TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 G302 2230057-9

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G302 2230057-9/9E

Schriftliche Ausfertigung des am 03.11.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA: China, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Flüchtlingsdienst, in 1170 Wien, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , vom XXXX , Zl. XXXX , und gegen die Anhaltung in Schubhaft, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.11.2020, zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III.    Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.

IV.      Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX , Zl. XXXX , wurde über XXXX , geb. am XXXX , StA: China (im Folgenden: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet.

Der BF erhob durch seine rechtliche Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid.

Am 03.11.2020 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters sowie eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt.

Die Rechtsvertretung beantragte die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger Chinas und reiste am 05.09.2005 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein. Er stellte am 12.09.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.11.2010, GZ: C3 312.687-1/2008/7E, rechtskräftig abgewiesen und mit einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (rechtskräftige Ausweisung vom 11.11.2010) verbunden.

Der BF wurde am XXXX in einem Chinarestaurant bei der Ausübung einer nicht gemeldeten Beschäftigung betreten und in weiterer Folge aufgrund seines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet gem. § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG festgenommen und in das PAZ XXXX überstellt. Im Rahmen der Kontrolle hatte sich der BF zudem mit dem Aufenthaltstitel des XXXX , geb. XXXX ausgewiesen.

Über den BF wurde am 20.12.2019 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Zuletzt wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 30.09.2020, GZ: G314 2230057-8/7E in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des BF nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom BVwG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht verhältnismäßig ist. Der BF wurde aus der Schubhaft entlassen.

Am XXXX wurde der BF in XXXX beim „Schwarzfahren“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln betreten. Er wurde anschließend einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und fremdenpolizeilich einvernommen. In der Folge wurde über den BF am XXXX die nun gegenständliche Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der BF ist nicht gewillt, nach China auszureisen und besteht die Gefahr, dass er sich dem Verfahren entzieht, um eine Abschiebung zu verhindern. Insbesondere lebte der BF seit Juni 2016 im Verborgenen, verfügt über keine Meldeadresse und hat sich dem Abschiebeverfahren durch Untertauchen entzogen. Auch nach der letzten Entlassung aus der Schubhaft war sein Aufenthalt nicht bekannt.

Der BF verfügt über kein Reisedokument und kann das Bundesgebiet aus eigenem Entschluss nicht verlassen.

Der BF ist gesund, strafrechtlich unbescholten, ging in Österreich – bis auf geringfügigen Tätigkeiten im Zeitraum 2010 bis 2013 – keiner legalen Beschäftigung nach. Vielmehr ging er der „Schwarzarbeit“ nach.

Die belangte Behörde unternahm Anstrengungen ein Heimreisezertifikat zu erlangen und rechnet auf Grund der nunmehr guten Zusammenarbeit mit der chinesischen Vertretungsbehörde mit der baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Am 14.01.2020 wurde der BF der chinesischen Vertretungsbehörde in Wien vorgeführt. Am 17.09.2020 langte zwar eine negative Verbalnote seitens der chinesischen Vertretungsbehörde bei der belangten Behörde ein, jedoch wurde im Oktober 2020 bei der chinesischen Vertretungsbehörde wiederum ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) eingeleitet. Dieses wird von Seiten des Bundesamtes intensiv betrieben und zuletzt am 03.11.2020 urgiert. Im Oktober 2020 fand ein Wechsel des Personals in der chinesischen Vertretungsbehörde statt. Die neue Konsulin zeigt sich sehr kooperationsbereit. Nunmehr besteht über „Skype-Business“ (Leitung Wien – Peking) die Möglichkeit Einvernahmen und Überprüfungen in Echtzeit durchzuführen. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erscheint somit nunmehr wahrscheinlich.

Eine begleitete Abschiebung ins Herkunftsland könnte in etwa im Februar 2021 stattfinden.

Im Zusammenhang mit den weltweit zur Bekämpfung und Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen, wie insbesondere Einschränkungen im (Flug-)Reiseverkehr, ist die weitere Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft zu berücksichtigen, weil die Schubhaft ihren Zweck nur dann erfüllen kann, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich auch in eine Abschiebung münden kann (VwGH 01.04.2020, Ra 2020/21/0116).

Von einer dauerhaften Unmöglichkeit der Rückführung des BF nach China kann nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist es nach wie vor wahrscheinlich, dass eine zeitnahe Abschiebung nach China durchgeführt werden kann.

Auf Grund der Ankündigung der Regierung, die Beschränkungen auf Grund COVID 19 neuerlich zu lockern, ist auch eine baldige Wiederaufnahme der Flüge abzusehen. Sobald es wieder Flüge nach China gibt, wird umgehend nach der HRZ Erlangung eine Abschiebung organisiert werden.

Der BF hält sich nachweislich seit 05.09.2005 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keine Familienangehörige, er hat einen Sohn im Herkunftsstaat, zu welchem er keinen Kontakt hält. Er verfügt in Österreich über kein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk, keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung und keinen gesicherten Wohnsitz. Das Asylverfahren ist bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen und ist er zur Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht bereit. Seinen nichtvorhandenen Rückkehrwillen brachte er durch entsprechende Angaben deutlich zum Ausdruck.

Sobald die Situation mit COVID-19 zu Ende ist, kann er nach Erhalt eines HRZ im Wege eines Charterfluges in seinen Heimatstaat abgeschoben werden, einer Abschiebung innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer aus aktueller Sicht steht somit kein Hindernis entgegen.

Der BF leidet an keinen Erkrankungen die eine Haftfähigkeit ausschließen würde. Der BF entzog sich bereits dem Verfahren, da er sich ohne aufrechte Meldeadresse in Österreich aufhielt und über mehrere Jahre für die Behörden nicht greifbar war.

Aus der Sicht des erkennenden Gerichtes liegen die Voraussetzungen für die Verhängung und Anhaltung in Schubhaft vor.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, der BF untertaucht, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt und er anschließend abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang des gegenständlichen Schubhaftverfahrens ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie der mündlichen Verhandlung am 03.11.2020.

Die Identität des BF steht mangels Vorliegens unbedenklicher Dokumente nicht fest.

Die mangelnde soziale Verankerung des BF in Österreich ergibt sich aus den Aussagen des BF in den bisherigen Einvernahmen vor der belangten Behörde zuletzt am 21.10.2020 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2020. Insbesondere lebte der BF seit Juni 2016 im Verborgenen, verfügte über keine Meldeadresse und hat sich dem Abschiebeverfahren durch Untertauchen entzogen. Auch nach der letzten Entlassung aus der Schubhaft war sein Aufenthalt wiederum nicht bekannt.

Zudem erweist sich, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere der mangelnden Vertrauenswürdigkeit, des wiederholten Untertauchens (ohne Bekanntgabe eines Wohnsitzes), der wiederholten Schwarzarbeit sowie einer mangelnden nachhaltigen sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF, der in Österreich mit Aliasidentitäten in Erscheinung getreten ist, hat keine ernsthafte Bereitschaft gezeigt hat, trotz aufrechter Ausreiseverpflichtung von sich aus Österreich zu verlassen und in seinen Herkunftsstaat China zurückzukehren.

Dass der BF nicht gewillt ist, nach China auszureisen und die Gefahr besteht, dass er sich der Abschiebung entzieht, ergibt sich aus dem Umstand, dass er in Österreich über keine sozialen Anknüpfungspunkte verfügt und gegen ihn eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung ) erlassen wurde.

Ebenso ist die bloße Behauptung, dass der BF in Zukunft jederzeit für die Behörden greifbar wäre, im Lichte der bereits angeführten Umstände nicht überzeugend, um die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung auch tatsächlich sichern zu können.

Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften.

Die Feststellung zum Verfahren bezüglich der Erlangung eines Heimreisezertifikates ergeben sich aus den glaubhaften und nachvollziehbaren Ausführungen des Behördenvertreters in der mündlichen Verhandlung am 03.11.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A. I.):

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(…)

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(…)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(…)“

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet:

„(1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(…)“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt über keine Berechtigung zur Einreise in das und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Gegen den BF besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme (rechtskräftige Ausweisung vom 11.11.2010). Es liegt kein Reisedokument vor.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom XXXX , Zahl XXXX , verhängte die belangte Behörde über den BF gestützt auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft.

Zutreffend ging die Behörde davon aus, dass mit der Ausweisung des BF nach China ein durchsetzbarer Titel für die Außerlandesbringung besteht. Insofern der BF im Beschwerdeschriftsatz vom 28.10.2020 auf das Erkenntnis des VwGH vom 29.06.2017, Ro 2016/21/0007 verweist, wird seitens des erkennenden Richters ausgeführt, dass die mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 07.01.2013, C3 312.687-1/2008/7E, ausgesprochene Ausweisung formell noch aufrecht ist und hat auch ihre Wirksamkeit nicht verloren. Sie gilt gemäß § 75 Abs 23 AsylG 2005 als Rückkehrentscheidung, wobei Rückkehrentscheidungen gemäß § 12a Abs 6 AsylG 2005 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrechtbleiben. Der BF hat das Bundesgebiet zwischenzeitlich nicht verlassen. Aus den Feststellungen folgt ferner, dass die nach Art 8 EMRK (nunmehr iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG) wesentlichen Beurteilungsgrundlagen keine maßgebliche Veränderung erfahren haben, sodass auch die Wirksamkeit der als Rückkehrentscheidung geltenden Ausweisung weiterhin besteht (VwGH 20.10.2016, Ra 2015/21/0091; VwGH 25.04.2014, 2013/21/0077).

Da somit bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, reichen in diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH 20.02.2014, Zl. 2013/21/0178). In Zusammenschau mit der fehlenden sozialen Verankerung und der mangelnden Rückkehrbereitschaft liegt nach wie vor Fluchtgefahr iSd § 76 Abs. 3 FPG vor.

Der Mangel einer sozialen Verankerung des BF in Österreich iSd. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG - insbesondere erwähnt seien hier das Fehlen familiärer Bindungen in Österreich, einer legalen Erwerbstätigkeit, ausreichender Existenzmittel sowie das Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes des BF in Österreich - erweist sich als unbestritten, zumal auch vonseiten des BF diese Feststellung in keiner Weise entkräftet werden konnte.

Insofern der BF eine Haftungserklärung einer Person namens Beifen Zhang vorlegt und vorbringt, dass er bei dieser wohnen könne und alle Termine bei den Behörden wahrnehmen würde, ist es aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF (wiederholtes Untertauchen, mangelnde Rückkehrwilligkeit) nicht glaubhaft, dass er das fremdenrechtliche Verfahren tatsächlich bei dieser Person abwartet. Es wäre schon am BF gelegen gewesen, sich nach der Entlassung aus der Schubhaft am XXXX bei dieser Person anzumelden. Dies hat er nicht getan und lebte wieder im Verborgenen.

Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich der BF durch Untertauchen der beabsichtigten Abschiebung entziehen könnte.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.

Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF der zu sichernden Abschiebung entziehen könnte, und sie den gegenständlichen Bescheid zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft als unbegründet abzuweisen.

Der BF hat durch sein bisheriges Verhalten (z.B. illegale Arbeitsaufnahme) gezeigt, dass dieser nicht dazu bereit ist, seinen Lebenswandel dem österreichischen Recht entsprechend zu gestalten, somit seinen Unwillen, sich an österreichische Rechtsnormen zu halten und damit einhergehend die fehlende Bereitschaft zur Integration in Österreich, unter Beweis gestellt. Diesen Unwillen setzte er nach seiner Entlassung aus der Schubhaft am XXXX fort, er verstieß weiterhin gegen die Meldevorschriften und wurde am XXXX in XXXX beim „Schwarzfahren“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln betreten.

Es liegt daher auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG Fluchtgefahr vor und ist auch erheblicher Sicherungsbedarf gegeben.

Die belangte Behörde kommt ihrer Verpflichtung, die Schubhaft so kurz als möglich zu halten nach.

Im vorliegenden Fall hat sich jedenfalls nicht ergeben, dass – zumindest in diesem Stadium – einerseits eine Identifizierung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates völlig unwahrscheinlich und andererseits auch die Durchführung einer Abschiebung in den Herkunftsstaat tatsächlich unmöglich wäre, etwa weil die derzeitigen Reisebeschränkungen nicht bloß vorübergehender Natur wären, sondern längerfristig in Geltung stehen würden. Aufgrund mittlerweile bereits in zahlreichen Staaten getroffener Erleichterungen im Reiseverkehr und angekündigter weiterer Schritte zur Lockerung oder Beseitigung der derzeit geltenden Reisebeschränkungen erscheint die Annahme der belangten Behörde durchaus begründet, dass auch zeitnah erfolgende Abschiebungen auf dem Luftweg weiterhin als nicht völlig ausgeschlossen gelten.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hat keine familiären oder sozialen Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit in Österreich geht er nicht nach. Das Asylverfahren des BF wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 09.11.2010, GZ: C3 312.687-1/2008/7E, rechtskräftig abgewiesen und mit einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (rechtskräftige Ausweisung vom 11.11.2010) verbunden.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Anordnung der seit 21.10.2020 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig. Das Bundesverwaltungsgericht geht somit von der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft aus.

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann. Ein gelinderes Mittel gemäß § 77 FPG, etwa in Gestalt einer periodischen Meldeverpflichtung bei einer Polizeidienststelle, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr und des Umstandes, dass sich der BF bereits durch seinen unangemeldeten Aufenthalt im Bundesgebiet dem Zugriff der Behörden entzogen hatte, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt.

3.3. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruchpunkt A. II.):

Den oben unter Punkt 3.2.3. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Darüber hinaus war im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfs (infolge Fluchtgefahr) der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens maßgeblich zu berücksichtigen.

Der BF hat durch sein bisheriges Verhalten gezeigt, dass er nicht gewillt ist, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Er ist illegal in Österreich eingereist, weigert sich trotz rechtskräftig abgeschlossener Asylverfahren sowie der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung das österreichische Bundesgebiet zu verlassen und hält sich nach wie vor illegal in Österreich auf. Der BF verhält sich unkooperativ, tauchte mehrmals in Österreich unter und ist in Österreich mit Aliasidentitäten in Erscheinung getreten. Somit hat er massiv die behördlichen Maßnahmen behindert.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann zum Entscheidungszeitpunkt von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal eine Rückführung nach China zeitnah standfinden wird und diese Tatsache dem BF auch bewusst ist.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung und Anhaltung in Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.

Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist weder dem Vorbringen in der Beschwerde noch den Ermittlungsergebnissen in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen.

Soweit der Rechtsvertreter in der Beschwerde ausführt, dass sich keine Änderungen zwischen der Aufhebung der Schubhaft am XXXX und der neuerlichen Inschubhaftnahme am XXXX ergeben hätten, soll an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich festgehalten werden, dass sich sehr wohl Änderungen ergeben haben. Entgegen der Beteuerung in der mündlichen Verhandlung am 30.09.2020 tauchte der BF sofort wieder unter. Weiters ist nunmehr wie oben festgestellt die Ausstellung eines HRZ nicht unwahrscheinlich.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.4. Kostenersatz (Spruchpunkt A III. und IV.)

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

„(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

„1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.“

§ 35 VwGVG 2014, der in seinem Abs. 1 einen Aufwandersatzanspruch für die obsiegende Partei vorsieht, gilt im Wege des § 22a Abs. 1a BFA-VG 2014 auch in der Konstellation einer Beschwerde gegen einen die Schubhaft anordnenden Bescheid, der im Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Vollzug gesetzt wurde (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0086).

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung abgewiesen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und der BF die unterlegene Partei.

Die belangte Behörde hat im Zuge der Aktenvorlage beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß dem BF als unterlegene Partei der zu leistende Aufwandersatz in der Gesamthöhe von EUR 887,20 aufzuerlegen.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag des BF auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da der BF (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufwandersatz Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G302.2230057.9.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten