TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/20 G313 2126792-8

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Veröffentlicht am 20.01.2021
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Entscheidungsdatum

20.01.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G313 2126792-8/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Anhaltung des XXXX , geb. XXXX ,
StA.: Algerien, Zl. XXXX , im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft, zu Recht:

A)       Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 09.06.2020 wurde gegen XXXX (im Folgenden: BF) alias XXXX gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 19.01.2020 wurde vom BFA, RD XXXX , der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung vorgelegt.

Der BF ist aufgrund COVID 19 von 13.01.2021 bis 23.01.2021 in Absonderung laut Bescheid.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Festgestellt wird, dass XXXX (BF) seit 09.06.2020 durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft feststellen lassen. Die Schubhaft wird seit 09.06.2020, 16:04 Uhr, im PAZ XXXX und seit 06.07.2020, 17:25 Uhr, im Anhaltezentrum Vordernberg vollzogen.

1.2. Der BF ist Staatsangehöriger Algeriens, er reiste eigenen Angaben zufolge illegal im Jahr 2014 in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte am 31.01.2016 beim Bundesasylamt (BAA) internationalen Schutz. Dabei gab er an, den Namen XXXX zu tragen und libyscher Staatsangehöriger zu sein.

Er lebte in Österreich im Folgenden unter falscher Identität, gab an minderjährig zu sein und aus Libyen zu stammen. Erst nachdem Zweifel daran aufgekommen sind, gab er zu, einen falschen Namen angegeben zu haben und aus Algerien zu stammen.

Er gab im Zuge seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme am 19.09.2015 an, er sei Berger, spreche arabisch und französisch, sei Sunnit, gesund, ledig und habe im Herkunftsstaat sieben Jahre die Schule besucht, dann als Bauarbeiter gearbeitet. Im Herkunftsstaat wohnen sein Vater, seine drei Brüder und eine Schwester, ein weiterer Bruder lebt in Frankreich und einer in Tunesien.

Bei der niederschriftlichen Befragung zur geplanten Schubhaft erklärte er am 13.02.2020 ausdrücklich nicht nach Algerien zurück zu wollen und mit der Schubhaft kein Problem zu haben.

1.2.1. Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom 07.03.2016 vollinhaltlich negativ abgewiesen und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen, sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Ungeachtet dessen verblieb der BF weiterhin im Bundesgebiet und bestritt seinen Lebensunterhalt mit Suchtmittelhandel.

1.3. Am 17.05.2016 wurde gegen den BF erstmalig die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet, die diesbezügliche Beschwerde vom BVwG als unbegründet abgewiesen. Am 27.05.2016 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

Am 03.01.2017 beantragte er die Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG, welche mit Bescheid vom 21.09.2017 abgewiesen wurde.

Mit Bescheid vom 14.09.2018 wurde gegen den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist und gegen ihn ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt. Die Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

1.4. XXXX weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

1., Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX , XXXX vom XXXX .09.2018, RK XXXX .09.2018, wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln gemäß § 27 (2a) 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt.

2., Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX , XXXX vom XXXX .07.2019, RK XXXX .07.2019, wurde er wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln gemäß §§ 27 (1) Z 11 zweiter Fall, 27 (2) SMG; §§ 27 (19) Z 1 achter Fall, 27 (3) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, da er aber mit Suchtmittel handelte.

Die Strafhaft wurde in der JA XXXX vollzogen, BD am 28.02.2020 aus der Strafhaft entlassen und direkt in die Schubhaft verbracht. Er stellte im Stande der Schubhaft einen Asyl Folgeantrag, mit selben Tag wurde gemäß § 76 Abs. 6 FPG behördlich die Fortsetzung der Schubhaft wegen offensichtlicher Verzögerungsabsicht beschlossen. Mit Erkenntnis vom 23.03.2020 W171 2126792-2 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Fortsetzung der Schubhaft rechtmäßig ist.

Es wird festgestellt, dass der BF die zuvor beschriebenen Straftaten begangen und die genannten Verhaltensweisen gesetzt hat.

1.5. Das BFA setzte den BF davon in Kenntnis, dass aufgrund der bevorstehenden Haftentlassung beabsichtigt sei, die gegenwärtige Rückkehrentscheidung durchzusetzen und es bis zur Ausstellung eines Ersatzreisedokuments bzw. zur Sicherung erforderlich sei, über ihn die Schubhaft zu verhängen. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit gewährt, hierzu Stellung zu nehmen, wovon er allerdings Abstand nahm.

Mit Bescheid vom 26.02.2020 wurde gegen den BF neuerlich die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung erlassen.

Am 02.03.2020 stellte der BF eine Asyl(Folge)antrag.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 09.03.2020 hob die belangte Behörde den faktischen Abschiebeschutz gegen den BF auf und mit Beschluss des BVwG vom 17.03.2020, I419 2229517-1/5E behoben.

Am 17.04.2020 wurde er wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

1.6. Am 09.06.2020 wurden gegen den BF neuerlich die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahren im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme angeordnet.

Mit Bescheid vom 26.06.2020 wies das BFA den Asyl(Folge-)Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück, zugleich wurde der BF ein Aufenthaltstitel ausberücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig ist, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und gegen ihn ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

1.7. Mit Erkenntnis vom 21.10.2020 I403 2229517-2/19E des BVwG wurde der Beschwerde gegen den Bescheid vom 02.03.2020 teilweise stattgegeben und das Einreiseverbot auf 5 Jahre befristet herabgesetzt. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dagegen beantragte BF Verfahrenshilfe beim VwGH, welcher diese mit Beschluss vom 18.12.2020 gewährte.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.10.2020 (mündlich verkündet am 07.10.2020), G309 2126792-4/28E wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

1.8. Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine sozialen oder familiären Anbindungen. Er war in Österreich bis dato nicht legal beschäftigt und kann auf keine gesicherte Unterkunft zurückgreifen. Er ist nicht gewillt in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Er erhielt – abgesehen von seiner Zeit in Straft- und Verwaltungsstrafhaft – staatliche Grundversorgung. Er wurde mehrfach strafrechtlich verurteilt und versuchte seinen Lebensunterhalt mit Suchmittelhandel zu finanzieren. Er ist gesund und arbeitsfähig.

BD wirkt bis dato bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht mit und zeigte sich unkooperativ. Des Weiteren ist er in Hungerstreik getreten um seine Entlassung aus der Schubhaft zu erwirken.

1.9. Die Behörde hat das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats rechtzeitig und zielführend geführt. Bereits seit 2016 wurde bei der zuständigen Botschaft um Ausstellung des HRZ ersucht. Zeitgleich wurde mit dem Staaten Tunesien und Libyen Verfahren zur Identitätsfeststellung eingeleitet.

Am 24.05.2016 fand eine Vorführung im PAZ XXXX unter Anwesenheit einer algerischen Delegation statt, wobei eine Entscheidung von näheren Überprüfungen abhängig gemacht wurde. Mit der algerischen Botschaft wurde das HRZ Verfahren im Februar 2020 neuerlich aufgenommen, es besteht laufend Kontakt und aufgrund neuer Angaben des BD in dem betreffenden Formblatt haben sich neue Anhaltspunkte ergeben, welche zwecks Erlangung es HRZ der algerischen Botschaft mitgeteilt wurde. Am 11.11.2020 wurde nochmals die Ausstellung eines HRZ beantragt. Am 09.12.2020 wurde bei der algerischen Botschaft die Ausstellung eines HRZ urgiert.

Betreffend Marokko wurde am 7.1.2021 neuerlich die –Ausstellung eines HRZ beantragt.

Für Tunesien wurde am 14.1.2021 die Ausstellung eines HRZ beantragt.

Somit wurde das HRZ Verfahren von der Behörde durchgehend und zügig sowie mit Nachdruck geführt und auf die zeitliche Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung Bedacht genommen. Es ist die Abschiebung innerhalb der maximal zulässigen Anhaltedauer mit großer Wahrscheinlichkeit möglich.

Die Air Algerie nimmt nach Information des BFA ab Februar 2021 den Flugbetrieb wieder auf, sodass bei Erlangung eines HRZ für Algerien auch mit einer Abschiebung gerechnet werden kann.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 05.11.2020, G310 2126792-5/2E wurde entschieden, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Fortsetzung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Ebenso wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 16.12.2020 (mündlich verkündet am 01.12.2020), G306 2126792-6/9E, festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Fortsetzung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.12.2020 wurde zuletzt die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung n Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt.

Es liegen die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft weiterhin vor. Der BF ist insgesamt nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, insbesondere im Hinblick auf seine bereits bekannten Verurteilungen durch Strafgerichte im österreichischen Bundesgebiet besteht die Gefahr eines neuerlichen Verstoßes gegen die österreichische Rechtsordnung.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BF mehrfach untertaucht, bevor er abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen ist und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Verurteilungen des BF folgen dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Aufgrund seines Verhaltens seit Stellung des Antrags auf internationalen Schutz, insbesondere der Begehung von mehreren Suchtmitteldelikten im Zeitraum 2015 bis 2019 kann dem BF keine Vertrauenswürdigkeit attestiert werden.

Das Fehlen substanzieller sozialer, familiärer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage. Deutschkenntnisse wurden vom BF nicht behauptet. Im Verfahren sind auch keine legalen Beschäftigungsverhältnisse oder Fähigkeiten hervorgekommen, die zu einer Sicherung der eigenen Existenz in Österreich beitragen würde. Vielmehr hat er selbst angegeben, sich mit dem Handel mit Suchtgift den Lebensunterhalt verdient zu haben. Auch außerhalb der Haftzeiten hat er keine substanziellen beruflichen Integrationsschritte gesetzt. Gesundheitliche Probleme des BF wurden im Verfahren vom BF nicht behauptet und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Die Behörde ist zutreffend von hoher Fluchtgefahr hinsichtlich des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Der BF hält sich seit 2014 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, durchlief ein für ihn in allen Spruchpunkten abweisendes Asylverfahren und besteht gegen ihn ein rechtskräftiges Einreiseverbot.

Im Hinblick auf das bereits eingeleitete HRZ Verfahren ist anzumerken, dass mit dem zuständigen Heimatstaat laufend Kontakt gehalten wird. Die belangte Behörde hat das Verfahren zeitgerecht eingeleitet und wird zeitnah nach Zustimmung zur Ausstellung eines HRZ durch die algerische Botschaft seine Rückführung erfolgen. Des weiteren wurden HRZ für Marokko und Tunesien im Jänner 2021 beantragt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100/2005 idgF, lauten:

„Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit 09.06.2020 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Zunächst ist festzuhalten, dass den vom BVwG im Erkenntnis GZ: G306 2126792-6/9E vom 16.12.2020 dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt.

Die Behörde hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus den Angaben des BF (er will nicht zurück in seinen Heimatstaat) mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Zudem hat er bereits mehrmals durch sein Verhalten gezeigt, dass er nicht kooperativ ist, sohin ist er mehrfach untergetaucht und ist in Hungerstreik getreten um seine Entlassung aus der Schubhaft zu erpressen. Die Behörde hat im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine erhebliche Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen. Ferner wurde der BF bis dato mehrmals straffällig, verbrachte nahezu die gesamte Meldezeit in Polizeigewahrsam oder Strafhaft, war dazwischen unsteten Aufenthaltes, entzog sich dem Verfügungsbereich der Behörde, meldete dieser seinen jeweils aktuellen Aufenthalt nicht, hat keinerlei soziale, berufliche oder sonstige Anbindungen im Bundesgebiet, nahm von dem im Rahmen der Anordnung eines gelinderen Mittels bestehenden Meldegebot Abstand, ging keiner legalen Beschäftigung nach, versuchte seinen Lebensunterhalt mit Diebstahl zu finanzieren, wirkte an der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes nicht mit.

Der BF hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig.

Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, zumal auch massiv straffällig, außer Landes zu bringen.

In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgte zeitnah, die belangte Behörde ist mit dem betroffenen Staaten in laufenden Kontakt, somit ist zeitnah mit der Zustimmung zur Ausstellung eines HRZ sowie einer Abschiebung auf dem Flugweg zu rechnen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist nicht hervorgekommen.

Der BF hat weder familiäre, soziale, berufliche, sprachliche noch sonstige Bindungen ins Bundesgebiet geltend gemacht. Angesichts des Gesamtverhaltens des BF kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dieser in seinem Verfahren bzw. an seiner Abschiebung mitwirken wird und muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft unterzutauchen ausgegangen werden, wobei er bereits ausdrücklich erklärte, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen.

Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher fortgesetzt werden, weshalb wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Angaben des BD vor der belangten Behörde sowie im Verfahren vor dem BVwG G306 2126792-6/9E geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, zudem sich auch keine Änderungen im festgestellten Sachverhalt ergeben haben.

3.4. Zu Spruchpunkt B.:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2126792.8.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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