TE Vwgh Beschluss 2021/4/23 Ra 2021/09/0032

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Veröffentlicht am 23.04.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art133 Abs4
COVID-19-MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 idF 2020/II/107
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §2
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §2 Z1
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5
EpidemieG 1950 §43 Abs4a
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A Gesellschaft mbH & CO KG in B, vertreten durch die Anwälte Mandl & Mitterbauer GmbH in 4950 Altheim, Wiesnerstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 6. Oktober 2020, LVwG-750988/2/MZ, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung von Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Antrag vom 14. Mai 2020 begehrte die Revisionswerberin - die Betreiberin einer privaten Sonderkrankenanstalt und Rehabilitationseinrichtung - gestützt auf § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) Vergütung für den ihr im Zeitraum vom 16. März bis 12. Mai 2020 eingetretenen Verdienstentgang. Der über den Zeitraum des mit 1. Mai 2020 außer Kraft getretenen Betretungsverbots hinausgehende Anspruch ergebe sich aus der für die Wiedereröffnung erforderliche Vorlaufzeit.

2        Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diesen Antrag gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

3        Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass die sogenannte „Betriebsschließung bzw. -beschränkung“ hier auf Basis der gemäß § 2 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) erlassenen Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020 idF BGBl. II Nr. 107/2020 erfolgt sei. Nach § 3 dieser Verordnung sei von 20. März 2020 bis 30. April 2020 das Betreten von Kuranstalten und Einrichtungen, die der Rehabilitation dienten für Patienten und Patientinnen - mit Ausnahmen - verboten gewesen. Auch wenn gemäß § 4 Abs. 3 COVID-19-MG die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt blieben, ändere dies nichts daran, dass durch die belangte Behörde keine Maßnahme nach § 20 EpiG (oder einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes) gegen die Revisionswerberin gesetzt worden sei. Ein Entschädigungsanspruch gemäß § 32 EpiG sei daher zu verneinen. Die dadurch bewirkte Entschädigungslosigkeit sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a.).

4        Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der nach den in Betracht kommenden Normen klaren und eindeutigen Rechtslage, die auch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt sei.

5        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revisionswerberin sieht die Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen darin gelegen, dass zur Frage der Vergütung für den Verdienstentgang im Zusammenhang mit COVID-19 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege und die Rechtslage hier keinesfalls klar und eindeutig sei.

8        § 4 Abs. 3 COVID-19-MG ordne ausdrücklich an, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt blieben. Es kämen daher die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 zur Anwendung, soweit nicht in der Verordnung gemäß § 2 Z 1 COVID-19-MG eine Regelung getroffen sei.

9        § 4 Abs. 2 COVID-19-MG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020 widersprächen der bereits auf Grundlage des § 32 EpiG bestehenden Rechtslage und dem damit verbundenen Vergütungsanspruch, der bei Verordnungen nach §§ 1 und 2 Z 1 COVID-19-MG nicht mehr vorgesehen sei. Es liege deshalb eine echte, planwidrige Rechtslücke vor, die durch analoge Anwendung der Bestimmung des § 32 EpiG zu schließen sei. Der Gesetzgeber habe durch § 1 COVID-19-MG bloß die Möglichkeit zur Erlassung von Betretungsverboten schaffen wollen. Führe ein solches aber faktisch zu einer Betriebsschließung sei die Verordnungsermächtigung nicht ausreichend und zur Lückenschließung das Epidemiegesetz 1950 heranzuziehen. Auch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., sei diese Regelungslücke nicht geschlossen worden.

10       Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt:

11       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision zum einen etwa dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124).

12       Zum anderen ist die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 25.2.2020, Ra 2019/09/0108).

13       Die von der Revisionswerberin zur Begründung ihres Anspruchs herangezogene Bestimmung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG stellt schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt auch nach dem Zulässigkeitsvorbringen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor, erfolgten die Einschränkungen doch durch die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020, in der Fassung BGBl. II Nr. 107/2020. Insoweit wurde die Rechtslage zudem bereits durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt (vgl. zu einem vergleichbaren Fall auch VwGH 13.4.2021, Ra 2021/09/0020).

14       Soweit im Zulässigkeitsvorbringen mit einer Gleichheitswidrigkeit im Bestehen eines Vergütungsanspruchs bei Betriebsbeschränkungen und -schließungen nach § 20 EpiG und dem Fehlen eines solchen bei Betretungsverboten nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz argumentiert wird, ist darauf hinzuweisen, dass Normbedenken keine grundsätzliche, vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darstellen (VwGH 6.3.2018, Ra 2018/11/0022, mwN). Überdies wurden solche Bedenken vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., nicht geteilt (siehe etwa auch VfGH 10.12.2020, V 535/2020, zum Ausschluss der Umdeutung einer auf § 2 COVID-19-MG gestützten Verordnung in eine solche nach dem Epidemiegesetz 1950 bei Fehlen einer Verordnungsermächtigung in § 43 Abs. 4a EpiG).

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 23. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090032.L00

Im RIS seit

13.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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