TE Vwgh Erkenntnis 1956/5/4 2431/54

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.1956
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §207

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Mahnig und die Räte Dr. Donner, Dr. Strau, Dr. Mathis und Penzinger als Richter, im Beisein des Landesgerichtsrates Dr. Linzmeier als Schriftführer, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 27. Juli 1954, Zl. M.Abt. 14 - R 97/54, betreffend Überweisung von Beiträgen aus der Rentnerkrankenversicherung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei KR war in der Zeit vom 20. September 1940 bis zum 30. April 1949 bei der Beschwerdeführerin auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert. Gleichzeitig bezog sie eine Rente aus der Angestelltenversicherung. Mit 1. August 1941 wurde daher für sie gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 24. Juli 1941, DRGBl. I S. 443, die Einbeziehung in die Krankenversicherung der Rentner wirksam. Anderseits erwuchs ihr aus § 14 Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941, DRGBl. I S. 689, die Berechtigung, für den Zeitraum des Bestehens einer zweifachen Krankenversicherungspflicht von der nach § 1 der letztbezeichneten Verordnung zuständigen Kasse für jeden Monat den Betrag von RM 2,-- (laut § 5 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 13/1947, in der Fassung der Gesetze BGBl. Nr. 185/1947 und 223/1948, S 2,-- ab 21. Dezember 1945 bis 31. Dezember 1946, S 3,-- vom 1. Jänner 1947 bis 31. Juli 1947, S 5,-- vom 1. August 1947 bis 30. September 1948 und S 5,30 vom 1. Oktober 1948 bis 30. April 1949) zu begehren. Mit Eingabe vom 5. März 1954 stellte sie an die Beschwerdeführerin die Forderung, ihr die Beiträge für die Zeit ab 20. September 1940 in Höhe von S 7,30 je Monat auszuzahlen. Da die Beschwerdeführerin dieses Begehren unter Berufung auf die Verjährungsbestimmungen der §§ 1478 ff des ABGB ablehnte, rief die mitbeteiligte Partei die Entscheidung der belangten Behörde an, welche mit dem angefochtenen Bescheide feststellte, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet sei die Zahlungen gemäß § 14 der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941, DRGBl. I S. 289, für die Zeit vom 1. August 1941 bis zum 30. April 1949 an die mitbeteiligte Partei zu leisten. über die dagegen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unbestritten ist, daß die mitbeteiligte Partei im erwähnten Zeitraum sowohl der Rentnerkrankenversicherungspflicht als auch der Krankenversicherungspflicht auf Grund eines Arbeitsverhältnisses unterlag und daß ihr daraus das im § 14 der vorerwähnten Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner normierte Recht erwachsen ist, für die Zeit ab 1. August 1941 den in dieser Gesetzesstelle bestimmten (später durch § 5 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes in seiner jeweiligen Fassung in den Ansätzen geänderten) Betrag von der Beschwerdeführerin zu fordern. Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch den Standpunkt, die Zahlung nicht leisten zu müssen, weil gemäß § 29 Abs. 2 RVO der geltend gemachte Anspruch verjährt sei. Verjährung sei aber auch dann anzunehmen, wenn man diese Gesetzesstelle nicht als anwendbar erachte, weil auch in diesem Falle die als maßgeblich heranzuziehenden Bestimmungen des § 1480 ABGB im Hinblick auf die regelmäßig monatlich fällig gewordenen Leistungen nach Ablauf von jeweils drei Jahren Verjährung bedingten.

Vorerst war zu prüfen, ob im Gegenstande die Verjährungsbestimmung des § 29 Abs. 2 RVO anzuwenden sei. Nach dieser Bestimmung verjährt der Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen in sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie entrichtet worden sind. Somit mußte untersucht werden, ob hier Beiträge zur Krankenversicherung im Sinne der §§ 380 ff RVO entrichtet worden sind. Gemäß § 4 Abs. 3 des Gesetzes vom 24. Juli 1941 DRGBl. I S. 443, und § 6 der Verordnung vom 4. November 1941, DRGBl. I S. 689, wird vom Rentenbeginn an monatlich RM 1,-- von der Invalidenrente (Ruhegeld) einbehalten, während anderseits die Träger der Rentenversicherung den Kassen zur Deckung der aus der Rentnerkrankenversicherung erwachsenden Ausgaben einen vom Reichsarbeitsminister (Bundesministerium für soziale Verwaltung) festzusetzenden Pauschalbetrag zahlen.

Wie das hg. Erkenntnis vom 4. November 1950, Slg. Nr. 1730/A, hiezu bereits festgestellt hat, handelt es sich hier um eine Sonderregelung, die nur einen Teil der Leistungsberechtigten zur Kostendeckung heranzieht, indem sie ihn nicht etwa mit einem individuellen Sozialversicherungsbeitrag, sondern mit einer festen Umlage belastet, so daß hier nicht der Leistungspflicht des Versicherungsträgers eine entsprechende Beitragspflicht des Versicherten gegenübersteht. Damit ist aber klargestellt, daß die im Gegenstande von der mitbeteiligten Partei an den Träger der Rentenversicherung im Abzugswege geleisteten Zahlungen nicht als Beiträge im Sinne der §§ 380 ff RVO angesehen werden können. Die nach § 14 Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941, DRGBl. I S. 689, durch die zuständige Gebietskrankenkasse zu gewährenden Barleistungen können daher auch nicht eine Rückerstattung solcher Beiträge darstellen, ganz abgesehen davon, daß an Empfänger von Invalidenrente (Ruhegeld) das Doppelte des von der Rente einbehaltenen Betrages zu zahlen ist, während Bezieher von Hinterbliebenenrente einen Zahlungsanspruch besitzen, ohne zur Beitragsleistung an den Rententräger überhaupt herangezogen zu werden. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß der im Gegenstande gegen die Beschwerdeführerin begründete Zahlungsanspruch der Verjährung nach § 29 Abs. 2 RVO nicht unterworfen ist, weil diese Verjährung nur „Beiträge“ erfaßt. Daß die sonstigen Verjährungsvorschriften des § 29 RVO hier nicht anwendbar wären, bedarf keiner näheren Ausführungen.

Die Verjährungsvorschriften des ABGB sind in diesem Falle aber gleichfalls nicht anzuwenden. Wie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1934, Slg. Nr. 17.958 (A), hiezu näher ausgeführt hat, handelt es sich bei diesen Bestimmungen um Rechtsgrundsätze des Privatrechtes, die sich nicht ohne weiteres auf das öffentliche Recht übertragen lassen. Nur dann, wenn in Vorschriften des öffentlichen Rechtes Verjährungsbestimmungen ausdrücklich aufgenommen sind, wird bei Bedachtnahme auf § 7 ABGB ergänzungsweise auf die Verjährungsvorschriften des ABGB gegriffen werden dürfen. Wenn aber die anzuwendende Gesetzesvorschrift des öffentlichen Rechtes, so wie im Gegenstande, dem Grunde nach eine Verjährung nicht vorsieht, dann ist eine analoge Anwendung der Verjährungsbestimmungen des ABGB unzulässig.

Da die bekämpfte Entscheidung somit, wenn auch bei Verkennung der Rechtslage, zu einem dem Gesetze entsprechenden Ergebnisse gelangt ist, mußte der Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 der Erfolg versagt bleiben.

Wien, am 4. Mai 1956

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1956:1954002431.X00

Im RIS seit

11.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten