TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/14 G302 2234658-5

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Veröffentlicht am 14.12.2020
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Entscheidungsdatum

14.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G302 2234658-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Manfred ENZI in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geb. am XXXX , alias XXXX , geb XXXX , StA. Ägypten, zu BFA-Zahl XXXX zu Recht:

A)       Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder BFA) vom XXXX , Zl. XXXX , wurde über XXXX , geb. am XXXX , alias XXXX , geb. XXXX (in der Folge: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Am 11.12.2020 erfolgte gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG die gegenständliche Aktenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Überprüfung der Anhaltung.

Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Ägypten, gehört der arabischen Volksgruppe und der islamischen Glaubensgemeinschaft an und spricht muttersprachlich arabisch. Er ist ledig und kinderlos. Seine Identität steht nicht fest. Der BF bediente sich Aliasidentitäten und täuschte damit bewusst staatliche Einrichtungen und Institutionen.

Der BF leidet an keinen Erkrankungen die eine Haftfähigkeit ausschließen würden. Es gibt auch keine Anzeichen, dass der BF einer COVID-19-Risikogruppe angehören würde.

Der BF stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Zudem wurde gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Italien zulässig ist. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 26.02.2018 zu W 240 2185213-1/2E, als unbegründet ab.

Mit Urteil vom XXXX , wurde der BF durch das Landesgericht XXXX zu XXXX wegen versuchter Vergewaltigung gemäß §§ 201 Abs. 1 und 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von XXXX verurteilt.

Der Verurteilung durch des Landesgericht XXXX vom XXXX ist zu entnehmen, dass der BF in Linz in einem Lokal auf der Damentoilette eine weibliche Personen mit Gewalt oder durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen zu nötigen versucht, indem er sie mit seinem ganzen Körper in eine Kabine der Damentoilette drängte, die Kabinentüre von innen schloss und absperrte, ihr oberhalb ihrer Hose auf ihren Intimbereich griff und ihr seinen Penis zeigte, wobei es insofern beim Versuch blieb, als es ihr gelang, ihn zur Seite zu schubsen und das WC zu verlassen; einer weiteren minderjährigen Person, die gerade eine Kabine der Damentoilette verlassen wollte, den Weg versperrte, die Kabinentüre von innen schloss und sie mit beiden Händen zu Boden drückte, wobei es insofern beim Versuch blieb, als es ihr gelang, auf allen Vieren vorbei zu kriechen, die Kabinentür zu öffnen und - auch durch das Einschreiten ihres Begleiters - das WC zu verlassen. Bei der Strafbemessung war mildernd zu werten, dass die Taten jeweils beim Versuch geblieben sind sowie dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt gerichtlich unbescholten war. Erschwerend wogen das Vorliegen von zwei Verbrechen. Die Strafdrohung richtet sich nach § 201 Abs. 1 StGB, der eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht. Derartige Straftaten bedeuten einen schwerwiegenden Eingriff in die körperliche und sexuelle Integrität und das Sicherheitsempfinden der jeweiligen Opfer. Die Opfer waren dem Täter beide unbekannt, dennoch überfiel er sie in der Toilette in einem Lokal und nutzte dabei ihren alkoholbeeinträchtigten Zustand aus, ebenso den Überraschungsmoment, zumal keine der Damen irgendwie erwartete, in der Toilette eines Lokales von einem Mann überfallen zu werden. In der Tathandlung manifestiert sich eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber der körperlichen Integrität der Opfer und deren sexueller Selbstbestimmung.

Die Überstellungsfrist nach Italien endete am XXXX und erfolgte aufgrund der zu verbüßenden Haftstrafe des BF keine Überstellung innerhalb dieser Frist.

Aufgrund der Straffälligkeit wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX über den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, über ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren verhängt und einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Beschluss des BVwG vom 08.07.2019, Zl. I422 2220904-1/3E, wurde in Erledigung der dagegen erhobenen Beschwerde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Mit darauffolgenden Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde unter anderem der zweite Antrag des BF auf internationalen Schutz vom XXXX abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung sowie ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 13.09.2019, Zl. I422 2220904-2/3E, als unbegründet abgewiesen.

Am XXXX wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit Ägypten eingeleitet.

Im Stande der Strafhaft stellte der BF am XXXX seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Mit der belangten Behörde vom XXXX , Zl. XXXX wurde dieser Antrag hinsichtlich des Status als Asylberechtigter wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 AsylG bezüglich des Antrags auf interrationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise. Dieser Bescheid wurde am XXXX rechtskräftig.

Am XXXX wurde er dem ägyptischen Konsulat vorgeführt, vorerst mit dem Ergebnis, dass es sich bei ihm um keinen ägyptischen Staatsbürger handelt.

Am XXXX wurde zum Zwecke der Personenfeststellung das Bundeskriminalamt um Unterstützung gebeten, via Interpol Algier, Interpol Tunis, Interpol Tripolis, Interpol Kairo und Interpol Rabat in der Angelegenheit tätig zu werden. Am XXXX erfolgte diesbezüglich eine Urgenz. Am XXXX wurde auch ein HRZ-Verfahren mit Libyen eröffnet, ein Vorführtermin wurde für den XXXX geplant. Dieser ergab, dass eine libysche Staatsangehörigkeit auszuschließen ist.

Am XXXX erfolgte die Mitteilung des Bundeskriminalamtes, dass der Fremde als XXXX , geb. XXXX in XXXX /Ägypten, identifiziert worden sei. Bei der Mutter des Fremden handelt es sich um XXXX .

Im Rahmen der zur amtswegigen Überprüfung der andauernden Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.09.2020, Zl. G307 2234658-1/5Z, gestand der BF seine wahre Identität ein. Mit dem im Anschluss verkündeten mündlichen Erkenntnis wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Auch mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG vom 30.09.2020, Zl. G309 2234658-2/7 sowie mit Erkenntnissen des BVwG vom 23.10.2020, Zl. G308 2234658-3/15E, zugestellt am 27.10.2020 und vom 23.11.2020, Zl. G310 2234658-4/3E, zugestellt am XXXX , wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Am XXXX erfolgte eine Urgenz bei der ägyptischen Botschaft. Derzeit wird die Identität des BF in Ägypten überprüft.

Der BF wurde in Österreich einmal strafgerichtlich verurteilt, und befand sich bis XXXX in Strafhaft. Er befindet sich seit XXXX in Schubhaft.

Der BF fiel zudem auch in der Schubhaft mehrfach mit seinem renitenten und aggressiven Verhalten auf: So verhielt er sich am XXXX gegenüber der G4S und der Polizei respektlos, wurde am XXXX ermahnt, weil er trotz vorheriger Kommunikation und Verbotes weit nach Ablauf der dafür vorgesehenen Zeit die Waschmaschine selbstständig einschaltete. Bei der Ermahnung durch die Polizei verhielt er sich insofern respektlos, als er anfing, sich lautstark aufzuregen und im Zuge des Gespräches die beiden weiblichen G4S Mitarbeiterinnen beleidigte. Am XXXX wurde der BF abermals abgemahnt: Er verhielt sich aggressiv gegenüber dem G4S Personal, wobei er auch lautstark schimpfte und schrie. Zuletzt fiel er laut Anmerkung vom XXXX dadurch auf, dass er die für sich vorgesehenen Medikamente einbehielt, um sie zum Dealen zu verwenden.

Es wird festgestellt, dass der BF in Österreich keine familiäre oder sonstige soziale Anbindung, keinen gesicherten Wohnsitz und keine Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes hat. Ihm stehen derzeit EUR XXXX zur Verfügung.

Gegen den BF bestehen eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ein zehnjähriges Einreiseverbot. Sein dritter Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig negativ entschieden.

Den im zuletzt ergangenen Erkenntnissen des BVwG getroffenen Entscheidungsgründen betreffend Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft kommen zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zu. Auf diese wird daher vollinhaltlich verwiesen.

Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass die Durchführung einer Rückführung nicht hinreichend wahrscheinlich oder gänzlich ausgeschlossen wäre, liegen jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – auch unter besonderer Berücksichtigung der derzeit bestehenden (Flug-) Reisebeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie – nicht vor.

Es liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und hat sich der BF bislang als nicht vertrauenswürdig und kooperationsbereit erwiesen. Durch die Verwendung von Aliasdaten hat der BF bisher seine Abschiebung gehindert. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der BF mit hoher Wahrscheinlichkeit im Inland untertauchen.

Der BF ist nicht bereit, nach Ägypten auszureisen. Im Zuge der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG am 04.09.2020 und 30.09.2020 gab der BF an, nicht nach Ägypten ausreisen zu wollen. Auch erklärte er im Rahmen der Rückkehrberatung nicht rückkehrwillig zu sein. Es wird festgestellt, dass der BF bislang nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist ist und keine ernsthafte Bereitschaft zeigt, künftig freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen. Der BF zeigt und zeigte sich zudem in keiner Phase des Verfahrens rückkehrwillig und hat bis dato nichts unternommen um ein Reisedokument zu erlangen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und den Gerichtsakten des BVwG zu den im Verfahrensgang angeführten Verfahren.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt, wobei der Sachverhalt ausreichend und unumstritten feststeht.

Die Feststellungen zu den bisherigen den BF betreffenden Verfahren beim BFA und beim BVwG werden anhand der angegebenen Gerichtsakten und Erkenntnisse getroffen, wie auch anhand der Abfragen der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung, der Strafregisterauskunft, des Zentralem Melderegisters, des Sozialversicherungsauszugs und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister.

Es sind keine Hinweise auf signifikante Erkrankungen oder Einschränkungen der Haftfähigkeit des BF aktenkundig. Weder seinen Angaben noch den Ausführungen in der Aktenvorlage ist zu entnehmen, dass der BF einer COVID-19-Risikogruppe angehört.

Aufgrund des Akteninhalts steht fest, dass zu Recht davon auszugehen ist, dass der BF seine Freilassung nur dazu nützen wird, sich durch Untertauchen seiner Abschiebung zu entziehen. Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens tritt das erkennende Gericht im Ergebnis der Beurteilung des BFA bei, dass sich der BF bislang als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat.

Der Gang des Verfahrens zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für den BF und die vorübergehende Unmöglichkeit einer Außerlandesbringung des BF wurde vom BFA schlüssig dargelegt. Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften. Da diese Maßnahmen sowohl im Inland als auch im Ausland durchwegs vorübergehend bzw. befristet angeordnet wurden, ist dessen ungeachtet davon auszugehen, dass zeitnah, also innerhalb der nächsten Monate, eine Rückführung nach Ägypten bewerkstelligt werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A)

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(…)

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(…)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(…)“

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit der Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als notwendig und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf seine persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Zunächst ist festzuhalten, dass den in dem Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020 zu Zahl G310 2234658-4/3E dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt. Auf diese Entscheidung wird daher vollinhaltlich verwiesen.

Der BF verfügt über kein Reisedokument. Gegen ihn liegen eine Rückkehrentscheidung und ein auf 10 Jahre erlassenes Einreiseverbot vor. Sowohl die Rückkehrentscheidung als auch das Einreiseverbot sind rechtskräftig und damit faktisch durchsetzbar. In Zusammenschau mit der fehlenden sozialen Verankerung und der mangelnden Rückkehrbereitschaft liegt nach wie vor Fluchtgefahr iSd § 76 Abs. 3 FPG vor. Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, der mangelnden Vertrauenswürdigkeit, seinem Verhalten während der Anhaltung in Schubhaft, sowie seiner fehlenden sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet.

Bei der Abwägung ist auch seine strafgerichtliche Verurteilung heranzuziehen. Die massive Delinquenz des BF vergrößert das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich (§ 76 Abs. 2a FPG).

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Das BFA kommt seiner Verpflichtung, die Schubhaft so kurz als möglich zu halten nach, wobei zu berücksichtigen ist, dass erst seit August 2020 die nunmehrigen Identitätsdaten des BF bekannt sind. Das Verfahren hat keine maßgebliche Änderung der Umstände seit der Verhängung der Schubhaft ergeben.

Ein Sicherungsbedarf zur Durchführung einer Rückführung in den Herkunftsstaat ist somit weiterhin gegeben. Ein gelinderes Mittel ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Aufgrund des festgestellten Sachverhalts muss durchaus angenommen werden, dass weiterhin ein dringender Sicherungsbedarf besteht.

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich - auch im Sinne der RV (952 BlgNR 22. GP 105 f) - als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (Hinweis E 26. September 2007, 2007/21/0253; E 23. Oktober 2008, 2006/21/0128; E 19. April 2012, 2009/21/0047). (Hier: Beim Fremden lag der Tatbestand des § 80 Abs. 4 Z 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vor.) (VwGH 11.06.2013, 2013/21/0024).

Die belangte Behörde hat im Zuge der Aktenvorlage glaubhaft dargelegt, dass eine Abschiebung des BF zeitnah durchgeführt werden könnte, sofern bis dahin auch die im Hinblick auf die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie getroffenen, derzeit noch geltenden Reisebeschränkungen einer tatsächlichen Abschiebung auf dem Luftweg nicht mehr entgegenstehen.

Der VwGH hat sich im Beschluss vom 01.04.2020, Ra 2020/21/0116, unter anderem mit den Auswirkungen der aktuellen weltweiten Flugreisebeschränkungen auf die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft auseinandergesetzt und festgehalten, dass die Annahme, es wäre mit einer Aufhebung dieser Maßnahmen binnen weniger Wochen zu rechnen, nicht unvertretbar sei.

Im vorliegenden Fall hat sich jedenfalls nicht ergeben, dass – zumindest in diesem Stadium – die Identifizierung und Ausstellung eines Heimreisezertifikats sowie die Durchführung einer Abschiebung in den Herkunftsstaat tatsächlich unmöglich wäre, etwa weil die derzeitigen Reisebeschränkungen nicht bloß vorübergehender Natur wären, sondern längerfristig in Geltung stehen würden. Aufgrund mittlerweile bereits in zahlreichen Staaten getroffener Erleichterungen im Reiseverkehr und angekündigter weiterer Schritte zur Abschwächung oder Beseitigung der derzeit geltenden Reisebeschränkungen erscheint die Annahme der belangten Behörde durchaus begründet, dass auch zeitnah erfolgende Abschiebungen auf dem Luftweg weiterhin als nicht völlig ausgeschlossen gelten.

Davorliegend von einem absehbaren Ende der Schubhaft durch Vornahme einer Abschiebung auszugehen ist, bestehen vor dem Hintergrund dieser VwGH-Judikatur keine Bedenken an ihrer weiteren Aufrechterhaltung, zumal der BF bislang, wiederholt angegeben hat, nicht freiwillig nach Ägypten zurückkehren zu wollen.

Ein Sicherungsbedarf zur Durchführung einer Rückführung in den Herkunftsstaat ist somit weiterhin gegeben. Ein gelinderes Mittel ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Die Fortsetzung der Schubhaft ist auch unter Berücksichtigung der in § 80 FPG vorgesehenen Regelungen über die Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zulässig und zur Erreichung des Sicherungszwecks verhältnismäßig, zumal die Abschiebung bislang daran scheiterte, weil die Feststellung der Identität des BF, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist (§ 80 Abs. 4 Z 1 FPG).

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden. Die Schubhaft kann daher fortgesetzt werden.

Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage eindeutig geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B)

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war und sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte. So hat sich der VwGH im Beschluss vom 01.04.2020, Ra 2020/21/0116, unter anderem mit den Auswirkungen der aktuellen weltweiten Flugreisebeschränkungen auf die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft auseinandergesetzt und festgehalten, dass die Annahme, es wäre mit einer Aufhebung dieser Maßnahmen binnen weniger Wochen zu rechnen, nicht unvertretbar sei.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G302.2234658.5.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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