TE Bvwg Beschluss 2020/12/16 W262 2224556-1

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Veröffentlicht am 16.12.2020
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Entscheidungsdatum

16.12.2020

Norm

AlVG §24
AlVG §25
AVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17

Spruch


W262 2224556-1/12Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die Auxiliaris Steuerberatungs GmbH, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 27.12.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 03.04.2019, GZ XXXX , betreffend Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG und Rückforderung des zu Unrecht empfangenen Arbeitslosengeldes gemäß § 25 Abs. 1 AlVG beschlossen:

A)       Das Verfahren wird gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sozialversicherung der Selbstständigen über das Bestehen einer Pflichtversicherung von 05.07.2016 bis 07.08.2016 ausgesetzt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer bezog im Zeitraum 01.07.2016 bis 07.08.2016 Arbeitslosengeld iHv € 52,52 täglich.

2. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (in der Folge als „belangte Behörde“ oder AMS bezeichnet) vom 27.12.2018 wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 05.07.2016 bis 07.08.2016 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG iVm § 38 AlVG widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG iVm § 38 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes iHv € 1.785,68, -- verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den oa. Zeitraum zu Unrecht bezogen, da er aus seiner Selbständigkeit ein monatliches Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt habe.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der durch einen Steuerberater vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, er habe seine selbständige Erwerbstätigkeit vor dem 05.07.2016 beendet. Abschließend beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 03.04.2019 wurde gemäß § 14 VwGVG iVm §§ 56 Abs. 2 und 58 AlVG der Bescheid vom 27.12.2018 dahingehend abgeändert, dass die Zuerkennung der Notstandshilfe des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 2 AlVG iVm § 38 AlVG für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 07.08.2016 widerrufen und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG iVm § 38 AlVG die unrechtmäßig empfangene Leistung iHv € 1.995,76, -- rückgefordert werde.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darlegung der Rechtsgrundlagen und Berechnung der konkreten Rückforderungsbeträge zusammengefasst aus, dass aufgrund der Einkünfte des Beschwerdeführers aus selbständiger Arbeit Arbeitslosigkeit nicht gegeben sei. Die belangte Behörde sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs an einen rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheid gebunden und es komme ausschließlich darauf an, dass Einkünfte steuerlich zugerechnet werden würden. Durch den Widerruf sei der Übergenuss entstanden. Da dieser weder durch unwahre Angaben, noch durch Verschweigung maßgeblicher Tatsachen durch den Beschwerdeführer verursacht worden sei und dieser auch nicht erkennen habe müssen, dass die Leistung nicht gebührt habe, sei zu prüfen gewesen, ob der Beschwerdeführer den verschuldensunabhängigen Tatbestand des § 25 Abs. 1 3. Satz AlVG erfüllt habe. Dies sei aufgrund des nachträglich vorgelegten Einkommenssteuerbescheides vom 12.04.2018 für das Jahr 2016 gegeben. Darüber hinaus sei aufgrund des Einkommenssteuerbescheides nachträglich die Pflichtversicherung nach dem GSVG festgestellt worden. In diesem Fall dürfe der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Das Einkommen des Beschwerdeführers in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen habe die bezogene Leistung überstiegen, weshalb die gesamte bezogene Leistung zurückzufordern gewesen sei.

5. Der Beschwerdeführer stellte fristgerecht einen Vorlageantrag und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass Verfahrensvorschriften verletzt worden seien, da er ihm kein Parteiengehör im Verwaltungsverfahren eingeräumt worden sei. Darüber hinaus sei der herangezogene Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2016 nicht geeignet, Grundlage des angefochtenen Bescheides zu sein, da insbesondere die Nichtausübung einer selbständigen Tätigkeit über einen Zeitraum innerhalb eines Jahres nicht aus dem Einkommenssteuerbescheid ersichtlich sei.

6. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Verwaltungsakten am 18.10.2019 vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.05.2020 und 24.08.2020 mit Hinweis auf § 25 Abs. 1 Satz 3 AlVG auf binnen zwei Wochen nach Zustellung der Schreiben darzutun, ob der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 12.04.2018 rechtskräftig geworden sei und hinsichtlich der Pflichtversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger ein Feststellungsverfahren für das Jahr 2016 eingeleitet worden sei. Diese Schreiben blieben unbeantwortet. Über Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes ersuchte der Beschwerdeführer um Fristerstreckung für eine Stellungnahme, welche ihm gewährt wurde.

8. In seiner Stellungnahme vom 21.10.2020 führte der Beschwerdeführer aus, dass der Einkommenssteuerbescheid vom 12.04.2018 für das Jahr 2016 rechtskräftig geworden und kein Feststellungsverfahren eingeleitet worden sei. Darüber hinaus wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, dass er die selbständige Tätigkeit vor dem 05.07.2016 beendet und erst nach dem 07.08.2016 wiederaufgenommen habe und insofern keine durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit im Jahr 2016 vorliege.

9. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.11.2020 teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.10.2020 [gemeint wohl: 21.11.2020] mit, dass er mit Eingabe vom 27.11.2020 bei der Sozialversicherung der Selbständigen einen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, „dass für den Zeitraum vom 05.07.2016 bis einschließlich 07.08.2016 … keine Versicherungspflicht besteht“, gestellt habe und verwies darüber hinaus auf den beigelegten Antrag. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2020 wurde dieser Antrag am 15.12.2020 nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 01.04.2019 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 27.12.2018 betreffend Widerruf des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 07.08.2016 und Verpflichtung zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.995,76, --. Darin wurde insbesondere bestritten, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2016 durchgehend und insbesondere im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine selbständige Beschäftigung ausgeübt habe und der Pflichtversicherung unterworfen gewesen sei.

Zur Klärung der Frage, ob im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine Pflichtversicherung bestanden hat, ist derzeit ein Verfahren beim zuständigen Versicherungsträger anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.

Hinsichtlich der Beschlüsse (§ 31 VwGVG) ist zwischen verfahrensleitenden und nicht-verfahrensleitenden Beschlüssen zu differenzieren. Verfahrensleitende Beschlüsse kann der Vorsitzende alleine fassen, sofern sie nicht auch verfahrensbeendend sind. Darüber hinaus kann der Vorsitzende auch nicht-verfahrensleitende Beschlüsse, die nicht-verfahrensbeendende Beschlüsse sind, alleine fassen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 9 BVwGG, Anm. 3).

Der Verwaltungsgerichtshof sah keinen sachlichen Grund dafür, eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung als (bloß) verfahrensleitende Entscheidung zu beurteilen, die nicht abgesondert bekämpfbar wäre (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/05/0089). Da der Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens aber nicht verfahrensbeendend ist, sondern das Verfahren nur unterbricht, und eine Entscheidung iSd § 56 Abs. 2 AlVG über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des AMS gerade nicht vorliegt, besteht diesbezüglich die Zuständigkeit der Senatsvorsitzenden als Einzelrichterin.

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des AlVG lauten wie folgt:

„Ruhen des Arbeitslosengeldes

§ 16. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während

l) des Zeitraumes, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt nach dem Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976, in der jeweils geltenden Fassung, oder eine Urlaubsersatzleistung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, besteht oder eine Urlaubsabfindung nach dem BUAG gewährt wird, nach Maßgabe des Abs. 4,

(4) Besteht Anspruch auf eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) im Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnisses, besteht jedoch auch Anspruch auf Kündigungsentschädigung mit dem Ende des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt. Ist der Anspruch auf eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) strittig oder wird eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt (Urlaubsersatzleistung) aus sonstigen Gründen (zB Konkurs des Arbeitgebers) nicht bezahlt, so ist Abs. 2 sinngemäß anzuwenden. Wird hingegen eine Urlaubsabfindung nach dem BUAG gewährt, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem achten Tag, der auf die Zahlbarstellung durch die Urlaubs- und Abfertigungskasse folgt. Ansprüche auf Tagesteile bleiben immer außer Betracht.

…“

„Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

§ 24. ...

(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurückliegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.“

„§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.

(4) Rückforderungen, die gemäß Abs. 1 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit der Maßgabe aufgerechnet werden, daß dem Leistungsbezieher die Hälfte des Leistungsbezuges freibleiben muß; sie vermindern den Anspruch auf die zu erbringenden Leistungen, auch wenn er gepfändet ist. Die regionalen Geschäftsstellen können anläßlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen gewähren, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen.

(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 besteht nur, wenn eine solche innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum verfügt wird. Eine Verfügung zur Nachzahlung ist nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Wird eine Nachzahlung beantragt, so ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.

...“

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

3.3. Gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG ist die Behörde (das Verwaltungsgericht), sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid (ihrer Entscheidung) zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes widerrufen und den Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes verpflichtet. Voraussetzung für einen Widerruf ist gemäß § 24 Abs. 2 AlVG, dass die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war.

Ob der Beschwerdeführer im Jahr 2016 zu Recht durchgehend einer Pflichtversicherung unterworfen war, stellt eine Vorfrage dar, welche derzeit den Gegenstand eines beim zuständigen Sozialversicherungsträger anhängigen Verfahrens im Sinne des § 38 AVG bildet.

Im Fall der Anhängigkeit eines Verfahrens über die Vorfrage steht es im Ermessen der Behörde, das Verfahren zu unterbrechen oder selbst die Vorfrage zu beurteilen. § 38 AVG regelt nun nicht im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen kann. Sie ist aber deswegen nicht völlig ungebunden. Ihre Entscheidung kann nämlich in der Richtung hin auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, ob sie diese Entscheidung im Sinne des Gesetzes getroffen hat. Die Überlegungen, von denen sie sich dabei leiten lassen muss, werden vornehmlich solche der Verfahrensökonomie sein (vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 38 Rz 59 f genannten weiteren Kriterien der möglichsten Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, der Erzielung möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidungen samt Vermeidung von Wiederaufnahmen; demgegenüber das Postulat der möglichst raschen Beendigung des Verfahrens). Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie könnte dann nicht als vorrangig angesehen werden, wenn die Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren zur selbstständigen Beurteilung der Vorfrage in der Lage gewesen wäre (VwGH 30.05.2001, 2001/11/0121, mwN; 19.12.2012, 2012/08/0212).

Die Beurteilung der entscheidungswesentlichen Frage, ob der Beschwerdeführer in dem den Widerruf des Arbeitslosengeldes betreffenden Zeitraum der Pflichtversicherung unterlag, wäre ohne Durchführung eines aufwendigen Ermittlungsverfahrens nicht möglich, weshalb im Sinne der Raschheit und Einfachheit die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zum Abschluss des im Spruch genannten Verwaltungsverfahrens zur Feststellung des (Nicht)Vorliegens einer Pflichtversicherung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu beschließen war.

3.4. Die Verfahrensparteien sind im Lichte ihrer Mitwirkungspflicht gehalten, dem Bundesverwaltungsgericht nach rechtskräftigem Abschluss des beim zuständigen Versicherungsträger anhängigen Verfahrens dessen Ergebnis unverzüglich mitzuteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 AVG Gebrauch.

Schlagworte

Aussetzung Versicherungspflicht Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W262.2224556.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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