TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/30 W212 2236954-1

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W212 2236954-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia alias Nigeria, vertreten durch XXXX , Rechtsanwältin in XXXX , gegen die Spruchpunkte II. bis VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2020, Zahl: 1189535504-200890807, zu Recht erkannt:

A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom 14.10.2020 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschwerdeführer, einen volljährigen Staatsangehörigen Gambias, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Sicherung der Abschiebung an, nachdem dieser zuvor nach den Bestimmungen des BFA-VG im Bundesgebiet festgenommen worden war.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.10.2020 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), es erließ gegen diesen gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass dessen Abschiebung nach Gambia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, der Beschwerdeführer sei illegal im Bundesgebiet aufhältig gewesen und sei mit Gerichtsurteil vom 14.10.2020 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer ihm bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden; zwar sei der Beschwerdeführer im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels gewesen, doch sei dieser bereits am 05.02.2020 abgelaufen und ein Verlängerungsantrag seitens des Beschwerdeführers nicht eingebracht worden. Relevante familiäre oder private Bezugspunkte im Bundesgebiet seien nicht festzustellen gewesen. Der Beschwerdeführer habe zudem die notwendigen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht nachweisen können, sodass gegen diesen eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot zu erlassen gewesen seien.

3. Am 02.11.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde daraufhin aus der Schubhaft entlassen.

4. Am 05.11.2020 wurde gegen den unter Punkt 1. angesprochenen Bescheid eine Schubhaftbeschwerde eingebracht.

5. Gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des unter Punkt 2. dargestellten Bescheides wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers mit am 09.11.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz eine Beschwerde eingebracht. In dieser wurde zunächst geltend gemacht, die Behörde habe ein in Italien anhängiges Verfahren auf internationalen Schutz sowie die dort erfolgte Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels, bezüglich dessen ein Verfahren zur Verlängerung anhängig sei, ungenügend berücksichtigt und ohne nähere Prüfung der dortigen Bedingungen und der Möglichkeit der Fortsetzung seiner Beziehung mit seiner österreichischen Freundin die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia ausgesprochen.

6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte dem Bundesverwaltungsgericht den den Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakt samt gegenständlicher Beschwerde sowie einer am 10.11.2020 verfassten Stellungnahme am 17.11.2020 vor.

7. Am 26.11.2020 wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Bescheid, mit dem der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers unter gleichzeitiger Anordnung seiner Außerlandesbringung wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen wurde, expediert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im beschwerdegegenständlichen Verfahren erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber dem Beschwerdeführer, einem volljährigen Staatsangehörigen Gambias, mit Bescheid vom 21.10.2020 eine Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Gambia fest und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise, wobei einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

Am 02.11.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, über den zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch nicht rechtskräftig abgesprochen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt in Zusammenschau mit einem aktuellen Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister vom 27.11.2020. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinem in Kopie im Verwaltungsakt einliegenden Reisepass (AS 32). Dass der Beschwerdeführer am 02.11.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2020 (AS 228), andererseits aus dem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister; aus diesem wird zudem ersichtlich, dass über den Antrag noch nicht rechtskräftig abgesprochen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheides

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 4.8.2016, Ra 2016/21/0162, Rn. 12 und 13 iVm Rn. 11, mit näherer Begründung dargelegt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls auch samt darauf aufbauendem Einreiseverbot) nicht zulässig ist, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, dürfe die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung sei nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, dass (nunmehr: ob) die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen (so auch VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0078, Rn. 7).

Im Falle der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz sind die zuvor durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Rückkehrentscheidung und die weiteren damit verbundenen Nebenaussprüche ersatzlos zu beheben, weil sonst die – noch nicht getroffene – Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vorweggenommen werden würde (siehe zuletzt VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0146 mit Hinweis auf VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0138, Rn. 16; vgl. darauf Bezug nehmend auch VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0107, Rn. 12 und 13).

3.2. Eine solche Konstellation liegt im gegenständlichen Fall vor:

Der Beschwerdeführer stellte nach Erlassung des gegenständlichen Bescheides am 21.10.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den bislang noch nicht rechtskräftig abgesprochen wurde.

Die Rückkehrentscheidung, das darauf aufbauende Einreiseverbot sowie die damit verbundenen Nebenaussprüche sind daher ersatzlos zu beheben. Darüber wird nämlich im anhängigen Verfahren über den gestellten Antrag auf internationalen Schutz – dann zeitaktuell – zu entscheiden sein (s. VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0138, Rz 18).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf eine gesfestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben.

Schlagworte

Anhängigkeit Asylantragstellung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2236954.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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