TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/5 W153 2111308-3

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Veröffentlicht am 05.01.2021
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Entscheidungsdatum

05.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W153 2111308-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2020, Zl. 1018205009-190380298, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 10 und 57 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG, gemäß §§ 46, 52, 53 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, dass er aus Gambia stamme.

In der Erstbefragung am 14.05.2015 gab der BF an, dass er von der Polizei gesucht werde. Aus Angst unschuldig festgenommen zu werden, habe er beschlossen das Land zu verlassen. Sonst habe er keine Fluchtgründe. Er befürchte festgenommen und getötet zu werden.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der BF am 15.10.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen und mit Bescheid vom 07.07.2015 wurde der Asylantrag abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und eine Abschiebung nach Gambia für zulässig erklärt.

Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.05.2017 als unbegründet abgewiesen wurde.

In der Folge wurde seitens des BFA erfolgreich die Ausstellung eines Heimreisezertifikates veranlasst. Eine Information über die bevorstehende Abschiebung konnte dem BF jedoch nicht zugestellt werden, da dieser sich mit 11.10.2018 dem Verfahren entzogen hat und keine aufrechte Meldeadresse mehr hatte.

Am 30.03.2019 wurden der BF im Zuge einer Amtshandlung festgenommen und in der Folge über ihn die Schubhaft verhängt.

Im Stande der Schubhaft stellte der BF am 12.04.2019 nunmehr einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung führte der BF aus, dass die alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht wären. Zusätzlich brachte er vor, dass Gambia kein sicheres Land und Situation für ihn sehr gefährlich wäre. In den Jahren von 1994 bis 2017 habe in Gambia eine Militärdiktatur geherrscht. Er habe nun Angst, Opfer der aktuellen Regierung zu werden, da sein Ziehvater selbst Anhänger der alten Regierung gewesen sei.

Aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses wurde dem BF am 17.04.2019 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Am 23.04.2020 erfolgte eine Einvernahme beim BFA. Der BF wiederholte im Wesentlichen seine bisherigen Fluchtgründe. So gab er Folgendes an:

Aus welchem Grund stellen Sie nun einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz?

VP: Ich habe Angst, dass ich sterbe.

LA: Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz?

VP: Mein Großonkel arbeitete von 1994 bis 2008 beim Militär in Gambia. Er arbeitete für den Staat. Viele Leute sind von 1994 bis 2017 gestorben. Seit 2017 gibt es eine neue Regierung in Gambia. Es werden Gerichtsverfahren vom Jahr 1994 geöffnet. Die Familien der Opfer wollen sich jetzt rächen. Die Familien der Opfer wollen sich an den Familien der Personen, die die Leute umgebracht haben, rächen. Das ist der Grund, weshalb ich nicht nach Gambia zurückkehren kann.

LA: Wie war der Name des Großonkels?

VP: XXXX

LA: Was hat das konkret mit Ihnen zu tun?

VP: Es geht um die Familie. Wenn sie ihn nicht kriegen, töten sie die Leute, die ihm am nächsten standen.

LA: Wo lebt ihr Großonkel derzeit?

VP: Er lebt im Senegal.

LA: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

VP: Nein, zu den Fluchtgründen aus dem Erstverfahren möchte ich angeben, dass ich nicht weiß, ob sie noch bestehen, da die Regierung jetzt neu ist.

LA: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Lebensgemeinschaft?

VP: Ja, ich habe eine Freundin.

LA: Wie heißt Ihre Freundin, wann ist sie geboren und wo wohnt sie?

VP: Sie heißt XXXX Sie ist 36 Jahre alt, das genaue Geburtsdatum kenne ich nicht. Die Adresse kenne ich nicht. Sie wohnt in Wien. Sie kommt mich hier in der Schubhaft besuchen. Sie ist österreichische Staatsbürgerin.

LA: Wann und wo haben Sie Ihre Freundin kennengelernt?

VP: Ich habe sie vor einem Jahr übers Internet kennengelernt.

LA: Haben Sie in Österreich Deutschkurse besucht bzw. sprechen Sie deutsch.

VP; Ich habe einen Deutschkurs absolviert und spreche auch etwas deutsch. Das Zertifikat befindet sich bei einer österreichischen Familie. Ich kenne die Familie seit dem Jahre 2016

LA: Gingen oder gehen Sie in Österreich einer Erwerbstätigkeit nach?

VP: Nein

LA: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?

VP: Ich habe von der Caritas gelebt.

LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in Vereinen oder Organisationen?

VP: Ich war freiwilliger Helfer bei einem Verein in einem Dorf in der Steiermark. Der Name des Vereins fällt mir jetzt nicht ein.

LA: Sie haben am 17.04.2019 eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG übernommen, in der Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Sie haben nunmehr Gelegenheit zur geplanten Vorgangsweise des Bundesamtes Stellung zu nehmen. Was spricht gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits rechtkräftig abgesprochen worden ist?

VP: Ich möchte dazu nichts angeben.

LA: Am 17.04.2019 wurden Ihnen die Länderfeststellungen von Gambia ausgefolgt. Sie haben nun im Zuge der Einvernahme die Möglichkeit, zu den Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben. Möchten Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen?

VP: Es gibt viele Sachen, die nicht stimmen.

Welche zum Beispiel?

VP: Es steht, dass es dort Freiheit gibt. Wir sehen im Internet andere Sachen, als am Papier steht.

…“

Im Anschluss an die Befragung wurde gegenüber dem BF mit mündlich verkündeten Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben und die Rechtmäßigkeit der Aufhebung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.04.2019 bestätigt.

Am 29.04.2019 wurde eine Beschwerdeergänzung eingebracht und am 03.05.2019 wurde dem Antrag der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen durch den VfGH Folge gegeben.

Der BF wurde am 03.05.2019 aus der Schubhaft entlassen.

Der VfGH hat mit Beschluss vom 23.09.2019 den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen und die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt. Die Beschwerde wurde dem VwGH zur Entscheidung abgetreten.

Der BF ist seit 12.11.2019 unbekannten Aufenthalts.

Am 20.07.2020 wurde der Vertreter des BF von der Behörde aufgefordert, den Aufenthaltsort des BF bekannt zu geben. In der am 23.07.2020 eingelangten Stellungnahme wurde jedoch kein Aufenthaltsort bekannt gegeben.

Am 10.08.2020 wurde eine Stellungnahme zum aktuellen Länderinformationsblatt zu Gambia übermittelt.

Mit Bescheid des BFA vom 30.11.2020 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Der BF hat am 16.12.2020 fristgerecht eine Beschwerde eingereicht. Er gab an, dass er bei einer Rückkehr nach Gambia weiterhin mit Problemen rechnen müsse und sich in Österreich tadellos verhalten habe und seine Integration vorangetrieben habe. Aktuell lebe er in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Die familiären Beziehungen seien eng und innig.

Die Beschwerde ist am 29.12.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Im ZMR scheint keine aufrechte Wohnsitzmeldung auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der BF:

Der BF ist Staatsangehöriger Gambias, Angehöriger der Volksgruppe der Woloff und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Der BF ist ledig und lebte bis zur Ausreise nach Europa in Gambia, zuletzt lebte er dort alleine und war beschäftigungslos (vgl. AS 47f des Erstantrags). Er hat keinen Kontakt zu Personen in seinem Heimatland, jedoch Kontakt zu seiner Mutter, die in Senegal lebt. Dort lebt auch ein Großonkel.

Der BF reiste im Mai 2014 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und hält sich seither im österreichischen Bundesgebiet auf. Er ist jedoch seiner Ausreiseverpflichtung nach der rechtskräftigen Abweisung seines ersten Asylantrags nicht nachgekommen, hat sich mit 11.10.2018 dem weiteren Verfahren entzogen und war bis zur Festnahme im Zuge einer Personenkontrolle am 30.03.2019 unbekannten Aufenthalts. Seit dem 12.11.2019 hält sich der BF wieder verborgen und ist unbekannten Aufenthalts.

Der BF hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Er spricht etwas Deutsch, nachweisbare Integrationsschritte sind jedoch nicht bekannt. Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung erhält der BF keine und er verfügt über keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Es wird festgestellt, dass ein schützenswertes Privat- und Familienleben nicht besteht.

Zum bisherigen Verfahren und dem gegenständlichen Folgeantrag:

Der BF stellte am 14.05.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.05.2017 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Am 12.04.2019 stellte der BF den gegenständlichen Folgeantrag, jedoch konnte kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Es liegt daher keine Änderung der Sachlage zwischen der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.05.2017 und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom 30.11.2020 vor. Auch in Bezug auf die Situation in Gambia war keine wesentliche Änderung eingetreten, ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor.

Der BF wird daher im Falle seiner Rückkehr nach Gambia weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgung oder wie immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Der BF leidet an keinen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, welche einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen und ist arbeitsfähig. Auch im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, wird festgestellt, dass der BF nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen fällt.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

In Gambia wurden mit Stand 04.01.2021 (Johns Hopkins University) 3.800 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 124 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht, dies bestätigt auch Chinas Gesundheitsbehörde und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Menschen mit milden Symptomen erholen sich der WHO zufolge in zwei Wochen, solche mit schweren Symptomen brauchen drei bis sieben Wochen.

Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des BFA zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom Juni 2020. Die maßgebliche allgemeine Lage im Herkunftsland hat sich seit der Erlassung des Bescheids nicht geändert und stellt sich wie folgt dar:

„Politische Lage

Gambia ist eine Präsidialrepublik mit starker Stellung des direkt gewählten Staatspräsidenten. Dieser ist gleichzeitig Regierungschef (ÖB 12.2019). Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 15.10.2018; vgl. ÖB 12.2019). Bei den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet wurden (FH 4.3.2020; vgl. ÖB 12.2019), gewann Barrow gegen den 22 Jahre autoritär regierenden Amtsinhaber Jammeh (WB 22.3.2020), der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019, FH 4.3.2020).

Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia, um die Sicherheit des Transformationsprozesses des Sicherheitssektors zu unterstützen und politischer Instabilität vorzubeugen (FH 4.3.2020).

Barrow kündigte ein ambitioniertes Reformprogramm an, das ab Mitte 2017 auch initiiert wurde. Der Namenszusatz „Islamische Republik“ wurde gestrichen, ein Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe wurde erlassen, Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet und die Stärkung von Institutionen und wirtschaftlicher Aufschwung versprochen (KAS .24.1.2020). Zwei weitere Wahlen konnten friedlich und transparent abgehalten und somit der politische Umbruch konsolidiert werden (ÖB 12.2019; vgl UNSC 29.6.2018, FH 4.3.2020).

Im Oktober 2018 wurde unter der Leitung des Ministeriums für Justiz die „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020). Die Arbeit der Kommission ist noch nicht abgeschlossen. Zeugenaussagen bestätigen weit verbreitete Misshandlungen und Folterungen durch die Sicherheitskräfte und ein außergerichtliches Killerkommando, sowie Misshandlungen durch Jammeh selbst. Es kam jedoch bislang noch zu keiner Strafverfolgung und die Freilassung einiger Täter war umstritten (FH 4.3.2020).

Obschon es zahlreiche, wichtige außen- und innenpolitische Veränderungen gibt, nimmt die Kritik an Barrows Regierungsführung mittlerweile zu. Die junge Bevölkerung äußert ihre Unzufriedenheit über die schleppende Umsetzung von Reformen und erwartet rasche Ergebnisse bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier nach dem Regimewechsel nicht. Auch der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).

Barrow versprach als Präsidentschaftskandidat öffentlich, dass er drei Jahre als Übergangspräsident fungieren würde und im Dezember 2019 Neuwahlen abhalten ließe, ohne dabei selbst erneut anzutreten. Damit sollte eine Übergangsphase von der Diktatur Jammehs hin zu einer Demokratie eingeläutet werden. Im Dezember 2019 fanden allerdings keine Präsidentschaftswahlen statt und Barrow erklärte, sich an die verfassungsmäßige Amtszeit von fünf Jahren für Präsidenten zu halten. Nicht erst seit dieser Entscheidung nehmen Stimmen zu, die einen zunehmend autoritären Führungsstil des Präsidenten konstatieren (KAS 24.1.2020).

Das Kabinett wurde im März 2019 umgebildet, da der Vizepräsident zusammen mit zwei weiteren prominenten Mitgliedern der UDP abgesetzt wurde. Im Dezember 2019 gründete Präsident Barrow eine neue politische Partei, die Nationale Volkspartei, wodurch es ihm ermöglicht wird, bei den Wahlen 2021 für eine zweite Amtszeit zu kandidieren (WB 20.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, KAS 24.1.2020).

Sicherheitslage

Das staatliche Gewaltmonopol ist im gesamten Staatsgebiet gewährleistet. Es gibt keine Gruppen, die die staatliche Integrität in Frage stellen (BS 29.4.2020). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont (AA 18.6.2020). Das Risiko von Entführungen, sporadischen bewaffneten Angriffen und Raubüberfällen durch Casamance-Rebellen im Süden des Landes nimmt weiter ab. Die Kriminalitätsrate in Gambia ist relativ niedrig (Garda 5.4.2019; vgl. BS 29.4.2020). Gambia wird zunehmend zu einem Transitland für Geldwäsche und den Handel mit Waffen, Drogen, Diamanten und gestohlenen Gütern (Garda 5.4.2019). Demonstrationen und Proteste finden inzwischen wieder häufiger statt. Am 26.1.2020 kam es bei einer Demonstration in Kanifing/Serrekunda zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften (AA 18.6.2020).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz (USDOS 11.3.2020; vgl. EASO 12.2017). Die Justiz wird durch Korruption und Ineffizienz behindert und die Exekutive dominiert die gerichtlichen Verfahren (FH 4.3.2020; vgl. PFD 3.12.2019, ÖB 12.2019). Justizmitarbeiter sind eingeschüchtert und unzureichend ausgebildet, es fehlt an Arbeitsmaterialien und Infrastruktur, wodurch die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt wird (PFD 3.12.2019). Die verfassungsmäßigen Garantien für einen fairen Prozess werden nur schwach umgesetzt (ÖB 12.2019).

Seit dem Machtwechsel ist allgemein ein Reformwille zu verzeichnen. Die Regierung hat Maßnahmen zur Stärkung bestehender und zur Schaffung neuer Institutionen unternommen. Rechtsstaatlichkeit war unter Jammeh nach Ansicht internationaler Beobachter lediglich formal gesichert. Durch die neue Regierung wurde die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt. Des Weiteren wurde die Judicial Service Commission, welche Empfehlungen über die Bestellung von Richterposten und zur Effizienzsteigerung ausspricht, wieder eingesetzt (ÖB 12.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Eine verfassungsgebende Kommission hat im Mai 2018 ihre Arbeit aufgenommen (AA 5.8.2019). Ein Verfassungsentwurf wurde am 15.11.2019 vorgelegt. Elemente sind unter anderem die klare Begrenzung auf zwei Amtszeiten (inkl. für den dzt. Präsidenten) oder die Abschaffung der Todesstrafe. Der Entwurf liegt nun zur Kommentierung durch die Öffentlichkeit vor und soll letztendlich durch ein Referendum angenommen werden (ÖB 12.2019).

Die Regierung Barrow ernennt mehr gambische Staatsbürger ins Richteramt, dennoch bleibt die Jurisdiktion von ausländischen Richtern abhängig (ÖB 12.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden behalten zwar wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 11.2.2020), jedoch fehlen noch weitere zivile Überwachungsmechanismen für die Sicherheitskräfte (ÖB 12.2019). Das Militärpersonal der ECOWAS bleibt weiterhin im Land (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019, FH 4.3.2020).

Die Gambia Armed Forces – GAF (Streitkräfte) sind für die externe Verteidigung zuständig und stehen unter der Aufsicht des Verteidigungsministers; der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019). Der Nationale Geheimdienst untersteht direkt dem Präsidenten (ÖB 12.2019). Das Innenministerium ist für die Gambia Police Force (GPF) verantwortlich, die die innere Sicherheit gewährleistet (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019). Sie besitzt sowohl eine Menschenrechts- und Beschwerdeabteilung, sowie eine Kinderfürsorge- und „Gefährdete Personen“- Abteilung (ÖB 12.2019).

Im Februar 2017 wurde die National Intelligence Agency (NIA), die unter der früheren Regierung Folter und willkürliche Inhaftierung praktizierte, in State Intelligence Services (SIS) umbenannt und ihre Haftbefugnisse wurden aufgehoben (AI 22.2.2018; vgl. ÖB 12.2019). Eine Reihe von Führungspersönlichkeiten der NIA unter dem Vorgängerregime sollen ausgewechselt worden sein und sich nun entweder vor Gericht oder im Ausland befinden. Einige Mitarbeiter haben jedoch ihre Stellen behalten (ÖB 12.2019). Auch die Leiter von Polizei, Gefängnis und Militär wurden ausgetauscht (AI 22.2.2018).

Die Regierung hat effektive Mechanismen, um bei Missbrauch zu ermitteln und zu bestrafen in Kraft gesetzt, jedoch kommen Straflosigkeit und inkonsistente Durchsetzung vor (USDOS 11.3.2020). Die Ausübung illegitimer Gewalt durch Sicherheitskräfte ist unter der Regierung Barrow seltener geworden (FH 4.3.2020). Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren wurde 2018 kein Fall von Straflosigkeit im Zusammenhang mit den Sicherheitskräften gemeldet (ÖB 12.2019).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 5.8.2019). Seit Amtsübernahme der Regierung Barrow im Jänner 2017 sind keine Berichte über Folter bekannt geworden (AA 5.8.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, VA 19.6.2020). Im September 2018 hat Gambia das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff: 23.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff: 23.6.2020

-        VA - Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft Dakar in Gambia (19.6.2020): Antwortschreiben, per E-Mail.

Korruption

Letzte Änderung: 24.6.2020

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Regierungsbeamte vor und die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen um (USDOS 11.3.2020). Korruption stellt aber weiterhin ein ernsthaftes Problem dar. Vorwürfe der Korruption werden häufig gegen Beamte aller Ebenen der Verwaltung eingebracht (FH 4.3.2020).

Die neue Regierung hat eingeschränkte Initiativen zur Verringerung der Korruption ergriffen. Die Bevölkerung fordert nach wie vor Gesetze zur Einrichtung einer Anti-Korruptionskommission und zur Abgabe von Vermögenserklärungen durch Regierungsbeamte. Es gibt derzeit kein Gesetz zum Schutz von Informanten (FH 4.3.2020; vgl. BS 29.4.2020: 27).

Eine Untersuchungskommission prüfte die Verwendung staatlicher Mittel durch den ehemaligen Präsidenten Jammeh für private Zwecke und für sein Vermögen (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020); die Ergebnisse der Prüfung wurden im September 2019 veröffentlicht. Als Folge sollte Jammeh wegen Diebstahls, Wirtschaftskriminalität und Korruption angeklagt werden, und die Regierung beschlagnahmte Unternehmen, Immobilien und andere Vermögenswerte von Jammeh und einigen seiner Mitarbeiter. Darüber hinaus wurden einige ehemalige Beamte für bestimmte Zeiträume oder auch auf Lebenszeit von der Ausübung öffentlicher Ämter ausgeschlossen (USDOS 11.3.2020).

Die Regierungsgeschäfte sind im Allgemeinen undurchsichtig. Seit 2018 sind Regierungsbeamte verpflichtet, Vermögenserklärungen an den Bürgerbeauftragten abzugeben, aber die Erklärungen sind nicht öffentlich und medienwirksam; Präsident Barrow hat diese Zurückhaltung von Informationen verteidigt und auf Bedenken des Datenschutzes hingewiesen. Es gibt weit verbreitete Vorwürfe über Korruption in öffentlichen Beschaffungsprozessen (FH 4.3.2020).

Im Jahr 2019 wurde Gambia im von Transparency International veröffentlichten Korruptionsindex auf Platz 96 von 180 untersuchten Ländern platziert (TI 23.1.2020).

Quellen:

-        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019 - Full Data Set, https://images.transparencycdn.org/images/2019_CPI_FULLDATA.zip, Zugriff 23.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 24.6.2020

Das Umfeld für NGOs hat sich seit dem Machtwechsel stark verbessert (ÖB 12.2019). In Gambia gibt es eine Reihe von NGOs, die sich mit Fragen der Menschenrechte und der Regierungsführung befassen. Unter Jammeh sahen sich NGO-Mitarbeiter der Gefahr von Inhaftierung und Repressalien ausgesetzt. Es gab seit dem Regierungswechsel nur noch wenige Berichte über eine solche Unterdrückung. Umweltschutzgruppen berichten jedoch über Belästigung durch die Sicherheitskräfte (FH 4.3.2020).

Regierungsbeamte sind in der Regel kooperativ und empfänglich für Ansichten von NGOs. Trotz der Zusage der Barrow-Regierung von 2017, ein für NGOs günstigeres Umfeld zu schaffen, verlangt das Gesetz weiterhin, dass NGOs sich beim National Advisory Council registrieren. Sie verleiht dem Rat die Befugnis, einer NGO (einschließlich internationaler NGOs) das Recht, im Land tätig zu sein zu verweigern, auszusetzen oder aufzuheben. Jedoch hat der Rat im Jahr 2019 gegen keine NGO Maßnahmen ergriffen (USDOS 11.3.2020).

Das Büro des Bürgerbeauftragten betreibt eine Nationale Menschenrechtseinheit (NHRU) mit dem Auftrag, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen und vulnerable Gruppen zu unterstützen. Die NHRU befasst sich mit Beschwerden über rechtswidrige Handlungen, ungerechte Behandlung sowie illegalen Verhaftungen. Die Regierung gewährt dem Büro des Ombudsmanns und der NHRU ebenso uneingeschränkten Zugang zu allen Haftanstalten wie lokalen und internationalen NGOs (USDOS 11.3.2020).

Allgemeine Menschenrechtslage

Der neue Präsident Adama Barrow machte deutlich, dass ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung darin bestehen würde, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten (EASO 12.2017). Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen gehören: harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Gewalt gegen Mädchen und Frauen, einschließlich Vergewaltigung und weit verbreiteter weiblicher Genitalverstümmelung; Menschenhandel; und die Kriminalisierung einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens zwischen Erwachsenen, obwohl das Gesetz nicht durchgesetzt wird (USDOS 11.3.2020).

Die Grundrechte, einschließlich der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, haben sich seit dem Amtsantritt von Präsidenten Barrow verbessert, aber die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit geht nur langsam voran (FH 4.3.2020). Mitglieder des Jammeh-Regimes werden nicht systematisch verfolgt (EASO 12.2017; vgl. VA 19.6.2020).

Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Verfassung garantiert und seit Amtsübernahme der Regierung durch Barrow werden diese staatlicherseits respektiert und gewährleistet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Die neue Regierung unternahm mehrere bedeutende Anstrengungen, um ein günstigeres Umfeld für die Meinungsfreiheit zu schaffen. Die Verfassung und das Gesetz sehen die Meinungsfreiheit, auch für die Presse, vor, und die Regierung respektierte dieses Recht (HRW 18.1.2018; vgl. ÖB 12.2019). Die Selbstzensur ist zurückgegangen und mehr Menschen ergreifen den Beruf des Journalisten. Journalisten kehren vermehrt aus dem Exil zurück (FH 4.3.2020; vgl. AI 22.2.2018, ÖB 12.2019). Dennoch bleiben restriktive Mediengesetze zumindest am Papier erhalten und es gibt vereinzelte Berichte über Verhaftungen und Polizeiübergriffe gegen Journalisten (FH 4.3.2020; vgl. JA 26.1.2020, AN 28.1.2020). Radioprogramme, Nachrichten-Websites und Fernsehsender sind in Gambia online zugänglich. Internationale Sender wie die BBC, Voice of America und Nachrichten-Websites aus der Diaspora, die der Regierung Jammeh sehr kritisch gegenüberstanden, bleiben eine wichtige Informationsquelle (EASO 12.2017).

Die gesetzlichen Regelungen aus der Jammeh-Ära, welche die Pressefreiheit stark eingeschränkt haben, wurden im Mai 2018 vom Obersten Gerichthof weitestgehend für verfassungswidrig erklärt. Die Barrow-Regierung hat das Gesetz seit Amtsantritt nicht angewendet. Seit dem Regierungswechsel liegen auch keine Hinweise auf Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Die Regierung sucht den Austausch mit Journalisten und der „Gambia Press Union“. In Kooperation mit der Menschenrechts-NGO Article 19 erarbeitet die Regierung aktuell ein neues Mediengesetz (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Für öffentliche Versammlungen muss eine Genehmigung vom Generalinspektor der Polizei eingeholt werden (FH 4.3.2020). Die Regierung verpflichtete sich zur Reform mehrerer repressiver Mediengesetze (AI 22.2.2018).

Im Juli 2019 wurden bei größeren Protesten in Serrekunda und Brikama zahlreiche Personen nach einem Einschreiten der Polizei verletzt und verhaftet (FH 4.3.2020). Im Zuge von Protestveranstaltungen gegen Präsident Barrow im Jänner 2020 wurden ca. hundert Personen verhaftet, einige Medienunternehmen gesperrt und die Oppositionsgruppe „Three Years Jotna“ verboten. Bei der Auflösung der Demonstrationen wurde Tränengas eingesetzt (AN 27.1.2020, AN 28.1.2020, JA 26.1.2020).

Opposition

Die Aktivitäten der politischen Opposition unterliegen keinen Einschränkungen (AA 5.8.2019). Seit dem Amtsantritt Barrows hat sich das Umfeld für politische Bewegungen erheblich verbessert. Während oppositionelle Bewegungen unter Jammeh Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt waren, erfahren diese nun neue Freiheiten. So wurden alle politische Gefangenen durch die neue Regierung frei gelassen. Durch die Gründung neuer Parteien hat sich die politische Landschaft seither diversifiziert (ÖB 12.2019).

Nach dem Regierungswechsel Anfang 2017 lag die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im April 2017 bei 42,7% und damit deutlich unter dem Wert von 59% bei den Präsidentschaftswahlen vier Monate zuvor. Die Koalition der Oppositionsparteien, die Adama Barrow zum Wahlsieg bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2016 verhalf, war vor den Wahlen zusammengebrochen. Die UDP, die Partei von Adama Barrow, gewann die Wahl und gewann 31 der 53 Sitze, übernahm die absolute Mehrheit und verdrängte die APRC von Jammeh. Die ehemalige Regierungspartei von Ex-Präsident Jammeh erlitt schwere Verluste und gewann nur fünf Sitze (EASO 12.2017). Die anderen Sitze verteilen sich wie folgt: NFP fünf Sitze, GDC fünf Sitze, PDOIS vier Sitze, PPP zwei Sitze, ein unabhängiger Einzelsitz (EASO 12.2017).

Eine Reihe anderer Oppositionsgruppen waren bei den Wahlen vertreten. Zuvor hatte die APRC unter Jammeh über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten die Legislative dominiert. Politisierte Sicherheitskräfte hatten die Opposition während der Wahlzeit 2016 unterdrückt (FH 4.2.2019).

Gambia hat derzeit zehn politische Parteien, die in den letzten Jahren im Allgemeinen nicht mit übermäßigen Hindernissen bei der Gründung und Tätigkeit konfrontiert waren. Im Jahr 2018 gab es im Vorfeld der Kommunalwahlen im April und Mai Zusammenstöße zwischen Anhängern der UDP und APRC (FH 4.3.2020). Innerhalb der ersten drei Monate hat die Regierung im Zuge einer Änderung des Wahlgesetzes die Höhe der im Zusammenhang mit einer Kandidatur zu zahlenden Gebühren, welche unter dem Vorgängerregime eine große Hürde darstellten, von USD 1.000 auf USD 50 reduziert (ÖB 12.2019).

Gambia hielt am 6.4.2017 friedliche Parlamentswahlen ab, wobei die meisten Sitze von der Vereinigten Demokratischen Partei (UDP) gewonnen wurden. Barrow war UDP-Mitglied, als er bei den Präsidentschaftswahlen 2016 in die Spitze der Oppositionskoalition gewählt wurde. Nach Jammehs Wahlniederlage und insbesondere nach seiner Abreise ins Exil ließen gambische Gerichte und Gefängnisse Dutzende von Menschen frei, die während Jammehs Amtszeit zu Unrecht inhaftiert waren (HRW 18.1.2018).

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind problematisch. Haftanstalten sind überfüllt und in schlechtem baulichen Zustand. Die medizinische Versorgung in den Haftanstalten ist schlecht wie generell in Gambia (AA 5.8.2019; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 11.3.2020, ÖB 12.2019). Die Regierung reduzierte die Überbelegung der Gefängnisse deutlich, indem sie im Februar und März 2017 mehr als 250 Gefangene begnadigte (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Rechtshilfe ist begrenzt, insbesondere außerhalb der Hauptstadt Banjul (AI 22.2.2018).

Rückstände und Ineffizienz im Justizwesen führen zu langwierigen Untersuchungshaftverfahren, die in einigen Fällen mehrere Jahre dauern können (USDOS 11.3.2020). Aufgrund der Überlastung der Gerichte ziehen sich Strafverfahren mitunter unverhältnismäßig lang hin. Das Recht auf Besuche und die Wahrnehmung religiöser Feiertage werden gewährt. Die Regierung unternimmt Anstrengungen zur Verbesserung der Haftbedingungen, die bereits hinsichtlich einer besseren Nahrungsversorgung Erfolg zeigen. Der Überbelegung soll durch häufigere Nutzung der Möglichkeit der Entlassung auf Kaution entgegengewirkt werden. Nach Regierungsinformationen wird aktuell ein Gefängnis nach internationalen Standards gebaut (AA 5.8.2019).

Während der Zutritt zu Gefängnissen unter dem Jammeh-Regime stark eingeschränkt war, haben lokale und internationale NGOs auf Ansuchen nun unbeschränkten Zugang zu Haftanstalten (ÖB 12.2019).

Ethnische Minderheiten

In Gambia leben zahlreiche westafrikanischen Ethnien (AA 5.8.2019) und viele Gambier sind gemischter ethnischer Herkunft (EASO 12.2017). Der Volkszählung aus dem Jahr 2017 zufolge hat Gambia 2.051.363 Einwohner. 34% gehören der Volksgruppe der Mandinka an, 22,4% den Fula/Fulbe, 12,6% den Wolof, 10,7% den Jola/Diola, 6,6% den Serahuli, 3,2% den Serer, 2,1% der Manjago, 1% der Bambara u.a. (CIA 10.6.2020). Die Amtssprache ist Englisch, die wichtigsten Umgangssprachen sind Mandinka, Wolof, Diola und Fula (CIA 10.6.2020).

Eine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis besteht nicht (AA 5.8.2019; vgl. BS 29.4.2020). Gambia ist durch eine friedliche Koexistenz der diversen Ethnien und Religionen gekennzeichnet (ÖB 12.2019; vgl. USDOS 10.6.2020, BS 29.4.2020). Es gibt jedoch Anzeichen, dass die gambische Politik vermehrt ethnisiert wird und Konflikte zwischen der ethnischen Gruppe der Mandinka und anderer Gruppen häufiger werden (FH 4.3.2020). Präsident Barrow ist Mitglied der größten ethnischen Gruppe, der Mandinka. Ex-Präsident Jammeh stammt aus der ethnischen Gruppe der Jola (EASO 12.2017).

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung und Gesetze ermöglichen die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Jedoch wird die Bewegungsfreiheit durch häufige Sicherheitskontrollen beeinträchtigt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat Gambia am 23.3.2020 bis auf Weiteres den Luftraum und die Landgrenzen geschlossen. Der Ausnahmezustand wurde bis 1.7.2020 verlängert, seit 4.6.2020 werden die Einschränkungen schrittweise gelockert (USEMB 11.6.2020; vgl. Garda 11.6.2020). Einschränkungen der Passagierzahl im privaten und öffentlichen Personenverkehr auf die Hälfte des Fassungsvermögens des Fahrzeuges bleiben bis auf Weiteres in Kraft (Garda 11.6.2020)

.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 15.6.2020

Grundversorgung

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier auch nach dem Regierungswechsel nicht, die Preise für Grundnahrungsmittel sind gestiegen (KAS 24.1.2020).

Zwar betrug das Wirtschaftswachstum 2019 offiziell 6%, doch bleibt die Lebenswirklichkeit der Bevölkerungsmehrheit äußerst schwierig. Die Inflation stieg auf knapp 7% und allein 80% des Haushalts 2020 dürften in die Schuldentilgung fließen. Für dringend notwendige Investitionen in das marode Bildungs- und Gesundheitssystem bleibt wenig Spielraum. Auch die Energieversorgung bleibt problematisch und der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).

Die Arbeitslosigkeit ist nach europäischer Berechnung hoch, doch gibt es keine verlässlichen Zahlen. Der Großteil der Bevölkerung ist entweder im Agrarsektor tätig (wo sie nicht von offiziellen Statistiken erfasst wird) oder im informellen Wirtschaftssektor. Der formelle Wirtschaftssektor ist nur schwach ausgeprägt und beschränkt sich meist auf den öffentlichen Sektor und im Land tätige ausländische Unternehmen (ÖB 12.2019).

Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017; vgl. ÖB 12.2019). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91% der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. USD) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018). Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4% des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018).

Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht lebenswichtige Handels- und andere Aktivitäten, die mit der lokalen Wirtschaft verbunden sind, aber dazu neigen, große Menschenmengen anzuziehen, bis auf weiteres untersagt, was den Lebensunterhalt zahlreicher Personen gefährdet (APA 2.4.2020). Die Regierung stellte 14,7 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Haushalte mit Grundnahrungsmitteln (u.A. Reis, Öl, Zucker) zu versorgen (Gentilini et al 12.6.2020: 185).

Sozialleistungen

Das soziale Sicherheitsnetz Gambias ist schwach. Alterspensionen stehen nur einem kleinen Prozentsatz der Bevölkerung zur Verfügung (Personen mit mehr als zehn Jahren Beschäftigung in einer staatlichen Einrichtung oder einer teilnehmenden privaten Einrichtung) und werden vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer finanziert. Andere Sozialleistungen wie Entschädigung für Arbeitsunfälle, Arbeitslosenversicherung oder Mutterschutz stehen entweder gar nicht oder nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zur Verfügung. Soweit vorhanden, handelt es sich überwiegend um vom Arbeitgeber finanzierte Barzahlungen (BS 29.4.2020; vgl. USSSA 9.2019).

Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40% der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).

Medizinische Versorgung

Trotz einiger Fortschritte bei der medizinischen Versorgung ist in Gambia keine flächendeckende medizinische Grundversorgung verfügbar (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 4.6.2020; vgl. ÖB 12.2019). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 5.6.2020; vgl. AA 5.8.2019). Deutlich besser ist die Lage in Privatkliniken, wobei auch diese keinen europäischen Standard bieten (AA 5.8.2019). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 5.6.2020). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017; vgl. HP+/USAID 11.2019).

Prinzipiell haben sämtliche Bevölkerungsgruppen Zugang zu allen staatlichen Spitälern, Kliniken oder Krankenstationen. Jeder Patient hat eine Konsultationsgebühr von mindestens USD 0,5 bzw. USD 5 für größere Eingriffe zu entrichten. Schwangere Frauen und Kinder unter fünf Jahren sind von der Gebühr befreit. Patienten mit Krankheiten mit Relevanz für die öffentliche Gesundheit, wie z.B. Tuberkulose oder HIV/Aids sind ebenfalls von allen Gebühren befreit, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Behandlung und Medikamente sind, soweit vorhanden, generell kostenlos (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019). Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Die Versorgung in staatlichen Krankenhäusern ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut, die nicht immer anwesend sind. Die Versorgung mit Medikamenten ist über Apotheken möglich (AA 5.8.2019).

Im Jahr 2015 gab es in Gambia 213 Mediziner (1.1 Arzt für 10.000 Einwohner). Die traditionelle Medizin ist für einen Großteil der Bevölkerung Gambias oft der erste Ansprechpartner, da die Heiler über das ganze Land verstreut und vor allem in ländlichen Regionen besser zugänglich sind. Auch die Behörden Gambias streben eine stärkere Partnerschaft mit traditionellen Heilern an, um die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern. Darüber hinaus erlauben traditionelle Mediziner oft Sachleistungen, die für arme Haushalte leistbarer sind (AA 5.8.2019; vgl. EASO 12.2017, HP+/USAID 11.2019).

Rückkehr

Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht (AA 5.8.2019). Abgeschobene Personen werden von der Einwanderungsbehörde in Empfang genommen, kurz vernommen bzw. deren Daten aufgenommen (ÖB 12.2019). Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützung. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).

Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie unterliegen alle Einreisenden - entweder per Flugzeug oder auf dem Landweg - unabhängig von ihrer Nationalität, die in oder durch ein "Hotspot"-Land reisen, einer 14-tägigen verpflichtenden Quarantäne in staatlich verwalteten Einrichtungen, wo sie auf Kosten der Regierung Unterkunft, Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung erhalten (USEMB 11.6.2020).“

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Gambia.

Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben im gegenständlichen sowie im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren.

Die Feststellung betreffend seinen gesundheitlichen Zustand ergibt sich aus den Angaben des BF.

Die Feststellungen, dass der BF derzeit in Österreich nicht gemeldet ist ergibt sich aus der Einsicht in das ZMR. Dadurch verstößt er gegen seine Mitwirkungspflicht und entzieht sich neuerlich dem Verfahren.

Dass der BF von 06.11.2018 bis 30.03.2019 im Bundesgebiet nicht gemeldet war, ergibt sich ebenfalls aus dem ZMR. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Ansicht des BFA an, dass der BF offensichtlich nicht bereit ist die österreichische Rechtsordnung zu achten.

Die Feststellungen zum Leben des BF in Österreich stützen sich auf die Aktenlage. Der BF hat keine Angehörigen oder sonstige Verwandten in Österreich. Zu seiner Integration gab er lediglich an, dass er einen Deutschkurs absolviert habe und daher etwas deutsch spreche. Er habe auch ehrenamtlich gearbeitet. Er habe auch eine Freundin, die österreichische Staatsbürgerin sei. Er konnte jedoch keine genaueren Abgaben, insbesondere über die Adresse der Freundin machen. In der Beschwerde wurde zwar vorgebracht, der BF lebe nunmehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin und habe auch einen Hauptschulabschluss. Da dies in keiner Weise belegt wurde, ist dieses Vorbringen als nicht substantiiert zu werten.

Dass der BF nicht in der Lage ist, die Mittel für seinen Unterhalt aufzubringen, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Niederschrift vor dem BFA vom 23.04.2019.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers gründet auf der aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erwägungen der Behörde zum Fluchtvorbringen lauten wie folgt:
„Ihren ersten Asylantrag begründeten Sie damit, dass Sie am 01.04.2014 am Weg nach Hause Freunde getroffen hätten. Sie hätten mit ihnen gesprochen, als plötzlich die Polizei gekommen wäre, da Ihre Freunde am Vortrag Probleme mit der Polizei gehabt hätten. Den Grund würden Sie nicht kennen. Es wäre dann zu einer Schlägerei zwischen der Polizei und Ihren Freunden gekommen. Sie wären daran nicht beteiligt gewesen. Ein Polizist wäre dabei schwer verletzt worden. Er wäre ins Krankenhaus gekommen und Sie hätten erst später erfahren, dass er lebensgefährlich verletzt war. Aus diesem Grund wären Ihre Freunde und auch Sie, obwohl Sie nichts damit zu tun gehabt hätten, von der Polizei gesucht. Im Falle einer Rückkehr würden Sie befürchten, festgenommen und getötet zu werden.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 23.04.2020 (Anm: die Einvernahme war am 15.10.2014) steigerten Sie Ihr Vorbringen und gaben an, dass Sie ein Problem mit Ihrem Onkel gehabt hätten. Er wäre ein Halbbruder Ihrer Mutter, Ihre Mutter hätte mit diesem Onkel in einem Gebäudekomplex gewohnt. Im Alter von 14 oder 15 Jahren wären Sie auf Anraten Ihrer Mutter aufgrund von Übergriffen durch diesen Onkel weggezogen und hätten danach alleine gewohnt. Im Jahre 2011 wären Präsidentschaftswahlen gewesen und hätte XXXX für die XXXX kandidiert. Sie hätten diesen mit anderen Jugendlichen unterstützt und wären auch drei Tage im Gefängnis gewesen, weil es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der XXXX und den Anhängern der APRC gekommen wäre. Kurz vor Ihrer Ausreise hätte es an einem Vormittag ein unerlaubtes Fußballmatch gegeben und wären Sie nicht dabei gewesen. Als Sie am Nachmittag nach Hause gingen, nachdem Sie einem Freund beim Umzug geholfen hätten, hätten Sie Ihre Freunde vom Fußball getroffen. Die Polizei wäre gekommen, weil diese von diesem verbotenen Fußballmatch gehört hätte und wären viele geschlagen worden. Die Polizei hätte auch versucht Sie zu schlagen, jedoch hätten Sie flüchten können. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wären sowohl Polizisten als auch Burschen verletzt worden. Sie wären gleich in den Senegal gelaufen und hätten danach im Zuge eines Telefonats erfahren, dass Sie der Verursacher für diese Auseinandersetzung sein sollten und zwar deshalb, weil Ihr Onkel, dieser Halbbruder Ihrer Mutter, bei der Polizei, PIU, wäre.

Die Behauptung, dass Sie einer Verfolgung durch Ihren Onkel mütterlicherseits bzw. durch die Polizei aufgrund dieser Auseinandersetzung zwischen diesen Burschen und der Polizei ausgesetzt gewesen wären, stellten Sie nur allgemein den Raum, ohne dies belegen oder glaubhaft machen zu können. Aufgrund der Allgemeinheit und der mangelnden Nachvollziehbarkeit konnte Ihrem Vorbringen keine Glaubwürdigkeit zuerkannt werden.

Ihrem Vorbringen im Erstverfahren wurde keine Glaubwürdigkeit zuerkannt.

Gegenständlichen Asylantrag begründeten Sie damit, dass die alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht wären. Zusätzlich brachten Sie vor, dass Gambia kein sicheres Land wäre und Situation für Sie sehr gefährlich wäre. In den Jahren von 1994 bis 2017 herrschte in Gambia eine militärische Diktatur. Im Jahre 2017 wäre eine neue Regierung gebildet worden, welche die Akten der militärisch beherrschten Jahre neu aufgerollt und die nun nach und nach Personen zur Verantwortung ziehen. Sie hätten nun Angst, dass Sie Opfer einer Rache der aktuellen Regierung werden. Sie wären damals in Gambia vom Bruder der Großmutter aufgezogen worden, da Ihr Vater zu diesem Zeitpunkt bereits tot gewesen wäre. Batsamaba wäre selbst Anhänger der militärischen Regierung gewesen. Nach dem Machtwechsel befürchten Sie eine Racheaktion der aktuellen Regierung bzw. der Angehörigen der damaligen Opfer der Militärregierung an den alten Anhängern des Regimes und auch ihren Ziehvater und in weiterer Folge an Ihnen selbst.

Bereits im Erstverfahren wurde Ihre Unglaubwürdigkeit festgestellt. Auch Ihrem Vorbringen im gegenständlichen Verfahren wird die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Sie konnten keine konkrete, gegen Sie gerichtete Bedrohung glaubhaft machen und handelt es sich um ein gesteigertes Vorbringen.

Sie brachten im gegenständlichen Verfahren keinen Sachverhalt vor, welcher nach Rechtskraft Ihres Vorverfahrens am 01.06.2017 neu entstanden wäre. Sie stellten gegenständlichen Asylantrag im Stande der Schubhaft, um Ihre Abschiebung nach Gambia zu vereiteln.

Ihr Vorbringen im gegenständlichen Verfahren wird nicht als glaubhaft angesehen. Es kann kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Ihr Vorbringen wird als Ergänzung zu den Fluchtgründen Ihres Erstverfahrens gesehen.“

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher – wie schon die belangte Behörde - zum Schluss, dass der BF in seinem zweiten Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vorbrachte bzw. seine Gründe der nicht dazu geeignet sind, eine wesentliche Änderung des Sachverhalts aufzuzeigen.

Im gegenständlichen Fall ergaben sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die den BF betreffende Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen, in seiner Person gelegenen Umständen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Gambia samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der verwendeten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zu Spruchpunkt I.

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (vgl VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl z.B. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 24.11.2010, 2010/10/0231; vgl auch Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu beg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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