TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/20 G307 2237832-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.01.2021

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G307 2237832-1/5E

Im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2020, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 58 Abs. 2 iVm. 55 Abs. 1 AsylG, der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 01.09.2020 wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) anlässlich seiner Anhaltung in Untersuchungshaft darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, eine Rückkehrentscheidung kombiniert mit einem Einreiseverbot zu erlassen. Zudem wurde der BF zur Abgabe einer dahingehenden Stellungnahme aufgefordert.

2. Mit per Post am 16.09.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz gab der BF hiezu eine Stellungnahme ab.

3. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2020, wurde der BF wegen der Verbrechen des versuchten Raubes gemäß §§ 15, 142 Abs. 1 StGB und der schweren Nötigung gemäß §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, sowie der Vergehen des Diebstahls gemäß § 127 StGB, des schweren Betruges gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB und der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon 12 Monate bedingt auf 3 Jahre nachgesehen wurden, verurteilt.

4. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 10.11.2020, wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf 2 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BiH) gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV.), und festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt V.).

5. Mit per E-Mail am 04.12.2020 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Behebung des angefochtenen Bescheides, die Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides im Umfang seiner Spruchpunkte III. und IV., in eventu die Verkürzung der Befristung des Einreiseverbotes beantragt.

6. Die Beschwerde samt Verfahrensakten wurde vom BFA dem BVwG vorgelegt, und langten dort am 17.12.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), bosnischer Staatsbürger, ledig, gesund, arbeitsfähig und kinderlos.

1.2. Der BF hält sich seit seinem 2. Lebensjahr durchgehend in Österreich auf, hat im Bundesgebiet den Kindergarten besucht, die Pflichtschule absolviert sowie mehrere Berufsausbildungen begonnen, jedoch letztlich keine abgeschlossen.

1.3. Der BF ist der deutschen Sprache mächtig. Im Bundesgebiet halten sich die Mutter und zwei Brüder des BF auf. Die Mutter des BF ist im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“.

1.4. Der BF war zuletzt im Besitz eines Daueraufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“, welcher am XXXX .2019 mangels Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet wiederrufen wurde. Ein weiterer Aufenthaltstitel wurde dem BF nicht erteilt.

1.5. Der BF war von 12.10.2015 bis 14.01.2016, 01.09.2016 bis 09.06.2017, 22.09.2017 bis 14.03.2018 und 21.08.2020 bis 26.08.2020 in Österreich obdachlos gemeldet und weist zudem widerholt Lücken in seinen Wohnsitzmeldungen wegen Obdachlsosigkeit, insbesondere von 14.03.2018 bis 21.08.2020, auf.

1.6. Der BF während folgender Zeitspannen Erwerbstätigkeiten in Österreich nach:

01.09.2008 bis 04.11.2008 Arbeiterlehrling

14.01.2009 bis 15.02.2009 Arbeiterlehrling

16.03.2009 bis 05.07.2009 Arbeiterlehrling

16.02.2009 bis 27.02.2009  Arbeiterlehrling

18.10.2013 bis 20.10.2013  geringfügig beschäftigter Arbeiter

25.10.2013 bis 27.10.2013 geringfügig beschäftigter Arbeiter

06.05.2015 bis 28.05.2015  Arbeiterlehrling

1.7. Der BF bezog beginnend mit 19.10.2009 überwiegend Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung. Das gilt auch für die Zeit seit dem XXXX .2020.

1.8. Der BF führt mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX , geb. XXXX , eine Beziehung und lebt mit dieser seit 20.11.2020 im gemeinsamen Haushalt. Die Lebensgefährtin des BF ist seit 29.11.2017 durchgehend bei der XXXX erwerbstätig.

1.9. Der BF war zuletzt im Alter mit 8 Jahren in seinem Herkunftsstaat und pflegt keine Beziehungen zu und in BiH mehr.

1.10. Mit Urteil des LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2020, in Rechtskraft erwachsen XXXX .2020, wurde der BF wegen der Verbrechen des versuchten Raubes gemäß §§ 15, 142 Abs. 1 StGB und der schweren Nötigung gemäß §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, sowie der Vergehen des Diebstahls gemäß § 127 StGB, des schweren Betruges gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB und der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon 12 Monate bedingt auf 3 Jahre nachgesehen wurden, verurteilt.

Der BF wurde für darin schuldig befunden, er habe

A.       mit den abgesondert verurteilten Mittätern am XXXX .2017 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbarer Täter mit Gewalt gegen eine Person und durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) versucht, dem S.K.J. ca. 100 Gramm Cannabiskraut im Wert von € 1.000,00 abzunötigen bzw. wegzunehmen, indem er zunächst gemeinsam mit J.S. durch die Äußerung „Gib uns das Weed oder wir schlagen dich“ und sodann U.S. indem er S.K.J. gegen eine Wand stieß, dessen Rucksack mit Kraftanwendung herunterzog und diesen durchsuchte sowie in der Wohnung des H.S., K.J. durch die sinngemäße Äußerung „Gib mir das Weed oder ich schlag di ins Krankenhaus“ und in der Folge durch das Versetzen von vier kräftigen Ohrfeigen in das Gesicht; hiebei standen J.S. und der BF jeweils um S.K.J. herum und verhinderten durch ihre Gegenwart, dass dieser eine Gegenwähr setzten bzw. fliehen konnte, wobei es mangels Beute beim Versuch blieb;

B.       am XXXX .2016 in XXXX eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bluetooth-Lautsprecher des P.P. im Wert von € 100,00 sich oder einen Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

C.       A.F. durch gefährliche Drohung mit dem Tod, und zwar durch die Äußerung „ich stech dich ab, verpiss dich, ich bring dich um“, während er ein Fleischmesser mit ca. 20 cm langer Klinge gegen dessen Oberkörper richtete, zu einer Handlung, nämlich dem Verlassen der Wohnung des D.P., genötigt.

D.       mit J.B. am XXXX .2017 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter

a.       J.M. Bargeld in der Höhe von ca. € 10,00 und eine Brieftasche im unbekannten Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

b.       mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, eine Mitarbeiterin einer Einzelhandelsfirmenfiliale durch die Vorgabe, Berechtigte hinsichtlich der Bankomatkarte der J.M. zu sein und unter Verwendung deren NFC-Zahlfunktion, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung eines entfremdeten unbaren Zahlungsmittel, zu Handlungen, nämlich in zwei Angriffen zur Überlassung von Waren im Wert von € 19,70 und € 0,20 verleitet, wodurch Berechtigte einer Bank in einem € 5.000,00 nicht übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen geschädigt wurden;

c.       im Zuge der Tathandlung zu Punkt D.b. Urkunden der J.M., über die sie nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar mehrere Kundenkarten und ihren Reisepass, indem sie diese wegwarfen.

Es wird festgestellt, dass der BF die strafbaren Handlungen begangen und das beschriebene Verhalten gesetzt hat.

1.11. Von XXXX .2017 bis XXXX .2017 sowie von XXXX .2020 bis XXXX .2020 wurde der BF in Justizanstalten in Österreich angehalten.

1.12. Mit Beschluss des LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2020, wurde der BF am XXXX .2020 bedingt aus seiner Freiheitsstrafe entlassen.

1.13. BiH gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung

2.1.Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Insoweit Feststellungen zu Identität des BF (Name und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, familiären Bezugspunkten in Österreich, Gesundheitszustand, Arbeitsfähigkeit sowie Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ samt Widerruf desselben mangels Wohnsitzes in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Der Familienstatus des BF sowie dessen Kinderlosigkeit beruhen auf dem fehlenden Vorliegen dem entgegenstehender Anhaltspunkte. Zudem wird der BF im Zentralen Melderegister als ledig geführt.

Dem konkreten und widerspruchsfrei gebliebenen Vorbringen des BF folgen ferner dessen Aufenthalt in Österreich seit seinem 2. Lebensjahr, der Besuch des Kindergartens sowie der Pflichtschule in Österreich, der letzte Aufenthalt in BiH im Alter von 8 Jahren, das Fehlen sozialer und familiärer Bezugspunkte im Herkunftsstaat und spiegelt sich dies auch in dessen Sozialversicherungsauszug wieder, woraus sich die wiederholt abgebrochenen Berufsausbildungen ergeben. Ferner wird das Vorbringen des BF hinsichtlich seines Pflichtschulbesuches in Österreich durch die in Österreich geltende Schulpflicht untermauert und entspricht es der Lebenserfahrung, dass nach einem mittlerweile 27järigen Aufenthalt in Österreich die Bezüge in und zum Herkunftsstaat abreißen können. Letztlich hat auch die belangte Behörde den langjährigen Aufenthalt des BF in Österreich nicht in Frage gestellt.

Die Erwerbstätigkeiten des BF sind in dem auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszug ersichtlich, welchem auch der überwiegende und aktuelle Bezug von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung entnommen werden kann.

Die Kenntnis der deutschen Sprache hat der BF durch seine schriftlichen Eingaben beim BFA in deutscher Sprache unter Beweis gestellt. Darüber hinaus kann aufgrund des Schulbesuches und langjährigen Aufenthaltes des BF in Österreich darauf geschlossen werden, dass der BF der deutschen Sprache mächtig ist.

Die Wohnsitz- und die Obdachlosenmeldungen sowie die wiederholten Meldelücken in Österreich beruhen auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister (ZMR), welchem auch die Anhaltungen des BF in Justizanstalten entnommen werden können und ergibt sich die Einstufung BiH als sicherer Herkunftsstaat aus § 1 Z 1 HStV.

Die Beziehung des BF zu der oben genannten österreichischen Staatsbürgerin folgt ebenso den konkreten Angaben des BF vor der belangten Behörde, welche durch eine gemeinsame Wohnsitzmeldung untermauert wird.

Dem auf die Person er LG lautenden Sozialversicherungsauszug ist deren aktuell ausgeübte Erwerbstätigkeit zu entnehmen und ergibt sich der Besitz eines Daueraufenthaltstitels der Mutter des BF aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister (ZFR). Aus diesem ist auch ersichtlich, dass dem BF, abgesehen vom widerrufenen Daueraufenthaltstitel, kein weiterer Aufenthaltstitel erteilt wurde.

Die strafgerichtliche Verurteilung des BF samt näherer, hiezu ergangener Ausführungen sowie die Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen hat, beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie einer Ausfertigung des oben zitierten Strafurteiles im Akt.

Durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich konnte zudem die bedingte Entlassung des BF aus seiner Freiheitsstrafe am XXXX .2020 ermittelt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1.  Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.

Der BF als Staatsangehöriger von BiH ist sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2. Staatsangehörige der Republik Bosnien und Herzegowina, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art 4 Abs. 1 iVm. Anlage II der Verordnung (EU) Nr. 2018/1806, vom 14.11.2018, Abl. L 303/39 vom 28.11.2018 von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Der BF hält sich seit seinem 2. Lebensjahr durchgehend in Österreich auf und war zuletzt im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels, welcher am XXXX .2019 widerrufen wurde.

Da dem BF seither auch kein Aufenthaltstitel mehr erteilt wurde, erweist sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet seither als unrechtmäßig.

3.1.3. Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK“ betitelte § 55 ASylG lautet:

„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.1.4.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

•        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

•        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

•        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

•        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

•        die Bindungen zum Heimatstaat,

•        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

•        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101). (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können Ausweisungen ausnahmsweise auch nach über zehn Jahre andauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (Vgl. VwGH 10.12.2013, 2012/22/0129)

„Es trifft zu, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist und grundsätzlich nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden kann (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0340, mwN). Diese zu mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalten entwickelte Judikatur wurde vom VwGH - bei stärkerem Integrationserfolg - auch auf Fälle übertragen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0132, mwN). Diese Rechtsprechungslinie betraf aber nur Konstellationen, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über zehn Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0054; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).“ (VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0169)

„Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielt in der Judikatur des VwGH nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden, kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist (vgl E 26. März 2015, 2013/22/0303). In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stand die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich befindliche Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern nie in Frage (vgl. E 2. August 2013, 2012/21/0262).“ (VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121)

„Im Falle der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, wenn diese (auch) wegen strafrechtlichen Fehlverhaltens verhängt werden, bedarf es vor allem im Rahmen der zu treffenden Gefährlichkeitsprognose einer näheren Auseinandersetzung mit diesem strafrechtlichen Fehlverhalten im Einzelnen (Hinweis E 19. Mai 2015, Ra 2014/21/0057).“ (VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121)

3.1.5. „Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).“ (vgl. VwGH 08.11.2018, Ro 2016/22/0120)

Der BF hält sich seit seinem 2. Lebensjahr, sohin seit mittlerweile rund 27 Jahren, in Österreich auf und war dessen Aufenthalt bis XXXX .2019 rechtmäßig. Ferner absolvierte der BF in Österreich seine Pflichtschulausbildung und ging, wenn auch nur jeweils kurze Zeiträume, Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nach. Zudem weist der BF kernfamiliäre Bezugspunkte in Österreich auf und führt mit seiner Lebensgefährtin ein aufrechtes Familienleben. Der Lebensmittelpunkt des BF in sozialer und familiärer Hinsicht liegt ausschließlich in Österreich.

Demgegenüber ist in Anschlag zu bringen, dass der BF bis dato nicht nachhaltig am Arbeitsmarkt Fuß fassen konnte, mangels aktueller Erwerbstätigkeit nicht selbsterhaltungsfähig ist, wiederholt obdachlos war und zudem strafgerichtlich verurteilt wurde.

So wurde der BF mit oben zitierten Urteil wegen der Verbrechen des versuchten Raubes gemäß §§ 15, 142 Abs. 1 StGB und der schweren Nötigung gemäß §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen des Diebstahls gemäß § 127 StGB, des schweren Betruges gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB und der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon 12 Monate bedingt auf 3 Jahre nachgesehen wurden, verurteilt.

Dabei fallen vor allem die mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt im Zusammenhang stehenden Delikte, teils im Zusammenwirken mit weiteren Tätern besonders ins Auge, zumal der BF damit eine gewisse Neigung zu Gewalt aufgezeigt hat. Unter Berücksichtigung der Anzahl sowie der teilweisen Einschlägigkeit der vom BF begangenen Delikte steht es außer Zweifel, dass das vom BF gezeigte Verhalten eine maßgebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt (vgl. VwGH vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 zur Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch Gewalt und Eigentumsdelikte).

Es gilt jedoch gegenständlich zu bedenken, dass es sich dabei um die erste Verurteilung des BF handelt, dieser die besagten Straftaten allesamt bereits im Jahr 2017 verübt hat und sich seither in strafgerichtlicher Hinsicht wohlverhalten hat. Ferner zeigt sich der BF einsichtig und reuig, verfügt aktuell über einen festen Wohnsitz und führt mit seiner Lebensgefährtin ein gemeinsames Familienleben. Der BF lässt sohin positive Entwicklungstendenzen erkennen.

Das Verwaltungsgericht verkennt keinesfalls, dass der Beachtung fremdenrechtlicher, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnder Normen, an der Beendigung unrechtmäßiger Aufenthalte im Bundesgebiet (vgl. VwGH 09.03.2003, 2002/18/0293) sowie an der Verhinderung von Eigentums- und Gewaltdelikten (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474) große Bedeutung zukommt. Wenn die integrativen Leistungen des BF sowie dessen Bezugspunkte in Österreich wegen seiner Straftaten und des unrechtmäßigen Aufenthalts auch eine gewisse Relativierung hinzunehmen haben, so kommt das erkennende Gericht dennoch zur Ansicht, dass im konkreten Fall von einem Überwiegen der Interessen des BF im Hinblick auf einen Verbleib im Bundesgebiet festzustellen ist. Hiebei ist zu bedenken, dass die Beziehung des BF zum Herkunftsstaat wegen des langen Aufenthaltes in Österreich abgebrochen ist, den er bereits im Säuglingsalter begründet hat. Ferner bestehen enge familiäre Bande im Bundesgebiet, weshalb nach Abwägung der sich widerstreitenden privaten Interessen des BF und jenen der Republik Österreich ersteren der Vorzug zu geben war.

Die Anordnung einer Rückkehrentscheidung zöge sohin eine Verletzung der Rechte des BF nach Art. 8 EMRK nach sich und erweist sich eine solche sohin aufgrund des nicht nur vorübergehenden Wesens der dieser Verletzung zugrundeliegenden Umstände, als iSd. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig.

Insofern liegen die Voraussetzungen für die Erteilungen eines Aufenthaltstitels an den BF gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 AsylG vor (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH umsetzt, und hierfür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist).

Angesichts der Absolvierung der Pflichtschulausbildung in Österreich und damit des Erfüllens der Voraussetzungen iSd. § 81 Abs. 36 NAG iVm. § 14b Abs. 2 Z 5 NAG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 bzw. § 10 Abs. 2 Z 5 IntG seitens des BF war der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß festzustellen, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 54 Abs. 2 AsylG „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen ist. Ausschlussgründe iSd. § 60 AsylG liegen nicht vor.

3.1.6. Aufgrund erfolgter – die Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewirkender – Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG an den BF fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG) samt Festsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) sowie die Erlassung eines Einreiseverbotes weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides – im Zuge der Stattgabe der Beschwerde – als aufgehoben gelten.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2237832.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten