Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. E*****, vertreten durch Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ramin Mirfakhrai, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 3, 6 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 2 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. September 2020, GZ 39 R 230/20t-110, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag nach § 6 Abs 2 MRG. Das Erstgericht bewilligte aufgrund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Teilsachbeschlusses die Zwangsverwaltung einer im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Liegenschaft zur Durchführung von im Einzelnen konkret bezeichneten Erhaltungsarbeiten im Stiegenhaus des darauf errichteten Mehrparteienhauses sowie im Bestandobjekt der Antragstellerin.
[2] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist das rechtliche Gehör im Außerstreitverfahren auch dann gewahrt, wenn sich die Partei schriftlich äußern hätte können oder geäußert hat (RIS-Justiz RS0006048; RS0006036). Eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren außer Streitsachen wird daher geheilt, wenn die Partei die Möglichkeit hatte, ihren Standpunkt in einem Rechtsmittel zu vertreten (RS0006057 [T11; T12]). Für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren gilt, dass die in der Nichtbeteiligung eines Hauptmieters gelegene Verletzung des Parteiengehörs dann saniert ist, wenn er nach Zustellung der Sachentscheidung, die auch durch Hausanschlag erfolgen kann, kein Rechtsmittel erhebt (vgl G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 58 AußStrG Rz 9).
[5] 1.2 Nach der Aktenlage hat der Erstrichter die Zustellung des Sachbeschlusses des Rekursgerichts durch Hausanschlag in allen Stiegenhäusern (dazu § 37 Abs 3 Z 4 MRG) verfügt. Der Hausanschlag wurde auch vollzogen. Weitere Mieter haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Damit ist die von der Antragsgegnerin gerügte Nichtbeiziehung aller Mieter des Hauses (dazu T. Hausmann/O. Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 6 MRG Rz 23) selbst dann saniert (dazu 5 Ob 191/13v), wenn der Anschlag des Sachbeschlusses erster Instanz tatsächlich nur an einer von zwei Stiegen des Hauses erfolgt sein sollte, wie sie durch die Vorlage einer eidestättigen Erklärung der „Geschäftsführerin der örtlichen Bauaufsicht“ zu belegen versucht. Dass auch der Sachbeschluss des Rekursgerichts nur an einer Stiege angeschlagen worden wäre, behauptet die Revisionsrekurswerberin nicht und kann damit auch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen, zumal es auch nicht um die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs geht.
[6] 2. Bereits das Rekursgericht hat das Vorliegen eines Verfahrensmangels verneint, weil der von der Antragsgegnerin beantragte Lokalaugenschein unterblieben ist. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann nicht mehr zum Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens gemacht werden (RS0050037 [T2]). Die als Verletzung des Dispositionsgrundsatzes gerügte angebliche Überschreitung des Verfahrensgegenstands durch das Erstgericht begründet – wie die Antragsgegnerin selbst erkennt – auch im Verfahren Außerstreit lediglich eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RS0007501 [T8]), die vom Rekursgericht aber ebenfalls bereits verneint wurde.
[7] 3.1 Der in Rechtskraft erwachsene Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG ist gemäß § 6 Abs 2 MRG ein Exekutionstitel, der nach fruchtlosem Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses (und die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich) als betreibende Partei zum Antrag berechtigt, für die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, die Aufnahme und Tilgung des dafür erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter zu bestellen (5 Ob 265/15d mwN). Dazu ist (nur) vorausgesetzt, dass trotz Verstreichens der gesetzten Frist die Durchführung der Arbeiten unterblieben ist und der Antrag im Exekutionstitel Deckung findet (5 Ob 30/11i mwN).
[8] 3.2 Im Verfahren zur Bewilligung der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG ist nur zu prüfen, ob die mit Sachbeschluss aufgetragenen Arbeiten schon durchgeführt sind oder nicht (vgl RS0116300). Ein ausreichend substantiiertes Vorbringen, dass sie diese Arbeiten bereits durchgeführt hätte, hat die Antragsgegnerin nicht erstattet. Die von ihr – wie bereits im Rekursverfahren – behauptete Fertigstellung von Arbeiten findet im Sachverhalt auch keine Deckung. Sie hat im Verfahren erster Instanz auch nicht konkret behauptet, dass (auch nur einzelne) vom Auftrag erfasste Arbeiten zur Gänze erledigt seien, sondern sich neben einer pauschalen Bestreitung der Behauptungen der Antragstellerin lediglich auf den Standpunkt zurückgezogen, dass die Arbeiten nicht in der im Auftrag vorgesehenen Form zu erledigen seien. Damit ist es aber nicht zu beanstanden, wenn das Rekursgericht ausgehend von der Sachlage im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung (RS0069303) die im Rekurs behauptete Fertigstellung von Arbeiten als Verstoß gegen das Neuerungsverbot (RS0070485 [T2]) beurteilte.
[9] 3.3 Die Beurteilung des Umfangs des Gegenstands eines Exekutionstitels richtetet sich nach dessen Spruch, weswegen sich die Exekution grundsätzlich streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten hat (vgl RS0000207; RS0000205 ua). Lediglich zur Auslegung und Beurteilung der Tragweite des Spruchs der Entscheidung können auch die Entscheidungsgründe herangezogen werden (vgl RS0000300; 5 Ob 265/15d).
[10] 3.4 Dass die Anbringung einer Vorsatzschale Gegenstand des Titelverfahrens gewesen wäre, behauptet selbst die Antragsgegnerin nicht. Damit weichen aber auch die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht von den in der Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen ab, wenn sie entsprechend dem Wortlaut des Titels die Sanierung der Mauerrisse zum Gegenstand ihrer Entscheidung machten und nicht die Errichtung einer Vorsatzschale, auf die sich die Antragstellerin im Bewilligungsverfahren berufen hat. Mit ihrer Argumentation zur behaupteten Unbestimmtheit des Titels hat sich bereits das Rekursgericht ausführlich auseinandergesetzt und auf die im Auftrag enthaltenen spezifischen Fachbegriffe verwiesen, die eine klare Zuordnung erlauben. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dieser Frage kann die Antragsgegnerin, die sich insoweit darauf beschränkt, die Argumentation ihres Rekurses zu wiederholen, nicht aufzeigen.
[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Textnummer
E131155European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00228.20W.0301.000Im RIS seit
12.05.2021Zuletzt aktualisiert am
30.07.2021