TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/18 G307 2229654-1

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Veröffentlicht am 18.01.2021
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Entscheidungsdatum

18.01.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G307 2229654-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Deutschland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2020, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 07.01.2020 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (im Folgenden: BFA), den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) auf, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen und gleichzeitig seine persönlichen wie finanziellen Verhältnisse bekanntzugeben. Eine Antwort erstattete der BF hierauf nicht.

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 12.02.2020, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

3. Mit am 09.03.2020 datierten und beim BFA am selben Tag eingebrachten Schreiben erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid.

Darin wurde beantragt, das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot aufzuheben bzw. dessen Dauer angemessen zu reduzieren.

4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 12.03.2020 vorgelegt und langten dort am 17.03.2020 ein.

5. Mit Schreiben vom 23.03.2020 forderte das ursprünglich zur Entscheidung berufene Organ des BVwG den BF im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (VEB) auf, binnen 4 Wochen ab Erhalt dieses Parteiengehörs nachzuweisen, dass er sich die Tätowierungen, die zu seiner Verurteilung geführt haben, bereits entfernen habe lassen.

6. Mit Schreiben vom 22.04.2020, beim BVwG eingelangt am 24.04.2020, teilte die RV des BF mit, es sei anhand der beigelegten Fotos eindeutig erkennbar, dass die ursprünglichen – zur Verurteilung geführt habenden – Tätowierungen unkenntlich gemacht worden seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist deutscher Staatsbürger und ledig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Sorgepflichten ausgesetzt ist. Er hält sich seit November 2016 durchgehend im Bundesgebiet auf und ist seit 03.11.2016 ohne Unterbrechung in Österreich gemeldet. Der BF ist arbeitsfähig und konnte nicht festgestellt werden, dass er an irgendwelchen Krankheiten leidet.

1.2. Der BF war – beginnend mit 28.11.2016 bis dato – bei 6 Arbeitgebern in insgesamt 7 Arbeitsverhältnissen tätig. Derzeit ist er (seit 12.11.2020) bei der XXXX , etabliert in XXXX , im Arbeiterdienstverhältnis erwerbstätig und erhält hiefür einen monatlichen Bruttolohn in der Höhe von € 1068,51 (das entspricht € 912,29 netto).

1.3. Der BF wurde in Deutschland zwischen XXXX .2005 und XXXX .2012 9 Mal von Gerichten wegen strafbaren Handlungen verurteilt. Unter den Tathandlungen fanden sich das Lenken eines Fahrzeuges ohne erforderliche Lenkerberechtigung, Betrug, Diebstahl, Erschleichung einer Leistung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Diese Delikte wurden mit Sanktionen von Geldstrafen in der Höhe von € 300,00 bis zu einer 4monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung geahndet.

Mit Urteil des Landesgericht XXXX vom XXXX .2019, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2019, wurde der BF zu Zahl XXXX wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gemäß §§ 3a bis 3f Verbotsgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Dem BF wurde darin angelastet, er habe seine in Frakturschrift ausgeführte Tätowierung auf den linken Unterarm mit dem Wortlaut „Meine Ehre heiszt Treue“ am XXXX .2019 in der Mostschenke „ XXXX “ sowie am XXXX .2019 am XXXX , beide Male in XXXX öffentlich vorgezeigt, wobei beim Wort „heiszt“ das „s“ in Form einer Siegrune ausgeführt gewesen sei und das „z“ einer Siegrune zumindest auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sehe – sohin der Eindruck des SS-Symbols der doppelten Siegrune entstehe.

Als mildernd wurden hiebei das Nachtatverhalten des BF und, dass er sich die inkriminierte Tätowierung überstechen lassen habe, als erschwerend das Zustandekommen mehrerer Verbrechen gewertet.

1.4. Jene Tätowierungen, welche zur oben erwähnten Verurteilung geführt haben, ließ der BF unkenntlich machen.

2. Beweiswürdigung

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und abgehaltenen mündlichen Verhandlung geführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und Familienstand des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getätigten Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde sowie den Ausführungen in der Beschwerde.

Der BF legte dem Bezirkspolizeikommando (BPK) der Landespolizeidirektion XXXX (LPD XXXX ) einen auf seinen Namen lautenden Personalausweis vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Die durchgehende Meldung sowie der ununterbrochene Aufenthalt des BF seit November 2016 ergeben sich einerseits aus den Meldedaten des BF (Auszug aus dem Zentralen Melderegister = ZMR) und ist mit seinen Arbeitstätigkeiten in Einklang zu bringen. Diese wiederum folgen dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges. Die Höhe des Nettolohns ergibt sich durch Eingabe des Bruttolohns der aktuellen Beschäftigung auf dem Portal: www.lonrechner.com.

Die Verurteilungen in Deutschland sind dem im Akt einliegenden ECRIS-Auszug (AS 17 ff), jene in Österreich dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie dem im Akt einliegenden Strafurteil des LG XXXX zu entnehmen.

Da der BF derzeit beschäftigt ist, kann von seiner Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden. Hinweise auf das Vorliegen von Krankheiten fanden sich gegenständlich nicht. Dass der BF Sorgepflichten ausgesetzt ist, hat er nicht dargetan.

Die Unkenntlichmachung der gerichtlich geahndeten Tätowierungen hat der BF durch die dem BVwG am 24.04.2020 übermittelten Lichtbilder seines linken Ober- und Unterarmes dargetan.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger Deutschlands ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.       für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1.       wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

Der mit „“ betitelte § 70 FPG lautet:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

3.1.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen stattzugeben:

Da vom BF, der aufgrund seiner deutschen Staatsbürgerschaft in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet weder von 5 noch von (mehr als) 10 Jahren ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1 bis Satz 4 FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 1. bis 4. Satz FPG sohin nur zulässig, wenn dessen persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

„Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Zu einem ähnlich gelagerten Fall hielt der VwGH in seinem Erkenntnis vom 14.06.2012, Zahl 2011/21/0278 – unter anderem – fest, dass (vielmehr) eine - aktuelle - Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Fremden vorzunehmen und die Frage zu beantworten sei, ob sich daraus (weiterhin) eine maßgebliche Gefährdung ableiten lässt.

Des Weiteren hob der VwGH in dieser Entscheidung hervor:

………..Die belangte Behörde nahm an, dass im vorliegenden Fall - wie erwähnt - sogar die erhöhte Gefährdungsprognose nach § 64 Abs. 4 FPG gerechtfertigt sei. Das begründete sie im Wesentlichen mit der bisherigen, bis ins Jahr 2009 reichenden kriminellen Laufbahn des Beschwerdeführers, wobei sie u.a. - bezogen auf die Verurteilung vom 2. September 2009 - auf den raschen Rückfall des Beschwerdeführers und die Begehung von Tathandlungen während aufrechten Strafverfahrens hinwies…………

………….Der von der belangten Behörde getroffenen Prognose steht aber die auf Grund des persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer gewonnene Einschätzung durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft XXXX gegenüber, die dieses Organ gemäß dem eingangs wiedergegebenen Aktenvermerk vom 5. Mai 2010 zur Abstandnahme von der Verhängung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme veranlasste………..

In einem aktuellen Erkenntnis vom 12.11.2019, Zahl Ra 2019/21/0305 verwies der VwGH neuerlich auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen sei, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden sei somit in erster Linie das - hier beim Mitbeteiligten noch gar nicht gegebene - Verhalten in Freiheit maßgeblich (vgl. neuerlich VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0118, Rn. 12, mwN).

Vor dem Hintergrund des konkreten Verhaltens des BF kann von keiner Gefährdung (mehr) ausgegangen werden, weil er die ursprünglichen Tätowierungen unkenntlich machen ließ, wodurch er auch seine Reue unter Beweis stellte. Selbst die Verurteilungen in Deutschland rechtfertigen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht. Die letzte dortige strafrechtliche Sanktion liegt mehr als 9 Jahre zurück und handelte es sich – ohne das Fehlverhalten des BF schmälern zu wollen – überwiegend um Geld- oder bedingte Haftstrafen mit maximal 4 Monaten.

Im Ergebnis war der gegenständlichen Beschwerde sohin stattzugeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Interessenabwägung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2229654.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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