Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Leitner und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt *****, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 19.002,01 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. September 2020, GZ 14 R 61/20y-27, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Jänner 2020, GZ 31 Cg 1/19y-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Punkte II.3 und II.4 des erstinstanzlichen Urteils wie folgt lauten:
„3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 16.637,50 EUR samt 4 % Zinsen seit 9. 1. 2019 binnen 14 Tagen zu zahlen.
4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 371,50 EUR an anteiligen Verfahrenskosten (Pauschalgebühr) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei 1.909,50 EUR (darin 318,25 EUR USt) an Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 514,80 EUR an anteiligen Pauschalgebühren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte schrieb die Beschaffung von Papierhandtüchern öffentlich aus. Die Klägerin beteiligte sich an der Ausschreibung. Da keines der Angebote – also auch nicht jenes der Klägerin – den Anforderungen der Ausschreibung entsprach, widerrief die Beklagte die Ausschreibung, was von der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Wien erfolglos bekämpft wurde. Während des von der Klägerin angestrengten Verfahrens zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Ausschreibungswiderrufs vergab die Beklagte den Auftrag zur Lieferung der Papierhandtücher für den Zeitraum vom 1. 10. 2016 bis zum 17. 3. 2017 „direkt“
– also ohne Ausschreibung – an einen Mitbewerber der Klägerin. Das von ihr (neuerlich) angerufene Verwaltungsgericht Wien stellte (in zwei Verfahren, die jeweils unterschiedliche Zeiträume betrafen) rechtskräftig fest, dass diese Vorgehensweise rechtswidrig war.
[2] Aus der rechtswidrigen Direktvergabe des Auftrags leitet die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns ab, den sie damit begründet, dass ihr
– als der Beklagten bekannte Lieferantin – der Auftrag auch ohne Ausschreibung erteilt werden hätte müssen, weil sie die Papierhandtücher zu einem geringeren Preis angeboten hätte, als der tatsächlich beauftragte Mitbewerber. Bei der Beurteilung der Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten für den Schaden der Klägerin sei von der tatsächlich erfolgten Direktvergabe auszugehen; zu welchem hypothetischen Ergebnis das vergaberechtlich vorgeschriebene – tatsächlich unterbliebene – (Ausschreibungs-)Verfahren geführt hätte, sei nicht maßgeblich.
[3] Hilfsweise begehrte die Klägerin den Ersatz jenes Schadens, der ihr daraus entstanden sei, dass sie durch die unzulässige Direktvergabe um ihre „Chance zur Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ bzw um die Möglichkeit zur „Durchführung eines Referenzprojekts“ gebracht worden sei. Die Ersatzfähigkeit dieses Nachteils, den die Klägerin mit „pauschal“ 19.000 EUR bezifferte, ergebe sich aus „allgemeinen Prinzipien des österreichischen Schadenersatzrechts“ sowie dem „europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz“.
[4] Wiederum in eventu begehrte die Klägerin den Ersatz der ihr in den beiden Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Wien (betreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Direktvergabe) angefallenen Verfahrenskosten in Höhe von 16.637,50 EUR.
[5] Das Erstgericht wies das auf Ersatz des entgangenen Gewinns gerichtete (Haupt-)Begehren ab, weil der Klägerin der Nachweis nicht gelungen sei, dass ihrem (hypothetischen) Angebot bei einer rechtskonformen Ausschreibung der Zuschlag erteilt worden wäre. Es stehe ihr daher kein Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses zu.
[6] Das auf einen Ausgleich für den Verlust der „Chance zur Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ bzw für das „Unterbleiben eines Referenzprojekts“ abzielende erste Eventualbegehren wies das Erstgericht mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht nachvollziehbar dargelegt, woraus sich der geltend gemachte Ersatzbetrag ergebe, und es bestehe für den behaupteten Anspruch auch keine erkennbare Rechtsgrundlage.
[7] Dem zweiten Eventualbegehren gab das Erstgericht teilweise Folge und erkannte der Klägerin einen Ersatz der ihr in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren entstandenen Prozesskosten in Höhe von 12.093,10 EUR zu. Das Mehrbegehren von 4.544,40 EUR wies es ab, weil die Teilnahme an den (zwei) Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht „nicht zur Vorbereitung der Entscheidungsgrundlage der Behörde beigetragen hätte“ und daher nicht zweckmäßig gewesen sei.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte den klageabweisenden Teil der – hinsichtlich ihres klagestattgebenden Teils unbekämpft gebliebenen – erstinstanzlichen Entscheidung.
[9] Es ging zum – auf Ersatz des entgangenen Gewinns aus dem unterbliebenen Geschäft gerichteten – Hauptbegehren davon aus, dass die Klägerin – weil das tatsächlich durchgeführte Vergabeverfahren (die Direktvergabe) „als Ganzes“ („an seiner Wurzel“) rechtswidrig war und daher in diesem Verfahren von vornherein kein Zuschlag erteilt werden hätte dürfen – behaupten und beweisen hätte müssen, dass und gegebenenfalls inwiefern sie bei einer (hypothetischen) fehlerfreien gesetzmäßigen Ausschreibung den Zuschlag erhalten hätte. Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müsse für den (europarechtlich determinierten) Entschädigungsanspruch wegen Vergaberechtsverstößen ein Kausalzusammenhang zwischen dem Rechtsverstoß und dem Schaden bestehen. Dass die Kausalität nicht vom Geschädigten zu behaupten und zu beweisen sei, lasse sich den maßgeblichen europarechtlichen Rechtsgrundlagen nicht entnehmen. Der Oberste Gerichtshof lehne eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Kausalzusammenhangs in vergleichbaren Fällen ab. Da die Klägerin in erster Instanz kein Vorbringen dazu erstattet habe, wie sich ihr Vermögen bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten entwickelt hätte, sondern bloß behauptet habe, dass ihr der Auftrag im Rahmen der tatsächlich durchgeführten (rechtswidrigen) Direktvergabe erteilt werden hätte müssen, sei das Hauptbegehren – trotz entsprechenden Einwands der Beklagten – unschlüssig geblieben und daher zu Recht abgewiesen worden.
[10] Die Abweisung des ersten Eventualbegehrens (Ersatz des aus dem „Verlust der Chance zur Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ bzw dem Entfall der Möglichkeit zur Durchführung eines Referenzprojekts abgeleiteten Nachteils) bestätigte das Berufungsgericht mit der Begründung, dass auch damit in Wahrheit das Erfüllungsinteresse begehrt werde, welches der Klägerin jedoch nicht zustehe. Außerdem bestehe für einen solchen Ersatzanspruch keine Rechtsgrundlage.
Zum zweiten – auf den Ersatz der Kosten der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gerichteten – Eventualbegehren ging das Berufungsgericht (wie schon das Erstgericht) davon aus, dass der Klägerin kein Ersatz der Kosten für die – von ihr beantragten – Verhandlungen zustehe, weil es sich dabei um keine unvermeidbaren Verfahrenshandlungen gehandelt habe, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig oder zweckmäßig gewesen und daher als „Rettungsaufwand“ ersatzfähig wären.
[11] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei einer bereits „in der Wurzel“ rechtswidrig erfolgten Direktvergabe ein Anspruch eines übergangenen Bieters auf das Erfüllungsinteresse bestehe.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die von der Klägerin erhobene Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
[13] I. Zum Hauptbegehren:
[14] 1. Unstrittig ist auf den vorliegenden Fall das BVergG 2006 anzuwenden (vgl § 1 Abs 1 Z 1 BVergG). Dieses sieht in seinem § 337 Abs 3 in der bei Auftragsvergabe im Jahr 2016 geltenden Fassung vor, dass ein übergangener Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen das BVergG oder die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen durch Organe des Auftraggebers oder einer vergebenden Stelle gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses hat. Dessen Zuspruch setzt also
– wie sich auch aus allgemeinen Kausalitätserwägungen ergibt (vgl 4 Ob 98/08b: „Kausalitätsproblem“) – voraus, dass dem nicht zum Zug gekommenen Mitbewerber bei einem rechtskonformen Verhalten des Auftraggebers der Zuschlag erteilt worden wäre (vgl RIS-Justiz RS0030354 [insb T5, T6, T8]; RS0013936 [T2, T3]; 1 Ob 110/02m).
[15] 2. § 337 BVergG 2006 dient auch der Umsetzung von Art 2 Abs 1 lit c der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge („Rechtsmittelrichtlinie“). Demnach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die für Nachprüfungsverfahren gemäß Art 1 dieser Richtlinie (betreffend Entscheidungen der Vergabebehörden) erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit „denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt wurden“, Schadenersatz zuerkannt werden kann. Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich das Erfordernis der Kausalität des vergaberechtlichen Rechtsverstoßes für den zu ersetzenden Schaden. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem vom Geschädigten geltend gemachten Schaden und dem (unionsrechtlichen) Vergaberechtsverstoß eine Voraussetzung des Ersatzanspruchs ist (vgl EuGH C-568/08, Combinatie Sijker Infrabouw ua, Rn 87; C-620/17, Hochtief Solutions AG, Rn 35, jeweils mwN). In seiner Entscheidung zu C-568/08 legte er dar, dass es sich bei Art 2 Abs 1 lit c der Rechtsmittelrichtlinie um eine Konkretisierung des Grundsatzes der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, handelt (vgl dort Rn 87). Zu solchen „Staatshaftungsansprüchen“ hatte der EuGH schon wiederholt allgemein ausgesprochen, dass vom nationalen Gericht zu prüfen sei, ob zwischen Normverstoß und Schaden ein „unmittelbarer Kausalzusammenhang“ besteht (vgl C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur, Rn 65; C-127/95, Norbrook Laboratories, Rn 110; C-140/97, Rechberger ua, Rn 72).
[16] 3. Hier liegt die Rechtswidrigkeit (unstrittig) in der Direktvergabe des Auftrags ohne Durchführung des gebotenen Ausschreibungsverfahrens. Damit besteht der Rechtsverstoß der Beklagten – worauf das Berufungsgericht zutreffend hinwies – „in der Wurzel“ der gewählten Vergabeart, nämlich darin, dass die Beklagte trotz des bereits „seiner Art nach“ rechtswidrigen (Direkt-)Vergabeverfahrens einem Mitbewerber den „Zuschlag“ erteilte (vgl Kraus, Der vergaberechtliche Rechtsschutz [2012] 133, FN 558, wonach auch bei der Direktvergabe ein Zuschlag vorliege). Bei rechtskonformem Verhalten hätte sie die Direktvergabe unterlassen müssen und den Auftrag erst nach Durchführung der gebotenen Ausschreibung vergeben dürfen.
[17] 4. Auch in diesem Fall steht der Ersatz des – von der Klägerin primär begehrten – Erfüllungsinteresses nur dann zu, wenn – wie sich sowohl aus § 337 Abs 3 BVergG als auch aus allgemeinen Kausalitätserfordernissen ergibt – der Vertrag ohne Pflichtverletzung zustande gekommen wäre, der Klägerin nach Durchführung der erforderlichen Ausschreibung also der Zuschlag erteilt werden hätte müssen. Dass dies von ihr zu behaupten und zu beweisen ist, entspricht nicht nur dem allgemeinen Grundsatz, wonach den Geschädigten die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass sein Schaden durch das rechtswidrige Verhalten der beklagten Partei verursacht wurde (vgl RS0022686; RS0022700 [insb T7]; zu Unterlassungen vgl RS0022686 [T8]; zum entgangenen Gewinn siehe RS0030452 [insb T8]), sondern auch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Verstößen gegen vergaberechtliche Vorschriften (vgl RS0013936 [T4]; siehe auch 7 Ob 148/01t; 4 Ob 198/05d; 4 Ob 98/08b). Dies gilt auch für den hier zu beurteilenden Fall, in dem das durchgeführte Vergabeverfahren (die Direktvergabe) als solches („an seiner Wurzel“) rechtswidrig war (vgl 4 Ob 98/08b; 2 Ob 96/18h; zu 1 Ob 284/01y und 6 Ob 177/03b wurde die Frage, ob der übergangene Mitbewerber den Beweis, dass ihm bei einer von vornherein fehlerfreien Ausschreibung der Zuschlag erteilt worden wäre, überhaupt antreten kann, noch offen gelassen; auf die [praktischen] Schwierigkeiten dieses Beweises weisen etwa die Entscheidungen zu 1 Ob 110/02m und 5 Ob 49/05z hin; vgl auch 8 Ob 39/05a).
[18] 5. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung die genannte Rechtsprechung zugrunde und ging davon aus, dass das erstinstanzliche Klagevorbringen trotz Einwands der Beklagten unschlüssig geblieben sei, weil die Klägerin in erster Instanz nicht behauptet habe, dass und warum sie bei Unterlassen der Direktvergabe und (hypothetischer) Durchführung des gebotenen Vergabeverfahrens Bestbieterin gewesen wäre.
[19] 6. Die Klägerin erstattete zum hypothetischen „Ablauf“ und Ergebnis des gebotenen Vergabeverfahrens in erster Instanz kein konkretes Vorbringen. In ihrer Klage brachte sie zwar noch – allerdings gänzlich unkonkret – vor, dass sie aus einem rechtskonform durchgeführten Vergabeverfahren „oder wenn die Beklagte direkt mit ihr kontrahiert hätte“ als Bestbieterin hervorgegangen wäre. In weiterer Folge stellte sie sich jedoch auf den Standpunkt, dass es für die Kausalitätsprüfung nur darauf ankomme, ob sie bei der tatsächlich erfolgten (rechtswidrigen) Direktvergabe
– wäre sie von der Beklagten „einfach zur Angebotslegung aufgefordert worden“ – zum Zug gekommen wäre. Es sei unzulässig, „hypothetisch über die seinerzeit rechtskonforme Verfahrensart zu spekulieren“. Ob ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung durchgeführt werden hätte müssen, sei nicht zu prüfen, sondern davon auszugehen, „wie die Beklagte tatsächlich gehandelt habe“. Das Hinzudenken einer Ausschreibung [Anm: bei der Kausalitätsprüfung] sei nicht „rechtens“, vielmehr sei von der tatsächlich erfolgten Direktvergabe auszugehen und zu fragen, zu welchem Ergebnis diese geführt hätte, wäre der Klägerin die Chance gegeben worden, „im Direktvergabeverfahren“ ein Angebot zu legen. Da dieses „günstiger“ gewesen wäre, als jenes des tatsächlich zum Zug gekommenen Mitbewerbers, stehe ihr der Ersatz des entgangenen Gewinns zu. Die Klägerin hielt auch nach Erörterung der Frage der (ihr obliegenden) Beweislast für die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten für den behaupteten Schaden an ihrem Standpunkt, wonach es nur darauf ankomme, ob ihr der Zuschlag „im Rahmen der [Anm: rechtswidrigen] Direktvergabe“ erteilt worden wäre, fest. Dass das Berufungsgericht auf Basis dieser Argumentation davon ausging, es fehle an einem konkreten Vorbringen dazu, dass der behauptete Schaden durch das rechtswidrige Verhalten der Beklagten verursacht wurde, begegnet keinen Bedenken.
7. Die Revisionswerberin hält dem Berufungsgericht entgegen, dass ihr die Behauptung und der Beweis, dass sie bei (hypothetischer) gesetzmäßiger Ausschreibung den Zuschlag erhalten hätte, unmöglich gewesen wäre und ihr das Gericht zweiter Instanz dazu – weil sie weder „den Leistungsgegenstand in der gewünschten Spezifikation“, noch „die zu beschaffende Menge bzw Produktpalette“ gekannt habe und ihr auch unbekannt gewesen sei, zu welcher Art der Vergabe es hypothetisch gekommen wäre – „Unmögliches“ abverlangt habe. Dessen Rechtsansicht verletze auch den für die Durchsetzung vergaberechtlicher Ersatzansprüche geltenden europarechtlichen „Effektivitätsgrundsatz“. Sie würde Auftraggeber, welche die „Grundsätze des gebotenen Ausschreibungsverfahrens“ missachten und eine rechtswidrige Direktvergabe durchführen, besser stellen, als jene, die sich „im Großen und Ganzen um eine rechtskonforme Ausschreibung bemühen“.
[20] 8. Der Revisionswerberin ist zuzustimmen, dass der Beweis, dass ihr bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten der Zuschlag erteilt werden hätte müssen, nicht leicht zu erbringen ist (vgl auch Holly, Private Enforcement im Vergaberecht, ecolex 2006, 813). Der Oberste Gerichtshof hat diese Schwierigkeiten in seiner bisherigen Judikatur erkannt, jedoch nicht zum Anlass für ein Abgehen von der in ständiger Rechtsprechung angenommenen Behauptungs- und Beweislast der klagenden Partei genommen (vgl etwa 1 Ob 110/02m; 6 Ob 177/03b; 6 Ob 8/06d). Unabhängig davon, ob man die Behauptungs- und Beweislast für die Schadensverursachung auch dann stets – ohne Beweis-erleichterung – dem Geschädigten auferlegen möchte, wenn er den Beweis, dass ihm bei rechtmäßigem Verhalten der Zuschlag erteilt werden hätte müssen, nur schwer erbringen kann (was insbesondere auf den hier zu beurteilenden Fall zutrifft, in dem der Verstoß gegen Vergabevorschriften darin besteht, dass die gebotene Ausschreibung unterblieb; in der Literatur wird dies zu Recht als schwerster Verstoß gegen das Vergaberecht angesehen; vgl Kraus aaO 138 mwN; zur Kritik an der Rechtsprechung vgl etwa Öhler, ZVB 2004/94, Glosse zu 6 Ob 177/03b; Kraus aaO 136 f mwN in FN 569, wobei dort insbesondere auf den Fall einer rechtswidrigen Direktvergabe Bezug genommen wird), wäre von der Klägerin doch zu erwarten gewesen, dass sie dazu zumindest „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ Vorbringen erstattet.
[21] 9. Dieser Anforderung kam sie jedoch nicht nach. Warum sie etwa zum Gegenstand des von der Beklagten tatsächlich beschafften Produkts, zum Auftragsumfang oder zur (richtigerweise) anzuwendenden Vergabeverfahrensart keinerlei Vorbringen erstatten hätte können, wird auch im Rechtsmittel nicht nachvollziehbar dargelegt. Dazu ist auch auf die Negativfeststellung des Erstgerichts hinzuweisen, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass die nach der Behauptung der Klägerin von ihr lieferbaren den von der Beklagten tatsächlich beschafften Produkten qualitativ gleichwertig gewesen wären. Das Argument, sie habe keinen Einblick in die „internen Abläufe“ bei der Beklagten gehabt, geht jedenfalls hinsichtlich des von dieser tatsächlich beschafften Produkts und des von der Klägerin dafür (hypothetisch) angebotenen Preises ins Leere. Die Klägerin hat in erster Instanz auch gar nicht behauptet, dass und aus welchem Grund ihr ein solches Vorbringen aufgrund der „strukturellen“ Beweislage (also nicht bloß aufgrund von Beweisschwierigkeiten im Einzelfall; vgl 6 Ob 177/03b; RS0039939 [T31]) nicht möglich sei; vielmehr stellte sie sich dort auf den (unrichtigen) Standpunkt, dass es rechtlich gar nicht darauf ankäme, ob ihr im gebotenen (tatsächlich unterbliebenen) Vergabeverfahren der Zuschlag erteilt worden wäre. Damit bedarf die Rechtsansicht, dass ihr erstinstanzliches Vorbringen unschlüssig geblieben ist, keiner Korrektur.
[22] 10. Der von der Klägerin ins Treffen geführte europarechtliche „Effektivitätsgrundsatz“ sieht vor, dass die Verfahrensmodalitäten die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (vgl EuGH C-568/08, Combinatie Sijker Infrabouw, Rn 91 mwN). Art 1 Abs 1 der Rechtsmittelrichtlinie verlangt einen wirksamen und raschen Rechtsschutz, der gemäß Art 2 Abs 1 lit c leg cit das Recht auf Zuerkennung von Schadenersatz an denjenigen umfasst, der durch den Rechtsverstoß geschädigt wurde. Der genannten Richtlinie liegt der „Effektivitätsgrundsatz“ zugrunde (vgl EuGH C-314/09, Stadt Graz/Strabag, Rn 39; siehe auch König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs [2010] 55; Holoubek, Vergaberechtsschutz durch Schadenersatz, ZfV 1998, 592 [600]). Dass dieser Erleichterungen für den Nachweis der Kausalität des Vergaberechtsverstoßes für den Schaden des übergangenen Mitbewerbers erfordern würde, kann der Rechtsmittelrichtlinie – die keine näheren Regelungen zur Ausgestaltung und Durchsetzung des Ersatzanspruchs beinhaltet (vgl 6 Ob 268/08t; siehe auch Kraus aaO 40; Öhler, Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union [1997] 201 f mwN in FN 809; Reinbacher, Schadenersatz im Vergaberecht [2002] 60; Holoubek, ZfV 1998, 592 [599]; siehe auch EuGH C-568/08, Combinatie Sijker Infrabouw, Rn 88 ff) – nicht entnommen werden.
Der europäische Richtliniengeber sah eine Erleichterung für den Kausalitätsnachweis bei der Durchsetzung von aus vergaberechtlichen Rechtsverstößen abgeleiteten Ersatzansprüchen nur in der Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. 2. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor („SektorenRL“) für den davon umfassten – hier aber nicht berührten – „Sektorenbereich“ vor. Gemäß Art 2 Abs 7 SektorenRL muss derjenige, der Schadenersatz für die Kosten der Vorbereitung eines Angebots oder die Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren verlangt, neben dem Gesetzesverstoß lediglich nachweisen, dass er eine „echte Chance“ auf Erteilung des Zuschlag gehabt hätte, die durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde. Nur in diesem eingeschränkten Bereich – wenn also im „Versorgungssektor“ ein Ersatz der genannten Kosten begehrt wird (was hier beides nicht zutrifft) – müsste der Kläger nicht nachweisen, dass er den Auftrag ohne Rechtsverstoß erhalten hätte (vgl Kraus aaO 40; Holoubek, ZfV 1998, 592 [599]; Funk/Marko/Pernthaler, Die innerstaatliche Umsetzung der Vergaberichtlinien der EG [1992] 33; Öhler, Rechtsschutz 212 f). Außerhalb des „Sektorenbereichs“ sowie für über den Ersatz der Kosten der Vorbereitung eines Angebots oder der Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren hinausgehende Ersatzansprüche (insbesondere für den – hier begehrten – Ersatz des Erfüllungsinteresses), hielt der Europäische Richtliniengeber eine Beweiserleichterung hingegen für nicht erforderlich, sondern überließ die Ausgestaltung der Durchsetzung des Ersatzanspruchs dem nationalen Gesetzgeber. Für das österreichische Recht wurde die Vorgabe des Art 2 Abs 7 SektorenRL in § 337 Abs 2 BVergG 2006 zwar für alle Vergabeverfahren (also nicht nur für den „Sektorenbereich“) übernommen (vgl Holoubek, ZfV 1998, 592 [602]; Öhler, Rechtsschutz 214), allerdings – ebenso wie in der Richtlinie – auf den Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Teilnahme am Vergabeverfahren begrenzt, sodass sich daraus keine Beweiserleichterung für den begehrten Ersatz des Nichterfüllungsschadens ergibt.
[23] II. Zum ersten Eventualbegehren:
[24] 1. Mit ihrem ersten Eventualbegehren strebt die Klägerin den Ersatz des im „Verlust der Chance zur Teilname an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ gelegenen („pauschal“ mit 19.000 EUR „bewerteten“) Nachteils an. Auf den in erster Instanz behaupteten Nachteil wegen des „Entgangs eines Referenzprojekts“ kommt sie in dritter Instanz nicht mehr zurück.
[25] 2.1. Die Revisionswerberin stützt dieses Eventualbegehren auf eine analoge Anwendung des § 1326 ABGB. Diese Bestimmung normiert einen Ausgleich für die aufgrund einer „Verunstaltung“ verursachte Verhinderung des besseren Fortkommens einer natürlichen Person. Dabei handelt es sich um einen „besonderen Vermögensschaden“, der im Entfall einer Verbesserung der Lebenslage besteht (RS0031203), wobei für den Ersatzanspruch schon die (abstrakte) Möglichkeit eines Schadens ausreicht (vgl RS0031385; RS0031366; Reischauer in Rummel³ § 1326 ABGB Rz 7) und es daher nicht darauf ankommt, welcher Gewinn „nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge“ zu erwarten gewesen wäre (vgl RS0120236).
[26] 2.2. Jede Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl RS0106092; RS0008866 [insb T2, T4, T11]), die nur dann angenommen werden kann, wenn Wertungen und Zweck der gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber hätte einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RS0008866 [T27]). Ordnet er für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht an, besteht keine Gesetzeslücke (vgl RS0008870 [T3, T4]; RS0008866 [T8, T13]).
2.3. § 1326 ABGB ist eine Ausnahmeregelung (vgl Wolff in Klang² VI 146; 1 Ob 161/00h). Eine Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall rechtfertigen würde (wobei sich die Analogie dann im Rahmen der engen ratio der Ausnahmebestimmung zu halten hätte; vgl RS0008903 [T4]), liegt nicht vor und wird von der Revisionswerberin auch nicht konkret behauptet. § 1326 ABGB ist nur auf die körperliche Verletzung eines Menschen (in der speziellen Ausprägung der Verunstaltung) anzuwenden und dient der Deckung des sich daraus ergebenden Sonderbedarfs, sei es als Ersatz für die Behinderung des beruflichen Fortkommens oder für die Verminderung der Aussicht, sein Fortkommen durch eine Eheschließung zu verbessern (vgl 4 Ob 156/18x). Mit dem begehrten Ausgleich für den „Verlust der Chance zur Teilname an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ wird kein vergleichbarer Ersatz begehrt. Auch wenn man den Zweck des § 1326 ABGB darin sähe, dass dem Verunstalteten ein „Trostpflaster“ zukommen soll (vgl Reischauer in Rummel³ § 1326 ABGB Rz 7a), kann kein Zweifel bestehen, dass auch ein solches Verständnis – mangels vergleichbarer Beeinträchtigung – eine analoge Anwendung auf den vorliegenden Fall verbietet.
[27] 3. Der hilfsweise Ersatzanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus „allgemeinen Prinzipien des österreichischen Schadenersatzrechts“. Entgegen ihrer Ansicht ist ein Anspruch auf Abgeltung des im „Verlust der Chance zur Teilname an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ gelegenen Nachteils dem österreichischen Recht fremd, handelt es sich dabei doch um kein selbständiges vermögenswertes Rechtsgut, das als solches einen Verkehrswert aufweist (vgl allgemein zum Schaden durch Verlust einer Chance Koziol, Haftpflichtrecht I4 B2 Rz 72). In Wahrheit möchte die Klägerin mit ihrem (ersten) Hilfsbegehren – das dem Hauptbegehren der Höhe nach beinahe exakt entspricht – das Problem von der Kausalitäts- auf die Schadensebene verlagern (vgl zu diesen zwei Betrachtungsweisen beim begehrten Ersatz für den „Verlust einer Chance“ Koziol aaO Rz 67), um damit über die mangelnde – oder zumindest nicht nachgewiesene – Kausalität des Vergaberechtsverstoßes für den eigentlichen Vermögensnachteil „hinwegzukommen“. Dies entspricht aber gerade nicht den „allgemeinen Prinzipien“ des österreichischen Schadenersatzrechts.
4. Der begehrte (hilfsweise) Ersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus dem europarechtlichen „Effektivitätsgrundsatz“, zu dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall die Rechtsmittelwerberin auch konkrete Argumente schuldig bleibt. Dass die Rechtsmittelrichtlinie den in ihrem Art 2 Abs 1 lit c vorgesehenen Ersatzanspruch nicht näher ausgestaltet hat, wurde bereits dargelegt. Dies gilt insbesondere für Art und Umfang des zu ersetzenden Schadens sowie die Kriterien, nach denen er zu bemessen ist (vgl EuGH C-568/08, Combinatie Sijker Infrabouw, Rn 88; siehe auch 6 Ob 268/08t; Kraus aaO 40; Reinbacher aaO 60; Rosenkranz in Kahl/Rosenkranz, Vergaberecht³ [2019] 278). In Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften ist es somit Sache jedes Mitgliedstaats, Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden wegen Verstößen gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens festzustellen und zu bemessen ist, sofern Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsätze beachtet werden (EuGH C-568/08, Combinatie Sijker Infrabouw, Rn 90; C-314/09, Strabag, Rn 33). Davon, dass das österreichische Schadenersatzrecht, wenn es den im bloßen „Verlust der Chance zur Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren“ gelegenen Nachteil als nicht ersatzfähig ansieht, insgesamt nicht ausreichend effektiv wäre (vgl C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur, Rn 82, wonach dies etwa bei einem gänzlichen Ausschluss der Möglichkeit, Ersatz für den entgangenen Gewinn zu begehren, der Fall wäre), kann keine Rede sein. Letztlich hätte die Rechtsansicht der Klägerin die Konsequenz, dass jeder potenzielle Anbieter das volle Erfüllungsinteresse verlangen könnte, wenn er darlegen kann, dass er sich an einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren beteiligt hätte und dort nicht ganz chancenlos gewesen wäre. Dies ginge über einen „ausreichend effektiven“ Rechtsschutz weit hinaus.
[28] III. Zum zweiten Eventualbegehren:
[29] 1. Der teilweise Zuspruch des von der Klägerin hilfsweise angestrebten Ersatzes der ihr in den Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Wien entstandenen Verfahrenskosten als „Rettungsaufwand“ blieb von der Beklagten schon in zweiter Instanz unbekämpft. Die Klägerin hält im Revisionsverfahren ihr – von den Vorinstanzen abgewiesenes – Begehren auf Ersatz auch der Kosten für die Teilnahme an den in diesen Verfahren durchgeführten mündlichen Verhandlungen aufrecht. Die Beklagte hält dem entgegen, dass es sich dabei um keinen zweckmäßigen Verfahrensaufwand gehandelt habe, weil die Klägerin in den Verhandlungen jeweils nur auf ihr bisheriges Vorbringen verwies.
[30] 2. Nach dem im Schadenersatzrecht allgemein anerkannten Grundsatz der Schadensminderungspflicht hat der Geschädigte die Pflicht, den Schaden möglichst gering zu halten (§ 1304 ABGB). Grundsätzlich zutreffend verweist die Revisionsgegnerin darauf, dass auch nach schadenersatzrechtlichen Prinzipien ein Verfahrensaufwand nur insoweit zu ersetzen ist, als er zweckmäßig und angemessen war (RS0023516 [T5]). Ob dies der Fall ist, muss jeweils am Vergleichsmaßstab des Vorgehens eines „vernünftigen Menschen in der gleichen Sachlage“ ex ante geprüft werden (vgl RS0023516 [T1, T3]; RS0106806).
[31] 3. Nach § 11 Abs 3 erster Satz des hier anzuwendenden Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes 2014 (Wr LGBl 2013/37) „hat die Antragstellerin oder der Antragsteller die Durchführung einer Verhandlung zu beantragen“. Wann dies zu geschehen hat, wird – anders als etwa in § 316 BVergG 2006, wo ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Durchführung einer mündliche
n Verhandlung im verfahrenseinleitenden Schriftsatz beantragt werden muss –nicht explizit normiert. Da nach dem zweiten Satz des § 11 Abs 3 leg cit den sonstigen Parteien binnen „angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist“ Gelegenheit zu geben ist, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen, erschiene es nicht sachgerecht, von einem gänzlich unbefristeten Antragsrecht des Antragstellers auszugehen. Nach den Materialien zu § 11 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 (BlgNr 8/2013) ist diese Bestimmung § 24 VwGVG nachgebildet. Diese Norm sieht aber ausdrücklich vor, dass der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung schon in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragen muss, was nahelegt, dass auch im Verfahren nach dem Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 ein solcher Antrag vom Antragsteller nur in seinem verfahrenseinleitenden Schriftsatz gestellt werden kann.
4. Ausgehend von diesem – zumindest vertretbaren – Verständnis des § 11 Abs 3 erster Satz Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 kann es der Klägerin aber nicht als Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht angelastet werden, dass sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits zu Verfahrensbeginn beantragte. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend feststand, ob – aus Sicht der Klägerin als Antragstellerin in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren – eine Verhandlung erforderlich sein würde, war ihr doch zuzubilligen, sich die Möglichkeit, in der Verhandlung weiteres Vorbringen zu erstatten und/oder weitere Beweisanträge zu stellen, „vorzubehalten“. Auch von der Maßfigur eines „vernünftigen Menschen in der gleichen Sachlage“ wäre nicht zu erwarten gewesen, dass dieser von vornherein – durch Unterlassung eines im weiteren Verfahren nicht nachholbaren Antrags – auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, zumal auch davon ausgegangen werden durfte, dass das Landesverwaltungsgericht trotz Parteiantrags von deren Durchführung absieht, wenn es diese gemäß § 11 Abs 4 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 für nicht erforderlich hält (weil nach den Akten die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und dem Entfall der Verhandlung nicht Art 6 Abs 1 EMRK oder Art 47 GRC entgegensteht). Da die Klägerin ihre Anträge auf Durchführung einer Verhandlung in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht mehr einseitig zurückziehen konnte (vgl § 11 Abs 3 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014), war ihre Teilnahme an diesen zweckmäßig. Die Beklagte hat ihr daher die dafür aufgewendeten Kosten zu ersetzen.
[32] IV. Zur Kostenentscheidung:
[33] Aufgrund der teilweisen Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist die Kostenentscheidung für alle drei Instanzen neu zu fassen.
[34] Nach der (jüngeren) Rechtsprechung ist § 43 ZPO auf das Obsiegen mit einem Eventualbegehren anzuwenden (vgl 3 Ob 84/97t; 9 ObA 193/00y; 5 Ob 184/10k). Dies muss auch für das bloß teilweise Obsiegen gelten (vgl auch Obermaier³ Rz 1.146). § 43 Abs 2 ZPO kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin mit ihrem Haupt- sowie ersten Hilfsbegehren unterlag und nur mit ihrem betraglich niedrigeren zweiten Hilfsbegehren obsiegte. Für die Anwendung des § 43 Abs 1 ZPO ist davon auszugehen, dass das auf Zahlung von (rund) 19.000 EUR gerichtete Haupt- sowie erste Hilfsbegehren – womit die Klägerin unterlag – jeweils auf den Ersatz des ihr aus der rechtswidrigen Direktvergabe entgangenen wirtschaftlichen Erfolgs abzielte, wohingegen sie mit ihrem auf Zahlung von rund 17.000 EUR gerichteten zweiten Eventualbegehren – mit dem sie obsiegte – einen gänzlich anderen Anspruch geltend machte, nämlich auf Ersatz tatsächlicher Aufwendungen. Für das Verfahren erster Instanz ist somit insgesamt ein annähernd gleichwertiges Obsiegen beider Parteien anzunehmen. Die Beklagte hat der Klägerin daher die Hälfte der von ihr aufgewendeten Pauschalgebühr zu ersetzen (§ 43 Abs 1 letzter Satz ZPO).
[35] Im Rechtsmittelverfahren ist der Prozesserfolg der Klägerin mit rund einem Fünftel zu bewerten. Sie hat der Beklagten daher 60 % der Kosten ihrer Berufungsbeantwortung sowie ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen, wogegen ihr der Ersatz von 20 % der von ihr bestrittenen Pauschalgebühren zusteht.
Textnummer
E131453European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00226.20X.0323.000Im RIS seit
10.05.2021Zuletzt aktualisiert am
20.12.2021