TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/25 95/19/1672

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Veröffentlicht am 25.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs1;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des mj. EÖ, vertreten durch die Mutter AÖ, diese vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. September 1994, Zl. 101.486/6-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. September 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. August 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß §§ 4 (richtig wohl: 2) Abs. 1 und 9 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.

Gemäß § 9 Abs. 3 AufG dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die im § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den im § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese Höchstzahl sei nunmehr erreicht. Dem Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers könne kein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet entsprechend der geltenden Rechtslage entnommen werden. Aufgrund dieser Tatsache habe der Berufungsantrag ins Leere gehen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof (Beschluß vom 11. Oktober 1995, B 2660/94-5) dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (12. November 1994) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle 1995, BGBl. Nr. 351, anzuwenden. Gemäß § 9 Abs. 3 AufG aF durften, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Anzahl erreicht war, keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 war auf das folgende Jahr zu verschieben. Andere anhängige Anträge waren abzuweisen.

Gemäß § 3 Abs. 1 AufG aF ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

Der Beschwerdeführer hat im Antrag angegeben, daß er eine Familienzusammenführung mit seinem Vater CÖ, welcher in Österreich lebe, anstrebe. Die Behörde erster Instanz wies den Antrag gestützt auf § 5 Abs. 1 AufG ab, weil die Nutzfläche der antragsgegenständlichen Wohnung lediglich 39 m2 aufweise, bei Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung insgesamt fünf Personen darin wohnen würden und im Hinblick auf eine derartige Beengtheit eine für Inländer ortsübliche Unterkunft jedenfalls nicht vorliege.

In der dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß die Familie seit Jahren getrennt lebe, weil der "Mann" (= Vater des Beschwerdeführers) in Österreich arbeite.

Ohne Durchführung von Ermittlungen erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

In der Beschwerde weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß er türkischer Staatsangehöriger sei und seine Mutter seit etwa zehn Jahren mit dem "seit mehr als fünf Jahren in Österreich lebenden und arbeitenden ÖC verheiratet" sei. Sein Vater erziele ein monatliches Einkommen von über S 13.000,--. Er sei mit seinem Vater in Österreich sozialversichert. Die ihm und seiner Familie in Österreich zur Verfügung stehende Wohnung weise knapp 40 m2 Nutzfläche auf.

Da die belangte Behörde infolge Auswechslung des Abweisungsgrundes gehalten gewesen wäre, dem Beschwerdeführer hiezu Parteiengehör zu gewähren - was vom Beschwerdeführer zu Recht gerügt wird - verstoßen auch die Sachverhaltsangaben, welche im Verwaltungsverfahren nicht erstattet wurden, nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Der Beschwerdeführer stützt sich mit seinen Ausführungen auf das Bestehen eines Rechtsanspruches nach § 3 Abs. 1 AufG aF. Die in dessen Z. 2 normierten Voraussetzungen, daß die Bezugsperson des Kindes, mit der der Familiennachzug angestrebt wird, aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben müsse, wurden damit zumindest im Prinzip behauptet.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte. Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als diesem nicht entnommen werden kann, aus welchen Gründen sie aufgrund des "Gesamtvorbringens" (welches - wie dargelegt - aufgrund der Verletzung des Parteiengehörs auch das nunmehrige Beschwerdevorbringen zum Sachverhalt umfaßt) zum Ergebnis kam, daß ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers nicht gegeben sei.

Da die belangte Behörde bei Zutreffen der implizit behaupteten Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG in der Person des Vaters des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, erweisen sich die Verfahrensmängel auch als relevant. Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit dem Beschwerdevorbringen, welches die Zulässigkeit der Annahme der belangten Behörde, zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sei die Höchstzahl erreicht gewesen, bestreitet.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach) zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191672.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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