TE Bvwg Erkenntnis 2017/1/19 L516 2144577-1

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Veröffentlicht am 19.01.2017
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Entscheidungsdatum

19.01.2017

Norm

AVG §59 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
B-VG Art133 Abs4
FPG §55
VwGVG §13 Abs1

Spruch


L516 2144577-1/4Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2016, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. und IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B) Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bangladesch, stellte am 10.10.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde sie am 11.10.2016 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 02.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

1.1. Die Beschwerdeführerin begründete diesen Antrag zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass sie nach ihrem abgeschlossenen Studium der Mathematik als Mitarbeiterin einer Nichtregierungsorganisation namens PRAS gearbeitet habe und für Frauenbildung zuständig gewesen sei und sie sich zudem gegen Kinderhochzeiten engagiert habe. Sie sei vom Führer bedroht worden, da dieser der Meinung gewesen sei, dass Frauen als Hausfrauen tätig sein und Kinder betreuen sollten. So seien die Regeln im Islam. Ihr sei ihre Tätigkeit verboten worden und man habe sie mit dem Umbringen bedroht. Sie habe die Bedrohung zur Anzeige gebracht, doch habe die Polizei nichts gemacht. Für ihre Tätigkeit sei sie von Tür zu Tür gegangen, sie habe über die schulische Weiterbildung informiert und habe Eltern, die ihre Mädchen im Alter von 10 bis 12 Jahren verehelichen wollten, über die Kinderhochzeiten aufgeklärt. Sie habe auch einmal im Februar 2016 mit drei oder vier anderen von PRAS versucht, eine Kinderhochzeit zu verhindern und sei dabei mit einem Stock am Kopf und Arm verletzt worden. Sie habe jenen Übergriff angezeigt, die Polizei habe jedoch nichts gemacht.

1.2. Die Beschwerdeführerin brachte dem BFA zu ihrem Vorbringen verschiedene Dokumente in Vorlage.

1.3. Das BFA richtete eine Anfrage an die Staatendokumentation, deren Beantwortung am 21.10.2016 beim BFA einlangte.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 8 AsylG ab, erteilte der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen diese eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Das BFA sprach zudem aus, dass für die freiwillige Ausreise keine Frist bestehe (Spruchpunkt IV).

2.1. Das BFA hat sich zur Begründung der Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin im Einzelnen mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt und in einer über dreieinhalb Seiten (AS 258 - 262) erstreckenden Argumentationskette ausgeführt, warum es das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Detail für nicht glaubhaft erachtet.

3. Mit Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Das BFA begründete dies wie folgt:

„Wie oben ausgeführt, liegt Ziffer 5 in Ihrem Fall vor. Ihre Angaben waren nicht glaubhaft und wären auch bei Wahrheitsunterstellung nicht als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes zu werten. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."

4. Die Beschwerdeführerin hat gegen den ihr am 12.12.2017 zugestellten Bescheid des BFA am 22.12.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 16.01.2017 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zum Sachverhalt

Verfahrensgang und Sachverhalt (oben Pkt I.) ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA. Die Ausführungen zur Begründung der Abweisung des Antrages ergeben sich aus der Beweiswürdigung des BFA im angefochtenen Bescheid (AS 258 - 262).

2. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt V und IV des angefochtenen Bescheides

2.1. Gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn 1. […] oder 5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, oder 6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.

2.2. Zum gegenständlichen Verfahren

2.2.1. Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass " das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht". Diese Bestimmung entspricht § 6 Abs 1 Z 4 AsylG idF AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003; diese wiederum entspricht § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung des AsylG 1997. Aufgrund der nur unmaßgeblich veränderten, im wesentlich aber nahezu wortidenten Formulierungen dieser Bestimmungen ist bei der Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestands - somit als Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht - jedenfalls die Judikatur des VwGH zu den Vorgängerbestimmungen heranzuziehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung ausgesprochen, dass bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen noch nichts darüber ausgesagt wird, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" (z.B. fehlende Kenntnis der behaupteten Stammessprache) substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0214; 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Nur dann, wenn es "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil quasi "aufdrängt", die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442).

2.2.2. Im vorliegenden Fall hat sich das BFA mit einer im Rahmen der Beweiswürdigung über dreieinhalb Seiten (AS 258 - 262) erstreckenden Argumentationskette damit auseinandergesetzt, warum es das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einzelnen für nicht glaubhaft erachtet. Eine bloß "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens reicht jedoch für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht aus (vgl VwGH 22.10.2003, 2002/01/0086). Dazu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den entsprechenden Vorfassungen dieses Tatbestandes ausgeführt hat, dass § 6 Z 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 76/1997 (nunmehr § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG) lediglich dann anwendbar ist, wenn das gesamte Vorbringen zu einer Bedrohungssituation den Tatsachen offensichtlich nicht entspricht; seine Anwendbarkeit scheidet aus, wenn das Vorbringen auch nur in einem Punkt möglicher Weise auf eine wahre Tatsache gestützt wird; auf Einzelaspekte gestützte Erwägungen – wie dies auch im vorliegenden Fall vom BFA vorgenommen wurde – erweisen sich somit für die Anwendung des Tatbestandes der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens zur Bedrohungssituation als nicht tragfähig (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214).

2.2.3. Für den vorliegenden Fall hat die soeben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher zur Folge, dass entgegen der Annahme des BFA die Voraussetzung für die Ziffer 5 gegenständlich nicht vorlag und damit die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzulässig war.

2.3. Es war daher der Spruchteil V des angefochtenen Bescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt. Der Beschwerdeführerin ist daher vom BFA bis auf weiteres auch eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen (§ 51 AsylG).

2.4. Aufgrund dieses Ergebnisses konnte auch Spruchpunkt IV keinen Bestand mehr haben, weshalb dieser ebenso ersatzlos zu beheben ist.

2.5. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt V und IV spruchreif war und die Trennung – auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen – auch zweckmäßig erscheint.

2.6. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis III des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

2.6. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

2.7. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Frist qualifizierte Unglaubwürdigkeit Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L516.2144577.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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