Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs1 Z1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in den Revisionssachen 1. des J G und 2. der K A, beide in W und beide vertreten durch Mag. Leonhard Kregcjk, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 1/12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2020, Zlen. L519 2146963-1/17E und L519 2147101-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind miteinander verheiratet und Staatsangehörige des Irak. Sie stellten am 11. Februar 2016 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen brachten sie vor, aus religiösen sowie politischen Gründen, insbesondere auf Grund der angestrebten Polizeikarriere einer ihrer Söhne, von schiitischen Milizen verfolgt zu werden.
2 Mit Bescheiden vom 25. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge jeweils zur Gänze ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 In der Begründung führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass sich im konkreten Fall alleine aus dem Vorbringen, wonach die intensive Gefahr von Repressalien der radikal-schiitischen Milizen gegenüber der sunnitischen Zivilbevölkerung bestünde, keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ableiten ließe. Überdies seien die revisionswerbenden Parteien auf Grund zahlreicher Unplausibilitäten und Widersprüche in ihren Angaben unglaubwürdig. Die revisionswerbenden Parteien, die über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfügen würden, hätten im Fall der Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz Bagdad keine Verletzung ihrer nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte zu befürchten. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung führte das BVwG mit näherer Begründung aus, dass die öffentlichen Interessen an einer Außerlandesbringung die privaten Interessen der Revisionswerber an einem Verbleib im Inland überwiegen würden.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG. Dieses habe im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Fluchtvorbringen der revisionswerbenden Parteien aus Mangel an vorgelegten Beweisen die Glaubwürdigkeit versagt.
7 Der Verwaltungsgerichtshof ist - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 10.2.2021, Ra 2020/19/0446, mwN).
8 Im vorliegenden Fall hat sich das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von den revisionswerbenden Parteien verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung mit dem Fluchtvorbringen auseinandergesetzt. Das BVwG stützte sich in seiner Beweiswürdigung neben der Nichtvorlage von einschlägigen Beweismitteln insbesondere auf die vage Darstellung des Mordversuches am gemeinsamen Sohn der revisionswerbenden Parteien sowie die als unplausibel gewerteten Angaben, wonach die revisionswerbenden Parteien bis kurz vor ihrer Ausreise im eigenen Haus gelebt hätten, obwohl sie dadurch von den schiitischen Milizen leicht hätten ergriffen werden können. Zudem stützte sich das BVwG auf die fehlenden Bemühungen der revisionswerbenden Parteien, Hilfe durch die Polizei im Herkunftsstaat zu erhalten.
Dass das BVwG seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
9 Darüber hinaus rügt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Das BVwG habe zur Begründung seiner Entscheidung nicht auf die aktuelle Sicherheitslage im Herkunftsstaat, sondern vielmehr auf eine ungewisse, vorgeblich positive Entwicklung derselben abgestellt. Überdies habe es das BVwG unterlassen, zwischen der am 18. April 2017 erfolgten mündlichen Beschwerdeverhandlung und der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses vom 23. November 2020 Ermittlungen im Allgemeinen sowie zum Privat- und Familienleben der revisionswerbenden Parteien im Speziellen zu tätigen. Es habe sich stattdessen lediglich auf die Angaben der revisionswerbenden Parteien im Verfahren vor dem BFA zurückgezogen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 9.2.2021, Ra 2020/19/0018, mwN). Werden Verfahrensmängel - wie Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0170, mwN). Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 2.3.2021, Ra 2021/19/0043, mwN).
Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem diesbezüglichen, bloß allgemeinen Vorbringen, das BVwG wäre zu einer anderen, für die revisionswerbenden Parteien günstigeren Entscheidung gelangt und hätte deren Antrag auf Asyl bzw. subsidiären Schutz positiv erledigt, wenn es ausreichend ermittelt und insbesondere „den aktuellen Stand zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung“ erhoben hätte, nicht gerecht.
11 Soweit die revisionswerbenden Parteien schließlich rügen, das BVwG habe nicht spätestens sechs Monate nach Einlangen der gegen die Bescheide des BFA vom 25. Jänner 2017 gerichteten Beschwerden entschieden, behaupten sie eine Verletzung der Entscheidungspflicht. Damit machen sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses geltend (vgl. VwGH 5.11.2020, Ra 2020/10/0074, mwN).
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. April 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190453.L00Im RIS seit
12.05.2021Zuletzt aktualisiert am
08.06.2021