TE Vwgh Beschluss 2021/2/9 Ra 2020/07/0118

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §914
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision der K W in H, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in 6460 Imst, Dr. Pfeiffenberger-Straße 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 22. Oktober 2020, Zl. LVwG-2020/34/1268-16, betreffend ein Verfahren nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft H, vertreten durch den Obmann), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Ausschuss der mitbeteiligten Agrargemeinschaft fasste am 12. März 2020 den Beschluss, deren Mitgliedern einen Beitrag in der Höhe von € 50,-- pro Anteilsrecht für die Sanierung des Almgebäudes der H.-Alpe, eines Viehtriebwegs und einer Quellfassung vorzuschreiben.

2        Den dagegen erhobenen Einspruch der Revisionswerberin, die über ein Anteilsrecht an der mitbeteiligten Partei verfügt, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. Juni 2020 ab.

3        Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, die das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis abwies. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

4        Dazu führte es in rechtlicher Hinsicht aus, es sei - angesichts der körperschaftlichen Autonomie von Agrargemeinschaften - nicht Aufgabe der Agrarbehörde, alle möglichen denkbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen eines Beschlusses einer Agrargemeinschaft bzw. eines ihrer Organe in Erwägung zu ziehen und bei einem Einspruchsverfahren ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen. In der Regel werde eine Grobprüfung dahin ausreichen, ob die naheliegenden (rechtlichen, faktischen und wirtschaftlichen) Folgen eines Beschlusses den Vorgaben einer Satzung, wonach die Gemeinschaft den Zweck habe, ihre Grundstücke und Vermögenschaften bestmöglich und nachhaltig zu bewirtschaften, um die rechtmäßigen Ansprüche der Mitglieder zu befriedigen sowie den Gemeinschaftsbesitz zu erhalten und zu verbessern, entspreche oder nicht (unter Hinweis auf VwGH 1.6.2006, 2005/07/0036).

5        Eine Aufhebung der Beschlüsse von Organen einer Agrargemeinschaft durch die Agrarbehörde dürfe nur erfolgen, wenn die Beschlüsse a) gegen das TFLG 1996 oder gegen den Regulierungsplan einschließlich eines Wirtschaftsplans oder einer Satzung verstoße und b) dabei wesentliche Interessen der Revisionswerberin verletzt würden. Beide Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen (abermals unter Hinweis auf VwGH 2005/07/0036).

6        Nach § 2 der in Geltung befindlichen Satzung der mitbeteiligten Partei sei diese eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinn des § 34 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996), stelle einen Selbstverwaltungskörper dar und stehe unter der Aufsicht der Agrarbehörde. Sie habe den Zweck, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die nachhaltige Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherzustellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und könne zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen betreiben.

7        Aus den (im Wesentlichen auf ein vom Verwaltungsgericht eingeholtes Gutachten eines agrarfachlichen Amtssachverständigen vom 24. August 2020 gestützten) Feststellungen gehe hervor, dass eine zeitgemäße Bewirtschaftung der H.-Alpe ohne die vom Ausschuss der mitbeteiligten Partei beschlossenen Maßnahmen nicht mehr möglich wäre. Dies würde sich in weiterer Folge auch negativ auf die mitbeteiligte Partei sowie deren anteilsberechtigte Mitglieder auswirken.

8        Der gefasste Beschluss verstoße „aus fachlicher Sicht“ nicht gegen den Regulierungsplan bzw. die derzeit gültige Satzung, sondern trage § 2 der Satzung Rechnung. Auch die wesentlichen Interessen der Revisionswerberin würden durch einen Beitrag in der Höhe von € 50,-- bzw. die Mitfinanzierung von Maßnahmen, welche eine zeitgemäße Bewirtschaftung der H.-Alpe nachhaltig absicherten, nicht verletzt. Sie sei vielmehr verpflichtet, die mit der Mitgliedschaft verbundenen Lasten zu tragen. Dazu verwies das Verwaltungsgericht auf § 3 Abs. 2 lit. d der Satzung, wonach die Mitglieder verpflichtet seien, die mit der Mitgliedschaft verbundenen Lasten zu tragen und die beschlossenen Arbeitsleitungen zu erbringen.

9        Die Unzulässigkeit der Revision begründete es damit, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliege, weil es sich hier um eine Einzelfallbeurteilung handle, die unter Beiziehung eines Amtssachverständigen getroffen worden sei.

10       Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird als „Vorbemerkung“ zum angefochtenen Erkenntnis vorgebracht, die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 2005/07/0036) stelle nur auf die „Folgen“ eines Beschlusses ab, sodass zum Beispiel hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Investitionen nur eine Grobprüfung stattfinden müsse. Aus dieser Entscheidung lasse sich aber selbstverständlich nicht ableiten, dass nicht geprüft werden müsse, ob die Voraussetzungen für eine Kompetenz zur Beschlussfassung vorlägen. Das angefochtene Erkenntnis könne nur damit erklärt werden, dass wesentliche Rechtsfragen - die sogleich angeführt würden - (rechtsirrig) ausgeklammert worden seien.

15       So fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen, ob bei Agrargemeinschaften - wie etwa bei Personengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung - eine betraglich unbeschränkte Nachschusspflicht wirksam in der Satzung verankert werden könne, ob gesellschaftsrechtliche Grundsätze auf Agrargemeinschaften anwendbar seien und ob es eine Treuepflicht von Organwaltern der Agrargemeinschaft gebe. Auch fehle eine solche Rechtsprechung zu § 37 Abs. 6 TFLG 1996, konkret zu den Fragen, ob nach dieser Bestimmung eine Beschlussanfechtung nur zulässig sei, wenn gegen das TFLG 1996, den Regulierungsplan oder die Satzung verstoßen werde oder es darüber hinaus weitere Fälle gebe, und ob bei der Beeinträchtigung fremder Interessen nur auf das beschwerdeführende Mitglied oder aber auf die Gesamtheit der Mitglieder bzw. zumindest eine Mehrheit von Mitgliedern abgestellt werde.

16       Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

17       Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. etwa VwGH 24.11.2016, Ra 2016/07/0006, mwN).

18       Vor diesem Hintergrund kann eine im konkreten Einzelfall getroffene Auslegung von Verträgen oder Satzungen - wie etwa Satzungen von Agrargemeinschaften - nur dann eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, wenn sie grobe Auslegungsfehler oder sonstige krasse Fehlbeurteilungen erkennen lässt (VwGH 20.5.2020, Ra 2019/07/0086, 0087; 25.4.2019, Ro 2019/07/0001; 27.2.2019, Ra 2019/10/0010).

19       Das Verwaltungsgericht hat sich im vorliegenden Fall - entgegen der Prämisse der Zulässigkeitsbegründung - nicht nur mit den „Folgen“ des Beschlusses des Ausschusses der mitbeteiligten Partei vom 12. März 2020, sondern auch mit der zu diesem Zeitpunkt geltenden Satzung der mitbeteiligten Partei auseinandergesetzt. Anhand der unbestritten gebliebenen Feststellungen, wonach die die H.-Alpe betreffenden Sanierungsmaßnahmen zweckmäßig seien, hat es eine Auslegung der Satzung dahingehend vorgenommen, dass insbesondere deren § 2 und § 3 Abs. 2 lit. d der gegenständlichen Beschlussfassung des Ausschusses über eine Beitragsvorschreibung zu den Sanierungsmaßnahmen nicht entgegenstünden bzw. die Beschlussfassung den Satzungsbestimmungen sogar Rechnung trage. Dass dem Verwaltungsgericht dabei grobe Auslegungsfehler oder sonstige krasse Fehlbeurteilungen unterlaufen wären, wird in der Revision an keiner Stelle behauptet; dies ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu erkennen.

20       Aus diesem Grund handelt sich bei den in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Rechtsfragen um solche von abstrakter Natur. Für die Lösung derartiger Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zuständig (vgl. VwGH 21.12.2020, Ra 2020/07/0108, mwN).

21       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070118.L00

Im RIS seit

27.04.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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