TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/25 95/19/1910

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Veröffentlicht am 25.04.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §1 Z1;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §1 Z4;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z1;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. September 1995, Zl. 303.174/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der in Wien geborene Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage über einen Besuchssichtvermerk für den Zeitraum vom 30. Oktober 1992 bis 30. Jänner 1993 sowie über Touristensichtvermerke für folgende Zeiträume:

3. März 1993 bis 1. April 1993

6. Juli 1993 bis 8. September 1993

21. Dezember 1993 bis 27. Jänner 1994

30. Jänner 1995 bis 20. Februar 1995

Der Beschwerdeführer verfügt überdies über einen Befreiungsschein mit Geltungsdauer vom 2. Oktober 1993 bis 1. Oktober 1998.

Er beantragte am 10. Februar 1995 beim österreichischen Generalkonsulat in Triest die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab er das Zusammenleben mit seinen Geschwistern in Österreich an.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. September 1995 wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Damit liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.

Die öffentlichen Interessen überwögen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 Abs. 2

MRK.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluß der Verwaltungsakten abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (28. September 1995) hatte die belangte Behörde das Aufenthaltsgesetz in seiner Fassung nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die in diesem Zeitpunkt in Kraft gestandene, am 27. Juni 1995 ausgegebene, Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 408/1995 anzuwenden.

§ 2 Abs. 3, § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lauteten auszugsweise:

"§ 2. ...

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

...

4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z 2), Angehörige österreichischer Staatsbürger (§ 3 Abs. 1 Z 1), Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, sowie Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines und deren Familienangehörige im Sinne des § 3, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, ...

§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 6. (1) ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig:

... schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

§ 10 Abs. 1 FrG lautet auszugsweise:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll; ..."

§ 1 und § 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lauteten auszugsweise:

"§ 1. Folgende Personen werden von der Anrechnung auf die in der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1023/1994, festgelegte Zahl von Bewilligungen ausgenommen:

1. in Österreich geborene Kinder von Fremden, die aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörige im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten.

...

§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

1. in Österreich geborenen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,

...

3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörige im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten.

..."

Vorauszuschicken ist zunächst, daß der Beschwerdeführer der Annahme der belangten Behörde, er sei mit einem Touristensichtvermerk eingereist und wolle seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verlängern, nicht entgegentritt.

Unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß ihm im Laufe des Verwaltungsverfahrens das rechtliche Gehör vorenthalten worden sei und er daher seine für die Entscheidung der Behörde wesentlichen persönlichen Verhältnisse nicht habe darlegen können.

Dem ist jedoch zu entgegnen, daß bereits die erstinstanzliche Behörde ihren Bescheid auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG stützte und der Beschwerdeführer daher Gelegenheit hatte, in seiner Berufung hiezu Vorbringen zu erstatten. Fehlendes Parteiengehör im Verfahren erster Instanz kann durch die Berufung saniert werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 93/07/0112).

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt der Beschwerdeführer zunächst, daß die erstinstanzliche Behörde einen abweisenden Bescheid erlassen habe. "Die Antragstellung im Inland" stelle in seinem Fall allenfalls einen Formmangel, nicht jedoch eine "materielle Rechtswidrigkeit" dar. Allenfalls wäre daher sein Antrag zurückzuweisen gewesen. Insofern sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf MUZAK, Die Aufenthaltsberechtigung im österreichischen Fremdenrecht, 208 f, beruft, ist ihm einerseits zu entgegnen, daß sich die dortigen Ausführungen dieses Autors nicht auf den hier gebrauchten Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, sondern auf jenen des § 6 Abs. 2 AufG beziehen. Im Gegensatz zur Meinung MUZAKS vertritt der Verwaltungsgerichtshof jedoch zu § 6 Abs. 2 AufG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, es handle sich bei dem dort umschriebenen Erfordernis um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung zwingend die ABWEISUNG des Antrages nach sich zieht (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/1154).

Auch die Anordnung des § 5 Abs. 1 AufG, wonach einem Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden darf, bei dem ein Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt, ist dahingehend zu verstehen, daß in einem solchen Fall sein Antrag ab- und nicht etwa zurückzuweisen ist.

Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, er sei als Inhaber eines Befreiungsscheines und Angehöriger aufenthaltsberechtigter Fremder zur Antragstellung im Inland legitimiert.

Selbst wenn der Beschwerdeführer aus dem Grunde des § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen wäre, wäre für ihn in Ansehung des von der belangten Behörde gebrauchten Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG aus folgenden Gründen nichts gewonnen:

Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des § 6 Abs. 2 AufG in Verbindung mit § 3 Z. 1 und 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 einerseits und des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG andererseits ergibt sich, daß die Ausnahmebestimmungen vom Grundsatz der Antragstellung vom Ausland aus jenen Fremden zugutekommen sollen, die entweder in Österreich als Kinder der in § 3 Z. 1 der genannten Verordnung umschriebenen Fremden geboren wurden oder die die Frist zur Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung versäumten, ihren Inlandsaufenthalt jedoch dessenungeachtet fortsetzten. SOLCHEN Fremden sollte, so sie die Voraussetzungen des § 3 Z. 1 oder 3 der in Rede stehenden Verordnung erfüllten, die Ausreise vor einer neuerlichen Antragstellung erspart werden. Hat ein Fremder - wie der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptete - das Bundesgebiet nach dem mehr als zwei Jahre vor der gegenständlichen Antragstellung erfolgten Ablauf seiner letzten Berechtigung zu einem längerdauernden Aufenthalt verlassen und sich in der Folge lediglich zeitweise zu Besuchs- oder touristischen Zwecken in Österreich aufgehalten, so besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, ihm im Anschluß an eine Erstantragstellung vom Ausland aus die Wiedereinreise unter Verwendung eines Touristensichtvermerkes und den daran anschließenden weiteren (unrechtmäßigen) Aufenthalt im Inland bis zur Entscheidung über seinen - gemäß § 1 Z. 1 und 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 dann nicht quotenabhängigen - Antrag ohne Schaden für dessen Erfolg zu ermöglichen. Daß solche Fremde die Entscheidung über ihren nicht quotenabhängigen Erstantrag im Ausland abzuwarten haben, erscheint nicht unsachlich. Die Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG wird daher durch die Ausnahmebestimmungen des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG in Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 jedenfalls im vorliegenden Fall nicht berührt.

Insoweit sich der Beschwerdeführer auf ein Recht zur Inlandsantragstellung aufgrund des § 2 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, beruft, ist ihm zu entgegnen, daß sein Beschwerdevorbringen, er sei Bosnier, gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verstößt, zumal er in seinem Bewilligungsantrag als Staatsangehörigkeit "Jug" angab.

Zutreffend hat die Behörde auch erkannt, daß eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden bei einer auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1452).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191910.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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