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L55052 Nationalpark Biosphärenpark Kärnten;Norm
NationalparkG Krnt 1983 §3 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 7-19, 1011 Wien, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 18. Juni 1993, Zl. Ro-245/9/1993, betreffend Versagung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 15. September 1989 ersuchte die beschwerdeführende Partei um Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung der "Forststraße Auernig" (in der Folge: Forststraße), KG Mallnitz.
Die Bezirkshauptmannschaft Spittal a.d. Drau (BH) holte ein naturschutzfachliches Gutachten der Abteilung 20/Landesplanung (Fachabteilung für Naturschutz) des Amtes der Kärntner Landesregierung ein. Danach würde die geplante Forststraße zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Charakters des in Betracht stehenden Landschaftsraumes des "Nationalparks Hohe Tauern" führen und damit eine nachhaltige Beeinträchtigung der landschaftlichen Schönheit des Nationalparks zur Folge haben.
Die beschwerdeführende Partei vertrat dazu im Rahmen des Parteiengehörs im wesentlichen die Auffassung, daß die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes bloß vorübergehender Natur sei und durch entsprechende Auflagen leicht behoben werden könne. Ferner werde durch die Errichtung der Forststraße eine effiziente Erhaltung der vorhandenen Lawinenverbauungen möglich und die Gefahr von Lawinenabgängen minimiert.
Mit Bescheid vom 23. Juli 1991 versagte die BH gemäß § 12 Abs. 1 lit. d der Verordnung der Landesregierung über den "Nationalpark Hohe Tauern" (in der Folge: Nationalparkverordung), LGBl. Nr.74/1986, iVm § 8 Abs. 2 und § 24 Abs. 2 des Kärntner Nationalparkgesetzes (Nationalparkgesetz), LGBl. Nr.55/1983, die Bewilligung zur Vornahme von Abgrabungs- und Anschüttungsmaßnahmen zum Zwecke der Errichtung der Forststraße in der Außenzone des "Nationalparks Hohe Tauern". Die Entscheidung wurde dabei im wesentlichen auf das negative naturschutzrechtliche Gutachten gestützt.
Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung. Sie vertrat im wesentlichen die Auffassung, daß die Errichtung der Forststraße eine Maßnahme zur Katastrophenabwehr darstelle, die nach § 4 vom Geltungsbereich der Nationalparkverordnung ausgenommen sei. Die Forststraße solle nämlich dem Material- und Mannschaftstransport dienen, um die notwendige Sanierung vorhandener Lawinenschutzbauten sowie des Schutzwaldes zu ermöglichen. Die Lawinenschutzbauten dienten unzweifelhaft der Abwehr von Katastrophen in Form von Lawinenabgängen.
Die belangte Behörde holte zur Frage der Notwendigkeit der beantragten Forststraße zur Erhaltung und Betreuung der Lawinenschutzbauten zunächst ein Gutachten des zuständigen Sachverständigen der Wildbach- und Lawinenverbauung ein. Dieser führte aus, daß ein Teil der Stützmauern aus Stein nicht mehr ausreichend standsicher sei. Eine wirksame Sanierung sei daher nur mit Großgeräten möglich. Die Aufschließung der Schutzbauten mit einer Seilbahn vom Talboden aus sei praktisch nicht durchführbar; der Einsatz von Transporthubschraubern sei nur in Einzelfällen und nur bei kleineren Vorhaben möglich. Im übrigen seien Hubschraubereinsätze sehr wetterabhängig und für eine regelmäßig notwendige Versorgung von Baustellen nicht geeignet, zudem seien sie im Transportgewicht sehr beschränkt. Wenn auch die Forststraße nicht als eine direkte Verbauungsmaßnahme angesehen werden könne, so stelle sie trotzdem eine erforderliche Maßnahme zur Abwehr von Lawinenkatastrophen dar.
Die Fachabteilung für Naturschutz sprach sich in einer Stellungnahme vom 17. März 1992 dafür aus, bei einer allfälligen Bewilligung der Straße eine Reihe von Auflagen vorzuschreiben. So sei etwa der lawinengefährdete Hang möglichst zu schonen und die Straße daher lediglich als Traktorweg mit einer maximalen Fahrbreite von 2,5 m anzulegen. Bei den Arbeiten sei die Baggerbauweise anzuwenden; alle offenen Erdanrißflächen seien umgehend dauerhaft zu begrünen. Talseitig sei durch eine dichte Baumbepflanzung für eine ausreichende Sichtschutz-Kulisse zu sorgen.
Die Bezirksforstinspektion sprach sich für die Errichtung der beantragten Forststraße aus, da die vorhandenen Waldbestände bereits kleinflächige Zerfallsphasen aufwiesen und eine Verbesserung nur durch den Bau eines Weges erreicht werden könne.
In einer weiteren Stellungnahme der Fachabteilung für Naturschutz vom 7. Juli 1992 beurteilte diese die beantragte Maßnahme als eine gravierende direkte Beeinträchtigung einer derzeit noch durch weitgehend geschlossene, großflächige, ruhige Wälder geprägte Landschaft im Eintrittsbereich zum Nationalpark. Das verfahrensgegenständliche Problem sei im Rahmen eines "Nationalparkmodelles" zu lösen, d.h. jene Mehrkosten, welche durch den Verzicht auf den in der heutigen Zeit möglichen technischen Einsatz entstünden bzw. die Mehrkosten für teure alternative technische Hilfsmittel sollten über den Nationalpark mitfinanziert werden.
Die Nationalparkverwaltung schloß sich dieser Auffassung vollinhaltlich an.
Die Bezirksforstinspektion Spittal a.d. Drau übermittelte der belangten Behörde am 14. Juli 1992 ein forsttechnisches Gutachten, wonach die Errichtung der Forststraße zur Verbesserung des extremen Schutzwaldbereiches als dringend erforderlich angesehen werde. So sei eine Seillieferung von Holz bergab wegen des nicht oder nur im Einzelfall in geringen Teilbereichen möglich. Wie die Erfahrung bei anderen Schutzwaldprojekten zeige, sei eine Sanierung ohne Basiserschließung kaum oder nicht realisierbar.
Die beschwerdeführende Partei bezweifelte in einer Stellungnahme vom 19. August 1992, daß das angestrebte Sanierungsziel im Rahmen eines "Nationalparkmodelles" - wie die Fachabteilug für Naturschutz meine - erreichbar sei. Die Äußerungen der Wildbach- und Lawinenverbauung und das Gutachten der Bezirksforstinspektion würden hingegen zustimmend zur Kenntnis genommen. Im übrigen sei aus dem Begriff "unmittelbar drohende Gefahr" im § 3 des Nationalparkgesetzes nicht zu folgern, daß Unmittelbarkeit auch für die die Gefahr bannende Abwehrmaßnahme vorliegen müsse. Die Errichtung der Forststraße sei daher unter den Ausahmetatbestand der genannten Bestimmung zu subsumieren.
Die belangte Behörde holte schließlich noch ein Gutachten des technischen Büros für Forstwirtschaft Feldkirchen über den "Waldzustand am Auernig" und ein Gutachten des Institutes für Forsttechnik der Universität für Bodenkultur Wien über das Wegebauprojekt ein.
Die beschwerdeführende Partei nahm zu diesen ihr vorgelegten Gutachten am 18. Februar 1993 dahingehend Stellung, daß diese keine akzeptablen Lösungsvorschläge beinhalteten, sondern nur eine weitere, nicht vertretbare Verzögerung des Vorhabens bezweckten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei keine Folge. Nach ausführlicher Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der anzuwendenden Rechtsgrundlagen vertrat sie zunächst die Auffassung, daß das beantragte Vorhaben nicht als eine Maßnahme anzusehen sei, die unmittelbar mit der Abwehr einer Lebensgefahr oder mit der Abwehr von Katastrophen in Verbindung stehe, sondern eine "Sekundärmaßnahme" darstelle, die für sich alleine nicht geeignet sei, eine wirksame Lawinenabwehr zu bewirken. Nur die Lawinenschutzbauten selbst seien eine geeignete Maßnahme im Sinne des § 3 lit. a des Nationalparkgesetzes, um die Abwehr einer unmittelbar drohenden Lebensgefahr oder die Abwehr von Katastrophen in Form von Lawinenabgängen zu erreichen. Das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei stelle daher eine bewilligungspflichtige Maßnahme dar. Nach § 12 Abs. 2 der Nationalparkverordnung sei eine Bewilligung zu erteilen, wenn durch die beantragte Maßnahme die mit der Festlegung des Gebietes als Außenzone verfolgten Ziele weder abträglich beeinflußt noch gefährdet würden. Die mit der Unterschutzstellung verfolgten Ziele erschöpften sich nicht in der Bewahrung der landschaftlichen Schönheit und des Naturhaushaltes solcher Gebiete vor störenden Eingriffen, sondern seien im weiteren Sinne im Hinblick auf die bestehenden Verbote und Bewilligungspflichten und der Differenzierung zwischen Kern- und Außenzonen zu betrachten. Wenn sich auch aus dem Gutachten der Wildbach- und Lawinenverbauung und der Bezirksforstinspektion ableiten lasse, daß die Errichtung der Forststraße zur Sanierung der Lawinenverbauungen und des Schutzwaldes erforderlich sei, so gelange die belangte Behörde jedoch aufgrund der massiven Bedenken des fachlichen Naturschutzes sowie der Nationalparkverwaltung zur Auffassung, daß der Berufung keine Folge zu geben sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 des Nationalparkgesetzes können von der Landesregierung bestimmte (in lit. a bis d näher umschriebene) Gebiete durch Verordnung zum Nationalpark erklärt werden. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß das Gebiet, in dem die Forststraße errichtet werden soll, in der Außenzone des "Nationalparks Hohe Tauern" liegt.
Gemäß § 8 Abs. 2 des Nationalparkgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 53/1992 hat die Landesregierung in den Verordnungen nach § 1 für die Außenzonen jene Maßnahmen zu verbieten oder zu bewilligungspflichtigen Maßnahmen zu erklären, die eine nachhaltige Beeinträchtigung der landschaftlichen Eigenart oder Schönheit, des Erholungswertes oder des Naturhaushaltes solcher Gebiete zur Folge hätten.
Nach § 12 Abs. 1 lit. d der Nationalparkverordnung bedürfen in der Außenzone des "Nationalparks Hohe Tauern" das Abgraben und Anschütten des Geländes, ausgenommen zur Befestigung oder Ausbesserung bestehender Wege einer Bewilligung.
Nach § 12 Abs. 2 der Verordnung ist eine Bewilligung nach Abs. 1 zu erteilen, wenn durch die beantragte Maßnahme die mit der Festlegung des Gebietes als Außenzone verfolgten Ziele (§ 8 Abs. 2 Nationalparkgesetz) weder abträglich beeinflußt noch gefährdet werden.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nationalparkgesetz darf eine Bewilligung nicht versagt werden, wenn sich die Gründe dafür durch Auflagen beseitigen lassen. Durch Auflagen darf ein Vorhaben in seinem Wesen nicht verändert werden.
Nach dem Nationalparkgesetz (vgl. § 3 lit. a) und der Nationalparkverordnung (vgl. § 4 lit. a) unterliegen Maßnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder zur Abwehr von Katastrophen sowie zur Beseitigung von Katastrophenfolgen nicht dem jeweiligen Geltungsbereich.
In der Beschwerde wird das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 3 lit. a des Nationalparkgesetzes behauptet, da die geplante Forststraße auch der Sanierung der vorhandenen Lawinenschutzbauten dienen solle. Das Vorhaben müsse nicht - wie die belangte Behörde meine - unmittelbar mit der Abwehr einer Lebensgefahr oder mit der Abwehr von Katastrophen in Verbindung stehen. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit werde ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der drohenden Gefahr normiert. Das Gesetz dürfe dabei allerdings nicht dahin verstanden werden, daß Sanierungsmaßnahmen erst dann ergriffen werden dürften, wenn Lawinenabgänge unmittelbar drohten.
Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Bei den vom Geltungsbereich der zitierten Vorschriften ausgenommenen Maßnahmen handelt es sich einerseits um Maßnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen, andererseits um Maßnahmen zur Abwehr von Katastrophen (eine Beseitigung von Katastrophenfolgen scheidet im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen aus). Das Tatbestandselement der "Unmittelbarkeit" wird nur im ersten Fall gefordert, d.h., die Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen muß UNMITTELBAR drohen, weshalb auch das sofortige Ergreifen entsprechender Abwehrmaßnahmen erforderlich ist. Daraus ergibt sich aber, daß im Falle der Abwehr von Katastrophen nicht Tatbestandsmerkmal ist, daß eine Katastrophe "unmittelbar" droht. In einem solchen Fall sind auch unbedingt erforderliche Vorbereitungs- und Begleitmaßnahmen (im Beschwerdefall: der Bau einer Straße für Material- und Mannschaftstransport) als mitumfaßt anzusehen, da diese in der Praxis kaum exakt von den eigentlichen Maßnahmen der Katastrophenabwehr (Sanierung von Schutzbauten zur Verhinderung von Lawinenabgängen) abgegrenzt werden können.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte.
Für das fortgesetzte Verfahren wird aus Gründen der Prozeßökonomie darauf hingewiesen, daß eine Maßnahme nur insoweit von den Beschränkungen des Nationalparkgesetzes ausgenommen ist, als sie eine unerläßliche Voraussetzung für die Durchführung einer Maßnahme der Katastrophenabwehr oder selbst eine solche Maßnahme darstellt. (Die Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen wurde von der beschwerdeführenden Partei nicht behauptet.)
Sollten die geplanten Maßnahmen nicht in den Anwendungsbereich des Nationalparkgesetzes fallen, wäre der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 15. September 1989 im übrigen zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1993100166.X00Im RIS seit
07.06.2001Zuletzt aktualisiert am
19.07.2009