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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §38Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des G P in M, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Reisinger, Rechtsanwalt in 8480 Mureck, Grazer Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 18. Jänner 2021, Zl. LVwG 70.8-1154/2020-11, betreffend Verhängung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Verwaltungsgericht - durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs. 1 WaffG ein Waffenverbot; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Der damals 77-jährige Revisionswerber sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 24. Jänner 2019 wegen der Vergehen der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB iVm § 28 Abs. 1 StGB in drei Fällen verurteilt worden: Er habe zwischen dem 1. und dem 11. September 2017 den R und den M durch die Ankündigung „Verschwindets von hier, sonst schmeiß ich euch in die Mur!“, wobei er den Genannten mit einer Heckenschere in der Hand nachgelaufen sei, am 14. September 2017 den R, indem er ihm mit erhobener Axt nachgelaufen sei, und am 19. April 2018 den M, den R und den F durch die Aufforderung „Verschwindets von hier!“, wobei er eine Schrotflinte in der Hand gehalten und in der Folge mit dieser einen Schuss in die Luft abgegeben habe, jeweils durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zum Verlassen einer Örtlichkeit genötigt.
3 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das festgestellte aggressive Verhalten des Revisionswerbers in mehreren Fällen lasse den Schluss auf nach § 12 Abs. 1 WaffG zu befürchtende zukünftige Verhaltensweisen zu. Hinzu trete, dass der Revisionswerber sein Verhalten bagatellisiert und heruntergespielt habe (was näher ausgeführt wurde). Daran ändere die Ausstellung des Europäischen Feuerwaffenpasses an den Revisionswerber am 26. September 2019 - also nach jenen Vorfällen, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt worden sei - nichts. Nicht entscheidend sei auch, dass der Revisionswerber mit den Betroffenen zwischenzeitig keinen Kontakt mehr gehabt habe, könne sich seine bei den Vorfällen zu Tage getretene Aggressionsbereitschaft doch auch in anderen Zusammenhängen manifestieren.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst Folgendes geltend:
9 Das angefochtene Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (zitiert wird VwGH 30.11.2000, 98/20/0425) insofern ab, als dann, wenn keine Tatsachen die Annahme rechtfertigten, jemand werde Waffen missbräuchlich iSd § 8 Abs. 1 Z 1 erster Fall WaffG verwenden, die Verhängung eines Waffenverbots nicht in Betracht komme. Durch Ausstellung eines „Waffenpasses“ am 26. September 2019 sei dokumentiert, dass der Revisionswerber von der belangten Behörde als verlässlich iSd § 8 Abs. 1 Z 1 erster Fall WaffG beurteilt worden sei; die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung von Waffen bestehe daher nicht.
Zudem habe das Verwaltungsgericht eine Heckenschere unter den Waffenbegriff iSd § 1 WaffG subsumiert, obwohl diese keine Waffe iSd § 1 WaffG darstelle; zu dieser Frage liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor.
10 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
11 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117, mwN, verwiesen.
12 Danach ist - zusammengefasst - für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.
13 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.
14 Liegen dem Waffenverbot Tatsachen zugrunde, die auch Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens waren, so ist überdies auf folgende Leitlinien in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen:
Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches eines Strafurteiles bewirkt, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat. Im Fall einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht besteht daher eine Bindung der Verwaltungsbehörde - wie auch des Verwaltungsgerichts - in der Frage, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand erfüllt wurde. Durch die gerichtliche Verurteilung wird in bindender Weise über die Begehung der Tat abgesprochen. Eine eigene Beurteilung durch die Waffenbehörde ist damit nicht mehr zulässig, diese ist verpflichtet, die so entschiedene Frage ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Im Falle eines freisprechenden Urteils hat die Waffenbehörde und das nachprüfende Verwaltungsgericht hingegen eigenständig zu beurteilen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der nach den hiefür vom WaffG vorgegebenen Kriterien die Erlassung des Waffenverbots rechtfertigt (vgl. zuletzt etwa VwGH 11.11.2019, Ra 2019/03/0130, mwN).
15 Vor dem dargestellten Hintergrund (der Revisionswerber war wegen der in Rede stehenden Handlungen rechtskräftig nach § 105 Abs. 1 StGB verurteilt worden) war das Verwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, seiner Beurteilung zu Grunde zu legen, dass der Revisionswerber in der genannten Weise Dritte durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper genötigt hat. Dass derartige Nötigungen ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln können und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotenzials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermögen, entspricht den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. - zu einer gefährlichen Drohung iSd § 107 Abs. 1 StGB - erneut VwGH Ra 2019/03/0130, mwN). Der behauptete Widerspruch zu Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs liegt daher nicht vor.
16 An dieser Beurteilung ändert nichts, dass dem Revisionswerber am 26. September 2019 - und damit nach den in Rede stehenden, das Waffenverbot begründenden Vorfällen - gemäß § 36 WaffG ein Europäischer Feuerwaffenpass (also - entgegen der Revision - nicht ein Waffenpass nach § 21 Abs. 2 WaffG) ausgestellt wurde: Diese Urkunde berechtigt nicht zum Erwerb und zum Führen von Schusswaffen, sondern bloß zur Mitnahme der eingetragenen Schusswaffen in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 36 Abs. 1 WaffG), und es ist bei Ausstellung des Europäischen Feuerwaffenpasses eine Verlässlichkeitsüberprüfung iSd § 8 WaffG - anders als bei Ausstellung einer Waffenbesitzkarte und eines Waffenpasses - nicht vorzunehmen (vgl. § 36 Abs. 2 und 3 WaffG). Schon deshalb konnte die für die Verhängung des Waffenverbots entscheidende Prognosebeurteilung auf die in Rede stehenden Vorfälle gestützt werden, auch wenn danach ein Europäischer Feuerwaffenpass ausgestellt wurde (vgl. hingegen - zur fehlenden Relevanz eines vor Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gesetzten Verhaltens im diesbezüglichen Entziehungsverfahren - etwa VwGH 26.11.2003, 99/20/0489).
17 Mit der behaupteten unrichtigen Qualifizierung einer Heckenschere als Waffe iSd § 1 WaffG kann schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden, weil das Verwaltungsgericht - entgegen der Revision - eine solche Zuordnung gar nicht vorgenommen hat. Abgesehen davon kann die Androhung oder Anwendung von Gewalt auch dann, wenn dabei keine Waffe verwendet wird, eine Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbots darstellen (vgl. etwa VwGH 4.9.2018, Ra 2018/03/0090, mwN).
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
19 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. April 2021
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030039.L00Im RIS seit
14.05.2021Zuletzt aktualisiert am
01.06.2021