Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** e.U., *****, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei D***** S*****, vertreten durch Dr. Roland Mühlschuster, Rechtsanwalt in Wels, wegen 7.983,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2020, GZ 12 Ra 63/20a-21, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der seit fünf Jahren beim Kläger beschäftigte zwanzigjährige Beklagte befand sich in letzter Zeit regelmäßig im Krankenstand. Der von einem „Krankspielen“ ausgehende Kläger erteilte, nachdem wieder eine Bestätigung eines praktischen Arztes über eine Arbeitsunfähigkeit vom 29. April bis 10. Mai vorlag, einer Detektei den Auftrag, den Beklagten ab dem Morgen des 3. Mai, einem Freitag, bis auf Weiteres zu observieren. Der Beklagte wurde hierauf dabei beobachtet, wie er sich gegen Mittag zu Hause abholen ließ, anschließend in ein Kaffeehaus fuhr, dieses mit seinen Begleitern gegen 15:30 Uhr verließ und um 1:48 Uhr des Folgetags nach Hause zurückkehrte. Nachdem dies dem Kläger am Samstag von der Detektei mitgeteilt worden war, wies er diese nicht zur Einstellung ihrer Arbeit an. Die fortgesetzte Observierung ergab für den Samstag und den Sonntag ein ähnliches Geschehen, woraufhin sich der Kläger mit der Beendigung der Überwachung einverstanden erklärte. Er entließ den Beklagten am 7. Mai.
[2] Mit seiner Klage begehrt der Kläger den Ersatz der von ihm getragenen Detektivkosten von 7.983,30 EUR (netto). Der Beklagte zeigt in seiner gegen das klagsstattgebende Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zu den Voraussetzungen eines auf Schadenersatzrecht gegründeten Anspruchs des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Ersatz von Detektivkosten Stellung genommen. Einem Arbeitgeber steht dann der Ersatz von Nachforschungskosten im Rahmen eines adäquaten typischen Kausalzusammenhangs zu, wenn der Arbeitnehmer zunächst ausreichende Anhaltspunkte für ein vertragswidriges, den Interessen des Arbeitgebers zuwiderlaufendes Verhalten gegeben hat, die den Arbeitgeber veranlassten, sich durch geeignete Nachforschungen noch weitere Klarheit zu verschaffen (RIS-Justiz RS0029502 [T1]). Der Anspruch hängt von der Notwendigkeit der getätigten Aufwendungen ab (9 ObA 129/05v = DRdA 2007/35 [Goricnik] = ecolex 2007/37 [Rubin]; Rebhahn/Ettmayer in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1154b Rz 29; Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 109 ua). Die Kosten sind somit nur zu ersetzen, wenn es des Detektivseinsatzes bedurfte (4 Ob 20/79 = DRdA 1981/1 [Mayr-Maly]), wenn und insoweit der Einsatz objektiv notwendig erschien (4 Ob 67, 68/80 = ZAS 1981/29 [Bernat]). Wo die Überwachung offenkundig überflüssig und erkennbar unzweckmäßig ist, besteht kein Anspruch (RS0029502 [T2]). Damit hat der Arbeitnehmer nur jene Kosten zu ersetzen, die bis zum Vorliegen eines sichereren Beweises für sein Fehlverhalten entstehen (idS bereits Bernat aaO S 224). Zudem ist anerkannt, dass Detektivkosten nur insoweit ersatzfähig sind, als sie im Verhältnis zum gerechtfertigten konkreten Informationsinteresse nicht als unangemessen erscheinen (6 Ob 580/83; 4 Ob 166/02v; 5 Ob 187/18p [Pkt 1] = jusIT 2019/43 [Thiele]; Thiele, Ersatz von Detektivkosten, RdW 1999/12 [770 f]; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1323 Rz 23; Schoditsch, Der Ersatz von Detektivkosten bei Ehestörung, ÖJZ 2020/115 [954]). Ob und inwieweit die Voraussetzungen für den Zuspruch von Detektivkosten vorliegen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb abseits einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts und der Missachtung der vom Obersten Gerichtshof aufgestellten Leitlinien in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (vgl RS0029502 [T3]).
[4] Das Berufungsurteil befindet sich mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, der Schadenersatzanspruch bestehe nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Kosten für die Überwachung am zweiten und dritten Tag. Es begründete dies im Wesentlichen mit der Gefahr, dass der Beklagte bei Nachweis bloß eines einmaligen Verstoßes gegen seine Verpflichtungen im Krankenstand diesen Verstoß zu rechtfertigen versuchen könnte. Dies ist nicht zu beanstanden, weil bekanntermaßen ein nicht ausreichend abgesichertes Überwachungsergebnis vor Gericht oft durch einen Hinweis auf Wahrnehmungsfehler oder Zufälle, mit anderen Worten mit unter Umständen nicht oder schwer zu widerlegenden Ausflüchten und Ausreden in Zweifel gezogen wird (vgl Deixler-Hübner, Ersatz für außerprozessuale Aufwendungen – Anspruchsgrundlagen und Anspruchshöhe, ÖJZ 2002, 372 [381] mwN).
[5] Entgegen der Ansicht des Beklagten gibt es keinen Grundsatz, im Arbeitsrecht, Detektivkosten automatisch dann als überhöht anzusehen, wenn sie das monatliche Einkommen des Ersatzpflichtigen „um ein Vielfaches übersteigen“. Der im vorliegenden Fall konkret begehrte Betrag ist weder existenzbedrohend noch erscheint eine dreitägige Überwachung des immerhin bereits fünf Jahre beim Kläger beschäftigt gewesenen Beklagten exorbitant, dies nicht zuletzt auch angesichts der für den Arbeitgeber mit einem Krankenstand durch die Entgeltfortzahlung einhergehende Kostenbelastung.
[6] Der – entsprechend kostenintensive – Einsatz von zwei Detektiven war der Notwendigkeit geschuldet, dem jungen und mobilen Beklagten nach Verlassen der Wohnung zu folgen.
[7] Dass der dem Kläger in Rechnung gestellte und von ihm auch gezahlte Betrag das übliche Preisniveau von Detekteien überschritt, hat der Beklagte nicht behauptet. Aus der nicht unbeträchtlichen Höhe des Rechnungsbetrags kann entgegen der Ansicht der außerordentlichen Revision nicht gefolgert werden, dass der Kläger seine volle Zahlungspflicht gegenüber der Detektei mit Erfolg bestreiten hätte können. Es lag am Beklagten als Schädiger, eine konkrete Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger zu behaupten und unter Beweis zu stellen (vgl RS0026909; RS0027156; RS0027129).
Textnummer
E131486European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00008.21S.0325.000Im RIS seit
10.05.2021Zuletzt aktualisiert am
23.06.2021