TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/7 W250 2236621-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2020
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Entscheidungsdatum

07.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs6
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W250 2236621-1/11E

Schriftliche Ausfertigung des am 11.11.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung bis 14.10.2020 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 14.10.2020 wird gemäß § 76 Abs. 6 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 6 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

V. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) wurde am 11.10.2020 gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwägerin in einem Reisezug von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Bundesgebiet aufgegriffen, festgenommen und dem Bundesamt zur Einvernahme vorgeführt. Noch am 11.10.2020 wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Dokumente vorlegen könne, die seine Identität bescheinigen. Er habe zwar einen Reisepass besessen, habe diesen jedoch in der Türkei verloren. Er sei ledig und habe keine Kinder. Der BF sei vor drei Tagen zu Fuß gemeinsam mit seinem Bruder und dessen Frau von Ungarn kommend nach Österreich eingereist, die Grenze habe er jedoch alleine überquert. Er sei deshalb nach Österreich gekommen, da er immer gehört habe, dass Österreich schön sei, dass es hier Arbeit gebe und auch die Menschenrechte eingehalten werden. Er habe sich in einem Reisezug befunden, da er mit seinem Bruder und seiner Schwägerin einen Ort gesucht habe, wo sie arbeiten können. Der BF und seine Begleiter hätten kein Geld, weshalb sie unbedingt arbeiten hätten wollen. An Familienangehörigen befänden sich nur sein Bruder und seine Schwägerin in Österreich, private Anbindungen habe er in Österreich nicht, er befinde sich zum ersten Mal in Österreich. Geld besitze der BF nicht, am Tag der Einvernahme habe er sein letztes Geld ausgegeben.

Sein Heimatland habe er im Jahr 2018 verlassen, er sei legal in die Türkei ausgereist. In Marokko befänden sich die Eltern sowie drei Brüder des BF, mit diesen stehe er telefonisch in Kontakt. In Marokko habe er Jus studiert, dieses Studium jedoch nicht abgeschlossen. Zuletzt habe er als Lehrling in einem Rechtsanwaltsbüro gearbeitet. Sein Heimatland habe er verlassen, da er viele Träume habe. Er wolle sein Doktorat abschließen und außerhalb Marokkos ein Geschäft eröffnen. In Marokko könne er sich diesen Traum nicht erfüllen.

Dem BF wurde im Rahmen der Einvernahme die Möglichkeit gegeben, zur beabsichtigten Anordnung der Schubhaft sowie zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung Stellung zu nehmen. Dabei gab der BF an, dass er in Europa bleiben wolle, da er frei sein und arbeiten wolle um seine Mutter in Marokko zu unterstützen.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.10.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der BF illegal nach Österreich eingereist sei und bis zu seiner Festnahme untergetaucht in Österreich gelebt habe. Der BF sei mit der Absicht nach Österreich eingereist, um eine entgeltliche Arbeit auszuüben. Da der BF jedoch nicht die Möglichkeit habe, legal eine entgeltliche Arbeit auszuüben und er mittellos sei, könne begründet angenommen werden, dass er versuchen könne, in einen Nachbarstaat auszureisen, um dort zu arbeiten. Da ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege, könne mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 12.10.2020 zugestellt.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.10.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Gleichzeitig wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Es wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 13.10.2020 um 14.20 Uhr zugestellt.

4. Am 14.10.2020 um 10.00 Uhr stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz, die Erstbefragung fand ebenfalls am 14.10.2020 statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er im Jahr 2018 Marokko verlassen habe und sich danach für drei Monate in der Türkei, zwei Monate in Griechenland, eineinhalb Monate in Mazedonien, zwei Monate in Serbien, zehn Monate in Bosnien, 15 Tage in Kroatien, einen unbekannten Zeitraum in Slowenien, wiederum einen Monat in Bosnien und 33 Tage in Italien aufgehalten habe. Behördenkontakt habe er lediglich in Griechenland und Slowenien gehabt. Er sei nicht schlepperunterstützt eingereist. Nach Österreich sei er gekommen, weil er hier Freunde habe. Als Fluchtgrund gab er an, dass er und sein Bruder von seinen Onkeln mit dem Tod bedroht worden seien. Diese Onkel hätten auch Probleme wegen der Erbschaft gemacht. Die Onkel hätten versucht, den BF und dessen Bruder zu töten. Auch die Mutter des BF sei von ihnen vergiftet worden. Die Familie des Vaters des BF sei sehr religiös und streng gläubig. Sie hätten einen Aufstand gegen die Regierung gemacht, die Regierung hätte dies bemerkt, woraufhin der BF und sein Bruder beschuldigt worden seien, die Familie seines Vaters verraten zu haben. In Marokko werde der BF getötet werden.

5. Das Bundesamt stellte mit Aktenvermerk vom 14.10.2020 gemäß § 76 Abs. 6 FGP fest, dass der Asylantrag in Verzögerungsabsicht gestellt worden sei und die Anhaltung in Schubhaft aufrecht bleibe. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF bereits am 11.10.2020 nach dem Grund seines Aufenthaltes in Österreich befragt worden sei. Dabei habe er angegeben, dass er in Österreich einen Ort zum Arbeiten suche. Er habe sich vor seiner Einreise nach Österreich unter anderem in Kroatien, Slowenien, Italien und Griechenland aufgehalten, habe dort jedoch keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das erstmals in der Erstbefragung am 14.10.2020 erstattete Vorbringen, der BF sei aus Angst um sein Leben aus Marokko ausgereist, sei nicht glaubwürdig. Dies umso mehr, als Marokko als sicherer Herkunftsstaat gelte.

Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 14.10.2020 nachweislich zur Kenntnis gebracht.

6. Am 30.10.2020 wurde der BF vom Bundesamt zu seinem Asylantrag einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er in Österreich um Asyl ansuche, da es zu Erbschaftsstreitigkeiten mit seinen Onkeln gekommen sei. Es gehe um das Erbe seines Großvaters, die Onkel wollten der Familie des BF kein Geld geben und so habe der Streit begonnen. Die Onkel seien Mitglieder einer Miliz, die sehr mächtig sei. Da der BF und sein Bruder der Familie angehören, bekomme er auch von der Stadt Probleme, da diese glauben würden, der BF und sein Bruder gehören auch dieser Miliz an. Dies seien alle seine Fluchtgründe. Auf den Vorhalt, dass diese Angaben sehr knapp und vage seien, führte der BF weiter aus, dass die Probleme von 2015 bis 2018 bestanden hätten, weiters nannte er die Namen seiner Onkel. Auf weiteres Nachfragen des Bundesamtes um welche Probleme es sich gehandelt habe, gab der BF an, dass es zuerst wegen des Erbes Probleme gegeben habe, danach hätten die Onkel verlangt, dass der BF und seine Brüder der Miliz beitreten. Da der BF das nicht gewollt habe, hätten die Probleme begonnen. Auf weiteres Nachfragen durch das Bundesamt gab der BF an, dass er geschlagen und beschimpft worden sei, ihm seien drei Zehen gebrochen worden, einem Bruder seien die Beine gebrochen worden. Der BF und seine Brüder seien auch mit dem Tod bedroht worden. Da die Onkel sehr mächtig seien, würden sie mit der Regierung zusammenarbeiten und hätten viele Menschen in Haft genommen, weil sie nicht bei der Miliz hätten mitmachen wollen.

Der BF habe bisher in keinem anderen Land um Asyl angesucht, da er in Österreich einen Freund habe. Dieser sei Syrer und habe dem BF gesagt, er solle nach Österreich kommen, weil es hier besser als in Italien oder Spanien sei. Bei seiner Einreise habe er nicht um Asyl angesucht, weil die Polizisten nicht gewollt hätten, dass der BF Asyl beantrage. Bei seinem Aufgriff am 11.10.2020 habe er einen Hungerstreik begonnen und deshalb sei er nicht befragt worden.

7. Am 05.11.2020 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass er sich am 11.10.2020 auf dem Weg zu einem Freund befunden habe, von dem er und sein Bruder sich Geld haben leihen wollen. Er habe im Stand der Schubhaft aus Furcht vor Verfolgung bei einer Rückkehr nach Marokko einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Ausführungen der Behörde im Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG erschöpften sich lediglich in der Darstellung des Verfahrensganges. Ausführungen dazu, inwieweit sich aus dem Vorbringen des BF ergebe, dass der Asylantrag lediglich aus Verzögerungsabsicht gestellt worden sei, seien nicht getroffen worden. Die Behörde müsse sich auch mit den vom BF vorgebrachten Verfolgungsgründen auseinandersetzen. Im gegenständlichen Fall handle es sich um den ersten Asylantrag des BF und sei daher noch nicht konkret geprüft worden, ob der BF bei einer Rückkehr nach Marokko einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt sein könne. Es sei daher keinesfalls davon auszugehen, dass der BF den Antrag auf internationalen Schutz einzig und allein in Verzögerungsabsicht gestellt habe. Die fortgesetzte Anhaltung des BF in Schubhaft sei daher rechtswidrig.

Darüber hinaus seien die im angefochtenen Bescheid dargelegten Umstände nicht ausreichend, um Fluchtgefahr zu begründen. Der BF sei Asylwerber und habe ein ernstzunehmendes Interesse an der Durchführung des Asylverfahrens. Der BF habe Anspruch auf Grundversorgung und habe auch die Möglichkeit in einer Grundversorgungseinrichtung Unterkunft zu nehmen. Im Falle des BF liege keine Fluchtgefahr vor, er sei bereit mit der Behörde zu kooperieren und sein Asylverfahren abzuwarten. Darüber hinaus komme im Fall des BF die Anordnung eines gelinderen Mittels in Betracht, er würde der Anordnung eines gelinderen Mittels Folge leisten.

Der BF beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des BF zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien, auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß der Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.

8. Das Bundesamt legte am 05.11.2020 den Verwaltungsakt vor und gab dazu eine Stellungnahme ab, in der insbesondere vorgebracht wurde, dass der BF nach der Anordnung der Schubhaft am 12.10.2020 von einem Rechtsberater beraten worden sei, jedoch erst zwei Tage später einen Asylantrag eingebracht habe. Im Asylverfahren habe der geplante Einvernahmetermin am 20.10.2020 nicht stattfinden können, da der BF zwei Tage zuvor mit einem Hungerstreik begonnen habe und nicht einvernahmefähig gewesen sei.

Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen oder als unzulässig zurückzuweisen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen und den BF zum Kostenersatz für den Schriftsatz- und Vorlageaufwand der belangten Behörde zu verpflichten.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.11.2020 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Es wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde aberkannt. Gleichzeitig wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde dem BF am 09.11.2020 zugestellt.

9. Am 11.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, der Rechtsvertreterin des BF sowie eines Vertreters des Bundesamtes eine mündliche Verhandlung durch, in der der BF einvernommen wurde. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass sich keine seiner Familienangehörigen in Österreich befänden. Teile seiner Familie befänden sich in Spanien, Frankreich und Italien, der Rest lebe in Marokko. In Marokko befänden sich die Mutter sowie die Brüder des BF. In Österreich habe der BF einen Freund. Einer legalen Beschäftigung gehe der BF in Österreich nicht nach, Vermögen besitze er nicht, er habe jedoch EUR 3.000 ,-- in Italien. Er habe vorgehabt diesen Geldbetrag über den Bruder eines Freundes zu erhalten. Dazu habe er dem in Italien lebenden Bruder seines Freundes in Österreich den Geldbetrag zukommen lassen, der Freund des BF hätte ihm die Summe hier in Österreich ausbezahlen sollen. Das Geld habe sich bei der Famlie des BF in Italien befunden, der Bruder seines Freundes habe es dort abgeholt. Am Tag als der BF verhaftet worden sei, hätte das Geld übergeben werden sollen. Der BF nehme derzeit keine Medikamente ein, seit er sich in Schubhaft befinde, leide er jedoch psychisch. Er sei vier Tage vor der Anordnung der Schubhaft nach Österreich eingereist. Er sei gemeinsam mit einem Freund von Italien kommend mit einem Auto nach Österreich eingereist. Wo sich dieser Freund nun aufhalte, wisse er nicht. Einen Reisepass besitze er nicht, er habe ihn Ende 2018 bei seiner Reise von der Türkei nach Griechenland verloren. Den Verlust seines Reisepasses habe er bisher bei keiner Behörde angezeigt. Er sei ohne Reisepass nach Griechenland, Mazedonien, Serbien, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien gereist. In keinem dieser Länder habe er versucht, bei einer marokkanischen Vertretungsbehörde einen neuen Reisepass zu erlangen. Er habe beabsichtigt in Bosnien eine slowenische Frau zu heiraten und habe deshalb vorgehabt, eine marokkanische Botschaft aufzusuchen um sich einen Reisepass ausstellen zu lassen. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass er mit der Hochzeit keinen Zeitdruck habe und so habe er beschlossen, mit dem Aufsuchen der Botschaft zuzuwarten bis er in Italien oder in Österreich sei. Informationen, ob es in den von ihm bereisten Staaten marokkanische Vertretungsbehörden gibt, habe er nicht eingeholt, da er mit der Einreise nach Österreich beschäftigt gewesen sei. Auf Vorhalt, dass der BF am 11.10.2020 angegeben habe von Ungarn kommend nach Österreich eingereist zu sein, während er in der Erstbefragung am 14.10.2020 sowie in der Beschwerdeverhandlung angegeben habe von Italien kommend nach Österreich eingereist zu sein, führte der BF aus, dass er von Italien nach Österreich eingereist sei. Bei der Einvernahme am 11.10.2020 habe es sich um ein Missverständnis gehandelt, da er gefragt worden sei, wo er das erste Mal versucht habe, nach Österreich einzureisen. Er habe in der Einvernahme am 11.10.2020 auch angegeben, von Italien kommend nach Österreich eingereist zu sein, der Dolmetscher habe aber nur einen Teil seiner Aussage wiedergegeben. Auf den Vorhalt, dass er am 11.10.2020 angegeben habe, alleine die Grenze überquert zu haben, seine Schwägerin jedoch am 11.10.2020 angegeben habe, dass der BF gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwägerin die Grenze überquert habe und der BF im Zuge der Beschwerdeverhandlung angegeben hat, gemeinsam mit einem Freund eingereist zu sein, gab der BF an, dass sie zu viert über die Grenze gefahren seien und sie sich dann getrennt hätten. Er sei mit einem Freund weitergereist, sein Bruder sei mit der Schwägerin des BF weitergereist. Auf den Vorhalt, dass er am 11.10.2020 angegeben habe, zu Fuß die Grenze überquert zu haben, während sowohl sein Bruder als auch seine Schwägerin angegeben haben, dass sie mit einem Taxi gefahren seien, gab der BF an, dass sie mit einem Auto die Grenze überquert hätten. Es habe sich um ein Schlepperauto gehandelt.

Befragt nach dem Grund seiner Einreise gab der BF an, dass er beabsichtigt habe, um Asyl anzusuchen. Bereits in der Türkei habe er die Absicht gehabt, nach Österreich weiterzureisen um Asyl zu beantragen. Er habe in Österreich darauf gewartet von der Polizei angesprochen zu werden um Asyl beantragen zu können. Nach seiner Einreise habe sich jedoch niemand für ihn interessiert. Er sei in Mazedonien, Bosnien, Serbien und Slowenien zwei Mal angehalten worden, wobei ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. In Griechenland sei er zur Polizei gegangen, sei jedoch weggeschickt worden, da es zu viele Flüchtlinge gegeben habe. In Mazedonien, Serbien und Bosnien habe er sich bei der Polizei gemeldet und sei in eine Asylunterkunft gebracht worden. Auf den Vorhalt dass der BF am 14.10.2020 ausdrücklich nach Behördenkontakten in den von ihm bereisten Staaten befragt lediglich Griechenland und Slowenien genannt habe, gab der BF an, dass bei dieser Frage vielleicht nur EU-Staaten gemeint gewesen seien und er nur diese Staaten aufgezählt habe. Er habe in keinem dieser Staaten um Asyl angesucht, da sein Zielland Österreich gewesen sei. Als er sich am 11.10.2020 auf dem Weg nach XXXX befunden habe sei er ca. 60 km vor XXXX aus dem Zug ausgestiegen um bei der Polizei um Asyl anzusuchen. Er sei jedoch nicht verstanden worden. Sein Bruder habe gewusst, dass sie am 11.10.2020 in XXXX Geld abholen wollten. Auf den Vorhalt, dass sein Bruder in seiner Einvernahme am 11.10.2020 angegeben habe, dass er hoffe Geld von einem Freund, der in Marokko lebe, borgen zu können und die geplante Geldübergabe in XXXX nicht erwähnt hatte, gab der BF an, dass er nicht wisse, was sein Bruder damit gemeint habe. Er selbst habe die Geldübergabe nicht erwähnt, da sich die Einvernahme in sehr kurzer Zeit abgespielt habe. Aus diesem Grund habe er auch von seinem Freund, von dem er dieses Geld abholen wollte, nichts erwähnt. Zudem habe er befürchtet, dass sein Freund dadurch Probleme bekomme. Er habe seinen Asylantrag erst am 14.10.2020 gestellt, da er zuvor damit beschäftigt gewesen sei, seinen Bruder zu finden. Dazu habe er eineinhalb Tage gebraucht. Danach habe er das Geld organisiert. Er habe zuvor bereits mehrmals bei der Polizei um Asyl angesucht, sei jedoch nicht verstanden worden. Erst am 14.10.2020 sei sein Asylantrag angenommen worden. Er habe bei seiner Einvernahme am 11.10.2020 seine Asylgründe nicht genannt, weil ihm im Vorfeld der Befragung gesagt worden sei, dass die Polizei keinen Antrag annehmen werde, solange die Fragen nicht beantwortet seien. Erst danach werde die Polizei entscheiden, ob der Antrag angenommen werde oder nicht. Auf den Vorhalt, dass er am 11.10.2020 ausführlich zu seinen Lebensumständen in Marokko befragt worden sei, er seine familiären Probleme jedoch nicht vorgebracht habe, gab der BF an, dass seine Angaben die gesellschaftliche Verfolgung betreffend weggedrängt worden seien. Es sei damals alles schnell gegangen. Befragt nach seinen Problemen in Marokko führte der BF im Wesentlichen aus, dass der Großvater der Familie des BF ein Drittel seines Vermögens vermacht habe, dass die Onkel väterlicherseits jedoch dagegen gewesen seien. Die Onkel des BF seien Gründungsmitglieder einer Gruppierung, die Demonstrationen gegen die Monarchie organisiert habe. Die Polizei sei bei Demonstrationen eingeschritten und habe hunderte Personen festgenommen. Die Onkel des BF hätten behauptet, dass er und seine Brüder dafür verantwortlich seien, dass Informationen an die Polizei weitergegeben worden seien. Auf den Vorhalt, dass der BF im Rahmen der Befragung durch das Bundesamt am 30.10.2020 mehrmals aufgefordert worden sei, sein Fluchtvorbringen genau zu konkretisieren, gab der BF an, dass er auch vor dem Bundesamt detaillierte Angaben gemacht habe, dass der Dolmetscher es jedoch zusammengefasst habe und Aussagen des Bruders des BF genommen habe. Auf den Vorhalt, dass der Bruder des BF in seiner Einvernahme auf ausdrückliches Nachfragen durch das Bundesamt angegeben habe, keine Probleme wegen der Gruppierung der Onkel gehabt zu haben, gab der BF an, dass er nicht sagen könne, was sein Bruder damit gemeint habe. Befragt nach dem Grund für seinen Hungerstreik von 18.10. bis 24.10.2020 gab der BF an, dass ihm verweigert worden sei, einen Asylantrag zu stellen. Auf Befragung durch den Vertreter des Bundesamtes weshalb der BF nicht nach seinen Rechtsberatung am 12.10.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, gab der BF an, dass er dem Rechtsberater mitgeteilt habe, dass er um Asyl ansuchen wolle. Ihm sei jedoch gesagt worden, dass er bald freigelassen werde und er dann der Polizei sagen solle, dass er Asyl beantragen wolle.

10. Am 18.11.2020 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des am 11.11.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.10. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bestätigen, er gibt an ein Staatsangehöriger Marokkos zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF leidet an keinen Krankheiten. Er nimmt keine Medikamente ein. Er ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wird seit 11.10.2020 in Schubhaft angehalten.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Der BF ist unrechtmäßig nach Österreich eingereist und untergetaucht. Er hat sich damit einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen.

3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.10.2020 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese wurde aberkannt. Der BF stellte am 14.10.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in Schubhaft angehalten und lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.3. Der BF stellte am 14.10.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz in der ausschließlichen Absicht, seine Abschiebung zu verzögern.

3.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.11.2020 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem BF am 09.11.2020 zugestellt und ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Mit diesem Bescheid wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde dagegen wurde ausgeschlossen. Es liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.5. Der BF reiste mit einem gültigen Reisepass aus Marokko aus. Den Reisepass hat er laut eigenen Angaben in der Türkei verloren, um die Beschaffung eines neuen Reisepasses hat er sich bisher nicht bemüht, er reiste von der Türkei kommend durch mehrere Staaten ohne Reisedokument bis nach Österreich.

3.6. Der BF trat in den Hungerstreik um nicht nach Marokko zurückkehren zu müssen.

3.7. Die Abschiebung des BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer erscheint möglich.

4. Zur sozialen und familiären Komponente

4.1. In Österreich befinden sich der Bruder sowie die Schwägerin des BF. Diese werden derzeit in Schubhaft angehalten. Über weitere Verwandte verfügt der BF in Österreich nicht.

4.2. Der BF verfügt in Österreich über kein nennenswertes soziales Netz.

4.3. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, er übte in Österreich keine Erwerbstätigkeit aus und verfügt weder über ein Einkommen noch über nennenswertes Vermögen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Akt des Bundesamtes und in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie durch Einvernahme des BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes und dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Diesen Feststellungen wurde im Verfahren nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Dass der BF keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den darin enthaltenen Niederschriften über die Einvernahmen bzw. Befragungen des BF. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF an, dass er über keinen Reisepass verfüge. Dass er marokkanischer Staatsangehöriger ist wurde vom BF sowohl im fremdenpolizeilichen Verfahren als auch in der Beschwerdeverhandlung vom 11.11.2020 vorgebracht. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. An der Volljährigkeit des BF bestehen keine Zweifel und wurde von ihm auch nicht behauptet, minderjährig zu sein. Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz in erster Instanz vollinhaltlich abgewiesen wurde, konnte die Feststellung getroffen werden, dass es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten handelt. Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister.

2.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 11.11.2020 wonach er keine Medikamente einnehme. Auch im Verwaltungsakt und in den Eintragungen in der Anhaltedatei finden sich keine Hinweise auf Krankheiten des BF.

2.3. Dass der BF seit 11.10.2020 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Dass der BF unrechtmäßig nach Österreich eigereist ist, ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung wonach er ohne Reisedokument in das Bundesgebiet gelangt ist. Da er sich nach seiner Einreise weder bei der Polizei noch bei den Fremdenbehörden gemeldet hat, konnte die Feststellung getroffen werden, dass er untergetaucht ist. Dass er sich nicht unmittelbar nach seiner Einreise bei den Behörden bzw. der Polizei gemeldet hat räumte der BF auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein, in der er angab, dass er darauf gewartet habe, dass er von der Polizei angesprochen werde. Nach seiner Ankunft in Österreich habe sich jedoch niemand für ihn interessiert. Er sei außerdem damit beschäftigt gewesen, seinen Bruder zu finden.

3.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.10.2020 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf der vom Bundesamt übermittelten Bescheidausfertigung samt dem diesbezüglichen Zustellnachweis. Der Zeitpunkt, in dem der BF den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich aus der entsprechenden Eintragung in der Anhaltedatei.

3.3. Die Feststellung, dass der BF den Antrag auf internationalen Schutz am 14.10.2020 in der ausschließlichen Absicht gestellt hat, seine Abschiebung zu verzögern, beruht auf folgenden Erwägungen:

Der BF ist entsprechend seinen bisherigen Angaben im Verfahren im Dezember 2018 – in der Beschwerdeverhandlung nannte der BF konkret das Datum 10.12.2018 – aus Marokko ausgereist. Er hielt sich danach in der Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien auf, ohne einen Asylantrag zu stellen – auf entsprechende Nachfrage gab der BF in der Beschwerdeverhandlung selbst an, dass er in keinem der von ihm bereisten Staaten einen Asylantrag gestellt hat. Der BF war auch nicht daran interessiert, seinen Aufenthalt in den genannten Staaten zu legalisieren. Im bisherigen Verfahren gab der BF an, dass er seinen Reisepass in der Türkei verloren habe, in der Beschwerdeverhandlung konkretisierte er diese Angaben damit, dass er seinen Reisepass Ende 2018 auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland verloren habe. Den Verlust seines Reisedokumentes hat der BF nach seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung keiner Behörde angezeigt, er hat sich auch nicht darum bemüht, bei einer marokkanischen Vertretungsbehörde einen neuen Reisepass zu erlangen. Nach den Gründen dazu befragt gab der BF in der Beschwerdeverhandlung an, dass er beabsichtigt habe in Bosnien zu heiraten und aus diesem Grund eine marokkanische Vertretungsbehörde habe aufsuchen wollen. Mit der Zeit habe er jedoch die Überlegung gehabt, mit dem Aufsuchen einer Botschaft zu warten, bis er in Italien oder in Österreich angekommen sei. Informationen darüber, ob es in den oben genannten Staaten marokkanische Vertretungsbehörden gibt, habe er nicht eingeholt. Aus diesen Angaben des BF ergibt sich insgesamt, dass er auf seinem Weg nach Österreich ohne Reisedokument und damit bewusst unrechtmäßig in mehreren Staaten ein- und wieder ausgereist ist. Er hielt sich dabei auch in Mitgliedstaaten der EU auf, ohne einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Wäre der BF tatsächlich von den vom ihm angegebenen Fluchtgründen betroffen und hätte er tatsächlich Angst davor in Marokko getötet zu werden, ist nicht nachvollziehbar, warum er nicht bei erster sich bietender Gelegenheit einen Asylantrag in einem sicheren Staat gestellt hat. Vielmehr hat sich der BF in sämtlichen von ihm genannten Staaten auf dem Weg von der Türkei bis nach Österreich bewusst illegal aufgehalten und keinerlei Anstrengungen unternommen, seinen Aufenthalt zu legalisieren. Auch daraus ergibt sich, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass der BF tatsächlich in Morokko verfolgt wird.

Dass der BF bei seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich nicht die Absicht hatte, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass er nach seiner unrechtmäßigen Einreise nicht unverzüglich einen Asylantrag gestellt hat. So gab der BF in der Beschwerdeverhandlung an, Österreich sei sein Zielland gewesen und er habe die Absicht gehabt, hier einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. In der Beschwerdeverhandlung danach befragt, welche konkreten Absichten er diesbezüglich gehabt habe, gab der BF an, dass er geplant habe vorzusprechen um Asyl zu bekommen. Er habe darauf gewartet, dass er von der Polizei angesprochen und gefragt werde, was er hier mache. Nach seiner Ankunft habe sich jedoch niemand für ihn interessiert. Er habe dann nach seinem Bruder gesucht, womit er eineinhalb Tage beschäftigt gewesen sei. Am 11.10.2020 sei er mit dem Zug von Wien nach XXXX unterwegs gewesen und sei gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwägerin ca. 60 km vor XXXX aus dem Zug ausgestiegen, um bei der Polizei einen Asylantrag zu stellen. Dort seien sie jedoch nicht verstanden und an eine andere Polizeistation verwiesen worden. Dort hätten sie ca. fünf bis sechs Stunden gewartet und hätten dann beschlossen, nach XXXX weiter zu fahren um dort um Asyl anzusuchen. Bei der Einvernahme durch die Polizei nach seinem Aufgriff am 11.10.2020 sei ihm schon zu Beginn der Einvernahme gesagt worden, dass er kein Asyl erhalten werde, dadurch sei er in Angst versetzt worden. Die Angaben des BF, er habe bereits vor dem 14.10.2020 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sind jedoch nicht glaubhaft. Der BF machte bereits in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.10.2020 widersprüchliche Angaben. So gab er insbesondere an, zu Fuß von Ungarn aus nach Österreich gelangt zu sein, während sowohl sein Bruder als auch seine Schwägerin angaben, dass die Einreise mit einem Taxi von Italien aus erfolgt sei. In der Beschwerdeverhandlung gab der BF an, dass er gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwägerin mit dem Auto von Italien kommend nach Österreich gelangt sei. In der Beschwerdeverhandlung nach seinen Angaben in der Einvernahme vom 11.10.2020 befragt, gab der BF an, dass er gesagt habe, von Italien aus nach Österreich gelangt zu sein, er habe auch erzählt, dass er versucht habe von Serbien über Ungarn nach Österreich zu kommen, dass es jedoch beim Versuch geblieben sei, da er aufgegriffen und zurückgeführt worden sei. Der Dolmetscher habe dies jedoch falsch übersetzt. Diese Aussage des BF wird jedoch vor dem Hintergrund, dass ihm die vom Bundesamt aufgenommene Niederschrift vom 11.10.2020 rückübersetzt wurde – diesen Umstand bestätigte der BF auch in der Beschwerdeverhandlung – als Schutzbehauptung gewertet. Auch die weiteren Angaben des BF zum Zweck der Zugfahrt nach XXXX sind widersprüchlich. So gab der BF am 11.10.2020 an, dass er nach XXXX gereist sei, um Arbeit zu suchen. In der Beschwerde sowie in der Beschwerdeverhandlung gab der BF jedoch an, er habe beabsichtigt in XXXX Geld von einem Freund zu holen. Die Angaben des BF in der Beschwerde sowie in der Beschwerdeverhandlung sind jedoch unglaubhaft, da er in der Einvernahme am 11.10.2020 weder das Geld noch den Freund erwähnte, obwohl er ausdrücklich nach dem Zweck der Fahrt nach XXXX befragt wurde. Auch nach privaten Anknüpfungspunkten in Österreich und seinen finanziellen Verhältnissen wurde er ausdrücklich befragt, dabei nannte er jedoch weder seinen Freund noch den Umstand, dass er von diesem Geld erhalten werde. Unglaubhaft sind diese Angaben auch deshalb, da der Bruder des BF in seiner Einvernahme am 11.10.2020 die mutmaßliche Geldübergabe ebenfalls nicht nannte, sondern vielmehr angab, dass er hoffe, Geld von einem Freund, der in Marokko lebe, borgen zu können. Da der BF bereits in seiner ersten Einvernahme durch das Bundesamt unrichtige Angaben zu seiner Einreise nach Österreich gemacht hat und auch in der Beschwerdeverhandlung vom BF der Eindruck gewonnen werden konnte, dass er insgesamt unglaubwürdig ist, sind seine Angabe, er habe in Österreich mehrfach versucht, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, nicht glaubhaft. Dass er vor dem 14.10.2020 keinen Asylantrag gestellt hat und auch nicht die Absicht bekundet hat einen solchen zu stellen, ergibt sich auch aus seinen Aussagen vor dem Bundesamt am 11.10.2020. Dabei wurde der BF ausdrücklich danach befragt, warum er nach Österreich eingereist sei. Diese Frage beantwortete der BF damit, dass Österreich schön sei, dass es hier Arbeit gebe und auch die Menschenrechte eingehalten werden. In der Beschwerdeverhandlung danach befragt, warum er bei dieser Gelegenheit nicht gesagt habe, dass er auch um Asyl ansuchen wolle, gab der BF an, dass ihm im Vorfeld dieser Fragen vom Beamten gesagt worden sei, dass er keinen Asylantrag entgegennehmen werde, bis er die Antworten auf seine Fragen gehört habe und er erst dann entscheiden werde, ob er den Asylantrag annehmen werde oder nicht. Die weitere Frage des Bundesamtes am 11.10.2020 warum er 2018 Marokko verlassen habe, beantwortete der BF damit, dass er außerhalb Marokkos eine Geschäft eröffnen wolle und er sich in Marokko diesen Traum nicht erfüllen könne. In der Beschwerdeverhandlung danach befragt, warum er bei dieser Gelegenheit seine behaupteten Probleme in Marokko nicht geschildert habe, gab der BF an, dass er angegeben habe, dass er gesellschaftlich verfolgt werde. Erst nachdem er über seine Hauptgründe befragt worden sei, habe er seine Träume erzählt. Die in der Beschwerdeverhandlung vorgebrachte Erklärung steht jedoch mit dem Protokoll der Einvernahme des BF vom 11.10.2020 nicht im Einklang, vielmehr wurde dem BF vom Bundesamt durch die Fragen „Warum sind Sie nach Österreich eingereist?“ und „Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen?“ die Möglichkeit gegeben, sämtliche Gründe für die Ausreise aus Marokko sowie die Einreise nach Österreich anzugeben. Die vom BF in der Beschwerdeverhandlung vorgebrachte thematische Einschränkung ist auf Grund der Niederschrift und der Tatsache der Rückübersetzung der Niederschrift nicht nachvollziehbar und wird als Schutzbehauptung gewertet.

Zudem wurde der BF am 11.10.2020 ausführlich zu seinen familiären Verhältnissen in Marokko befragt. Ausführungen zu den von ihm im Asylantrag vorgebrachten Bedrohungen durch seine Onkel machte er dabei nicht. Zu diesem Umstand in der Beschwerdeverhandlung befragt gab der BF an, dass er die Fragen beantwortet habe, die ihm gestellt worden seien. Es sei damals alles schnell abgelaufen, er habe nicht so viel Zeit gehabt. Diese Angaben sind jedoch insofern nicht nachvollziehbar, als der Niederschrift keinerlei Angaben über eine zeitliche Beschränkung zu entnehmen sind. Es finden sich auch keine Hinweise darauf, dass der BF zu kurzen Antworten aufgefordert worden wäre. Vielmehr wurde der BF darauf hingewiesen, dass er im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen könne und er auch die Möglichkeit habe, auf benötigte Pausen hinzuweisen.

Auch aus dem konkreten Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz ergibt sich, dass dieser ausschließlich zur Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dem BF wurde am 13.10.2020, um 14:20 Uhr, jener Bescheid, mit dem eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen wurde, zugestellt. Seinen Asylantrag stellte der BF am 14.10.2020 um 10.00 Uhr, also erst nachdem eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag.

Darüber hinaus sind die vom BF behaupteten Fluchtgründe weder nachvollziehbar noch glaubhaft. Insbesondere machte der BF entsprechend der Niederschrift seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 30.10.2020 nur knappe Angaben zu seinem Fluchtvorbringen. Er wurde vom Bundesamt auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sein Vorbringen konkretisieren solle. In der Beschwerdeverhandlung dazu befragt gab der BF an, dass er ausführlich ausgesagt habe, dass der Dolmetscher seine Aussage jedoch zusammengefasst habe. Diese Rechtfertigung des BF ist jedoch vor dem Hintergrund, dass ihm die Niederschrift am 30.10.2020 rückübersetzt wurde und während der gesamten Einvernahme der rechtliche Berater des BF anwesend war nicht nachvollziehbar und wird als Schutzbehauptung gewertet. Inhaltlich gab der BF in der Erstbefragung an, dass er wegen einem Erbschaftsstreit mit seinen Onkeln Probleme gehabt habe, es sei versucht worden, den BF und seinen Bruder zu töten. In der Einvernahme am 30.10.2020 gab der BF jedoch an, dass die Onkel das Erbe nicht hätten hergeben wollen und danach verlangt hätten, dass sich der BF jener Miliz anschließe, der auch seine Onkel angehören. Da er dies abgelehnt hätte, hätten die Probleme begonnen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der BF in der Erstbefragung den Erbschaftsstreit als Grund der Bedrohung angibt, während er bei seiner Einvernahme die Weigerung sich einer Gruppierung anzuschließen als Grund der Probleme nennt. Darüber hinaus wurde der Bruder des BF vom Bundesamt in seiner Einvernahme am 30.10.2020 ausdrücklich danach befragt, ob er jemals Probleme auf Grund der Zugehörigkeit der Onkel zur genannten Gruppierung gehabt habe. Diese Frage verneinte der Bruder des BF. In der Beschwerdeverhandlung dazu befragt gab der BF an, dass er nicht wisse, wie sein Bruder das gemeint habe. Das Fluchtvorbringen des BF ist daher in sich widersprüchlich und mit den Angaben des Bruders des BF nicht in Einklang zu bringen, weshalb insgesamt kein glaubhaftes Fluchtvorbringen vorliegt.

Unter Würdigung sämtlicher oben angeführter Umstände und des vom BF in der Beschwerdeverhandlung gewonnen persönlichen Eindruckes geht das erkennende Gericht davon aus, dass der vom BF am 14.10.2020 gestellte Antrag auf internationalen Schutz einzig und allein in der Absicht seine Abschiebung zu verzögern gestellt worden ist.

3.4. Die Feststellungen zum Bescheid des Bundesamtes vom 06.11.2020 beruhen auf der im Verwaltungsakt einliegenden Bescheidausfertigung sowie dem diesbezüglichen Zustellnachweis.

3.5. Die Feststellungen zur Ausreise des BF aus Marokko mit einem gültigen Reisepass, dem Verlust dieses Dokumentes sowie den mangelnden Bemühungen des BF um ein neues Reisedokument beruhen ebenso auf seinen diesbezüglichen Angaben im bisherigen Verfahren und in der Beschwerdeverhandlung wie die Feststellung, dass der BF ohne gültiges Reisedokument bis nach Österreich gereist ist.

3.6. Dass der BF in den Hungerstreik getreten ist, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, den diesbezüglichen Eintragungen in der Anhaltedatei sowie den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung. Dass er damit beabsichtigte seine Abschiebung nach Marokko zu verhindern steht insofern fest, als der BF in der Beschwerdeverhandlung nach dem Motiv für diesen Hungerstreik befragt angab, dass ihm verweigert worden sei einen Asylantrag zu stellen. Er sei angehalten worden und ihm sei gesagt worden, er bekomme kein Asyl und werde nach Marokko zurückgeführt.

3.7. Dass die Abschiebung des BF nach Marokko innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer möglich erscheint, ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Der BF war im Besitz eines gültigen Reisepasses, mit dem er von Marokko in die Türkei gelangt ist. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF anhand der in Marokko vorhandenen Reisepassdaten identifiziert und ein Heimreisezertifikat für ihn erlangt werden kann. Das Bundesamt steht entsprechend den Angaben des Vertreters des Bundesamtes in der Beschwerdeverhandlung eng mit den marokkanischen Behörden in Kontakt weshalb mit der Erlangung eine Heimreisezertifikates und der Außerlandesbringung des BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer gerechnet werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung gänzlich unmöglich ist, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

4. Zur sozialen und familiären Komponente

4.1. Dass der Bruder sowie die Schwägerin des BF ebenfalls in Schubhaft angehalten werden steht auf Grund der Angaben des Vertreters des Bundesamtes in der Beschwerdeverhandlung fest. Dass der BF über keine weiteren Familienangehörigen in Österreich verfügt ergibt sich aus seinen Angaben im bisherigen Verfahren, insbesondere auch aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

4.2. Dass der BF in Österreich über kein nennenswertes soziales Netz verfügt, konnte insofern festgestellt werden, als der BF zwar in der Beschwerdeverhandlung angab, einen Freund zu haben. In seiner Einvernahme vom 11.10.2020 verneinte er die Frage nach privaten Anbindungen in Österreich jedoch ausdrücklich. In der Beschwerdeverhandlung nannte er zwar den Namen des von ihm angeführten Freundes, seinen genauen Aufenthaltsort konnte er jedoch nicht angeben.

4.3. Dass der BF in Österreich keine legale Erwerbstätigkeit ausübte und über keinen gesicherten Wohnsitz verfügt, gab der BF in seinem Verfahren, insbesondere in der Beschwerdeverhandlung, an. In der Beschwerdeverhandlung gab der BF zwar an, dass er über EUR 3.000,-- verfüge, die sich in Italien befänden. Diese Angabe des BF ist jedoch insofern unglaubhaft, als er in seiner Befragung durch das Bundesamt am 11.10.2020 angab, dass er kein Geld habe. Er bekräftigte diese Aussage noch dadurch, dass er angab, dass er sein letztes Geld ausgegeben habe. Auch nach dem Zweck seiner Reise nach XXXX befragt gab der BF die in der Beschwerdeverhandlung vorgebrachte beabsichtigte Übergabe von EUR 3.000,-- nicht vor. Da der BF bereits unrichtige Angaben zu seiner Einreise gemacht hat und in der Beschwerdeverhandlung der Eindruck gewonnen werden konnte, dass der BF nicht glaubwürdig ist, wird sein Vorbringen, er verfüge – wenn auch in Italien – über einen Betrag von EUR 3.000,-- als Schutzbehauptung gewertet.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft bis 14.10.2020

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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