TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/1 L521 2177501-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch


L521 2177501-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Mag. Thomas Loos, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Schönauerstraße 7, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2020, Zl. XXXX , betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte nach unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 07.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Zum bisherigen Verfahrensgeschehen wird auf die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, sowie vom 07.08.2020, L524 2177501-2/2E, verwiesen.

Mit dem erstangeführten Erkenntnis vom 10.07.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers Antrag auf internationalen Schutz im Instanzenzug bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde schließlich eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Mit dem zweitangeführten Erkenntnis vom 07.08.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführer auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z. 3 FPG 2005 im Instanzenzug abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt, die Beschwerde- bzw. Revisionsfrist ist noch nicht abgelaufen.

3. Einer vom Beschwerdeführer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, erhobenen außerordentlichen Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.10.2019, Ra 2019/14/0450-5, die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.03.2020, Ra 2019/14/0450-7, wurde die Revision zurückgewiesen.

4. Der Beschwerdeführer kam seiner aufgrund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, bestehenden Verpflichtung zur Ausreise bis dato nicht nach.

5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbotes mit der Begründung zur Kenntnis gebracht, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen sei. Darüber hinaus wurden dem Beschwerdeführer insgesamt 21 Fragen (im Wesentlichen zu seinem Privatleben im Bundesgebiet) gestellt.

6. In seiner Stellungnahme vom 08.10.2019 weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass aufgrund seiner gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, erhobenen außerordentlichen Revision bereits das Vorverfahren eingeleitet worden sei. Die „Erlassung einer nicht rechtskräftigen Rückkehrentscheidung“ rechtfertige für sich alleine kein Einreiseverbot. Da der Beschwerdeführer im Übrigen strafgerichtlich unbescholten sei, werde die Einstellung des Verfahrens beantragt.

7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 10.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer neuerlich die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbotes mit der Begründung zur Kenntnis gebracht, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Ausreise noch immer nicht nachgekommen sei, obwohl der Verwaltungsgerichtshof die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, erhobene außerordentliche Revision zuletzt zurückgewiesen habe. Darüber hinaus wurden dem Beschwerdeführer neuerlich insgesamt 21 Fragen (im Wesentlichen zu seinem Privatleben im Bundesgebiet) gestellt.

8. In seiner Stellungnahme vom 22.06.2020 bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Frist für die freiwillige Ausreise am 09.04.2020 geendet habe, eine sofortige Ausreise jedoch aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden Ausgangsbeschränkungen nicht möglich gewesen sei. Überhaupt stelle sich eine Reise in den Irak aufgrund der Covid-19-Pandemie als „generell unmöglich“ dar. Die nicht fristgerechte Ausreise stelle darüber hinaus per sei keinen Grund für die Erlassung eines Einreiseverbotes dar.

9. Mit Note vom 29.06.2020 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak und räumte eine Frist zur Stellungnahme ein.

10. In seiner Stellungnahme vom 06.07.2020 geht der Beschwerdeführer auf das ihm vorgehaltenen Länderinformationsblatt nicht ein. Vielmehr wird ergänzend vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Irak Verfolgung aufgrund seines sunnitischen Religionsbekenntnisses drohen würde und eine direkte Reise nach Bagdad weiterhin nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer sei bereits mehr als fünf Jahre im Bundesgebiet „großteils rechtmäßig aufhältig“ und sehr gut integriert, weshalb sich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme auch nach § 9 BFA-VG als unzulässig darstelle.

11. Mit den nunmehr in diesem Verfahren angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer neuerlich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Wider den Beschwerdeführer wurde ferner gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG 2005 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) Gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 wurde dem Beschwerdeführer schließlich keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine Schritte gesetzt, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Der Beschwerdeführer sei außerdem mittellos und bestreite sein Auskommen lediglich im Wege der Inanspruchnahme staatlicher Zuwendungen, sodass eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot zu erlassen sei. Im Rahmen der Begründung zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird auf die Erwägungen zum Einreiseverbot verwiesen und daraus eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit abgeleitet, die eine sofortige Ausreise des Beschwerdeführers erfordern würde. Da sich der Beschwerdeführer weiterhin weigere, das Bundesgebiet zu verlassen, sei zu befürchten, dass er auch weiterhin „in der Rechtswidrigkeit [seines] Aufenthaltes verharren werde“. Dem Beschwerdeführer sei es im Übrigen zumutbar, den Ausgang des Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

12. Mit Verfahrensanordnung vom 31.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

13. Gegen den dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 03.08.2020 zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2020 richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. In der Sache bringt der Beschwerdeführer vor, über Arbeitsplatzzusagen zu verfügen – darunter einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vom 08.06.2020 – und das Modul 2 der Integrationsprüfung abgeschlossen zu haben. Er verfüge über ein umfassendes soziales Netz an Freunden und Bekannten. Eine Ausreise des Beschwerdeführers sei aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht möglich, woraus sich eine wesentliche Änderung der Sachlage gegenüber dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, ergeben würde. Darüber hinaus habe sich die Sicherheitslage in Bagdad wesentlich verschlechtert, sodass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu gewärtigen habe und darüber hinaus die sichere Erreichbarkeit des Heimatortes aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht gegeben sei.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wären nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe sich während der Covid-19-Pandemie an die Ausgangsbeschränkungen gehalten, sodass ihm kein beharrliches Verweigern der Ausreise vorbeworfen werden könne. Darüber hinaus bestehe die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aus schablonenhaften und unsubstantiierten Ausführungen und es liege ohnehin bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung wider den Beschwerdeführer vor, die jederzeit vollzogen werden könne, womit den ins Treffen geführten öffentlichen Interessen bereits entsprochen werde.

14. Die Beschwerdevorlage langte am 28.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

15. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2020 wurde der gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde Folge gegeben und Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, aus dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobenen Sachverhalt wären keine schwerwiegenden Gründe im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG abzuleiten, welche eine sofortige Ausreise der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich erscheinen ließe. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte, dass im gegenständlichen Fall einer der sonstigen Tatbestände des § 18 Abs. 1 oder 2 BFA-VG heranzuziehen wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht wies ferner darauf hin, dass der Aktenlage nach bislang keine Anstrengungen unternommen wurden, eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak auch nur vorzubereiten. Dass nunmehr ein neues Verfahren – samt damit verbundenem Aufwand beim belangten Bundesamt und beim Bundesverwaltungsgericht – eingeleitet wird, anstatt das rechtskräftige Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019 zu effektuieren, stelle sich als nicht nachvollziehbar und unter verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten vollkommen unzweckmäßig dar. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 05.05.2020, Ra 2019/21/0061, in einem insoweit vergleichbaren Fall bereits beanstandet, dass nicht erkennbar sei, worin der aus der Sicht des öffentlichen Interesses den zusätzlichen Verwaltungsaufwand rechtfertigende Mehrwert liegt, wenn trotz Bestehens einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung diese wiederholt und mit einem Einreiseverbot verbunden wird, zumal damit ein neuerlicher Instanzenzug eröffnet wird.

16. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2020 wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Anbetracht der vorrangigen Funktion der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes ist, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt. Im Rahmen eines Rückkehrentscheidungsverfahrens sei somit solange nicht in die abschließende Prüfung eines allfälligen Gefährdungsszenarios einzusteigen, solange der Führung eines dafür vorgesehenen Verfahrens auf internationalen Schutz nicht ausreichend deutlich entgegengetreten wird.

Aufgrund des Vorbringens in der Beschwerde, wonach er im Fall einer Rückkehr in den Iark Verfolgung befürchte, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und dem Bundesverwaltungsgericht eine Abschrift der Erstbefragung vorzulegen oder darzulegen, weshalb die nach der Rechtsprechung gebotene Antragstellung unterlassen wird.

17. Am 22.09.2020 stellte der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der Gemeinde XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte dabei zur Begründung seines Antrages im Wesentlichen vor, seit dem Beginn der regierungskritischen Demonstrationen im Irak auf seiner Facebook-Seite die von schiitischen Milizen gegenüber Demonstranten gesetzten Übergriffe zu dokumentieren. Sein Vater sei deshalb vor etwa zwei Monaten kontaktiert worden, auch habe ihn ein in Deutschland lebender Cousin gewarnt, dass er mit seinen Aktivitäten im Internet auch das Leben seines Vaters gefährden würde. Seine Familie ziehe nunmehr auch eine Flucht in den Irak in Erwägung. Er selbst befürchte, im Fall einer Rückkehr in den Irak von schiitischen Milizen gefoltert oder getötet zu werden.

Eine Abschrift der vor der Polizeiinspektion XXXX aufgenommenen Erstbefragung wurde dem Bundesverwaltungsgericht im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers 28.09.2020 in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer XXXX ist Staatsangehöriger des Irak. Er wurde am XXXX in der irakischen Hauptstadt Bagdad geboren und lebte dort bis zur Ausreise. Am 07.07.2015 stellte er einen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

1.2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, wurde der Antrag des Beschwerdeführers Antrag auf internationalen Schutz im Instanzenzug bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde schließlich eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

1.3. Eine vom Beschwerdeführer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019, G312 2177501-1/13E, erhobenen außerordentliche Revision wurde mir Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.10.2019, Ra 2019/14/0450-5, die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.03.2020, Ra 2019/14/0450-7, wurde die Revision zurückgewiesen.

1.4. Der Beschwerdeführer kam in der Folge seiner aufgrund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2019 bestehenden Verpflichtung zur Ausreise bis dato nicht nach.

1.5. Mit den nunmehr in diesem Verfahren angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer neuerlich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Wider den Beschwerdeführer wurde ferner gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG 2005 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) Gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 wurde dem Beschwerdeführer schließlich keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

1.6. Gegen den seinem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 03.08.2020 zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2020 hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

1.7. Am 22.09.2020 stellte der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das bezughabende Verfahren ist gegenwärtig vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Zahl 200899146 unerledigt anhängig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den seitens des belangten Bundesamtes vorgelegten Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend das Verfahren Zl. XXXX sowie durch Einsichtnahme in die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden.

2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang sowie die dazu getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensakts des belangten Bundesamtes.

2.3. Die unter Punkt 1.7. getroffene Feststellungen gründet sich einerseits auf den Inhalt der vom Beschwerdeführer vorgelegten Niederschrift seiner Erstbefragung vor der Polizeiinspektion XXXX am 22.09.2020. Eine amtswegige Nachschau im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister am heutigen Tag ergab ferner, dass das Verfahren aufgrund des am 22.09.2020 gestellten Antrages auf internationalen Schutz unerledigt beim belangten Bundesamt anhängig ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.03.2018, Ra 2017/21/0138, zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung während eines anhängigen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz festgehalten, dass gemäß der seit 01.11.2017 geltenden Fassung des § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem mit der Rückkehrentscheidung festzustellen ist, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG 2005 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Diese Norm ist sowohl vom belangte Bundesamt im verwaltungsbehördlichen Verfahren, als auch vom Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren anzuwenden.

In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG 2005 – außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist – auf Grund des vom Gesetzgeber seit 01.01.2014 geschaffenen Systems nicht in Betracht komme. Vor diesem rechtlichen Hintergrund habe der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0162, mit näherer Begründung dargelegt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls auch samt darauf aufbauendem Einreiseverbot) nicht zulässig sei, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren – unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz – bereits anhängig ist, dürfe die Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung sei nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber – jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat – bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz sei daher grundsätzlich nicht zulässig.

In den Erkenntnissen vom 25.09.2018, Ra 2018/21/0107, vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0146, und vom 12.11.2019, Ra 2019/21/0245, wurde diese Rechtsansicht bekräftigt.

3.2. Der Beschwerdeführer hat am 22.09.2020 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Über diesen Folgeantrag wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bislang noch nicht abgesprochen.

Schon deshalb ist die Bestätigung der wider den Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren der vorstehend zitierten Rechtsprechung zufolge nicht zulässig, zumal damit die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG 2005 über die Zulässigkeit der Abschiebung zu verbinden wäre. Dies würde aber im Sinn der vorstehend zitierten Rechtsprechung bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz in unzulässiger Weise vorwegzunehmen.

Vielmehr ist die mit dem angefochtenen Bescheid erlassene Rückkehrentscheidung und die weiteren damit verbundenen Nebenaussprüche wie das erlassenen Einreiseverbot – welches gemäß § 53 Abs. 1 FPG 2005 die Erlassung einer Rückkehrentscheidung voraussetzt – aufgrund des nunmehr vom Beschwerdeführer gestellten zweiten Antrages auf internationalen Schutz im Umfang der noch verbleibenden Spruchpunkte I.-V. ersatzlos zu beheben. Über die allfällige Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes wird im nunmehr anhängigen Verfahren Zl. XXXX des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über den am 22.09.2020 vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden sein.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdebehauptungen. Da nämlich die wider den Beschwerdeführer ergangene Rückkehrentscheidung schon wegen des von ihm eingebrachten neuerlichen Antrags auf internationalen Schutz aufzuheben ist, ist nicht im Sinn des § 9 Abs. 1 BFA-VG zu prüfen, ob allenfalls ein unzulässiger Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers vorliegt.

3.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte bereits gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG abgesehen werden, zumal bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid im Umfang der Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Nebenaussprüche aufzuheben ist. Im Übrigen konnte auch gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG und § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz nicht erwarten lässt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die getroffene Entscheidung von der bisherigen und vorstehend zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – insbesondere dessen Erkenntnis vom 15.03.2018, Ra 2017/21/0138 sowie der darauf aufbauenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor und wird eine solche auch in der Beschwerde nicht dargetan.

Schlagworte

Anhängigkeit Asylantragstellung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L521.2177501.3.01

Im RIS seit

12.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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