Entscheidungsdatum
11.10.2020Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I421 2235257-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch Mag. Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt, Mozartstraße 11, 4020 XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle XXXX vom 14.08.2020, Zl. 1154822810/190232744 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am XXXX .2017 ehelichte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) vor dem Standesamt XXXX die slowakische Staatsangehörige A.E., geboren am XXXX . Mit 20.09.2017 wurde dem BF seitens des Magistrats Linz der Aufenthaltstitel „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ erteilt.
2. Mit Abschluss-Bericht vom 06.03.2019 der Landespolizeidirektion Wien wurde der Staatsanwaltschaft XXXX mitgeteilt, dass der Verdacht einer Aufenthaltsehe zwischen dem BF und A.E. bestehe.
3. Der BF wurde mit Schreiben vom 15.07.2020 seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass die Erlassung einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbots beabsichtigt werde, wobei ihm eine 14-tägige Stellungnahmefrist ab Zustellung der Verständigung eingeräumt wurde.
4. Mit Schriftsatz vom 24.07.2020 langte über die Rechtsvertretung des BF eine Stellungnahme desselben ein.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.08.2020, Zl. 1154822810/190232744, wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch die Rechtsvertretung des BF fristgerecht erhobene Beschwerde vom 15.09.2020. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, die Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass kein über das übliche Maß hinausgehende Privatleben des BF festgestellt werden konnte, sei unrichtig. Er habe seine Ehegattin aus Liebe im Jahr 2017 geheiratet, jedoch sei vor ca. 1,5 Jahren die Beziehung zu Bruch gegangen und habe die A.E. Österreich verlassen. Seit 25.01.2018 verfüge der BF über eine aufrechte Gewerbeberechtigung und sei er in Österreich seither erfolgreich als selbständiger LKW-Fahrer tätig und selbsterhaltungsfähig. Er verfüge über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und befinde sich der soziale Lebensmittelpunkt des BF in Österreich. Die engsten Freunde seien M.A., M.K. und A.K. Zu seinem Heimatland Ägypten habe er keinen Bezug mehr, zu den dortigen Angehörigen pflege er ein eher distanziertes Verhältnis. In Österreich habe er sich stets an die Gesetze gehalten und sei strafrechtlich nie in Erscheinung getreten, weswegen eine Ausweisung im Sinne der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer nicht notwendig erscheine. Eine umfassende Interessenabwägung sei durch die belangte Behörde nicht vorgenommen worden, zumal der BF über ein schützenswertes Privatleben in Österreich verfüge.
7. Mit Schriftsatz vom 17.09.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 22.09.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Ägypten. Seine Identität steht fest. Am XXXX .2017 ehelichte er vor dem Standesamt XXXX die slowakischen Staatsangehörige A.E.
Der BF ist seit dem 08.04.2015 melderechtlich im Bundesgebiet erfasst, jedoch nicht durchgehend. Im Zeitraum vom 20.05.2017 bis zum 21.06.2017, vom 08.08.2017 bis zum 18.09.2017, vom 10.10.2017 bis zum 23.01.2018 und vom 26.04.2019 bis zum 06.03.2020 war der BF nicht mit Wohnsitz in Österreich gemeldet.
Im Zeitraum vom 11.04.2017 bis zum 19.05.2017 und vom 18.09.2017 bis 09.10.2017 waren der BF und A.E. an jeweils derselben Adresse melderechtlich erfasst, insgesamt somit etwa 2 Monate. Seit 10.10.2017 ist A.E. im Bundesgebiet nicht mehr mit Wohnsitz gemeldet. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am XXXX .2017 waren weder der BF noch A.E. melderechtlich im Bundesgebiet erfasst.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. In Ägypten hat der BF das Studium der Sportwissenschaften abgeschlossen.
Er geht im Bundesgebiet einer Beschäftigung als selbständiger LKW-Fahrer nach und ist seit 01.08.2018 bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen sozialversichert. Bereits zuvor war der BF im Zeitraum vom 12.05.2017 bis zum 30.09.2017 bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen versichert, im Zeitraum vom 01.11.2017 bis zum 18.04.2018 als geringfügig beschäftigter Arbeiter angestellt.
Der BF verfügt seit dem 20.09.2017 im Bundesgebiet über den Aufenthaltstitel „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ (gültig bis 20.09.2022), überdies auch über einen Aufenthaltstitel in Italien, einer „permesso di soggiorno“.
In Ägypten leben die beiden Kinder des BF, weiters seine Eltern und Geschwister. In Österreich verfügt der BF über keine Familienangehörigen und über keine maßgeblichen privaten Beziehungen.
Er ist in Österreich nicht vorbestraft.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des BFA unter zentraler Berücksichtigung des Abschluss-Berichts der Landespolizeidirektion Wien vom 06.03.2019, die schriftliche Stellungnahme des BF vom 24.07.2020, in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Aufgrund der Vorlage des ägyptischen Reisepasses steht sowohl die Staatsangehörigkeit als auch die Identität des BF zweifelsfrei fest. Dass der BF die A.E. am XXXX .2017 vor dem Standesamt XXXX geehelicht hat, ergibt sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister zur Person des BF und wird auch in einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich. Der Umstand, dass es sich bei A.E. um eine slowakische Staatsangehörige handelt, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person der A.E. sowie dem unstrittigen Akteninhalt.
Hinsichtlich der melderechtlichen Erfassung des BF im Bundesgebiet gilt es, auf den Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF zu verweisen, hinsichtlich der melderechtlichen Erfassung der A.E. im Bundesgebiet auf deren eigenen Auszug. Daraus ergibt sich auch die Gesamtdauer der melderechtlichen Erfassung der beiden an jeweils derselben Adresse und weiters der Umstand, dass weder der BF noch A.E. zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung im Zentralen Melderegister angeführt waren.
Dass der BF gesund ist, ergibt sich aus dessen schriftlicher Stellungnahme vom 24.07.2020 (AS 85), aufgrund dessen auch auf die Arbeitsfähigkeit des BF geschlossen werden kann und dieser überdies seit 01.01.2018 als Selbständiger bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen sozialversichert und als selbständiger LKW-Fahrer tätig ist sowie zuvor als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer einer Beschäftigung entsprechend seinem Sozialversicherungsdatenauszug nachgehen konnte. Im Zuge seiner schriftlichen Stellungnahme führte der BF selbst aus, in Ägypten das Studium der Sportwissenschaften abgeschlossen zu haben (Stellungnahme vom 24.07.2020, AS 85).
Hinsichtlich seiner Beschäftigung als LKW-Fahrer gilt es ebenso, auf die schriftliche Stellungnahme des BF vom 24.07.2020 (AS 85) zu verweisen.
Dass der BF seit dem 20.09.2017 über den Aufenthaltstitel „Angehöriger eines EWR-Bürgers“, gültig bis 20.09.2022, verfügt, ergibt sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister zur Person des BF. Der Umstand, dass der BF auch über den italienischen Aufenthaltstitel „permesso di soggiorno“ verfügt, ergibt sich aus dessen eigenen Ausführungen (Stellungnahme vom 24.07.2020, AS 85).
Ebenso gilt es hinsichtlich der in Ägypten aufhältigen Familienangehörigen des BF auf die schriftliche Stellungnahme vom 24.07.2020 zu verweisen (AS 87), weiters auch hinsichtlich dem Nichtvorhandensein in Österreich lebender Familienangehöriger (AS 85). Zwar brachte der BF im Zuge seiner Stellungnahme und seiner Beschwerde vor, in Österreich Freunde zu haben, jedoch gereichen diese privaten Kontakte, selbst wenn sie objektiv vorhanden und für ihn subjektiv von Bedeutung sind, nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben und Familienleben im Sinne der EMRK, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität. Der zeitliche Faktor ergibt sich dabei einerseits aus der Dauer seines Aufenthaltes und andererseits auch aus den Abwesenheiten des BF vom Bundesgebiet.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 23.09.2020.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.
Der BF als Staatsangehöriger von Ägypten ist Drittstaatsangehöriger und folglich Fremder iSd. soeben angeführten Bestimmung.
Durch seine Ehe mit einer slowakischen EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.
3.1. Zur Ausweisung aus dem Bundesgebiet (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:
§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
[…]
Der mit „Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers“ titulierte § 54 NAG lautet:
§ 54 (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs 2 Z 1 gilt nicht.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 52 Abs 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
2. nach § 52 Abs 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.
(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 bis 2 erfüllen.
(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 oder 2 erfüllen und
1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere, weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder
5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.
(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.
Der mit „Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate“ betitelte § 55 Abs 3 NAG lautet:
Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet:
§ 53a (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.
Gemäß § 54a Abs 1 erwerben Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, das Daueraufenthaltsrecht, wenn sie sich fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. § 53a Abs 2 ist bei der Berechnung der Fünfjahresfrist zu berücksichtigen.
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Vorab gilt es anzumerken, dass der BF durch seine knapp 10,5-monatige Abwesenheit zwischen dem 25.04.2019 und dem 06.03.2020 nicht in einem fünf Jahre übersteigenden Zeitraum im Bundesgebiet aufhältig war, weshalb der bei Vorliegen des Daueraufenthaltsrechts (§§ 53a, 54a NAG) qualifizierte Tatbestand des § 66 Abs 1 FPG nicht für die Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung zur Anwendung kommt.
Dem BF wurde auf Grund der am XXXX .2017 geschlossenen Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten slowakischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs 1 NAG eine Aufenthaltskarte, gültig bis 20.09.2022, ausgestellt. A.E. ist jedoch bereits seit 10.10.2017 nicht mehr melderechtlich im Bundesgebiet erfasst, die Ehe entsprechend den Angaben des BF in die Brüche gegangen und die A.E. in die Slowakei zurückgekehrt, wobei dem BF ihr Aufenthaltsort unbekannt sei.
Durch ihren Wegzug aus Österreich und ihre Rückkehr in die Slowakei erlischt das abgeleitete Aufenthaltsrecht des BF (vgl. EuGH 16.7.2015, K. Singh ua, C-218/14). Auf die Sonderkonstellation des § 54 Abs 5 NAG 2005, Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft betreffend, kann sich der Fremde bei aufrechter Ehe, nicht berufen (vgl. EuGH 16.7.2015, K. Singh ua, C-218/14). Gegebenenfalls käme dann auch eine Ausweisung des Fremden, nach Maßgabe des Ergebnisses der gebotenen Interessenabwägung nach § 66 Abs 2 FrPolG 2005, in Betracht, und zwar ohne dass es einer vorangehenden Befassung des BFA durch die Niederlassungsbehörde nach § 55 Abs 3 NAG 2005 bedürfte (VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005, VwSlg. 18646 A) (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0080).
Der BF hält sich daher seitdem nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist er auch nicht seiner Pflicht nachgekommen, der Behörde den Wegzug der A.E. unverzüglich entsprechend § 54 Abs 6 NAG bekanntzugeben. Dessen ungeachtet gilt es, im Sinne des § 66 Abs 2 FPG eine Interessenabwägung vorzunehmen.
Der BF als gesunder, erwachsener Mann im erwerbsfähigen Alter hält sich seit April 2015 mit Unterbrechungen von insgesamt einem Jahr und vier Monaten, somit gesamt knapp vier Jahre in Österreich auf. Im Bundesgebiet besteht seit dem Wegzug der A.E. kein Familienleben mehr.
Abgesehen von seiner selbständigen Tätigkeit als LKW-Fahrer und seiner damit einhergehenden Selbsterhaltungsfähigkeit konnte entsprechend der Beweiswürdigung unter Punkt II 2.3. kein nennenswertes Privatleben festgestellt werden.
Hingegen bestehen noch Bindungen zu seinem Heimatstaat Ägypten, wo er den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat und dort auch familiäre Bindungen in Form seiner beiden Kinder sowie seiner Eltern und Geschwister aufweist und er die Beziehung zu diesen im Falle einer Rückkehr wieder intensivieren und verfestigen kann. Er spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut, sodass er nach seiner Rückkehr nach Ägypten in der Lage sein wird, auch dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und so für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die diese nicht befolgen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde."
Zumal kein Familienleben des BF im Bundesgebiet besteht, kann durch die Ausweisung erst gar nicht ein Eingriff in ein solches erfolgen. Hinsichtlich seiner privaten Kontakte liegt zwar ein Eingriff vor, jedoch gilt es dabei anzumerken, dass es dem BF diesbezüglich freisteht, die Kontakte zu den in Österreich lebenden Freunden über moderne Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, wie der BF das bereits auch während seiner monatelangen Abwesenheitszeiten gehandhabt haben musste. Überdies kann er auch nach der Rückkehr nach Ägypten für touristische Zwecke visumfrei nach Österreich reisen, zumal ihm die Rückkehr in das Bundesgebiet nicht dauerhaft verunmöglicht wird, da gegen ihn kein Aufenthaltsverbot iSd § 67 FPG verhängt wurde.
Die belangte Behörde ist somit im Rahmen der Interessenabwägung zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zum Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist unter anderem begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.
4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren der belangten Behörde voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht, vielmehr wurde das bereits in der Stellungnahme Vorgebrachte wiederholt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.
Schlagworte
Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Ausweisungsverfahren Durchsetzungsaufschub EU-Bürger EWR-Bürger Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen UnionsbürgerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2235257.1.00Im RIS seit
11.03.2021Zuletzt aktualisiert am
11.03.2021