TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/22 I406 2230932-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2020
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Entscheidungsdatum

22.12.2020

Norm

AuslBG §18 Abs12
B-VG Art133 Abs4

Spruch


I406 2230929-1/7E

I406 2230930-1/6E

I406 2230931-1/6E

I406 2230932-1/6E

I406 2230933-1/6E

I406 2230934-1/6E

I406 2230935-1/6E

I406 2230936-1/6E

I406 2230937-1/6E

I406 2230858-1/6E

I406 2230859-1/6E

I406 2230860-1/6E

I406 2230861-1/6E

I406 2230862-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus HINTNER und Emanuel STRAKA als Beisitzer über die Beschwerden der XXXX , vertreten durch die Auxiliaris Steuerberatung GmbH, Grazer Straße 12, 8480 Mureck

1.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 14.02.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

2.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 31.01.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

3.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 31.01.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

4.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 31.01.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

5.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 31.01.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

6.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 31.01.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

7.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 12.12.2019, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

8.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 12.12.2019, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

9.       gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 31.01.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

10.      gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 14.02.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

11.      gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 14.02.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

12.      gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 14.02.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

13.      gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 14.02.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

14.      gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle, vom 14.02.2020, ABB-Nr. XXXX , betreffend „Entsendung des XXXX nach § 18 Abs. 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz“,

zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.        Die Firma XXXX , mit Firmensitz in Slowenien (im Folgenden als Beschwerdeführerin bezeichnet), meldete am 04.12.2019 der Zentralen Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung (ZKO) die Entsendung des

XXXX , geb. XXXX , StA. Nordmazedonien (I406 2230933-1) sowie des

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230936-1)

für die berufliche Tätigkeit als „besonders qualifizierter Arbeiter“ (im Folgenden als Arbeitnehmer bezeichnet), gemäß § 19 Abs. 3 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG).

Als Entsendebetrieb wurde die Beschwerdeführerin und als inländische Auftraggeberin die Firma „ XXXX “, etabliert in XXXX (im Folgenden als Auftraggeberin bezeichnet), angeführt.

Als Beginn der Beschäftigung wurde für beide Arbeitnehmer der 09.12.2019 und als voraussichtliches Ende der 19.12.2019 angegeben. Als Entsendezeitraum insgesamt nach Österreich wurde der 04.11.2019 bis 20.12.2019 verzeichnet.

2.       Am 06.01.2020 meldete die Beschwerdeführerin der ZKO die Entsendung folgender weiterer Arbeitnehmer an die Auftraggeberin gemäß § 19 Abs. 3 LSD-BG:

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230932-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230931-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Nordmazedonien (I406 2230935-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230930-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230937-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230934-1),

jeweils wiederum für die berufliche Tätigkeit als „besonders qualifizierter Arbeiter“.

Als Beginn der Beschäftigung wurde für sämtliche Arbeitnehmer der 07.01.2020 und als voraussichtliches Ende der 29.02.2020 angegeben, wobei sich diese Daten mit dem angegebenen Zeitraum der Entsendung insgesamt nach Österreich decken.

3.       Mit weiterer Meldung gemäß § 19 Abs. 3 LSD-BG vom 28.01.2020 gab die Beschwerdeführerin der ZKO die Entsendung folgender Arbeitnehmer an die Auftraggeberin für die berufliche Tätigkeit als „besonders qualifizierter Arbeiter“ bekannt:

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230929-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230860-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230859-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230858-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230861-1)

XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina (I406 2230862-1)

Als Beginn der Beschäftigung wurde der 29.01.2020 und als voraussichtliches Ende der 16.02.2020 bzw. 28.02.2020 angegeben. Als Entsendezeitraum insgesamt nach Österreich wurde der 07.01.2020 bis 28.02.2020 verzeichnet.

4.       Mit Parteiengehör des Arbeitsmarktservice XXXX , Regionale Geschäftsstelle (in der Folge als belangte Behörde oder AMS bezeichnet), vom 05.12.2019 (betreffend die unter 1. genannte Entsendungsmeldung), vom 09.01.2020 (betreffend die unter 2. genannte Entsendungsmeldung) und vom 03.02.2020 (betreffend die unter 3. genannte Entsendungsmeldung) wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, Unterlagen zum Nachweis der nennenswerten Geschäftstätigkeit nachzureichen (etwa Bilanzen oder Umsatzaufzeichnungen, aus denen sich ergibt, wie viel Prozent des Umsatzes im Mitgliedstaat der Niederlassung erwirtschaftet werden).

5.       Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin nicht nach.

6.       Mit den im Spruch genannten (mit Ausnahme der betroffenen ausländischen Arbeitnehmer und der Datumsangaben völlig wortidenten) Bescheiden der belangten Behörde vom 12.12.2019 (betreffend den unter 1. genannten Sachverhalt), vom 31.01.2020 (betreffend den unter 2. genannten Sachverhalt) und vom 14.02.2020 (betreffend den unter 3. genannten Sachverhalt) wurden die Anträge der Beschwerdeführerin auf Bestätigung der EU-Entsendung der genannten Arbeitnehmer gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG abgewiesen und die Entsendung untersagt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Nachweis einer nennenswerten Geschäftstätigkeit im Entsendestaat nicht erbracht worden sei, sodass davon auszugehen sei, dass die Voraussetzungen für eine Entsendung nicht erfüllt seien.

7.       Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch die Auxiliaris Steuerberatung GmbH, rechtzeitig und zulässig am 04.01.2020 (betreffend den unter 1. genannten Sachverhalt), am 02.03.2020 (betreffend den unter 2. genannten Sachverhalt) und am 13.03.2020 (betreffend den unter 3. genannten Sachverhalt) Beschwerde.

Begründend wurde zusammengefasst gleichbleibend ausgeführt, dass eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Sitzstaat der Antragstellerin Slowenien gegeben sei. Zum Nachweis wurde ein Auszug aus dem slowenischen Unternehmensregister in deutscher Sprache vorgelegt. Daraus sei ersichtlich, dass das Unternehmen im Jahr 2018 einen Jahresumsatz von EUR 1.794.253,23 erwirtschaftet habe, wovon ein Betrag von ca. EUR 500.000,00 über Aufträge in Slowenien erzielt worden sei. Zudem habe das Unternehmen in Slowenien 55 Dienstnehmer beschäftigt, sodass der Nachweis einer über eine interne Verwaltungstätigkeit hinausgehende nennenswerte Geschäftstätigkeit in Slowenien erbracht sei.

8.       Beschwerden und Bezug habende Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.05.2020 vorgelegt.

9.       Am 10.06.2020 erteilte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin den Auftrag, binnen 14 Tagen weitere, näher bezeichnete Angaben samt Nachweisen zur Klärung der Frage, ob die Beschwerdeführerin als in Slowenien niedergelassenes Unternehmen eine nennenswerte Geschäftstätigkeit in Slowenien ausübt, nachzureichen.

10.      Mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 02.07.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin weitere Angaben und Unterlagen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang wird als ausreichend geklärter Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt.

Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Betriebssitz in Slowenien.

Die Beschwerdeführerin übt keine nennenswerte Geschäftstätigkeit in Slowenien, dem Mitgliedstaat ihrer Niederlassung, aus.

Der Gesamtumsatz der Beschwerdeführerin im Jahr 2018 betrug EUR 1.794.253,23.

Davon entfiel lediglich ein Anteil von rund 9,08 %, (EUR 162.838,29) auf Werkverträge mit slowenischen Firmen, die restlichen 90,92 % des Umsatzes (EUR 1.631.414,94) wurden durch Werkverträge mit Firmen außerhalb Sloweniens im EWR erwirtschaftet.

Im Jahr 2019 betrug der Gesamtumsatz des Unternehmens EUR 2.322.912,64.

Davon wurden rund 13,60 %(EUR 316.961,25) über Aufträge in Slowenien erwirtschaftet und die restlichen 86,40 % (EUR 2.005.951,39) über Aufträge außerhalb Sloweniens im EWR.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichts samt Urkunden.

Auf Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes, den gesamten Umsatz aus Werkverträgen mit slowenischen Unternehmen einerseits sowie mit Unternehmen außerhalb Sloweniens für die Geschäftsjahre 2018 und 2019 bekanntzugeben und durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, gab die Erstbeschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung am 02.07.2020 die unter Punkt II.1. festgestellten Umsatzzahlen bekannt. Auf diese Angabe stützt sich die entsprechende Feststellung.

Weitere Nachweise, die geeignet wären, eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Niederlassungsstaat Slowenien legte die Beschwerdeführerin trotz Aufforderung durch die belangte Behörde und durch das Bundesverwaltungsgericht nicht vor.

Wie in der rechtlichen Beurteilung näher auszuführen sein wird, ist auf Grundlage der zuletzt bekanntgegebenen Umsatzzahlen eine „nennenswerte Geschäftstätigkeit“ der Beschwerdeführerin im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung Slowenien zu verneinen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

In seinen Entscheidungen vom 10.05.2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 03.05.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische Fragen“ („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend „ziemlich technische Angelegenheiten“ („rather technical nature of disputes“) auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 13.03.2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 19.12.2013, 2010/07/0111, mwN) (VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159).

Im vorliegenden Fall wurde keine mündliche Verhandlung beantragt. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im festgestellten Umfang unbestritten und geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Eine mündliche Verhandlung konnte somit gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen.

Zu A) Abweisung der Beschwerden

Unionsrechtlich regelt die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie).

Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Entsenderichtlinie gilt als entsandter Arbeitnehmer jener Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.

Gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gilt als betriebsentsandter Arbeitnehmer "eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, [...]".

Gemäß Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit beziehen sich bei der Anwendung von Art. 12 Abs. 1 der Grundverordnung (VO 883/2004) die Worte "der gewöhnlich dort tätig ist" auf einen Arbeitgeber, der gewöhnlich andere nennenswerte Tätigkeiten als reine interne Verwaltungstätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, ausübt, unter Berücksichtigung aller Kriterien, die die Tätigkeit des betreffenden Unternehmens kennzeichnen; die maßgebenden Kriterien müssen auf die Besonderheiten eines jeden Arbeitgebers und die Eigenart der ausgeübten Tätigkeiten abgestimmt sein.

Die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit hat am 12.06.2009 den Beschluss Nr. A2 zur Auslegung des Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 hinsichtlich der auf entsandte Arbeitnehmer sowie auf Selbständige, die vorübergehend eine Tätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat ausüben, anzuwendenden Rechtsvorschriften gefasst (2010/C 106/02). In ihrem diesbezüglichen Erwägungsgrund (5) führt die Verwaltungskommission aus, dass "als zweite ausschlaggebende Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 12 Absatz 1 dieser Verordnung [...] eine Bindung zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, bestehen [muss]. Die Möglichkeit der Entsendung muss daher auf Unternehmen beschränkt sein, die ihre Tätigkeit normalerweise im Gebiet des Mitgliedstaats ausüben, dessen Rechtsvorschriften der entsandte Arbeitnehmer weiterhin unterliegt. Es wird davon ausgegangen, dass dies nur für die Unternehmen gilt, die gewöhnlich nennenswerte Tätigkeiten im Mitgliedstaat ihres Sitzes verrichten." Unter der Nummer 1 dieses Beschlusses wird ausgeführt, dass erforderlichenfalls oder im Zweifelsfall zur Feststellung, ob ein Arbeitgeber gewöhnlich eine nennenswerte Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats verrichtet, in dem er niedergelassen ist, "dabei u.a. der Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat, die Zahl der im Mitgliedstaat seiner Betriebsstätte bzw. in dem anderen Mitgliedstaat in der Verwaltung Beschäftigten, der Ort, an dem die entsandten Arbeitnehmer eingestellt werden, der Ort, an dem der Großteil der Verträge mit den Kunden geschlossen wird, das Recht, dem die Verträge unterliegen, die das Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern bzw. mit seinen Kunden schließt, der während eines hinreichend charakteristischen Zeitraums im jeweiligen Mitgliedstaat erzielte Umsatz sowie die Zahl der im entsendenden Staat geschlossenen Verträge" zu berücksichtigen sind, wobei diese Aufstellung nicht erschöpfend ist, da die Auswahl der Kriterien vom jeweiligen Einzelfall abhängt, und auch die Art der Tätigkeit, die das Unternehmen im Staat der Niederlassung ausübt, zu berücksichtigen ist. Unter Nummer 3 lit. c hat die Verwaltungskommission zudem beschlossen, dass, wenn die Entsendung eines Arbeitnehmers abgelaufen ist, eine weitere Entsendung für denselben Arbeitnehmer, dieselben Unternehmen und denselben Mitgliedstaat erst nach Ablauf von mindestens zwei Monaten nach Ende des vorangehenden Entsendezeitraums zugelassen werden kann, wobei unter besonderen Gegebenheiten allerdings von diesem Grundsatz abgewichen werden kann.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 09.08.1994 in der Rechtssache C-43/09 Vander Elst u.a. ausgeführt, dass die Arbeitnehmer, die von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt und vorübergehend zur Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt dieses zweiten Staates verlangen, da sie nach Erfüllung ihrer Aufgabe in ihr Herkunfts- oder Wohnland zurückkehren (ebendort, Rz 21). Im Urteil C-168/04 Kommission/Österreich vom 21.09.2006 hat der EuGH festgehalten, dass ein Mitgliedstaat kontrollieren darf, ob ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und von dort Arbeitnehmer aus einem Drittstaat entsendet, den freien Dienstleistungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck als dem der Erbringung der betreffenden Dienstleistung nutzt, beispielsweise dazu, sein Personal kommen zu lassen, um Arbeitnehmer zu vermitteln oder Dritten zu überlassen (ebendort, Rz 56).

Nach § 18 Abs. 1 AuslBG bedürfen Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber „ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz“ im Inland beschäftigt werden, einer Beschäftigungsbewilligung, „soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist“. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

§ 18 Abs. 12 bestimmt, dass für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt oder überlassen werden, keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich ist, wenn sie – neben weiteren Voraussetzungen – ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung oder Überlassung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind.

Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen (Zentrale Koordinationsstelle) hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter oder überlassener Ausländer gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber oder Beschäftiger, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung oder Überlassung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 LSD-BG sowie sonstiger Pflichten nach dem AÜG, darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung bzw. EU-Überlassungsbestätigung begonnen werden.

Der Wortlaut und die sich aus der Regierungsvorlage ergebenden Motive der Gesetzwerdung des § 18 Abs. 12 AuslBG zeigen, dass mit dieser Bestimmung die Regelungen für die Entsendung ausländischer Arbeitskräfte durch Unternehmen aus EWR-Mitgliedstaaten vollständig an diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben angepasst werden sollten (RV 215 der Beilagen 23. GP, S 5).

Nach den genannten Bestimmungen unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für diesen Arbeitgeber auszuführen, weiterhin den Rechtsvorschriften des Entsendestaates, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

-        Die voraussichtliche Dauer der Entsendung beträgt nicht mehr als 24 Monate und

-        der Arbeitnehmer wird nicht entsandt, um eine andere entsandte Person zu ersetzen.

Die Entsendevorschriften sind als Erleichterung für Arbeitgeber, die Arbeitskräfte vorübergehend zu Tätigkeiten in einem anderen Land einsetzen müssen (und für Arbeitnehmer) gedacht. Dementsprechend dürfen sie nicht in Anspruch genommen werden, um für Unternehmen oder Aufträge durch fortlaufende Entsendung verschiedener Arbeitnehmer auf ein und dieselbe Position und für dieselben Zwecke Mitarbeiter bereitzustellen.

Einerseits bedeutet die Regel, dass der Arbeitnehmer, der „für Rechnung eines Arbeitgebers eine Beschäftigung ausübt“ sowie dass für die gesamte Dauer der Entsendung eine arbeitsrechtliche Bindung zwischen dem entsendenden Arbeitgeber und dem entsandten Arbeitnehmer bestehen muss.

Andererseits ist zu beachten, dass der Arbeitgeber im Entsendestaat gewöhnlich tätig sein muss. Unter einem Arbeitgeber „der gewöhnlich dort tätig ist“, ist ein Unternehmen zu verstehen, das im Mitgliedstaat der Niederlassung eine „nennenswerte Geschäftstätigkeit“ ausübt. Beschränken sich die Tätigkeiten des Unternehmens auf rein interne Verwaltungstätigkeiten, gilt es nicht als Arbeitgeber, der in diesem Mitgliedstaat gewöhnlich tätig ist. Um festzustellen, ob ein Unternehmen eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats verrichtet, in dem es niedergelassen ist, müssen in einer Gesamtschau sämtliche Tätigkeiten dieses Unternehmens gewürdigt werden. Die Kriterien müssen auf die besonderen Merkmale des jeweiligen Unternehmens und die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten abgestimmt sein.

Ob eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Entsendestaat besteht oder nicht, ist anhand einer Reihe objektiver Kriterien nachprüfbar. Folgenden Kriterien kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu:

-        der Ort, an dem das entsendende Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat;

-        die Anzahl von Verwaltungsangestellten des entsendenden Unternehmens im Entsendestaat und im Beschäftigungsstaat – befindet sich im Entsendestaat ausschließlich Verwaltungspersonal, ist automatisch ausgeschlossen, dass das Unternehmen unter die Entsendevorschriften fällt;

-        der während eines hinreichend charakteristischen Zeitraums im Entsendestaat und im Beschäftigungsstaat vom entsendenden Unternehmen erzielte Umsatz. Als nennenswerte Geschäftstätigkeit wird ein Umfang von 25 % des gesamten Umsatzes des Unternehmens angenommen. Fälle, in denen der Umsatz weniger als 25% beträgt, sind einer Einzelprüfung zu unterziehen.

-        der Ort, an dem die entsandten Arbeitnehmer eingestellt werden;

-        der Ort, an dem die Mehrheit der Verträge mit den Kunden geschlossen wird;

-        das Recht, dem die Verträge unterliegen, die das entsendende Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern bzw. mit seinen Kunden schließt;

-        die Zahl der im Entsendestaat und im Beschäftigungsstaat geschlossenen Verträge;

-        die Dauer der Niederlassung eines Unternehmens im Entsendestaat

(vgl. Praktischer Leitfaden zum anwendbaren Recht in der Europäischen Union (EU), im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz der Europäischen Kommission, Social Europe, Dezember 2013).

Laut eigenen Angaben der Beschwerdeführerin wurden im Jahr 2018 lediglich rund 9,08 % und im Jahr 2019 nur 13,60 % des gesamten Jahresumsatzes im Niederlassungsstaat Slowenien erzielt. Der restliche Umsatz wurde durch Werkverträge mit Firmen außerhalb Sloweniens erwirtschaftet.

Weitere Unterlagen, die geeignet wären, eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Niederlassungsstaat Slowenien trotz der in Relation zum Gesamtumsatz geringen innerhalb Sloweniens erzielten Erlöse nachzuweisen (etwa über die im Unternehmen insgesamt beschäftigten Arbeiter und Angestellten oder einen Nachweis darüber, dass sich in Slowenien nicht ausschließlich Verwaltungspersonal befindet), legte die Beschwerdeführerin trotz mehrmaliger Aufforderung nicht vor.

Mit der Offizialmaxime korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Es ist daher Aufgabe der Partei, durch Vorlage von Urkunden oder Unterlagen an der Ermittlung des relevanten Sachverhaltes mitzuwirken, wenn eine solche Mitwirkung notwendig ist. Dies ist insbesondere bei jenen betriebsbezogenen und personenbezogenen Umständen der Fall, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

Der Nachweis einer nennenswerten Geschäftstätigkeit im Mitgliedstaat der Niederlassung wurde nicht erbracht, die Voraussetzungen für eine Entsendung gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG liegen somit nicht vor.

Daher waren die Beschwerden abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

EU-Entsendebestätigung Geschäftstätigkeit Nachweismangel Umsatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I406.2230932.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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