Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers C***** L*****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin Z***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Entschädigung nach dem EisbEG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 27. April 2020, GZ 4 R 46/20t-16, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 24. Februar 2020, GZ 12 Nc 4/19f-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die am 17. 2. 2021 eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Der Antragsgegnerin wurde mit Bescheiden des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie als oberster Seilbahnbehörde vom 11. 6. und 12. 6. 2018 die Konzession für den Bau und Betrieb einer Seilbahnanlage sowie die dafür erforderliche Baugenehmigung und Rodungsbewilligung erteilt.
[2] Der Antragsteller ist Eigentümer einer Liegenschaft, die von der geplanten Seilbahnanlage überquert werden soll. Mit Bescheid vom 17. 7. 2019 räumte der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zugunsten der Antragsgegnerin in Bezug auf diese Liegenschaft die Dienstbarkeiten der Duldung der permanenten Rodung, der Errichtung, des Betriebs und der Wartung der Seilbahn ein. Gemäß § 17 Abs 2 EisbEG wurde eine einmalige pauschale Entschädigung festgesetzt.
[3] Die vom Antragsteller dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. 9. 2019 abgewiesen und die ordentliche Revision gemäß § 25a Abs 1 VwGG iVm Art 133 Abs 4 B-VG mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig erklärt.
[4] Der Antragsteller erhob gegen diese Entscheidung außerordentliche Revision sowie eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
[5] Mit seinem am 10. 12. 2019 beim Erstgericht eingebrachten Antrag gemäß § 18 Abs 1 EisbEG begehrt der Antragsteller für die zwangsweise Einverleibung der Dienstbarkeit eine Entschädigung in Form einer wertgesicherten monatlichen Rente.
[6] Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Der Lauf der dreimonatigen Frist für den Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach § 97 SeilbG iVm § 18 EisbEG beginne erst mit der materiellen Rechtskraft des Enteignungsbescheids. Der Beginn dieser Frist werde nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch durch die Erhebung einer Revision an den VwGH hinausgeschoben. Dies habe nach dem Zweck der Regelung auch für eine außerordentliche Revision zu gelten, weil ein Entschädigungswerber nicht dazu verhalten sein solle, schon vor einer endgültigen Entscheidung über den die Entschädigungspflicht auslösenden Rechtseingriff ein Verfahren über die Höhe der Entschädigung einzuleiten.
[7] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragstellers keine Folge, billigte die rechtliche Begründung des Erstgerichts und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage für zulässig.
[8] Der von der Antragsgegnerin am 25. 6. 2020 beantwortete Revisionsrekurs des Antragstellers ist aufgrund der rechtskräftigen Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist als rechtzeitig zu behandeln.
[9] Die am 17. 2. 2021 eingebrachte weitere Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegnerin verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels und war zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041666).
[10] Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung bedarf es keiner ausdrücklichen Aufhebung der infolge Versäumung der Revisionsrekursfrist ergangenen zurückweisenden Entscheidung (8 Ob 57/20w). Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung fallen alle Säumnisfolgen ex lege weg (RS0036692 [T7; T8]).
[11] Der Revisionsrekurs ist im Sinne der Begründung des Rekursgerichts auch zulässig, weil die Frage des Beginns der Antragsfrist nach § 18 Abs 1 EisbEG nach der mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und eines Revisionsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ab 1. 1. 2014 geänderten Rechtslage in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch nicht abschließend geklärt ist.
[12] Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[13] 1. Der Antragsteller setzt sich in seinen äußerst knappen Rechtsmittelausführungen mit den rechtlichen Überlegungen der Vorinstanzen inhaltlich nicht auseinander, sondern äußert nur die „Befürchtung“, dass diese „letztlich falsch“ sein könnten. Mit dem Argument, das Interesse des von der Enteignung betroffenen Antragstellers an einer möglichst zeitnahen Festsetzung der Entschädigung werde durch die Ansicht der Vorinstanzen nicht hinreichend berücksichtigt, gelingt es ihm gerade noch, den Anforderungen an eine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge zu genügen (vgl RS0043603).
[14] 2. Die für die Entscheidung des Rekursgerichts maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs 1 EisbEG hat folgenden Wortlaut: „Gegen den Bescheid der Behörde kann im Verwaltungsrechtsweg Berufung erhoben werden. Eine Berufung gegen die Entscheidung über die Entschädigung ist aber unzulässig. Dem Enteigneten und dem Eisenbahnunternehmen steht es frei, binnen drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Festsetzung der Entschädigung bei dem zuständigen Landesgericht (Abs. 2) zu begehren. Mit der Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Entschädigung außer Kraft.“
[15] Mit dieser Regelung normiert der Gesetzgeber für das eisenbahnrechtliche Enteignungsverfahren eine sogenannte sukzessive Kompetenz (zB 2 Ob 38/12w; 1 Ob 138/13w; 4 Ob 174/17t). Sieht eine gesetzliche Regelung ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren zwingend vor und wird das Gericht schon vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens angerufen, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen (1 Ob 135/07w; 2 Ob 171/08y; 4 Ob 174/17t; RS0122665, RS0127276).
[16] 3. Der Oberste Gerichtshof judiziert zum Fristenlauf für die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 18 Abs 1 dritter Satz EisbEG (bzw dem ua auf das EisbEG verweisenden § 117 WRG) in ständiger Rechtsprechung, dass die gesetzliche Frist grundsätzlich mit der Zustellung jener Sachentscheidung über die Enteignung beginnt, die mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden kann (1 Ob 95/07p; 1 Ob 178/14d; 1 Ob 63/17x, vgl auch RS0053750 [BStG]). Die Entschädigungsfrage darf vom Außerstreitgericht erst dann überprüft werden, wenn der Enteignungsbescheid rechtskräftig ist, zumal erst dann der Eingriff in das Eigentumsrecht des Antragstellers endgültig feststeht (1 Ob 31/19v mwN).
[17] 4. Nach der vor Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich herrschenden Rechtsprechung galt als maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Antragsfrist die Zustellung der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zweiter Instanz, unabhängig davon, ob auch noch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde (RS0053750). Diese Beurteilung ging mit der in der Judikatur des Verwaltrungsgerichtshofs vertretenen Auffassung konform, dass Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte mit ihrer Erlassung formell und materiell rechtskräftig sind, auch wenn die Frist für eine Revision, der nach § 30 Abs 1 VwGG keine aufschiebende Wirkung zukommt, noch offen steht (VwGH Ra 2018/21/0111; Ra 2016/03/0050).
[18] 5. Nach Einführung der meritorischen Entscheidungsbefugnis des VwGH mit § 42 Abs 4 VwGG idF VwG-Nov 2012 und nach Schaffung eines dem System der ZPO nachgebildeten Revisionsverfahrens gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte, hat der Oberste Gerichtshof zuletzt in der von den Vorinstanzen herangezogenen Entscheidung 1 Ob 31/19v (RS0132699) klargestellt, dass der Beginn der Frist für die Stellung des Entschädigungsantrags auch durch die Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof hinausgeschoben wird. Die enteignete Partei ist nach dem Gesetzeszweck davor zu schützen, bereits einen mit Kosten verbundenen Antrag auf Entscheidung der Entschädigungsfrage durch das Gericht stellen zu müssen, obwohl dieser sich wegen einer noch möglichen Abänderung der Entscheidung im Nachhinein als unnötig erweisen könnte. Es soll ihr im Sinne der Prozessökonomie zugestanden werden, die abschließende Beurteilung der Rechtmäßigkeit des entschädigungsbegründenden Eingriffs im dafür vorgesehenen Verfahren ohne Risiko eines möglicherweise frustrierten Verfahrensaufwands abzuwarten. Es kommt deshalb für den Beginn der Antragsfrist nicht darauf an, welcher Zeitpunkt in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als maßgeblich für den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts angesehen werde, sondern auf die Endgültigkeit des die Entschädigungspflicht auslösenden Rechtseingriffs.
[19] 6. Die Entscheidung 1 Ob 31/19v betraf den Fall der Erhebung eines ordentlichen Rechtsmittels im Verwaltungsverfahren, weshalb der Oberste Gerichtshof die Frage des Fristbeginns bei Erhebung einer außerordentlichen Revision iSd § 28 Abs 3 VerwGG mangels Entscheidungsrelevanz offen ließ.
[20] Die in der genannten Entscheidung für das ordentliche verwaltungsgerichtliche Revisionsverfahren ins Treffen geführten Gründe treffen allerdings auch auf das außerordentliche Revisionsverfahren zu.
[21] Es obliegt dem Verwaltungsgerichtshof, ohne Bindung an den Zulassungsausspruch des Verwaltungsgerichts zu beurteilen, ob die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG abhängt. Eine endgültige Entscheidung über den entschädigungsbegründenden Rechtseingriff liegt auch hier erst dann vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsmittels geprüft und darüber entschieden hat.
[22] Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Frist zur Anrufung des Außerstreitgerichts nach § 18 Abs 1 EisbEG erst mit der Zustellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über eine nicht absolut unzulässige, rechtzeitig erhobene außerordentliche Revision beginnt.
[23] 7. Im Verhältnis zu dem im Revisionsrekurs ins Treffen geführten Interesse des Antragstellers an einer zeitnahen Entscheidung über die Entschädigungsfrage spielt es keine Rolle, ob einem anhängigen verwaltungsrechtlichen Revisionsverfahren ein ordentliches oder ein außerordentliches Rechtsmittel, dessen Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof bejahen könnte, zugrunde liegt.
[24] 8. Eine Heilung der Unzulässigkeit des Rechtswegs ist möglich, wenn die fehlenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz oder bis zur Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes eingetreten sind (RS0085867 [T15] = 8 ObS 12/03b). Das ist hier unstrittig nicht der Fall.
[25] 9. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 44 Abs 1 EisbEG.
[26] Ob Kosten durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei verursacht wurden, ist nach dieser Bestimmung nur für den Umfang des vom Eisenbahnunternehmen zu leistenden Ersatzes von Bedeutung. Dies bedeutet, dass auf den Ersatz solcher Kosten, die hier auch nicht verzeichnet wurden, kein Anspruch besteht.
[27] Ein Kostenersatz des Antragstellers an das Eisenbahnunternehmen findet dagegen unter keinen Umständen statt (RS0058085 [T4]; ua 1 Ob 92/18p).
Textnummer
E131502European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00020.21F.0325.000Im RIS seit
11.05.2021Zuletzt aktualisiert am
18.06.2021