Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §366 Abs1 Z3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, in der Revisionssache des Mag. J M in F, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 9020 Klagenfurt, Sterneckstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 16. April 2018, Zl. KLVwG-508-513/4/2018, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen (belangte Behörde) vom 29. Jänner 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der J [...] KG zu verantworten, dass diese die mit Bescheid vom 31. Mai 1994 gewerbebehördlich genehmigte gastgewerbliche Betriebsanlage in der Betriebsart Hotel ohne die hierfür erforderliche Genehmigung geändert und betrieben habe. Die erfolgte Änderung (Aufstellen eines Zeltes samt Diskothekenanlage für Hochzeitsfeiern) sei geeignet, die Nachbarn durch Lärm zu belästigen. Der Revisionswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 iVm § 74 Abs. 2 Z 2 iVm § 81 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) verhängt werde.
2 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. April 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, die Betriebsart der gastgewerblichen Betriebsanlage „Hotel“ umfasse lediglich die Übernachtung mit der Verabreichung von Frühstück. Abendveranstaltungen mit der Bewirtung von Gästen und dem Ausschank von Getränken sowie Musikdarbietungen seien nicht von dieser Betriebsform umfasst. Hochzeitsfeiern seien private Feiern und würden nicht in kulturellem oder sportlichem Interesse überregional breiter Kreise der Bevölkerung stattfinden, weshalb die in § 81 Abs. 2 Z 11 GewO 1994 geregelte Ausnahme von der Genehmigungspflicht von Änderungen von Betriebsanlagen nicht zur Anwendung komme. Der Tatbestand des § 366 Abs. 1 Z 3 iVm § 81 GewO 1994 sei somit erfüllt.
4 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 3.1. Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, im Zuge der Gewerberechtsnovelle BGBl. I Nr. 96/2017 sei in § 74 Abs. 1 GewO 1994 das Wort „regelmäßig“ durch die Wortfolge „nicht bloß vorübergehend“ ersetzt worden. Der Gesetzgeber habe mit dieser Änderung eine Erleichterung für Gewerbetreibende beabsichtigt. Die Ausgestaltung der Erleichterung müsse vom Verwaltungsgerichtshof noch im Detail geklärt werden. Das im vorliegenden Fall aufgestellte Zelt und die Musikanlage seien nicht in der Absicht errichtet worden, längere Zeit, sondern nur vorübergehend der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen, zumal diese Einrichtungen nur für die jeweiligen, eintägigen Veranstaltungen aufgebaut und nach Veranstaltungsende wieder abgebaut worden seien.
Es liege zwar Rechtsprechung zur Frage vor, wann Einrichtungen nicht als Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 einzustufen seien, weil sie nur vorübergehend bestehen würden, es fehle jedoch Rechtsprechung zu der Frage, wann vorübergehende Einrichtungen eine Änderung dieser Betriebsanlage bedeuten würden.
8 3.2. Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision (vgl. etwa die Nachweise bei Thienel, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, ZVG 2018, 180 [189]). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. VwGH 8.8.2019, Ra 2018/04/0110, mwN).
9 Im vorliegenden Fall argumentiert die Revision unter Verweis auf bislang fehlende Rechtsprechung zu der - mit der Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 - erfolgten Änderung des § 74 Abs. 1 GewO 1994, dass die im Zuge der Veranstaltung von Hochzeiten aufgestellten Zelte samt Musikanlagen nur vorübergehend der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit dienten und deshalb eine Genehmigungspflicht nicht bestehe.
Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, dass gegenständlich unstrittig eine genehmigte Betriebsanlage (nämlich das Hotel) vorliegt und sich die Frage der Änderung dieser Betriebsanlage aber nicht nach § 74 GewO 1994 richtet. Vielmehr gelangt in diesem Fall § 81 GewO 1994 zur Anwendung. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision mit ihrem weiteren, auf die Auslegung des durch die Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 geänderten § 74 GewO 1994 gerichteten Zulässigkeitsvorbringen eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufzuzeigen.
10 Ob die Änderung einer Betriebsanlage einer Genehmigung bedarf, regelt § 81 GewO 1994, wobei gemäß § 81 Abs. 2 leg. cit. bei Vorliegen eines der dort genannten Tatbestände „eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 jedenfalls [...] nicht gegeben ist“. Das Erfordernis einer Genehmigungspflicht entfällt sohin, sofern einer der Tatbestände des § 81 Abs. 2 GewO 1994 erfüllt ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung eines Sachverhalts in Hinblick auf die Anwendbarkeit des Straftatbestandes des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 somit immer auch zu prüfen, ob dieser Sachverhalt unter einen Ausnahmetatbestand des § 81 Abs. 2 GewO 1994 zu subsumieren ist, weil in einem solchen Fall das Erfordernis der Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage, das eine Tatbestandsvoraussetzung des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 bildet, nicht vorliegt (vgl. VwGH 12.4.2018, Ra 2016/04/0067, mwN).
11 Nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer „eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt“. Nach der ständigen Rechtsprechung ist unter „Änderung“ einer genehmigten Betriebsanlage im Sinn des § 81 Abs. 1 GewO 1994 jede durch die erteilte Genehmigung nicht gedeckte, bauliche oder sonstige, die Anlage betreffende Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zu verstehen, durch die sich die im § 74 Abs. 2 Z 1 bis Z 5 GewO 1994 bezeichneten Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen Auswirkungen ergeben können (vgl. etwa VwGH 12.4.2018, Ra 2018/04/0086, mwN). Jeder Betrieb einer Betriebsanlage, der in seiner Gestaltung von dem im Genehmigungsbescheid (Betriebsbeschreibung) umschriebenen Projekt abweicht, bedeutet eine Änderung der genehmigten Betriebsanlage und bedarf unter den Voraussetzungen des § 81 GewO 1994 einer gewerbebehördlichen Genehmigung (vgl. VwGH 26.04.2006, 2001/04/0207; 7.11.2005, 2003/04/0104, jeweils mwN).
12 Dass dies grundsätzlich auch für bloß vorübergehende Änderungen gilt, ergibt sich nicht zuletzt aus der Einführung des Ausnahmetatbestandes des § 81 Abs. 2 Z 11 GewO 1994 durch die Novelle BGBl. I Nr. 85/2013.
§ 81 Abs. 2 Z 11 GewO 1994 nimmt Änderungen von vorübergehender, vier Wochen nicht überschreitender Dauer, die keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen bewirken und aus Anlass von Ereignissen oder Veranstaltungen, die in kulturellem oder sportlichem Interesse überregional breiter Kreise der Bevölkerung stattfinden, vorgenommen werden, von der Genehmigungspflicht aus. Diese - in erster Linie auf das Aufstellen von Fernsehbildschirmen bzw. die Montage von Großleinwänden in Gaststätten und deren Gastgärten aus Anlass und für den Zeitraum von sportlichen Großveranstaltungen (zB Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaften) abzielende - Ausnahmebestimmung kommt gegenständlich nicht zur Anwendung, zumal nach den Gesetzesmaterialien zur erwähnten Novelle BGBl. I Nr. 85/2013 Ereignisse und Veranstaltungen, die ein über ein Bundesland hinausgehendes breites Interesse nicht erwecken, auch das in § 81 Abs. 2 Z 11 GewO 1994 normierte Kriterium der überregionalen Bedeutung nicht erfüllen (vgl. dazu RV 2197 BlgNR 24. GP 6).
13 Mit der durch § 81 Abs. 2 Z 11 GewO 1994 geschaffenen Genehmigungsfreistellung erfolgte eine ausdrückliche Regelung für vorübergehende Änderungen. Dieser Ausnahme hätte es nicht bedurft, wenn vorübergehende Änderungen schon per se von der Genehmigungspflicht ausgenommen wären. Anhaltspunkte dafür, dass durch die (von der Revisionswerberin angesprochenen) Änderung des § 74 Abs. 1 GewO 1994 durch die Novelle BGBl. I Nr. 96/2017 dieses Verständnis des § 81 Abs. 2 GewO 1994 verändert hätte werden sollen, liegen nicht vor.
14 Im vorliegenden Fall umfasste der ursprüngliche Genehmigungsbescheid (lediglich) den Betrieb eines Hotels. Ausgehend davon ist dem Verwaltungsgericht - gemessen an der oben in Rn. 10 dargestellten Rechtsprechung - nicht entgegenzutreten, wenn es die Errichtung eines Zeltes samt Musikanlage vom Ursprungskonsens der Betriebsanlagenbewilligung als nicht gedeckt angesehen hat und von einer Änderung der Betriebsanlage im Sinn des § 81 GewO 1994 ausgegangen ist, die vom Revisionswerber konsenslos betrieben wurde.
15 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. April 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040130.L00Im RIS seit
12.05.2021Zuletzt aktualisiert am
08.06.2021