TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/7 W111 2152565-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2021
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Entscheidungsdatum

07.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W111 2152565-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2017, Zl. 1019751003-14652083/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

A)

Das Verfahren wird insoweit wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, gegen die Spruchpunkte III. bis IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2017, Zl. 1019751003-14652083/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 24.05.2014 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er zuvor illegal in das Bundesgebiet gelangt war. Anlässlich seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zu Protokoll, er sei ein in XXXX geborener Staatsangehöriger Somalias, welcher dem moslemischen Glauben und der Volksgruppe der Hawiye angehöre. In Somalia bzw. Äthiopien hätte er acht Jahre lang die Schule besucht. Seine Mutter und acht Geschwister, welche ebenfalls somalische Staatsbürger wären, hielten sich aktuell in Äthiopien auf. Der Beschwerdeführer habe zuletzt ebenfalls in XXXX /Äthiopien gelebt und den Entschluss zur Ausreise Anfang Jänner 2014 gefasst. Seine Heimatstadt habe er verlassen, da er dort nicht mehr weiterleben habe können. Dort seien überwiegend Ogaden, während der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Hawiye angehöre. Der Beschwerdeführer hätte dort nichts zu essen gehabt, seine Mutter wäre sehr arm. Der Beschwerdeführer selbst habe keine Arbeit und keine Zukunft gehabt. Nach Somalia habe er nicht mehr zurückwollen, da er dort niemanden hätte; seine Eltern hätten Somalia verlassen, als er noch ein Kind gewesen wäre und seien nach XXXX gezogen. In XXXX habe er mit Armut zu rechnen.

Nach Zulassung seines Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 19.07.2016 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den Gründen seiner Antragstellung einvernommen. Dabei führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage, sei gesund und habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet. Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Kinder und verfüge in Österreich über keine Verwandten. Er ginge im Bundesgebiet keiner Arbeit nach und habe hier keinen Freundeskreis. Im Heimatland würden noch seine Mutter, zwei Brüder und drei Schwestern leben. Bis auf einen Bruder, welcher bei der Mutter leben würde, seien all seine Geschwister verheiratet. Der Beschwerdeführer besuche zweimal wöchentlich einen Deutschkurs, ginge spazieren, besuche Freunde und spiele Fußball; eine Zeitlang habe er als Zeitungsverkäufer gearbeitet. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache noch nicht und verfüge über keine Berufsausbildung; in Äthiopien hätte er als Schuhputzer gearbeitet.

Der Beschwerdeführer sei in XXXX /Somalia geboren worden und habe Somalia bereits als kleines Kind gemeinsam mit seiner Familie Richtung Äthiopien verlassen. Auf Vorhalt, wonach er anlässlich der Erstbefragung davon gesprochen hätte, in XXXX geboren worden zu sein, bestritt der Beschwerdeführer dies; er hätte gesagt, dass er ein Somalier-Äthiopier sei. Sowohl sein Vater, als auch seine Mutter und er selbst seien Staatsangehörige von Äthiopien. Auf Vorhalt, wonach er anlässlich seiner Erstbefragung zu Protokoll gegeben hätte, somalischer Staatsbürger zu sein, wiederholte der Beschwerdeführer, dass er „Somali-Äthiopier“ wäre. Er hätte einen äthiopischen Personalausweis besessen, welcher ihm jedoch von der sudanesischen Polizei weggenommen worden wäre. Auf weiteren Vorhalt, dass er auch seine Familienangehörigen anlässlich der Erstbefragung als Staatsangehörige Somalias bezeichnet hätte, erklärte der Beschwerdeführer, sie seien Somalier, ihre Region sei jedoch von Äthiopien erobert worden, weshalb man die Somali-Äthiopier nennen würde. Auf die Frage, weshalb er in Somalia geboren worden wäre, gab der Beschwerdeführer an, das Leben in XXXX sei schwer für seinen Vater gewesen, weshalb er mit seiner Familie nach XXXX /Somalia zu seinen Verwandten gegangen wäre. Dort sei sein Vater jedoch zufällig bei einem Schusswechsel getötet worden, als der Beschwerdeführer ein kleines Kind gewesen wäre. Danach hätte ihre Mutter sie nach XXXX /Äthiopien zurückgebracht. Der Beschwerdeführer habe in Äthiopien für die Familie gearbeitet, indem er Schuhe genäht und geputzt hätte.

Nach dem Grund seiner Flucht gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, man hätte ihm vorgeworfenen, ebenso wie sein Bruder, der ONLF anzugehören. Dabei handle es sich um eine Gruppe, welche für die Freiheit von Ogadenia – einem äthiopischen Gebiet, in welchem Somalier leben würden – kämpfen würde. Der Bruder des Beschwerdeführers, welcher ein Mitglied der ONLF wäre, und dessen Freund seien eines Abends zu ihnen gekommen. Die Äthiopier hätten Informanten und Spione, welche die äthiopischen Behörden über die Anwesenheit des Bruders informiert hätten. Die äthiopische Polizei hätte ihr Haus angegriffen; dem Bruder des Beschwerdeführers und dessen Freund sei die Flucht gelungen, die Mutter des Beschwerdeführers und er selbst seien im Haus geblieben und festgenommen worden. Der Beschwerdeführer und seine Mutter seien in ein Gefängnis gebracht worden; da der Beschwerdeführer so jung gewesen wäre, hätte man ihn nach zwei Monaten freigelassen und nach Hause gebracht. Man hätte ihm mitgeteilt, dass er die Stadt nicht verlassen dürfe. Die Mitbewohner im Bezirk hätten gedacht, dass der Beschwerdeführer ein Informant oder Spion für die Regierung wäre. Niemand hätte mehr mit ihm zu tun haben wollen, wodurch er seine Kunden verloren hätte. Die Regierung hätte gewollt, dass der Beschwerdeführer für sie spioniere. Seine Mutter sei noch im Gefängnis gewesen. Da der Beschwerdeführer Angst gehabt hätte, dass man ihn wieder ins Gefängnis stecken würde, sei er geflüchtet. Jeden Abend sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen und hätte nach dem Aufenthaltsort seines Bruders gefragt. Seine Tante väterlicherseits hätte ihm dann zur Flucht geraten. Seine Mutter wäre immer noch im Gefängnis; seit man sie beide festgenommen hätte, habe er diese nicht mehr gesehen. Ein Umzug innerhalb Äthiopiens wäre ihm nicht möglich gewesen, da die Regierung ihre Informanten hätte und der Beschwerdeführer in Äthiopien aus diesem Grund nicht frei leben und arbeiten könnte. Auf Vorhalt, dass er den heute geschilderten Grund anlässlich seiner Erstbefragung komplett unerwähnt lassen hätte, meinte der Beschwerdeführer, nie gesagt zu haben, dass er Hawiye sei. Richtig wäre, was er heute gesagt hätte. Damals sei er müde gewesen und hätte vier Tage lang nicht geschlafen. Er wüsste nicht, was er gesagt hätte. Auf die Frage, was aus aktueller Sicht gegen eine Rückkehr nach Äthiopien, etwa nach XXXX , wo sich die Sicherheitslage als vergleichsweise unbedenklich erweisen würde, spräche, bestätigte der Beschwerdeführer, dass jene Stadt sicher sei; der äthiopische Staat habe jedoch seine Informanten, welche ihn ausspionieren würden. Nachgefragt, sei er in Äthiopien keine wichtige Person des öffentlichen Lebens, sondern nur Schuhputzer, gewesen. Das Problem habe er wegen seines Bruders, er selbst habe nichts gemacht. Für den Fall einer Rückkehr fürchte er, dass die Informanten von ihm erfahren würden und er dann wieder eingesperrt würde. Befragt, weshalb er im Falle einer tatsächlichen derartigen Wichtigkeit für die äthiopische Regierung nicht bereits eingesperrt worden wäre, als die Gelegenheit dazu bestanden hätte, meinte der Beschwerdeführer, sie hätten gewollt, dass er für sie spioniere; dies habe er jedoch nicht gewollt. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer seine Heimat nach Ansicht der Behörde aufgrund des Wunsches besserer wirtschaftlicher Lebensbedingungen verlassen hätte, erklärte dieser, in seinem Heimatland vom Schuhputzen gelebt zu haben und dadurch leben haben zu können. Er sei ausgereist, weil er dort keine Sicherheit mehr gehabt hätte. Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Erörterung der herangezogenen Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat und erklärte nach erfolgter Rückübersetzung, keine Einwände gegen die aufgenommene Niederschrift zu haben.

2. Mit im Spruch angeführten Bescheid vom 22.03.2017 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Äthiopien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der beschwerdeführenden Partei zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte III. und IV).

In seiner Entscheidungsbegründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsbürger Äthiopiens handle, dessen präzise Identität mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht feststünde und der an keiner schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung im physischen oder psychischen Bereich leiden würde. Dessen Vorbringen hinsichtlich einer aktuellen Bedrohungssituation in Äthiopien erweise sich als nicht glaubhaft. Seine diesbezüglichen Angaben wären weder plausibel noch schlüssig nachvollziehbar, zudem hätte er eine individuelle Verfolgung anlässlich der Erstbefragung noch in keiner Weise erwähnt. Der Beschwerdeführer sei in der Lage, seine existenziellen Grundbedürfnisse selbständig zu decken und verfüge zudem über Familienangehörige in Äthiopien. Eine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Falle seiner Abschiebung mit dem Tod oder schwersten Verletzungen zu rechnen hätte, sei in Äthiopien nicht gegeben. Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet weder über verwandtschaftliche Bindungen, noch seien sonstige private Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet feststellbar.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht am 05.04.2017 eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger Äthiopiens und hätte seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen, da er willkürlich der Zusammenarbeit mit ONLF beschuldigt worden wäre. Er hätte angegeben, in seinem Heimatland aufgrund seiner somalischen Abstammung von der Regierung misshandelt und der Teilnahme an terroristischen Aktivitäten beschuldigt worden zu sein. In seiner Heimatregion Ogaden hätte große Unsicherheit geherrscht. Soweit dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde, seine Fluchtgründe anlässlich der Erstbefragung nicht erwähnt zu haben, sei zu entgegnen, dass die Erstbefragung gesetzlich nicht zu einer erschöpfenden Darstellung der Fluchtgründe eines Antragstellers gedacht wäre. Weiters hätte sich die Behörde unzureichend mit möglichen Gründen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten befasst.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 10.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.10.2018, W111 2152565-1, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Erkenntnis wurde eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2019, Ra 2018/14/0366, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.10.2018, W111 2152565-1, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegenständlich die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nicht vorgelegen seien. Die Missachtung der Verhandlungspflicht führe im Anwendungsbereich des Art 6 EMRK und – wie hier gegeben – des Art 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste.

7. Am 08.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, ein Vertreter der von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation sowie eine Dolmetscherin für die somalische Sprache teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.

Dem Verhandlungsprotokoll ist zu entnehmen:

„R: Waren Ihre Angaben im bisherigen Verfahren korrekt bzw. möchten Sie Korrekturen vornehmen?

BF: Bei der Erstbefragung (EB), als ich meine Probleme angesprochen habe, durfte ich nicht detaillieren und meine Erlebnisse erzählen.

R: Waren Ihre Angaben in der EB richtig?

BF: Nein, es gab viele Fehler.

R: Laut Protokoll wurden Ihnen die EB rückübersetzt und es gab keine Verständigungsprobleme. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich war verwirrt, ich war unruhig und ich habe nicht verstanden, was ich gefragt wurde und ob ich eine Rückübersetzung erhalten habe oder nicht.

R: Waren Ihre Angaben bei der Einvernahme vom 19.07.2016 richtig und vollständig?

BF: Ja, es war alles richtig.

R: War die Behandlung durch die Beamten korrekt?

BF: Ja.

R: Sie stützen Ihr Fluchtvorbringen in der Niederschrift aus dem Jahr 2016 auf ein Vorbringen im Zusammenhang mit ONLF.

BF: Ja.

R: In der EB erwähnen Sie eine politische Verfolgung mit keinem Wort, sondern stützen Ihren Fluchtgrund auf widrige materielle Verhältnisse. Was sagen Sie dazu?

BF: Bei der EB wurde ich nicht nach den Fluchtgründen gefragt. Wie könnte ich diese Fluchtvorbringen aus meiner Sicht erzählen, wenn mich niemand gefragt hat?

R: Sie wurden laut Protokoll gefragt: „Warum haben Sie Ihr Land verlassen (Fluchtgrund)“ Was sagen Sie dazu?

BF: Es kann sein, dass ich den Dolmetscher nicht gut verstanden habe.

R: Bitte schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf bis zu dem Ereignis, das fluchtauslösend war.

BF: Ich bin in XXXX in Somalia geboren. In Somalia gab es Krieg und während dem Krieg ist mein Vater ums Leben gekommen und meine Mutter ist in die somalische Region in Äthiopien geflüchtet.

R: Welche Staatsangehörigkeit hatte Ihr Vater?

BF: Somali.

R: Welche Staatsangehörigkeit hatte Ihre Mutter?

BF: Auch Somalia.

R: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

BF: Auch Somalia. Ich bin in Somalia geboren.

R: Ich habe Sie nicht gefragt, wo Sie geboren sind, sondern welche Staatsangehörigkeit Sie haben?

BF: Ich habe keine Staatsbürgerschaft gehabt, aber als ich in Äthiopien war, hatte ich einen Ausweis.

R: Was stand auf dem Ausweis?

BF: Auf dem Ausweis, den ich damals hatte, stand Äthiopien als Staatsbürgerschaft.

R: Dann ist wohl davon auszugehen, dass Sie äthiopischer Staatsbürger sind. Wieso geben Sie dann heute im Widerspruch zu ihrer Einvernahme aus dem Jahr 2016 Ihre bzw. die Staatsbürgerschaft Ihrer Eltern mit Somalia an?

BF: Als ich in Somalia war, hatte ich keine Staatsbürgerschaft und ich wusste nicht, was meine Eltern hatten.

R: Sie sind als Kind aus Somalia ausgewandert, haben dann in Äthiopien gelebt und hatten in Äthiopien einen Ausweis auf dem die Staatsbürgerschaft mit Äthiopien angegeben war, daher verstehe ich Ihre Ausführungen dazu nicht.

BF: Es war ein Schülerausweis. Die Schule war eine somalische Schule.

R erklärt den Unterschied zwischen Zugehörigkeit einer Kultur- und Sprachgruppe und einer Staatsbürgerschaft.

R: Haben Sie die äthiopische Staatsbürgerschaft gehabt oder nicht gehabt?

BF: Ich hatte einen Ausweis, also einen Schülerausweis und es stand Äthiopien (als Ausstellungsstaat) oben.

R erläutert abermals die Frage und fragt nach der Staatsbürgerschaft des BF.

BF: Ich bin äthiopischer Staatsbürger.

R: Bitte fahren Sie mit Ihren Lebenslauf fort.

BF: Ich habe die Schule besucht, ca. drei bis vier Jahre. Danach war das Leben für uns sehr schwer und ich konnte die Schule nicht weiter besuchen. Ich habe angefangen Schuhe zu putzen, da war ich ca. 14 bis 15 Jahre alt. Ich habe diesen Job weiter ausgeübt. Ich habe diesen Job ca. drei Jahre gemacht, danach sind meine Mutter und ich im Gefängnis gelandet.

R: Welche Angehörigen haben Sie damals und jetzt in Äthiopien?

BF: Meine Mutter war damals im Gefängnis, mein Bruder ist geflüchtet und ich weiß nicht, wo er ist. Es gab eine Schwester von mir, die verheiratet war, aber ich weiß nicht, wo sie momentan aufhältig ist. Sie heißt XXXX .

R: Hatten Sie noch weitere Geschwister?

BF: Ich habe zwei Brüder. Sie heißen XXXX und XXXX .

R: Haben Sie sonst noch Brüder?

BF: Nein.

R: Haben Sie weitere Schwestern, abgesehen von XXXX ?

BF: Nein.

R: In der Einvernahme vom 24.05.2014 geben Sie zwei weitere Brüder ( XXXX , und XXXX ) und darüber hinaus drei weitere Schwestern und zwar XXXX , XXXX und XXXX , an. Was sagen Sie dazu? Vorhalt: Sie gaben an, dass Sie nicht in der Lage waren, Ihr Fluchtvorbringen im Jahr 2014 umfassend zu schildern. Wie erklären Sie sich, dass hier zusätzliche Namen angeführt sind?

BF: Damals war ich psychisch nicht in der Lage. Bei der EB war ich nicht psychisch in der Lage, der Verhandlung zu folgen und ich wusste nicht, was ich gesagt habe.

R: Es gäbe hier nur zwei Erklärungsmöglichkeiten: Entweder Sie haben Namen genannt, die nicht existieren oder der Übersetzer hat Personen erfunden, die Sie nicht genannt haben. Beides scheint außerhalb der Lebenserfahrung.

BF: Ich beschuldige nicht den Dolmetscher, aber ich war nicht in der Lage.

R: Aber man erfindet doch nicht Leute, die es gar nicht gibt. Denkbar ist allenfalls, dass man vergisst Leute aufzuzählen. Außer man ist völlig prozessunfähig.

BF: Ich weiß nicht, wie ich war, aber ich war psychisch nicht normal.

RV: In dem Kulturkreis des BF nimmt man die Begriffe „Bruder“ und „Schwester“ auch für Cousin und Cousine verwendet.

R: Gibt es Cousins oder Cousinen mit den Namen, die ich aufgezählt habe? Gibt es solche Cousins und Cousinen mit diesen Namen?

BF: Ich weiß nicht, wie diese Namen zustande gekommen sind. Nachgefragt gebe ich an, dass XXXX mein Freund war. Cousins oder Cousinen mit diesen Namen kenne ich nicht.


R: Haben Sie außer Putzen noch eine andere Einnahmequelle gehabt?

BF: Nein.

R: Haben Sie eine andere Beschäftigung gehabt, unentgeltlich?

BF: Nein.

R: In der Einvernahme vom 19.07.2016 haben Sie angegeben, dass Sie Schuhe genäht hätten. Was sagen Sie dazu? (Seite 3 der Einvernahme)

BF: Für mich ist das der gleiche Begriff, wenn ich die Schuhe putze, nähe ich sie auch. Auf Somali-Äthiopia ist es der gleiche Begriff.

R: Welche Sprache sprechen Sie?

BF: Ich spreche nur Somalisch.

R: Sie haben mir heute auf somalisch erklärt, dass Sie Schuhe ausschließlich geputzt hätten und in der Einvernahme vom 19.07.2016 haben Sie ebenfalls auf Somalisch erklärt, dass Sie Schuhe genäht und geputzt hätten.

BF: Ich habe nur ein Wort benutzt und das heißt „Schuhe putzen“, es heißt gleichzeitig „Schuhe nähen“.

R an D: Ist das durch die somalische Sprache erklärbar?

D: Für mich sind das zwei unterschiedliche Begriffe.

R: Aus welchen Gründen haben Sie Ihre Heimat verlassen? Bitte schildern Sie diese vollständig und chronologisch richtig. Bitte beginnen Sie an diesem Zeitpunkt, wo Ihre Probleme begonnen haben.

BF: Mein Problem hat begonnen, als mein älterer Bruder XXXX zu uns kam, weil er ein ONLF-Mitglied war. ONLF hat gegen die Regierung gekämpft. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Bruder eine Gruppe von ONLF geleitet hat.

R: Wie kann ich mir das vorstellen? War das militärisch oder zivil?

BF: Sie waren im Wald und haben gegen die Regierung gekämpft.

BF setzt fort: Die Leute haben das erfahren, weil in unserem Ort Spione waren, die für die Regierung Informationen weiterleiten. Mein Bruder und seine Gruppe sind weggelaufen. Ich und meine Mutter waren zuhause und die Soldaten haben mich und meine Mutter festgenommen und mich in das Gefängnis gebracht.

R: Bitte schildern Sie das konkreter. Wann ist Ihr Bruder mit wem weggelaufen?

BF: Das war am Abend. Mein Bruder und seine Gruppe waren immer bereit, weil sie gewusst haben, dass sie gegen die Regierung kämpfen. Als die Polizei gekommen ist, ist mein Bruder und seine Gruppe geflüchtet und weggelaufen.

R: Wie viele Leute umfasste diese Gruppe?

BF: Ich weiß es nicht, wie viele es waren, aber es war mehr als eine Person. Ich kann nur schätzen, fünf bis sieben Leute.

R: Wie hat sich die äthiopische Polizei dem Haus genähert?

BF: Als die Spione die Polizei informiert haben, dass mein Bruder bei uns zuhause ist, kam die Polizei. Nachgefragt gebe ich an, dass die Polizei einen Kreis gemacht und mein Bruder und seine Gruppe sind hinten aus dem Haus gesprungen. Als sie weggelaufen sind, sind meine Mutter und ich übriggeblieben. Dann kam die Polizei herein.

R: In der Einvernahme vom 19.07.2016 haben Sie das anders geschildert. Laut Protokoll hätte die äthiopische Polizei Ihr Haus „angegriffen“, Ihr Bruder und „sein Freund (Singular) gingen ins Haus und sind geflüchtet“ Selbst, wenn man hier Übersetzungsschwierigkeiten einräumt, wie z.B. die Formulierung „gingen ins Haus“, fällt hier eine unterschiedliche Schilderung auf.

BFV: Die Schilderung stimmt mit der Einvernahme aus 2016 mit dem Gesagten grundsätzlich überein. Der Bruder ist aus dem Haus geflüchtet und nicht ins Haus gegangen.

R: Trotzdem fällt hier auf, dass nur von einem Freund die Rede ist und nicht von einer Gruppe. Darüber hinaus geht aus der Schilderung nicht hervor, dass die Polizei das Haus „angegriffen“ hätte.

BF: Ich habe auch damals gesagt, dass mein Bruder und seine Gruppe aus dem Haus geflüchtet sind und dass die Polizei in unserer Wohnung war.

R: Trotzdem haben Sie von einer Person gesprochen und nicht von einer Gruppe.

BF: Sein Freund und mein Bruder waren in der Wohnung drinnen und der Rest war draußen, deswegen habe ich gesagt „sein Freund“.

R: In der Einvernahme vom 19.07.2016 erwähnen Sie von einer Gruppe überhaupt nichts.

BF: Diese Frage hat mir niemand gestellt, ob ihn mehrere Leute begleitet haben oder nicht.

R: Was passierte im Anschluss?

BF: Als mein Bruder und sein Freund geflüchtet sind und die Polizei in die Wohnung gekommen ist, wurden meine Mutter und ich festgenommen. Als sie uns in das Gefängnis „ XXXX “ gebracht haben, haben sie uns vorgeworfen, dass ich und meine Mutter auch für die ONLF arbeiten. Sie haben uns jeweils getrennt in ein Klo gesperrt. Sie haben uns geschlagen und gezwungen, dass wir sagen, dass wir für die ONLF arbeiten.

R: Haben Sie dann gesagt, dass Sie für die ONLF arbeiten?

BF: Ich war dort vier Monate. Es kamen dann zwei ältere Männer, die Nachbaren waren und haben mich aus dem Gefängnis gebracht.

R: Wieso haben Sie diese aus dem Gefängnis gebracht?

BF: Die älteren Männer haben gesagt, dass ich ein junger Mann bin und dass ich nicht die Stadt verlassen solle. Als sie das versprochen haben, bin ich entlassen worden.

R: In der Einvernahme vom 19.07.2016 haben Sie angegeben, dass Sie zwei Monate lang im Gefängnis waren. Heute geben Sie an, dass Sie vier Monate im Gefängnis waren.

BF: Es kann sein, dass ich es vergessen habe, weil ich sehr viel Stress hatte.

R: Sie haben vergessen, ob Sie zwei oder vier Monate inhaftiert waren?

BF: Psychisch bin ich momentan auch nicht in Ordnung. Ich wohne mit den Menschen, die psychisch erkrankt sind. Ich habe Stress.

R an BFV: Beantragen Sie eine medizinische Untersuchung über den psychischen Gesundheitszustand des BF, insbesondere seiner Fähigkeit, das Erlebte wiederzugeben?

BFV beantragt eine Pause zur Besprechung mit seinem Mandanten unter dem Beisein der D. Die Verhandlung wird um 13:57 Uhr unterbrochen und um 14:09 Uhr fortgesetzt.

BFV: Es wird keine medizinische Untersuchung beantragt. Die Spruchpunkte I. und II. werden zurückgezogen.

Der R erläutert die Rechtslage, insbesondere der Folgen der Zurückzahlung der Beschwerde, ausführlich und befragt den BF, ob er diese verstanden habe. Der BF bejaht dies und bestätigt, dass er mit der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. einverstanden ist. Sohin wird festgehalten, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides vom 22.03.2017, GZ 1019751003-14652083 zurückgezogen wurde. Ausdrücklich aufrecht erhalten wird die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. und IV.

R: Aus der Zurückziehung der Beschwerde, insbesondere gegen Spruchpunkt II., schließe ich, dass im Falle einer Rückkehr in dem Heimatstaat keine unmenschliche Behandlung bzw. Situation zu befürchten ist, die im Widerspruch mit der EMRK steht.

BFV: Im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien hätte der BF dort keine Lebensgrundlage.

R: Könnten Sie das näher präzisieren?

BFV: Er hat keine Angehörigen, die ihn unterstützen und gibt der äthiopische Staat keinerlei soziale Hilfen. Dazu kommt, dass er nicht aus einem lokalen Mehrheitsclan kommt.

R: Gibt es Umstände, die Ihre arbeitsfähig in Frage stellen würden?

BF: Ich bin gesund und ich kann arbeiten.

R: Sprechen Sie die deutsche Sprache?

BF: Ein wenig. Ich kann auch bisschen reden.

R: Haben Sie eine Prüfung über Ihre Kenntnisse der deutschen Sprache abgelegt?

BF: Als ich den negativen Bescheid bekommen habe, durfte ich nicht weiter den Deutschkurs besuchen, deswegen habe ich kein Zeugnis. Ich werde aber dieses Zeugnis ehebaldigst nachbringen.

R: Haben Sie in Österreich familiäre oder bekanntschaftliche, verfestigte Beziehungen?

BF: Ich habe keine Freundin, aber es gibt österreichische Leute, die ich kenne.

R: Gesetzt den Fall Sie hätten eine Arbeitsbewilligung, hätten Sie schon eine Arbeit in Aussicht?

BF: Ich habe keinen Aufenthaltstitel, wie kann ich eine Arbeit haben?

R erklärt die Frage.

BF: Das wusste ich nicht.

BFV: Der BF war bisher der Meinung, dass er nicht arbeiten darf.

R: Wovon leben Sie?

BF: Ich bekomme GVS.

R: Sind Sie in irgendeiner Form gesellschaftlich engagiert, z.B. in Vereinen, etc.?

BF: Nein.

BFV: Ich beantrage einer Frist zur Beibringung von Unterlagen, die die fortgeschrittene Integration des BF belegen sollen.

R: Die Unterlagen können bis 01.12.2020 beigebracht werden.

R: Möchten Sie ein ergänzendes Vorbringen erstatten oder ist das bisher Gesagte abschließend?

BFV: Kein weiteres Vorbringen.

BF: Nein, kein weiteres Vorbringen.

Übergeben wird ein Exemplar des LIB der Staatendokumentation betreffend Äthiopien (Gesamtaktualisierung am 08.01.2019, letzte Kurzinformation am 07.07.2020 eingefügt). Das Exemplar wird dem BFV übergeben und eine Frist zur Stellungnahme bis 01.12.2020 eingeräumt.

Einsicht genommen wird in den Strafregisterauszug vom 07.09.2020. Der BF ist nicht vorbestraft.“

8. Am 02.11.2020 legte der Beschwerdeführer ein Deutschprüfungszeugnis vor.

9. Dem Beschwerdeführer wurde eine letztmalige Fristverlängerung bis zum 16.12.2020 zur Einbringung von Integrationsunterlagen gewährt. Bis zum Entscheidungszeitpunkt sind keine weiteren Unterlagen des Beschwerdeführers eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Äthiopiens, welcher sich zum islamischen Glauben bekennt. Er ist in Somalia geboren und später nach Äthiopien gezogen. Er hat mehrere Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat Schuhe geputzt. Er spricht Somalisch. Bis zu seiner Ausreise Anfang des Jahres 2014 lebte der Beschwerdeführer in XXXX , wo sich zuletzt noch die Mutter sowie mehrere Geschwister des Beschwerdeführers aufgehalten haben. Der Beschwerdeführer gelangte im Mai 2014 illegal in das Bundesgebiet und suchte am 24.05.2014 um internationalen Schutz an. Seither hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist im Bundesgebiet nicht berufstätig und kann seinen Lebensunterhalt in Österreich nicht eigenständig bestreiten. Er bezieht Leistungen der Grundversorgung. Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet und führt keine Lebensgemeinschaft. Er hat Freundschaften im Bundesgebiet geknüpft. Der Beschwerdeführer hat die A1-Prüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Sprachniveau A1 und zu Werte- und Orientierungswissen bestanden. Er ist auch in keinem Verein Mitglied. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine besonderen Anknüpfungspunkte zu Österreich.

Auch aus dem sonstigen Verfahrensergebnis werden vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in seinem Herkunftsstaat keine maßgeblichen Hinweise auf eine allfällige Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr ersichtlich.

Zu betonen ist, dass der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in der Beschwerdeverhandlung am 08.09.2020 im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters zurückgezogen hat. Die Spruchteile I. und II. des im Spruch angeführten Bescheides sind damit in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Zu seinem Herkunftsstaat wird festgestellt:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 7.7.2020: Ethnische Unruhen (betrifft: Abschnitt 3. Sicherheitslage und 13. Ethnische Minderheiten).

Nach der Ermordung des Musikers und Aktivisten Hachalu Hundessa am 29.6.2020 ist es in Äthiopien in mehreren Städten zu gewalttätigen Unruhen gekommen (BAMF 6.7.2020; vgl. Spiegel 3.7.2020, DW 5.7.2020, HRW 1.7.2020). Mindestens 166 Menschen wurden bei den Protesten getötet. Im Bundesstaat Oromia wurden 145 Zivilisten und 11 Sicherheitskräfte getötet, zehn weitere Menschen, darunter zwei Polizisten, starben in der Hauptstadt Addis Abeba. Die Zahl der Todesopfer könnte steigen, da viele Menschen ins Krankenhaus eingeliefert wurden (DW 5.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020, FAZ 5.7.2020, AN 6.7.2020). Zudem wurden rund 2.300 Personen festgenommen (BAMF 6.7.2020; vgl. FAZ 5.7.2020, AN 6.7.2020). In Addis Abeba wurde von mehreren Explosionen berichtet, Geschäfte wurden in Brand gesetzt (BAMF 6.7.2020; vgl. IPN 1.7.2020).

Der ermordete Sänger Hachalu wird von vielen als ein Verfechter der Rechte der Oromo angesehen, dessen Lieder die Kämpfe und Frustrationen der Oromo während der Protestbewegung 2014-2018 wiedergaben und vor allem von Jugendlichen gehört wurden (BAMF 6.7.2020; vgl. DW 5.7.2020, HRW 1.7.2020). Noch kurz vor seinem Tod hatte Hachalu die Politik Abiys stark kritisiert, weil er nicht die Interessen der Oromo vertrete. Gleichzeitig berichtete Hachalu von Morddrohungen gegen ihn. Obwohl sie die größte Bevölkerungsgruppe Äthiopiens bilden, fühlten sich die Oromo über Jahre von der Regierung diskriminiert (BAMF 6.7.2020).

Inzwischen habe sich die Lage – so die Polizei – wieder beruhigt. Drei Verdächtige des Mordes am Sänger seien in Untersuchungshaft, die Hintergründe des Anschlages sind jedoch bislang noch unklar (BAMF 6.7.2020). Premierminister Abiy Ahmed rief die Bewohner der Region zur Einheit auf und versicherte ihnen, dass strenge Maßnahmen gegen die Täter ergriffen würden (Regnum 3.7.2020). Abiy Ahmed machte „interne und externe Kräfte“ für die Ausschreitungen verantwortlich und bezog sich dabei auch auf die anhaltenden Spannungen mit Ägypten im Zusammenhang mit dem Bau des Staudamms am Nil (BAMF 6.7.2020; vgl. Regnum 3.7.2020).

Als Reaktion auf die Unruhen blockierte die äthiopische Regierung alle Internetverbindungen im Land. Auch die Telefonverbindungen wurden unterbrochen (BAMF 6.7.2020; vgl. AN 6.7.2020). Am Wochenende (4./5.7.2020) war die Lage in Oromia weiter angespannt. In der Hauptstadt hatte sich die Lage bis zum 5.7.2020 wieder entspannt, allerdings bleibt das Internet weiter ausgeschalten (FAZ 5.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020, AN 6.7.2020).Human Rights Watch befürchtet, dass die Abschaltung des Internets durch die Behörden, die offensichtlich exzessive Anwendung von Gewalt und die Verhaftung von politischen Oppositionellen die instabile Situation noch verschlimmern könne, anstatt die staatliche Ordnung wieder herzustellen (HRW 1.7.2020).

Schwere Unruhen gab es auch in Halachus Heimatstadt Ambo im Zusammenhang mit dessen Begräbniszeremonie (AN 2.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020). Im Umfeld der Beisetzung führte die Inhaftierung des Medienunternehmers Jawar Mohammed zu einer weiteren Eskalation (BAMF 6.7.2020; vgl. Spiegel 2.7.2020, AN 6.7.2020, AN 2.7.2020). Der Medienunternehmer galt lange als Unterstützer Abiys, wirft dem Premierminister jedoch vor, zu wenig für die Oromo zu tun und befürwortet die Abspaltung des Regionalstaates Oromia. Nach Einschätzung politischer Beobachter wäre Jawar bei den ursprünglich für dieses Jahr geplanten – wegen COVID-19 jedoch verschobenen – Parlamentswahlen wohl größter Konkurrent Abiys geworden (BAMF 6.7.2020; vgl. AJ 25.10.2019).

Im April 2018 übernahm Abiy als erster Oromo das Amt des Premierministers. Er leitete umfassende Reformen ein und wurde 2019 unter anderem wegen seiner Befriedungsbemühungen am Horn von Afrika mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Spannungen innerhalb der Gesellschaft haben unter seiner Amtszeit jedoch zugenommen (BAMF 6.7.2020). Abiy versprach den Äthiopiern, den Staat zu dezentralisieren und den Föderalismus zu stärken. Die meisten der neuerdings zehn semiautonomen äthiopischen Verwaltungsregionen sind ethnisch definiert. Dass die Regionen nun mehr Rechte bekommen haben, verstärkt die separatistischen Kräfte im Land. Abiys Vorhaben, die föderalen Strukturen zu stärken, ohne ein Zerbrechen entlang ethnischer Trennlinien zu provozieren, ist ein riskanter Plan, dessen Erfolg nun immer fraglicher scheint (Spiegel 3.7.2020; vgl. AN 6.7.2020). Allein 2018 flohen drei Millionen Menschen aus ihren Heimatregionen, zum Großteil wegen ethnischer Konflikte (Spiegel 3.7.2020).

Quellen:

-        AJ - Al Jazeera (25.10.2019): Prominent activist may challenge Ethiopian PM in 2020 election, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/prominent-activist-challenge-ethiopian-pm-2020-election-191025154446076.html, Zugriff 7.7.2020

-        AN - Africanews (2.7.2020): Ethiopia protest singer buried in Ambo, Addis under heavy security, https://www.africanews.com/2020/07/02/death-of-famed-oromo-singer-violent-protests-net-blackout-in-ethiopia/, Zugriff 7.7.2020

-        AN - Africanews (6.7.2020): Ethiopia protest death toll 166, mass arrests, net still blocked, https://www.africanews.com/2020/07/06/ethiopia-arrests-oromo-activist-jawar-mohammed-omn-shut-down/, Zugriff 7.7.2020

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration (6.7.2020): Briefing Notes 06.Juli 2020, per E-Mail.

-        DW - Deutsche Welle (5.7.2020): ?? ????? ??????????? ? ??????? ????? ???????? ????? ??????? ?? ????? 166 ???????, https://www.dw.com/ru/%D0%B2%D0%BE-%D0%B2%D1%80%D0%B5%D0%BC%D1%8F-%D0%B1%D0%B5%D1%81%D0%BF%D0%BE%D1%80%D1%8F%D0%B4%D0%BA%D0%BE%D0%B2-%D0%B2-%D1%8D%D1%84%D0%B8%D0%BE%D0%BF%D0%B8%D0%B8-%D0%BF%D0%BE%D1%81%D0%BB%D0%B5-%D1%83%D0%B1%D0%B8%D0%B9%D1%81%D1%82%D0%B2%D0%B0-%D0%BF%D0%B5%D0%B2%D1%86%D0%B0-%D0%BF%D0%BE%D0%B3%D0%B8%D0%B1%D0%BB%D0%B8-%D0%BD%D0%B5-%D0%BC%D0%B5%D0%BD%D0%B5%D0%B5-166-%D1%87%D0%B5%D0%BB%D0%BE%D0%B2%D0%B5%D0%BA/a-54059780, Zugriff 7.7.2020

-        FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (5.7.2020): Mehr als 160 Tote bei Unruhen in Äthiopien, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/unruhen-in-aethiopien-mehr-als-160-tote-16847270.html, Zugriff 7.7.2020

-        HRW - Human Rights Watch (1.7.2020):

Ethiopia Cracks Down Following Popular Singer’s Killing, https://www.hrw.org/news/2020/07/01/ethiopia-cracks-down-following-popular-singers-killing, Zugriff 7.7.2020

-        IPN - Interpressnews (1.7.2020): ????????? ????????? ?????????? ???? ???????? ????????? 50-?? ???? ???????? ??????????, https://www.interpressnews.ge/ka/article/607454-etiopiashi-momgerlis-mkvlelobis-gamo-dacqebul-areulobas-50-ze-meti-adamiani-emsxverpla/, Zugriff 7.7.2020

-        Regnum, Informazionnoje Agentstwo (3.7.2020): ???????-??????? ??????? ???????? ? ?????????? ? ????????????, https://regnum.ru/news/polit/3000488.html, Zugriff 7.7.2020

-        Spiegel Politik (2.7.2020): 81 Menschen bei Protesten in Äthiopien getötet, https://www.spiegel.de/politik/ausland/aethiopien-81-menschen-bei-protesten-nach-mord-an-saenger-getoetet-a-abc99fec-89ad-4c30-98f2-47dd5c4e1d40, Zugriff 7.7.2020

-        Spiegel Politik (3.7.2020): Lieder des Zorns, https://www.spiegel.de/politik/ausland/aethiopien-ethnische-gewalt-nach-tod-von-hachalu-hundessa-a-f425b977-8931-4973-93aa-153b29d49dc7, Zugriff 7.7.2020

KI vom 8.11.2019: Unruhen, Gewalt und Proteste (betrifft: Abschnitt 3. Sicherheitslage samt Unterabschnitten).

Ende Juni 2019 kam es zu mehreren Angriffen auf führende Politiker landesweit. Der Regionalpräsident von Bahir Dar wurde, gemeinsam mit zwei weiteren Regionalregierungsmitgliedern und Dutzender weiterer Personen bei einem „Putschversuch“ durch den Sicherheitsregionalleiter am 22.6.2019 getötet. Am 20.6.2019 wurde der Bürgermeister von Dembir Bolo angeschossen und schwer verletzt. In Guba wurden bei einem Angriff einer Amhara-Miliz am 23.6.2019 mehr als 50 Personen getötet. In Addis Abeba wurde der Militärstabschef durch seinen eigenen Personenschützer erschossen (ACLED 16.7.2019; vgl. TNH 16.10.2019, Standard 23.6.2019).

Die Ereignisse von Juni 2019 stehen in scharfem Kontrast zum Rückgang der Gewalt seit der Amtseinsetzung von Premierminister Abiy im April 2018 (ACLED 16.7.2019). Abiy schlug danach eine härtere Linie ein (TNH 16.10.2019; vgl. ACLED 16.7.2019). Das Internet wurde für vier Tage landesweit blockiert und hunderte Personen wurden in Zusammenhang mit der Gewalt verhaftet (ACLED 16.7.2019; vgl. TNH 16.10.2019); der Druck der Regierung hat seitdem nicht nachgelassen (TNH 16.10.2019). Amnesty International verurteilt die Regierung dafür, dass es seit Juni 2019 im Namen von Anti-Terror-Maßnahmen zu willkürlichen Festnahmen, darunter auch von Journalisten, kam (AI 4.10.2019; vgl. TNH 16.10.2019).

Ende Oktober 2019 kam es nach Gerüchten über die Misshandlung des Abiy-Kritikers und Internetaktivisten Jawar Mohammed durch Sicherheitskräfte zu Protesten und Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden (Standard 24.10.2019; vgl. Standard 25.10.2019). Aus den Protesten entwickelten sich in der Folge ethnisch und religiös motivierte Unruhen (taz 26.10.2019; vgl. EN 26.10.2019, Guardian 1.11.2019). In den darauffolgenden Tagen kam es in vielen Städten zu gewaltsamen Sicherheitsmaßnahmen, gewalttätigen Konfrontationen und Kämpfen (AS 28.10.2019). Im Zuge dieser gewaltsamen Zusammenstöße zwischen verschiedenen Volksgruppen wurden nach Angaben des Premierministers 86 Menschen getötet, darunter zehn Tote durch Sicherheitskräfte (BBC 4.11.2019; vgl. RIA 3.11.2019). Stand 25.10.2019 wurden von offizieller Seite mindestens 67 Todesopfer gemeldet (Standard 25.10.2019; vgl. Zeit 26.10.2019, EN 26.10.2019) und im Zusammenhang mit den Unruhen wurden 409 Personen verhaftet (Guardian 1.11.2019; vgl. RIA 3.11.2019). Premierminister Abiy kündigte an, dass die Behörden gegen all jene vorgehen würden, die "den Frieden und die Stabilität Äthiopiens bedrohen" (RIA 3.11.2019).

In zahlreichen Städten in der Provinz Oromia kam es zu Angriffen von Mitgliedern der Volksgruppe der Oromo. Die Opfer entstammen der ethnischen Gruppen der Oromo, Amhara und Sidama (EN 26.10.2019). Etwa 55 Menschen sind bei Kämpfen zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien in der Region Oromia ums Leben gekommen (Standard 25.10.2019; vgl. Zeit 26.10.2019, EN 26.10.2019); der Großteil der Todesopfer geht auf Gewalt zwischen Zivilisten zurück (EN 26.10.2019), die übrigen Personen wurden von der Polizei getötet (Zeit 26.10.2019). Die Armee wurde in die Region Oromia entsandt (AS 28.10.2019; vgl. ZDF 26.10.2019, OKA 28.10.2019), bei deren Einsatz kamen sieben Personen ums Leben (AS 28.10.2019). Es gibt Berichte über Angriffe gegen Mitglieder und Glaubensstätten religiöser Minderheiten (EN 26.10.2019; vgl. Guardian 1.11.2019, Sputnik 29.10.2019).

Die Spannungen zwischen den Regionen Somali und Oromia sind besonders hoch, während Tigray und Amhara weiterhin über ihre gemeinsame Grenze streiten (TNH 16.10.2019). Die politische Öffnung und Zulassung vieler Parteien hat auch dazu geführt, dass viele Regionen und Völker nach Unabhängigkeit streben und ihren eigenen Staat gründen wollen. Viele Rebellen haben ihre Waffen niedergelegt, andere tun sich schwer damit, Konflikte plötzlich friedlich auszutragen (BAZ 12.10.2019). Die Proteste der Oromo haben viele Menschen dazu veranlasst, ein unabhängiges Oromia zu fordern und sich von Äthiopien zu lösen, während seit langem von der Unabhängigkeit der Tigray gesprochen wird (TNH 16.10.2019).

Am 14.10.2019 griff eine nicht identifizierte bewaffnete Gruppe in der Region Afar, an der Grenze zu Dschibuti und Eritrea, ein Dorf an, tötete 17 Zivilisten und verletzte mindestens 34 weitere. Die Beweggründe der Gruppe, die Berichten zufolge von Dschibuti aus nach Äthiopien gekommen sein soll, sind unklar. Die Regierung von Dschibuti erklärte, dass das dschibutische Militär an dem Angriff nicht beteiligt war. Als Reaktion auf die Angriffe versammelten sich Demonstranten in mehreren Städten der Region Afar, um gegen die Angriffe zu protestieren (ACLED 23.10.2019).

Die Auseinandersetzungen zwischen der Bodi-Gemeinschaft und äthiopischen Soldaten in Jinka gehen weiter, da Umsiedlungsprogramme die Einheimischen vertreiben, um Platz für den neuen Gibe III-Staudamm und die Zuckerplantagen zu schaffen. Schätzungsweise vierzig Menschen sind seit dem 15.9.2019 in diesem Streit gestorben (ACLED 23.10.2019).

Quellen:

-        ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (16.7.2019): Armed Conflict Location and Event Data Project, Bad Blood: Violence in Ethiopia Reveals the Strain of Ethno-Federalism under Prime Minister Abiy, https://www.acleddata.com/2019/07/15/bad-blood-violence-in-ethiopia-reveals-the-strain-of-ethno-federalism-under-prime-minister-abiy/, Zugriff 29.10.2019

-        ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (23.10.2019): Regional Overview: Africa - 13 – 19 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/23/regional-overview-africa-13-19-october-2019/, Zugriff 29.10.2019

-        AI – Amnesty International (4.10.2019): Ethiopia: Release journalists arrested on unsubstantiated terrorism charges, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/10/ethiopia-release-journalists-arrested-on-unsubstantiated-terrorism-charges/, Zugriff 29.10.2019

-        AS – Addis Standard (28.10.2019): Analysis: Tragedy struck Ethiopia, again. “We are dealing with a different scenario”, https://addisstandard.com/analysis-tragedy-struck-ethiopia-again-we-are-dealing-with-a-different-scenario/, Zugriff 29.10.2019

-        BAZ – Basler Zeitung (12.10.2019): Er stellte sein Land auf den Kopf, https://www.bazonline.ch/er-stellte-sein-land-auf-den-kopf-sie-wurden-ausgezeichnet-und-dann/story/11390725, Zugriff 29.10.2019

-        BBC – British Broadcasting Corporation (4.11.2019): Abiy says 86 Ethiopians died in wave of violence, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia, Zugriff 4.11.2019

-        EN – Euronews (26.10.2019): Violence during Ethiopian protests was ethnically tinged, say eyewitnesses, https://www.euronews.com/2019/10/26/violence-during-ethiopian-protests-was-ethnically-tinged-say-eyewitnesses, Zugriff 29.10.2019

-        Guardian, the (1.11.2019): Deadly unrest in Ethiopia hampers PM's political reform attempts, https://www.theguardian.com/world/2019/nov/01/ethiopia-unrest-abiy-ahmed-jawar-mohammed-nobel-peace-prize, Zugriff 4.11.2019

-        OKA – Okayafrica (28.10.2019): The Army Has Been Deployed in Ethiopia Amid Deadly Protests, https://www.okayafrica.com/ethiopia-protest-oromia/, Zugriff 29.10.2019

-        RIA Nowosti (3.11.2019): ? ??????? ????? ???????? ? ?????????? ????????? ???????? ?? 86 ???????, https://ria.ru/20191103/1560548773.html, Zugriff 4.11.2019

-        Sputnik Belarus (29.10.2019): ?????????? ? ???????: ?????? ? ?????? ???????, ??????? ??????? ?????, https://sputnik.by/incidents/20191029/1043124593/Besporyadki-v-Efiopii-tserkvi-i-mechet-sozhzheny-desyatki-chelovek-ubity.html, Zugriff 4.11.2019

-        Standard, der (23.6.2019): Putschversuch in Äthiopien: Armeechef und Regionalpräsident getötet, https://www.derstandard.at/story/2000105290605/aethiopiens-armeechef-und-regionalpraesident-bei-angriffen-getoetet, Zugriff 29.10.2019

-        Standard, der (24.10.2019): Machtkampf in Äthiopien fordert 16 Todesopfer, https://www.derstandard.at/story/2000110302304/machtkampf-in-aethiopien-fordert-16-todesopfer, Zugriff 29.10.2019

-        Standard, der (25.10.2019): Mehr als 60 Tote bei Protesten und Gewalt in Äthiopien, https://www.derstandard.at/story/2000110333475/mehr-als-60-tote-bei-protesten-und-gewalt-in-aethiopien, Zugriff 29.10.2019

-        taz – Die Tageszeitung (26.10.2019): Mehr als 60 Tote bei Protesten, https://taz.de/Gewalt-in-Aethiopien/!5636230/, Zugriff 29.10.2019

-        TNH – The New Humanitarian (ehemals IRIN News) (16.10.2019): Briefing: Five challenges facing Ethiopia’s Abiy, http://www.thenewhumanitarian.org/analysis/2019/10/16/Abiy-Ethiopia-Eritrea-Nobel-peace-Tigray, Zugriff 29.10.2019

-        ZDF – Zweites Deutsches Fernsehen (26.10.2019): Äthiopien: 67 Tote bei Protesten, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/regierungskritische-demos-aethiopien--67-tote-bei-protesten-100.html, Zugriff 29.10.2019

-        Zeit Online, die (26.10.2019): Mehr als 60 Tote bei Protesten und Gewalt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/proteste-aethiopien-abiy-ahmed-tote, Zugriff 29.10.2019

Politische Lage

Entsprechend der Verfassung ist Äthiopien ein föderaler und demokratischer Staat. Die Grenzen der Bundesstaaten orientieren sich an sprachlichen und ethnischen Grenzen sowie an Siedlungsgrenzen. Seit Mai 1991 regiert in Äthiopien die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier regionalen Parteien zusammensetzt: Tigray People's Liberation Front (TPLF), Amhara National Democratic Movement (ANDM), Oromo People’s Democratic Organisation (OPDO) und Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement (SEPDM). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hat (AA 17.10.2018).

Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zugelassen sind. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2015 gewannen die regierende EPRDF und ihr nahestehende Parteien nach Mehrheitswahlrecht alle 547 Parlamentssitze. Auf allen administrativen Ebenen dominiert die EPRDF. Auch in den Regionalstaaten liegt das Übergewicht der Politikgestaltung weiter bei der Exekutive. Staat und Regierung bzw. Regierungspartei sind in der Praxis nicht eindeutig getrennt (AA 17.10.2018).

Äthiopien ist politisch sehr fragil (GIZ 9.2018). Zudem befindet sich das Land derzeit unter Premierminister Abiy Ahmed in einem politischen Wandel (GIZ 9.2018a). Abiy Ahmed kam im April 2018 nach dem Rücktritt von Hailemariam Desalegn an die Macht. Seitdem hat er den Ausnahmezustand des Landes beendet, politische Gefangene freigelassen, umstrittene Kabinettsmitglieder und Beamte entlassen, Verbote für Websites und sozialen Medien aufgehoben und ein Friedensabkommen mit dem benachbarten Eritrea geschlossen (RI 14.11.2018; vgl. EI 12.12.2018, JA 23.12.2018). Bereits seit Anfang des Jahres waren noch unter der Vorgängerregierung erste Schritte einer politischen Öffnung unternommen worden. In der ersten Jahreshälfte 2018 wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen. Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren, und wurden entkriminalisiert. Abiy Ahmed hat eine Kehrtwende weg von der repressiven Politik seiner Vorgänger vorgenommen. Er bemüht sich seit seinem Amtsantritt mit Erfolg für stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum und hat die Praxis der Kriminalisierung von Oppositionellen und kritischen Medien de facto beendet. Im Mai 2018 gab es mehrere Dialogformate in Addis Abeba und der benachbarten Region Oromia, unter Beteiligung von Vertretern der Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft. Abiy hat zudem angekündigt, dass die für 2020 angesetzten Wahlen frei und fair und ohne weitere Verzögerungen stattfinden sollen (AA 17.10.2018).

Unter der neuen Führung begann Äthiopien mit dem benachbarten Eritrea einen Friedensprozess hinsichtlich des seit 1998 andauernden Konfliktes (JA 23.12.2018). Im Juni 2018 kündigte die äthiopische Regierung an, den Friedensvertrag mit Eritrea von 2002 vollständig zu akzeptieren (GIZ 9.2018a). Mithilfe der USA, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate begann Abiy Ahmed Gespräche und begrüßte den eritreischen Präsidenten Isaias Afeworki im Juli 2018 in Addis Abeba (JA 23.12.2018). Nach gegenseitigen Staatsbesuchen sowie der Grenzöffnung erfolgte Mitte September 2018 die offizielle Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages zwischen den beiden Ländern (GIZ 9.2018a). Die Handels- und Flugverbindungen wurden wieder aufgenommen, und die UN-Sanktionen gegen Eritrea wurden aufgehoben (JA 23.12.2018).

Am 7.8.2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der Oromo Liberation Front (OLF) in Asmara ein Versöhnungsabkommen und verkündeten am 12.8.2018 einen einseitigen Waffenstillstand (BAMF 13.8.2018). Am 15.9.2018 kehrten frühere Oromo-Rebellen aus dem Exil in die Hauptstadt Addis Abeba zurück. Die Führung der OLF kündigte an, nach der Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen. Neben OLF-Chef Dawud Ibsa und anderen Funktionären kamen auch etwa 1.500 Kämpfer aus dem benachbarten Eritrea zurück. Obwohl die Feier von einer massiven Sicherheitspräsenz begleitet wurde, kam es zu Ausschreitungen (BAMF 17.9.2018). Nach offiziellen Angaben wurden nach den Ausschreitungen rund 1.200 Personen inhaftiert (BAMF 1.10.2018).

Abiy Ahmeds Entscheidung Frauen in Führungspositionen zu befördern, wurde weitgehend begrüßt. Die Hälfte der 20 Ministerposten der Regierung wurden an Frauen vergeben, darunter Schlüsselressorts wie das Ministerium für Handel und Industrie und das Verteidigungsministerium. Abiy hat u. a. die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt, die ehemalige UNO-Beamtin Sahle-Work Zewde wurde einstimmig vom Parlament zur Präsidentin gewählt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018, EZ 25.10.2018, GIZ 9.2018a). Die Präsidentin hat vor allem eine repräsentative Funktion, da die politische Macht beim Ministerpräsidenten liegt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018). Aisha Mohammed ist nun Verteidigungsministerin, Muferiat Kamil Friedensministerin. Letzterer sind Polizei und Geheimdienste unterstellt. Die Ernennung der beiden Frauen ist auch deshalb historisch, weil es sich um Muslime aus ethnischen Minderheiten (Oromo) handelt, die noch nie zuvor so mächtige Ämter bekleideten. Ihre Anwesenheit im Kabinett hilft Abiy Ahmed nicht nur, Geschlechterparität zu erreichen, sondern auch, seine Unterstützungsbasis unter ethnischen Minderheiten und Muslimen zu erweitern, die sich manchmal über politische Ausgrenzung beklagen (BBC 18.11.2018).

Darüber hinaus ging die Regierung gegen Offizielle vor, die der Korruption und Rechtsverletzungen verdächtigt wurden. 60 Personen wurden verhaftet, darunter der ehemalige Leiter eines militärisch geführten Geschäftskonzerns und ehemalige stellvertretende Leiter des Geheimdienstes, Getachew Assefa. Dieser wurde wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen verhaftet (BBC 18.11.2018; vgl. EI 12.12.2018). Assefa war ein führendes Mitglied des Tigray-Flügels der regierenden EPRDF. Vertreter der EPRDF - darunter die Führung der TPLF - haben erklärt, dass es einen allgemeinen Konsens darüber gibt, dass Kriminelle vor Gericht gestellt werden sollten. Ältere Vertreter der TPLF fordern, dass derartige Verhaftungen nicht politisch motiviert und nur auf Tigray abzielen dürfen. Aktivisten von Tigray erachten die Verhaftungen allerdings als politisch motiviert – m

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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