Eine solche Konstellation kann auch dann gegeben sein, wenn die angefochtene Verordnungsbestimmung nur kurze Zeit in Kraft war, das Rechtsschutzinteresse der anfechtenden Partei aber noch anhält (vgl VfGH 14.7.2020, V411/2020).

5. Der von der Antragstellerin behauptete Eingriff in ihre Rechtssphäre lag bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vor und es besteht auch keiner der oben skizzierten Ausnahmefälle:

§113 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 idF LGBl 56/2011, wiederverlautbart durch LGBl 101/2016 (nach Wiederverlautbarung: Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 – TROG 2016), sah vor, dass die Landesregierung durch Verordnung für jede Gemeinde den Tag zu bestimmen hatte, von dem an der Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundzumachen ist. Die Landesregierung hatte den Flächenwidmungsplan für die jeweilige Gemeinde von diesem Tag an elektronisch kundzumachen. Die elektronische Kundmachung hatte diesen Tag zu enthalten. Nach dem Ablauf des Tages, an dem der Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundgemacht worden ist, galt ausschließlich der elektronisch kundgemachte Flächenwidmungsplan.

Mit Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 15. August 2013 über den Tag der erstmaligen elektronischen Kundmachung der Flächenwidmungspläne der Gemeinden Inzing, Kartitsch, Kundl, Langkampfen, Pfaffenhofen, Ramsau im Zillertal und Schwaz, LGBl 75/2013, wurde unter anderem bestimmt, dass für die Gemeinde Inzing der Flächenwidmungsplan vom 31. August 2013 an nach §69 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (nach Wiederverlautbarung: TROG 2016) elektronisch kundzumachen war und dass vom 1. September 2013 an ausschließlich der elektronisch kundgemachte Flächenwidmungsplan galt.

Am 31. August 2013 wurde der in Rede stehende Flächenwidmungsplan der Gemeinde Inzing durch die Tiroler Landesregierung elektronisch kundgemacht.

Mit seinem Erkenntnis VfSlg 20.318/2019 hob der Verfassungsgerichtshof unter anderem §69 Abs1 und §113 Abs1, 2, 8 und 9 TROG 2016, LGBl 101/2016, auf und bestimmte eine Frist für das Außerkrafttreten bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.

Am 15. November 2019 trat §113 Abs1 TROG 2016 in der geltenden Fassung LGBl 122/2019 in Kraft. Danach haben alle Gemeinden mit Ausnahme der Stadt Innsbruck den von der Landesregierung nach §69 TROG 2016 idF LGBl 144/2018 elektronisch kundgemachten Flächenwidmungsplan in der am 15. November 2019 geltenden Fassung spätestens bis zum 31. Dezember 2019 im elektronischen Flächenwidmungsplan nach §70 Abs1 lita TROG 2016 bestätigend elektronisch kundzumachen. Die Gemeinde hat den konsolidierten Datenstand nach §113 Abs2 TROG 2016 zu prüfen und längstens bis zum 20. Dezember 2019 durch Beschluss des Gemeinderates zu bestätigen. Gleichzeitig hat der Gemeinderat die bestätigende elektronische Kundmachung zu beschließen (§113 Abs3 leg. cit.). Die bestätigende elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes hat derart zu erfolgen, dass die in Rede stehenden elektronischen Daten vom Bürgermeister zur Abfrage freigegeben werden; die Freigabe der Daten hat unverzüglich nach der Beschlussfassung im Gemeinderat zu erfolgen (§113 Abs4 leg. cit.). Der Flächenwidmungsplan ist mit dem Ablauf des Tages, an dem die bestätigende elektronische Kundmachung zur Abfrage freigegeben wird, in seiner bestätigend elektronisch kundgemachten Fassung anzuwenden (§113 Abs5 leg. cit.).

Mit Beschluss vom 21. November 2019 bestätigte der Gemeinderat der Gemeinde Inzing gemäß §113 Abs1 TROG 2016 idF LGBl 122/2019 den am 31. August 2013 gemäß der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 15. August 2013, LGBl 75/2013 erstmalig elektronisch kundgemachten Flächenwidmungsplan der Gemeinde Inzing in der am 15. November 2019 geltenden Fassung. Am 22. November 2019 nahm der Bürgermeister der Gemeinde Inzing die Freigabe der Daten zur Abfrage gemäß §113 Abs4 TROG 2016 vor.

6. Gemäß §113 Abs1 TROG 2016 idF LGBl 101/2016 (WV) galt nach dem Ablauf des Tages, an dem der Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundgemacht worden ist, ausschließlich der elektronisch kundgemachte Flächenwidmungsplan. Die analogen Flächenwidmungspläne, die am 30. Juni 2011 bestanden, galten nur bis zum Ablauf des Tages weiter, an dem der Flächenwidmungsplan erstmalig elektronisch kundgemacht wurde (§113 Abs3 TROG 2016). Der angefochtene, an der Amtstafel der Gemeinde Inzing vom 27. Dezember 2005 bis zum 11. Jänner 2006 durch die Gemeinde Inzing kundgemachte ("analoge") Flächenwidmungsplan trat daher mit seiner elektronischen Kundmachung am 1. September 2013 gemäß der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 15. August 2013, LGBl 75/2013, außer Kraft. Daher war der angefochtene Flächenwidmungsplan schon im Zeitpunkt der Antragstellung am 26. März 2019 nicht mehr im Rechtsbestand und konnte somit nicht mehr in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreifen.

Damit erübrigt sich die Prüfung, ob der Antrag auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

7. Vor dem Hintergrund der Unzulässigkeit des Antrages sieht sich der Verfassungsgerichtshof auch nicht veranlasst, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung des Örtlichen Raumordnungskonzeptes der Gemeinde Inzing einzuleiten.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Kundmachung, Gemeinderat, Bürgermeister, VfGH / Individualantrag, Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V21.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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