TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/15 I414 2237459-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.2020
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Entscheidungsdatum

15.12.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


I414 2237459-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christian EGGER über die Beschwerde der XXXX , StA. RUMÄNIEN, vertreten durch ARGE RECHTSBERATUNG Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich (BFA-OÖ) vom 02.11.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin wurde am 02.02.2016 nach einem früheren Aufenthalt in Österreich wegen Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten schweren und teils gewerbsmäßigen Betrugs vom Landesgericht Linz zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Ihr wurde vom BFA mit Schreiben vom 11.02.2016 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei weiteren strafrechtlichen Delinquenzen angedroht.

Die Beschwerdeführerin reiste spätestens am 06.09.2019 wieder nach Österreich und beging weitere strafbare Handlungen, weshalb sie am 02.09.2020 in Untersuchungshaft genommen wurde. Am 09.10.2020 erfolgte die rechtskräftige Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten wegen Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel.

Der Beschwerdeführerin wurde mittels Parteiengehör die Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen, die sie nicht wahrnahm.

Mit Bescheid vom 02.11.2020 wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde kein Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 Abs. 3 FPG gewährt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 27.11.2020, worin das Ermittlungsverfahren bemängelt wurde und bekräftigt wird, dass von der Beschwerdeführerin keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 09.12.2020 vollständig bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der eingangs wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Die Beschwerdeführerin ist rumänische Staatsangehörige. Ihre Identität steht fest. Sie ist volljährig, verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Ihre Familie lebt in Rumänien, in Österreich verfügt sie über keine Angehörigen, familiären Beziehungen oder integrative Verfestigungen. Sie geht und ging keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach und liegt keine Anmeldebescheinigung oder ein anderer Aufenthaltstitel vor.

Außer in einer Justizanstalt hatte die Beschwerdeführerin keinen Wohnsitz in Österreich angemeldet. Sie hielt sich zuletzt mindestens im Zeitraum von 06.09.2019 bis 02.02.2020 mehrmals im Bundesgebiet auf und reiste spätestens am 26.08.2020 wieder nach Österreich ein.

Derzeit verbüßt sie eine Haftstrafe von 21 Monaten, wobei 14 Monate unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurden, nach rechtskräftiger Verurteilung durch das Landesgericht Linz am 09.10.2020 wegen der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 3, 130 Abs. 2 zweiter Fall StGB und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 und 2 StGB, GZ XXXX .

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin als Mittäterin teils in Gesellschaft mit zwei abgesondert Verfolgten den Betreiber diverser Bankomaten gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie zur Ausführung der Tat eine Sperrvorrichtung mit eine widerrechtlich erlangten Schlüssel öffnete, indem sie unter widerrechtlicher Verwendung der Bankomatkarte eines Opfers in elf Angriffen Barbehebungen in einem EUR 5.000,-- übersteigenden Betrag vornahm. Außerdem hat sich die Beschwerdeführerin mit einer der abgesondert Verfolgten im Zeitraum von 06.09.2019 bis 02.02.2020 gewerbsmäßig ein fremdes unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht oder nicht alleine verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte des Opfers, mit dem Vorsatz verschafft, dass sie oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, indem sie teilweise diese Bankomatkarte wiederholt ohne Wissen und Zustimmung des Opfers an sich nahm, teilweise die ihr für Einkäufe anvertraute Bankomatkarte widerrechtlich benutzten.

Mildernd wertete das Strafgericht das teilweise Geständnis. Erschwerend wurde die mehrfache Qualifikation, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die unmittelbar einschlägige Vorstrafe berücksichtigt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 02.02.2016, GZ XXXX , wurde die Beschwerdeführerin nämlich bereits einmal rechtkräftig wegen Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten schweren und teils gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt. Ein Teil der Strafe im Ausmaß von acht Monaten wurde unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Zentrale Berücksichtigung fanden die Strafurteile des Landesgerichtes XXXX , der bekämpfte Bescheid und die Beschwerde.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Die Beschwerdeführerin bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die Feststellungen zum bisherigen Aufenthalt und der letzten Einreise ergeben sich aus dem Strafurteil zu GZ XXXX und dem Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr (AS 35). Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR), dem Betreuungsinformationssystem, dem AJ-Web und dem Strafregister wurden ergänzend eingeholt.

Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin bislang keinen Wohnsitz außerhalb einer Justizanstalt in Österreich angemeldet hatte und auch nicht am Arbeitsmarkt etabliert war und ist. Eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger oder ein sonstiger Aufenthaltstitel wurden weder vorgebracht, noch ergeben sich solche aus dem IZR. Die Feststellung zu den mangelnden sonstigen privaten und integrativen Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich ebenso aus der Tatsache, dass solche weder nach Parteiengehör, noch in der Beschwerde vorgebracht oder belegt wurden.

Aus dem Strafurteil zu XXXX ergeben sich der Personenstand und die Familienangehörigen. Dass sich die Familie in Rumänien aufhält ergibt sich aus den Angaben zu Kontaktpersonen im Herkunftsstaat am Rückkehrantrag (AS 37). Das Feld „Name und Geburtsdatum der in Österreich zurückbleibenden Familienangehörigen“ wurde durchgestrichen (AS 35). Ihre Identität steht durch Vorlage eines rumänischen Personalausweises (AS 29) fest.

Aus den im Akt einliegenden Urteilsausfertigungen ergeben sich die festgestellten Verurteilungen, Freiheitsstrafen, die Umstände der Delinquenzen und die Strafbemessungsgründe. Festnahme- und Untersuchungshaftdaten sind aus der Vollzugsinformation (AS 1) und der Verständigung der Behörde von der Verhängung der Untersuchungshaft (AS 25) ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG ist EWR-Bürger ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Dies trifft auf die Beschwerdeführerin als rumänische Staatsangehörige zu und ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen sie Beschwerdeführer somit gemäß § 67 Abs. 1 FPG zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

§ 67 FPG lautet weiter:

„(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0081, mwN).

Die belangte Behörde hat das gegenständliche Aufenthaltsverbot auf § 67 Abs. 1 und 2 FPG gestützt und insbesondere damit begründet, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin auf Grund der von ihr begangenen Straftaten und der Erheblichkeit ihres bisherigen Fehlverhaltens das Grundinteresse der österreichischen Gesellschaft an einem geordneten Zusammenleben beeinträchtige und von der Beschwerdeführerin eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe.

Die Beschwerdeführerin hat die in den Feststellungen angeführten strafbaren Handlungen, die zu ihren strafgerichtlichen Verurteilungen geführt haben, begangen.

Sie hat sohin ein Verhalten gesetzt, das geradezu einem öffentlichen Interesse widerstrebt. Der Verwaltungsgerichthof misst insbesondere der Verhinderung der Gewalt- und Eigentumskriminalität ein großes öffentliches Interesse zu (vgl. E vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0474).

Gerade auch die wiederholte Verwirklichung einschlägiger Straftaten zeigt, dass die Beschwerdeführerin nicht gewillt ist, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften zu halten. Selbst das Verbüßen einer Haftstrafe hat sie nicht davon abgehalten, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Gravierend wiegt auch, dass es sich dabei um eine gesteigerte Form in dem Sinne handelt, dass sie nunmehr zwei Verbrechen verübte und es zu mehrfachen Qualifikationen kam.

Auch wenn in der Beschwerde angegeben wird, dass die Beschwerdeführerin ihre Taten bereue, kann von einer positiven Zukunftsprognose zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt (noch) nicht ausgegangen werden. Nicht zuletzt auch deshalb, da die Beschwerdeführerin aktuell noch in Strafhaft ist und erst nach ihrer Entlassung beweisen müssen wird, dass tatsächlich ein Gesinnungswandel eingetreten ist.

Die Beschwerdeführerin konnte sich als EWR-Bürgerin bis zu 90 Tage innert eines Zeitraumes von 180 Tagen sichtvermerkfrei in Österreich aufhalten. Auch wenn eine darüber hinaus zum Aufenthalt berechtigende Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger nicht vorlag oder vorliegt, ist von einem rechtmäßigen Aufenthalt auszugehen. Genaue Aufenthaltsdauern konnten mangels Wohnsitzmeldung und auch aus dem Strafurteil nicht festgestellt werden. Die letzte Einreise erfolgte nach ihren eigenen Angaben am 26.08.2020 und wurde sie sieben Tage später festgenommen.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).

Abgesehen vom rechtmäßigen Aufenthalt liegen weder private, noch familiäre Bindungen in oder zu Österreich vor. Außer durch Begehen strafrechtlicher Delinquenzen trat die Beschwerdeführerin nicht in Erscheinung. Durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wird in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben nicht eingegriffen. Der Lebensmittelpunkt liegt in Rumänien. Die Familie der Beschwerdeführerin hält sich im Herkunftsstaat auf und beschränkt sich das private Interesse in Österreich auf Kontakte zu kriminellen Mittäterinnen.

Zusammengefasst ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin begangenen Straftaten aufgrund der Wiederholung, der mehrfachen Qualifikation und der Tatsache, dass es sich um zwei Verbrechen handelt, einen besonders hohen Schweregrad auf. Das sich auch in der Strafbemessung niederschlagende und der Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zuletzt 21 Monaten manifestierte gravierende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin rechtfertigt die Annahme, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch ihren Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre. Ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet stünde mit den essentiellen öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung und der Verhinderung von Eigentums- und Vermögensdelikten im Widerspruch. Die von ihr ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit rechtfertigt daher die gegenüber ihr erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Es ist daher der belangten Behörde beizupflichten, wenn es im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten - angesichts der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten schweren Straftaten - von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes erforderlich macht. Diese Maßnahme erscheint angesichts der vorliegenden Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Es bedarf in Hinblick auf die schwerwiegende Delinquenz der Beschwerdeführerin eines angemessenen Zeitraumes der Beobachtung ihres Wohlverhaltens, um sicherzustellen, dass sie im Bundesgebiet keine Straftaten mehr begehen wird. Aufgrund ihrer Vermögensdelinquenz, der zuletzt über sie verhängten empfindlichen teilbedingten Haftstrafe von 21 Monaten und der großen Wiederholungsgefahr, die mit (gewerbsmäßiger) Vermögenskriminalität verbunden ist, kommt unter Berücksichtigung der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen und dem Umstand, dass die Existenz der minderjährigen Kinder in Rumänien die Beschwerdeführerin nicht von kriminellen Handlungen abhalten konnte, in einer Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die in § 67 Abs. 1 FPG iVm § 9 BFA-VG festgelegten Kriterien weder eine Aufhebung des Aufenthaltsverbots noch eine Reduktion der Dauer in Betracht. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots von weniger als fünf Jahren scheidet vor allem angesichts der Tatsache aus, dass die Beschwerdeführerin einzig zur Begehung strafbarer Handlungen in Österreich aufhältig war und keinerlei positive Integrationsschritte gesetzt hat. Dazu kommt, dass ihr bereits nach der ersten strafgerichtlichen Verurteilung die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei neuerlicher Straffälligkeit angedroht wurde. Trotz Kenntnis der möglichen Konsequenzen und Verbüßen einer Gefängnisstrafe ließ sie sich nicht davon abhalten, in Zusammenwirken mit Mittäterinnen über einen Zeitraum von knapp fünf Monaten zwei Opfer in Österreich an ihrem Vermögen zu schädigen und dadurch mehrfach qualifizierte Verbrechen zu begehen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, weil ein Durchsetzungsaufschub im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu Recht nicht erteilt wurde, was sich schon aus der Gefährdungsprognose für die Beschwerdeführerin ergibt. Dies rechtfertigt gleichermaßen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG, wie in Spruchpunkt III. ausgesprochen.

3.3. Die mündliche Verhandlung war nicht durchzuführen, weil der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage voll umfänglich geklärt ist und auch durch persönlichen Eindruck von der Beschwerdeführerin keine für diese günstigere Entscheidung erfolgen kann.

Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs. 5 VFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall aber nicht gegeben. Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin ist in ihrem Herkunftsstaat, sie verfügt dort über familiäre Anknüpfungspunkte. Dass ihr in Rumänien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde, wurde weder vorbracht, noch ergaben sich im Verfahren Hinweise darauf.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Interessenabwägung bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung Gefährdungsprognose negative Zukunftsprognose öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Unionsbürger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2237459.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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