TE Vwgh Beschluss 2021/4/14 Ra 2021/16/0019

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Veröffentlicht am 14.04.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
22/02 Zivilprozessordnung
24/01 Strafgesetzbuch
27/04 Sonstige Rechtspflege

Norm

GEG §1 Z3
StGB §20
StGB §20 Abs1
StGB §20 Abs2
StGB §20 Abs3
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs3
VwRallg
ZPO §409 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofräte Dr. Thoma und MMag. Maislinger als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des S Y in H, vertreten durch Mag. Zoheir Al-Zaher, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Februar 2021, W183 2239603-1/2E, betreffend gerichtliche Einbringung eines Verfallsbetrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. September 2020 war der Revisionswerber des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 2 StGB für schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt worden. Weiters wurde gemäß § 20 Abs. 1 StGB ein Betrag in Höhe von 10.000 € für verfallen erklärt und gemäß § 20a Abs. 3 StGB von einem weiteren Verfall abgesehen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Jänner 2021 ausgesprochene Aufforderung zur Zahlung des Betrages von 10.000 € zuzüglich einer Einhebungsgebühr von 8 € als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        In rechtlicher Hinsicht erwog das Bundesverwaltungsgericht:

„3.2.2. Gemäß § 1 Z 3 GEG sind von Amts wegen unter anderem für verfallen erklärte Geldbeträge einzubringen.

Gemäß § 6b Abs. 4 können im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungsplicht überprüft werden.

Diese Regelung entspricht dem bereits vor dem 01.01.2014 geltenden Grundsatz, dass gegen einen Zahlungsauftrag, mit dem sich aus einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ergebende Beträge vorgeschrieben werden, ein Rechtsmittel nur dann erhoben werden kann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder der Zahlungsauftrag der ihm zugrunde liegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht (vgl. § 7 Abs. GEG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung). Der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung soll - wie die Materialien zu § 6b Abs. 4 GEG, BGBl. I Nr. 190/2013, ausführen - nun eindeutig im Gesetz normiert werden (Regierungsvorlage 2357 der Beilagen XXIV. GP, S 8f; siehe auch Dokalik, Gerichtsgebühren13, § 6b GEG Anm. 7).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Justizverwaltungsorgane an Gerichtsentscheidungen gebunden sind (VwGH 29.04.2013, 2012/16/0131; 23.05.1986, 86/17/0083, siehe auch Dokalik, Gerichtsgebühren13, § 6b GEG E 11 mwN). Es entspricht dem in Art. 94 B-VG normierten Grundsatz der Gewaltentrennung, dass im Verwaltungsverfahren die Verwaltungsbehörden nicht berechtigt sein sollen, die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen zu hinterfragen (VwGH 14.09.2004, 2004/06/0074; 27.01.2011, 2010/06/0127).

3.2.3. Im gegenständlichen Fall steht fest, dass der [Revisionswerber] aufgrund des strafgerichtlichen und rechtskräftigen Urteils verpflichtet ist, den Betrag in Höhe von EUR 10.000,00 zu zahlen. Eine Überprüfung der vom Strafgericht gewählten Rechtsgrundlage für den Verfall des Geldbetrags kann vor dem Hintergrund obiger Judikatur nicht erfolgen. Da dieser Betrag nicht sogleich beglichen wurde, ist auch eine Einhebungsgebühr gem. § 6a Abs. 1 GEG in Höhe von EUR 8,00 vorzuschreiben gewesen.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt abschließend zu dem Ergebnis, dass dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten ist und die Beschwerde daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z 3 und § 6b Abs. 4 GEG abzuweisen war.“

4        Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision damit, weder weiche die angefochtene Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehle es an solcher (siehe die unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur) noch sei diese als uneinheitlich zu beurteilen. Auch lägen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

5        Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision legt ihre Zulässigkeit darin dar, der Revisionswerber habe schon im Verwaltungsverfahren auf die Grundsätze der Bindung der Justizverwaltungsorgane an Gerichtsentscheidungen und der Gewaltentrennung hingewiesen. Faktum sei, dass keinerlei gerichtliche Entscheidung bestehe, wonach er zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichtet wäre. Die gegenständlich zu Grunde liegende Gerichtsentscheidung sei lediglich der Verfallsausspruch nach § 20 Abs. 1 StGB. Ein solcher sei auf sichergestellte oder beschlagnahmte Vermögenswerte beschränkt. Soweit die dem Verfall unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt seien, habe das Gericht nach § 20 Abs. 3 StGB einen Geldbetrag für verfallen zu erklären. Erst hiedurch entstehe ein schuldrechtlicher Anspruch, welcher den Betroffenen zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichte. Ein solcher Ausspruch nach § 20 Abs. 3 StGB sei jedoch in der nunmehr rechtskräftigen Gerichtsentscheidung nicht erfolgt. Bei konsequenter Beachtung des Prinzips der Bindung der Justizverwaltungsorgane an Gerichtsentscheidungen könne es nicht gleichgültig sein, ob ein Ausspruch nach § 20 Abs. 3 StGB erfolgt sei oder nicht. Die bisherige Vorgangsweise im gegenständlichen Verfahren insinuiere jedoch die Gleichgültigkeit eines Ausspruches nach § 20 Abs. 3 StGB. Lediglich ein solcher würde aber eine Grundlage für eine Zahlungsverpflichtung des Betroffenen bilden. In Ermangelung eines solchen Ausspruches missachte jedoch das Justizverwaltungsverfahren die Bindung an die Gerichtsentscheidung im Grundverfahren und weiche somit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

6        Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

7        In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist auf die vorliegende Rechtssache bezogen konkret aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe darstellten (VwGH 21.1.2020, Ra 2019/16/0221, mwN). Hiezu reicht auch eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen ebenso wenig wie die bloße Zitierung aus Literaturfundstellen ohne jegliche Bezugnahme auf solche Rechtsprechung (VwGH 21.1.2020, Ra 2019/16/0221).

8        Gemäß § 20 Abs. 1 StGB hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären.

Nach Abs. 2 leg. cit erstreckt sich der Verfall auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der nach Abs. 1 für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte.

Soweit die dem Verfall nach Abs. 1 oder 2 leg. cit. unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind (§§ 110 Abs. 1 Z 3, 115 Abs. 1 Z 3 StPO), hat das Gericht nach Abs. 3 leg. cit. einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den nach Abs. 1 und Abs. 2 erlangten Vermögenswerten entspricht.

9        Während der Verfall nach § 20 Abs. 1 und 2 StGB gegenstandsbezogen ist und dingliche Wirkung entfaltet, soweit es sich um körperliche Gegenstände handelt, ist jener nach Abs. 3 leg. cit. personen- und vermögensbezogen (vgl. etwa Fuchs/Tipold in WK StGB², Rz. 2 und 47 zu § 20 StGB). Der (gegenständlich wirkende) Verfall nach Abs. 1 oder 2 leg. cit. ist auf sichergestellte und beschlagnahmte Vermögenswerte beschränkt; ist diese prozessuale Sicherungsmaßnahme - aus welchen Gründen immer - unterblieben, ist auf den (schuldrechtlichen) Verfall eines Ersatzbetrages nach Abs. 3 leg. cit. umzusteigen (Fuchs/Tipold, aaO, Rz 67 zu § 20 StGB).

So ist bei ununterscheidbarer Vermengung von Geldscheinen ein Verfall nach Abs. 1 leg. cit auszusprechen, solange es zwingend ist, dass der Betrag in dieser Geldmenge enthalten ist. Andernfalls ist nach Abs. 3 leg. cit. vorzugehen, wobei der Inhalt des Verfallserkenntnisses nahezu derselbe ist, nur bezieht sich die Zahlungsverpflichtung auf das Vermögen des Betroffenen und wirkt daher rein schuldrechtlich (Fuchs/Tipold, aaO, Rz 3 zu § 20 StGB).

10       Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 21. September 2020 hatte das Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 20 Abs. 1 StGB einen Geldbetrag von 10.000 € für verfallen erklärt.

11       Der geltend gemachte Umstand, dass es sich bei dem für verfallen erklärten Geldbetrag nicht um sichergestelltes oder beschlagnahmtes Vermögen handle und das Landesgericht eine unzutreffende Rechtsgrundlage herangezogen habe, hätte im Rahmen eines Rechtsmittels gegen diesen Ausspruch ins Treffen geführt werden können und müssen, ändert aber nichts mehr am normativen Gehalt des rechtskräftigen Ausspruches über den Verfall eines ausschließlich ziffernmäßig bestimmten Geldbetrages und damit an der schuldrechtlichen Verpflichtung des Revisionswerbers, woran die Vorschreibungsbehörde gebunden ist.

12       Gemäß § 409 Abs. 2 StPO und § 1 Z 3 GEG sind von ordentlichen Gerichten in Strafsachen verhängte Geldstrafen aller Art, konfiszierte Ersatzwerte sowie für verfallen erklärte Geldbeträge von Amts wegen einzubringen.

Das Verwaltungsgericht gründete das angefochtene Erkenntnis auf § 6b Abs. 4 GEG sowie auf die zur Vorgängerbestimmung des § 7 Abs. 1 GEG in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes - Justiz - VAJu, BGBl. I Nr. 190/2013, und auf die in der Folge zu § 6b Abs. 4 GEG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und erachtete sich darnach an diesen schuldrechtlichen Verfallsausspruch gebunden.

13       Die Revision zeigt im Rahmen der Darlegung ihrer Zulässigkeit nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht auf, inwiefern sich das angefochtene Erkenntnis in seinen Erwägungen konkret in Widerspruch zu Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes setzte.

Vielmehr stellt diese Darlegung den - unzulässigen - Versuch dar, entgegen § 6b Abs. 4 GEG die Rechtmäßigkeit des mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. September 2020 ausgesprochenen Verfalls eines ziffernmäßig bestimmten Geldbetrages in Frage zu stellen.

14       Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Ausspruch über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 14. April 2021

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021160019.L00

Im RIS seit

10.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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