TE Vwgh Beschluss 2021/4/9 Ra 2021/22/0006

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Veröffentlicht am 09.04.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19100000
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §57
AVG §56
AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EURallg
FrPolG 2005 §46
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
FrPolG 2005 §55 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
32008L0115 Rückführungs-RL Art11 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des D M in S, vertreten durch DDr. Rainer Lukits LLM, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Dezember 2020, L525 2168824-3/7E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und Verhängung eines Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 29. Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 28. Juli 2017 ab. Es sprach weiters aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde; ferner erließ es gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei, und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen fest.

2.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26. August 2020 als unbegründet ab. Eine Bekämpfung des Erkenntnisses bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ist den Akten nicht zu entnehmen.

3.1. Da der Revisionswerber auch nach Ablauf der ihm für die Ausreise gesetzten Frist im Bundesgebiet verblieb, leitete das BFA ein weiteres aufenthaltsbeendendes Verfahren ein.

3.2. In diesem Verfahren sprach das BFA mit Bescheid vom 6. November 2020 aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.), weiters erließ es gegen den Revisionswerber (nunmehr) gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) und § 52 Abs. 1 Z 1 FPG neuerlich eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte abermals gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), erteilte ferner (erstmals) gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).

3.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 29. Dezember 2020 als unbegründet ab.

Das Verwaltungsgericht führte dazu im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 seien - wie im vorangehenden Verfahren - weiterhin nicht erfüllt. Der Revisionswerber weise kein schützenswertes Familien- und Privatleben in Österreich auf, indes hätten sich die gegen seinen Verbleib sprechenden öffentlichen Interessen verstärkt, zumal er beharrlich die Ausreise verweigere und inzwischen auch völlig mittellos sei, sodass neuerlich eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung festzustellen sei. Der erneuten Rückkehrentscheidung stehe auch das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht entgegen (Hinweis auf VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0209). Die Rückkehrentscheidung sei mit Blick auf Art. 11 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) mit einem - auf zwei Jahre zu befristenden - Einreiseverbot zu verbinden, zumal der Revisionswerber unter gravierender Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht bereit (gewesen) sei, die fremdenrechtlichen Bestimmungen anzuerkennen bzw. den behördlichen Anweisungen Folge zu leisten, wie sein beharrlicher illegaler Verbleib in Österreich unter Missachtung der rechtskräftigen Rückkehrverpflichtung und das Fehlen jeglicher Unterhaltsmittel zeigten. Nicht zuletzt sei auch eine Frist für die freiwillige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht (mehr) einzuräumen.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit der Revisionswerber im Wesentlichen vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage, ob die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung bei Verhängung eines Einreiseverbots (wegen Nichtbefolgung der Ausreiseverpflichtung) mit der Rückführungsrichtlinie im Einklang stehe, sei doch die Erlassung einer erneuten Rückkehrentscheidung ohne maßgebliche Sachverhaltsänderung in der Richtlinie nicht vorgesehen und auch unverhältnismäßig.

4.2. Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

5.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der aufgeworfenen Rechtsfrage im - bereits vom Verwaltungsgericht zitierten, zu einem ganz ähnlich gelagerten Sachverhalt ergangenen - Erkenntnis vom 12. November 2019, Ra 2019/21/0209, auseinandergesetzt und dabei unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Das BFA erachtete im Bescheid vom 21. August 2018 die Erlassung eines Einreiseverbotes für geboten, weil der Mitbeteiligte die gegen ihn bestehende Rückkehrverpflichtung ‚beharrlich‘ missachtet habe (Art. 11 der Rückführungsrichtlinie) und weil ihm die Mittel für seinen Unterhalt fehlten (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). Dem stand die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 4. Juli 2018 nicht entgegen, weil ein Einreiseverbot gar nicht Sache des diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahrens war (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0146, Rn. 25).

Da die Erlassung eines Einreiseverbotes nach dem Wortlaut des § 53 Abs. 1 FPG jedoch zwingend und ausnahmslos voraussetzt, dass es ‚mit‘ einer Rückkehrentscheidung erlassen, also mit ihr verbunden wird (vgl. in diesem Sinn auch Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot ‚einher‘ gehen), war die (neuerliche) Erlassung einer Rückkehrentscheidung (samt Begleitaussprüchen) zum Zweck der Verhängung des nunmehr für erforderlich gehaltenen Einreiseverbots nicht rechtswidrig. Insoweit ist dem Gesetz ein Abgehen von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der ‚Unwiederholbarkeit‘ zu entnehmen, was auch - aus denselben strukturellen Erwägungen - für den neuerlichen Abspruch nach § 57 AsylG 2005 (vgl. dazu VwGH 7.3.2019, Ro 2019/21/0002, Rn. 18) gilt.

Die Annahme des BVwG, es bestehe das Prozesshindernis der entschiedenen Sache, erweist sich daher als verfehlt.“

5.2. Im Hinblick darauf liegt jedoch bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der aufgeworfenen Rechtsfrage vor. Demnach steht der erneuten Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zumal diese mit Blick auf § 53 Abs. 1 FPG sowie Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie Voraussetzung für die Erlassung eines Einreiseverbots ist, das Wiederholungsverbot bzw. das Prozesshindernis der res iudicata nicht entgegen. Dieses Verbot bzw. Hindernis läge nur dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hätte und sich auch das Parteibegehren mit dem früheren deckte (vgl. VwGH 17.3.2016, Ra 2015/22/0143; 24.5.2016, Ra 2016/03/0050). Eine derartige Identität der Sache liegt fallbezogen - auf Grund des nunmehr zu verhängenden Einreiseverbots - jedoch nicht vor.

6. Insgesamt wird daher in der - für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen gesonderten Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 8.1.2020, Ra 2017/22/0049) - keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. April 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220006.L00

Im RIS seit

10.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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