TE Vwgh Beschluss 2021/4/14 Ra 2021/18/0027

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Veröffentlicht am 14.04.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A G, vertreten durch Mag. Dr. Birgitta Braunsberger-Lechner und Mag. Thomas Loos, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Leopold-Werndl-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2020, W177 2206158-1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 21. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit einer Bedrohung durch die Taliban begründete.

2        Mit Bescheid vom 30. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dass der Revisionswerber keine asylrelevante Bedrohung habe glaubhaft machen können. Er könne aufgrund der volatilen Sicherheitslage zwar nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren, jedoch auf eine ihm zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif verwiesen werden, weshalb ihm auch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei. Die Rückkehrentscheidung begründete das BVwG damit, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aktualität der Länderberichte und zur Indizwirkung der „EASO Country Guidance: Afghanistan; Common analysis and guidance note, December 2020“ (im Folgenden: EASO-Guidelines) abgewichen. Außerdem habe das BVwG eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, weil es sich auf den persönlichen Eindruck des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung gestützt habe, obwohl in dieser faktisch keine Einvernahme zu den Fluchtgründen stattgefunden habe. Zudem fehle Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Verlesung von Niederschriften in der mündlichen Verhandlung und zum Umfang der Erfordernisse, gemäß derer nach § 25 Abs. 6 VwGVG Beweise unmittelbar in der Verhandlung aufzunehmen seien.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Sofern die Revision zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorbringt, das BVwG habe seinem Erkenntnis nicht die aktuellste Fassung der EASO-Guidelines zugrunde gelegt und sei deshalb von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aktualität der Länderberichte und zur Indizwirkung abgewichen, macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann in Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser geeignet sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 22.2.2021, Ra 2020/18/0525, mwN).

11       Abgesehen davon, dass das BVwG seinem Erkenntnis die im Entscheidungszeitpunkt am 11. Dezember 2020 aktuellste (verfügbare) Fassung der EASO-Guidelines - die Aktualisierung mit Stand Dezember 2020 wurde im Jänner 2021 veröffentlicht - zugrunde legte und der behauptete Verfahrensmangel sohin nicht vorliegt, gelingt es der Revision mit ihren pauschalen Ausführungen, in denen sie lediglich Aspekte anführt, die das BVwG bei seiner Prüfung, ob dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich und zumutbar ist, ohnehin berücksichtigte, auch nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen.

12       Insofern die Revision die Beweiswürdigung des BVwG bemängelt, ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 22.5.2020, Ra 2020/18/0082, mwN). Aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 18. August 2020 geht hervor, dass - entgegen dem Revisionsvorbringen - der Revisionswerber zu seinem Fluchtvorbringen befragt wurde. Das Vorbringen, wonach der Revisionswerber (nur) bei „prozessordnungskonformer“ Einvernahme sein Fluchtvorbringen hätte schildern und somit Widersprüche aufklären hätte können, ist nicht geeignet, die Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des BVwG aufzuzeigen.

13       Wenn die Revision schließlich anführt, es fehle Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Verlesung von Niederschriften in der mündlichen Verhandlung sowie zum Umfang der Erfordernisse, gemäß derer nach § 25 Abs. 6 VwGVG Beweise unmittelbar in der Verhandlung aufzunehmen seien, ist dazu auszuführen, dass mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer bestimmten Frage jedoch noch nicht dargelegt wird, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre. Um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, ist auf die vorliegende Rechtssache bezogen darzulegen, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nämlich nicht zuständig (vgl. VwGH 22.2.2021, Ra 2020/18/0388, mwN). Auch hat der - vor dem BVwG durch eine Rechtsberaterin vertretene - Revisionswerber dem Verzicht auf die Verlesung der für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Aktenteile ausweislich der Niederschrift dezidiert zugestimmt. Folglich entbehrt das Vorbringen in der Revision, wonach Niederschriften verlesen worden seien, ohne dass die explizite Zustimmung der Partei vorgelegen habe, jeglicher faktischen Grundlage.

14       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 14. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180027.L00

Im RIS seit

12.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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