TE OGH 2021/3/18 5Ob182/20f

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Veröffentlicht am 18.03.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A***** G*****, vertreten durch die Sluka Hammerer Tevini Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei C***** A*****, vertreten durch die Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Beseitigung und Wiederherstellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 6. August 2020, GZ 53 R 89/20z-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 11. Februar 2020, GZ 25 C 657/19t-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin und der Beklagte sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Das Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten ist eines von vier Geschäftslokalen im Erdgeschoss des Hauses.

[2]       Im Zusammenhang mit der notwendigen Sanierung der Geschäftsportale erteilten sämtliche Wohnungseigentümer im Jahr 2016 ihre Zustimmung dazu, die Geschäftsportale und Schaufenster hinter die äußere Laibung der zur Liegenschaft gehörigen Arkaden zu setzen und so die Fläche der Arkadengänge in die Geschäftsräumlichkeiten zu integrieren. Die diesbezügliche Einverständniserklärung (unter anderem) der Klägerin vom 10. 9. 2016 hatte folgenden Wortlaut: „(…) erkläre mich hiermit damit einverstanden, dass die aktuell als allgemeine Fläche bestehenden Arkadengänge soweit als möglich in die Geschäftslokale miteinbezogen werden, sofern im gleichen Zuge die Instandhaltungspflicht für die Geschäftsportale auf die Eigentümer der Geschäftslokale übergeht. Ebenso bin ich mit einer zukünftigen Heraussetzung der Geschäftsportale an die äußere Laibung sowie der Errichtung eines anschließenden Gehsteiges einverstanden. (…)“

[3]       Die Baubewilligung für den Umbau lag Anfang November 2017 vor; durchgeführt wurde er im Juli 2018. Im Zug dieser Umbauarbeiten ließ der Beklagte auf der Parkfläche im Bereich des Eingangs zu seinem Geschäftslokal eine Rampe vom Parkplatz zum Gehsteig im Ausmaß von ca 1,20 x 1,20 Meter errichten.

[4]       Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (nur mehr) das Begehren der Klägerin, den Beklagten zu verpflichten, diese Rampe zu entfernen und den vorigen Zustand (Asphaltfläche) wieder herzustellen.

[5]       Das Erstgericht gab diesem Klagebegehren statt. Die vom Beklagten beauftragte und diesem daher zurechenbare Errichtung der Rampe an der Vorderseite seines Geschäftslokals sei ein Eingriff in allgemeine Liegenschaftsteile, dem sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer zustimmen hätten müssen; dies sei nach den Feststellungen aber nicht der Fall. Aus der Erklärung vom 10. 9. 2016 könne eine solche Zustimmung nicht abgeleitet werden. Angesichts des kurzen Zeitraums zwischen der Fertigstellung der Umbauarbeiten und den von der Klägerin erhobenen Einwänden (nicht einmal ein Jahr) habe der Beklagte auch nicht von einer konkludenten Zustimmung der Klägerin ausgehen können.

[6]       Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Dem Wortlaut der Zustimmungserklärung könne nicht entnommen werden, dass im Zusammenhang mit dem Geschäftslokal des Beklagten eine Rampe errichtet werden solle. Die baubehördliche Bewilligung einer Änderung an Wohnungseigentumsobjekten sei für die Beurteilung des zivilrechtlichen Untersagungsrechts ohne Bedeutung. Aus der eindeutig formulierten Zustimmung zu bestimmten Umbaumaßnahmen dürfe daher nicht darauf geschlossen werden, dass von dieser Zustimmung auch alle Maßnahmen umfasst seien, die sich im Rahmen der baubehördlichen Bewilligung noch zusätzlich als notwendig erweisen. Es wäre vielmehr am Beklagten gelegen gewesen, die erst später konkret geplante Ausführung (unter Berücksichtigung der Rampe) noch einmal mit den anderen Wohnungseigentümern zu besprechen und eine ausreichend detaillierte Zustimmungserklärung einzuholen.

[7]       Ergänzende Feststellungen über den Zeitpunkt des Abschlusses der Bauarbeiten im Sommer 2018, die entsprechende Kenntnis der Klägerin und dazu, dass sich die Klägerin zunächst im März 2019 nur gegen die – im Revisionsverfahren nicht mehr strittige – Fluchttüre und erst im Juni 2019 gegen die Rampe ausgesprochen hätte, seien rechtlich nicht notwendig. Schlichtes Schweigen der Klägerin zu den Umbaumaßnahmen könne ebenso wenig als konkludente Zustimmung gedeutet werden, wie der Umstand, dass die Klägerin erst diese (relativ kurze) Zeit nach der Fertigstellung gegen die eigenmächtigen Änderungen vorgegangen sei.

[8]       Die Errichtung der Rampe sei auch keine bloß geringfügige Änderung, die bereits von der ursprünglichen Zustimmung gedeckt sei. Die Rampe im Parkplatzbereich bedeute eine deutliche Veränderung der allgemeinen Teile der Liegenschaft, die nicht vernachlässigt werden dürfe.

[9]       Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der Beseitigung und Wiederherstellung der Rampe zwar 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. Der Oberste Gerichtshof habe die Rechtsfrage, inwiefern bei einer Zustimmung zur Versetzung der Geschäftsportale an die äußere Laibung auch baubehördliche Anordnungen zur Umsetzung von dieser Zustimmung umfasst sind, noch nicht beantwortet.

[10]     Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und das Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren in Bezug auf die Rampe abzuweisen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

[11]     Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

[12]     Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[13]            1. Der Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG 2002 ist weit auszulegen und umfasst auch Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, soweit diese einer vorteilhafteren Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts dienlich sind; dies gilt selbst dann, wenn davon ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind (RIS-Justiz RS0083108 [T1]).

[14]            2. Nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RS0083156, RS0005944; vgl auch RS0012137, RS0012112).

[15]           3. Nicht eigenmächtig handelt, wer die Zustimmung der anderen Mit- und Wohnungseigentümer eingeholt hat (5 Ob 30/17y). In diesem Sinn behauptet der Beklagte, (auch) die sich dieser Änderung nun widersetzende Klägerin habe der Errichtung der Rampe mit ihrer Einverständniserklärung vom 10. 9. 2016 ausdrücklich zugestimmt oder zumindest durch ihr Verhalten nach deren Fertigstellung konkludent nachträglich genehmigt.

[16]           4. Die Auslegung des Umfangs einer Zustimmungserklärung eines Wohnungseigentümers zu beabsichtigten baulichen Maßnahmen unter Einbeziehung allgemeiner Teile hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und wirft damit in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (5 Ob 154/19m; RS0083047 [T1]; vgl auch RS0042555 [T2]).

[17]     Dem Berufungsgericht ist auch keine aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen.

[18]     Der Beklagte legt seiner Rechtsrüge die Behauptung zugrunde, dass die Umbaumaßnahmen aufgrund des „festgestellten Wunsches der Baubehörde bzw. den einschlägigen baurechtlichen Bestimmungen bzw. den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zur Herstellung von Barrierefreiheit von Geschäftslokalen rechtskonform nur mit der Rampe möglich“ gewesen seien. Ein redlicher Erklärungsempfänger habe die Willenserklärung der Klägerin daher gar nicht anders verstehen können, als dass die Zustimmung auch die baurechtlich notwendigen und von der Baubehörde gewünschten Maßnahmen umfasse.

[19]     Das Erstgericht hat lediglich – disloziert – festgestellt, dass es der „Wunsch" der Baubehörde gewesen sei, dass bei den Umbauarbeiten eine Rampe mitberücksichtigt werde. Dass die Rampe baurechtlich notwendig oder baubehördlich vorgeschrieben wurde, steht also gar nicht fest. Die Klägerin bestreitet dies. Diese Fragen bedürfen allerdings keiner Klärung. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die noch vor der konkreten Planung des Umbaus erteilte Einverständniserklärung der Wohnungseigentümer umfasse nur die Zustimmung zu den darin konkret beschriebenen Umbaumaßnahmen, nicht aber zu anderen Maßnahmen, auch wenn sich solche im Rahmen der baubehördlichen Bewilligung zusätzlich als notwendig erweisen, ist nämlich jedenfalls nicht korrekturbedürftig.

[20]           Zwar können, wenn einer derartigen Vereinbarung die Grenzen baulicher Veränderungen nicht ausdrücklich zu entnehmen sind und sich diese auch nicht aus der dem Erklärungsgegner erkennbaren Absicht des Erklärenden ergeben, die für die rechtsgestaltende Entscheidung solcher Streitigkeiten unter Miteigentümern und Wohnungseigentümern bestehenden Regeln als Mittel ergänzender Auslegung herangezogen werden (RS0083047). Aber schon das Berufungsgericht wies zutreffend darauf hin, dass die Frage, ob eine baubehördliche Bewilligung der Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts erforderlich und zu erlangen ist, für die Genehmigungsfähigkeit der Änderung im Verfahren gemäß § 26 Abs 1 Z 2 WEG grundsätzlich keine Rolle spielt (RS0083330 [T1]).

[21]           Für den Beklagten ist auch damit nichts gewonnen, dass bei Auslegung einer Willenserklärung der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen (RS0017817, RS0017902) und auch das vorangehende oder nachfolgende Verhalten zur Beurteilung der Parteienabsicht heranzuziehen ist (RS0017815). Das vom Beklagten behauptete Verhalten der Klägerin, wonach die Klägerin schon vor diesen Baumaßnahmen wohnungseigentumsrechtlich gegen diverse Baumaßnahmen anderer Eigentümer vorgegangen sei, legt vielmehr den Schluss nahe, dass die Klägerin zu keinen anderen Maßnahmen ihre Zustimmung erteilen wollte, als sich aus dem Wortlaut ihrer Erklärung ergibt.

[22]           5. Auch die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung oder der Schlüssigkeit eines Verhaltens ist einzelfallbezogen und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0043253 [T1, T2, T14, T17, T18]).

Die Ansicht des Berufungsgerichts, aus der vorläufigen Untätigkeit der Klägerin im Zeitraum vom Sommer 2018 bis Juni 2019 könne keine konkludente Zustimmung zur Errichtung der Rampe abgeleitet werden, ist auch keine Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (RS0043253 [T7, T8]).

[23]           Bei Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gemäß § 863 ABGB ist Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen (RS0014150 [T3, T12]). Insbesondere bloßes Schweigen kann nur unter besonderen Umständen die Bedeutung einer Zustimmung gewinnen. Entscheidend ist, dass der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann (RS0014126; RS0014128). Das wäre hier selbst dann nicht der Fall, wenn die Klägerin, wie vom Beklagten behauptet, sowohl vor, als auch nach den im Sommer 2018 beendeten Baumaßnahmen zwar gegen diverse Baumaßnahmen anderer Eigentümer (wohnungseigentumsrechtlich) vorgegangen wäre, die Rampe aber zunächst gar nicht und dann erstmals im Juni 2019 beanstandet hätte. Aus einer solchen Duldung könnte daher eine konkludente Zustimmung nicht abgeleitet werden. Der in diesem Zusammenhang behauptete sekundäre Feststellungsmangel liegt demnach nicht vor, weil den begehrten ergänzenden Feststellungen keine Relevanz zukommt (RS0053317).

[24]           6. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedarf lediglich eine gravierende Änderung von Baumaßnahmen, denen die übrigen Wohnungseigentümer ursprünglich zugestimmt haben, einer neuerlichen Zustimmung der Wohnungseigentümer (5 Ob 222/19m; vgl RS0127250). Eine gravierende Änderung liegt vor, wenn die dann tatsächlich durchgeführte Maßnahme eine derart erhebliche Abweichung aufweist, dass sie keine Identität mit der vereinbarten Bauführung mehr aufweist. Hingegen kann eine ergänzende Vertragsauslegung ergeben, dass geringfügige Änderungen, insbesondere solche, die ihre Ursache in einer notwendigen Anpassung an tatsächliche bauliche Gegebenheiten hatten, von der ursprünglichen Zustimmung gedeckt sind (5 Ob 222/19m mwN).

[25]           Auch diese Beurteilung hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und wirft damit in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das die Geringfügigkeit schon deshalb verneint, weil die Rampe eine deutliche Veränderung des Parkplatzbereichs mit sich bringt, ist nicht korrekturbedürftig. Damit kann auch in diesem Zusammenhang dahin gestellt bleiben, ob die Rampe als eine notwendige Anpassung an tatsächliche bauliche oder baurechtliche Gegebenheiten anzusehen ist.

[26]            7. Aus diesen Gründen ist die Revision des Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[27]     Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, steht ihr nach §§ 41, 50 ZPO Kostenersatz zu.

Textnummer

E131495

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00182.20F.0318.000

Im RIS seit

11.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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