TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/21 G314 2211044-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2021
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Entscheidungsdatum

21.01.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

Spruch


G314 2211044-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des rumänischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2018, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes samt Nebenentscheidungen zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.“

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX .2018 aus Ungarn nach Österreich ausgeliefert und hier in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er rechtskräftig zu einer sechsmonatigen (Zusatz-)Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.09.2018 wurde er aufgefordert, sich zu der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich und zu seinem Privat- und Familienleben zu beantworten. Er erstattete eine entsprechende Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein achtjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF wegen Eigentumsdelikten begründet. Er habe sich ausschließlich zur Verübung strafbarer Handlungen im Inland aufgehalten. Die von ihm gesetzten Handlungen seien unter § 67 Abs 1 und Abs 2 FPG zu subsumieren. Die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurden damit begründet, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten sei, weil er nur zur Begehung strafbarer Handlungen nach Österreich eingereist sei. Es sei davon auszugehen, dass er bei einem Verbleib untertauchen und abermals straffällig werden würde.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid zu beheben, in eventu, die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen. Zudem wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angeregt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er seine Taten bereue und sich um Besserung bemühe. Er habe bereits drei Jahre in Österreich verbracht und sei aufgrund der hier geknüpften Privatkontakte im Inland verankert. Die Zukunftsprognose hätte zu seinen Gunsten ausfallen müssen, weil er seine Taten bereue, sich um Besserung bemühe und im Strafverfahren ein umfassendes und reumütiges Geständnis abgelegt habe.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Das Landesgericht XXXX übermittelte dem BVwG auftragsgemäß den Beschluss über die bedingte Entlassung des BF. Das BVwG holte den BF betreffende Auszüge aus dem Europäischen Strafregister-Informationssystem (ECRIS) ein.

Feststellungen:

Der am XXXX in Rumänien geborene BF ist rumänischer Staatsangehöriger. Seine Muttersprache ist Rumänisch. Er besuchte in seinem Herkunftsstaat, wo seine ganze Familie nach wie vor lebt, die Schule.

Der BF wurde in mehreren Staaten rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Im Juni 2000 wurde er in Rumänien wegen Diebstahlsdelikten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Jänner 2008 wurden in Frankreich wegen Zuhälterei eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie gleichzeitig ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot verhängt. 2014 folgten drei Verurteilungen zu Geldstrafen in Deutschland, davon zwei wegen Diebstählen und eine wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. 2017 wurde der BF in Ungarn wegen Schlepperei (Tatzeit XXXX . und XXXX ) zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, auf die die ab XXXX .2016 in ungarischer Untersuchungshaft zugebrachte Zeit angerechnet wurde. Gleichzeitig wurde er für drei Jahre aus dem ungarischen Hoheitsgebiet ausgewiesen. Am XXXX .2018 wurde er aus der ungarischen Strafhaft bedingt entlassen und bis zu seiner Auslieferung nach Österreich am XXXX .2018 in Übergabe- bzw. Auslieferungshaft angehalten.

Nach der Auslieferung nach Österreich wurde der BF zunächst in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 erster und zweiter Fall StGB, teils iVm § 15 Abs 1 StGB, sowie wegen des Vergehens der Sachbeschädigung unter Bedachtnahme auf die vorangegangene Verurteilung in Ungarn rechtskräftig zu einer sechsmonatigen Zusatz-Freiheitsstrafe verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er im Zeitraum XXXX bis XXXX in insgesamt 16 Angriffen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zusammen mit anderen Personen Kfz-Kompletträder im Gesamtwert von über EUR 225.000 durch Einbrüche in Gebäude, Autos und Lagerplätze gestohlen hatte, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, weil der BF und seine Mittäter nach der Demontage der Räder von der Polizei gestört wurden und fliehen mussten. In zwei Fällen hatte der BF bei den Einbrüchen Pflastersteine aus dem Steinboden geschlagen, um damit Autos aufzubocken, wodurch der Boden beschädigt wurde. Bei der Strafbemessung wurden das Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel und der teilweise Versuch als mildernd gewertet, als erschwerend die Tatwiederholung über einen langen Zeitraum, die hohe Schadenssumme, die mehrfache Deliktsqualifikation und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen. Es handelt sich um die bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung des BF in Österreich, wo er vor seinen Straftaten nicht in Erscheinung getreten war.

Der BF verbüßte die Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX , wo er im gelockerten Vollzug angehalten und als XXXX beschäftigt wurde.

Mit dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde die Übergabe des BF zur Strafverfolgung an die deutschen Justizbehörden nach der Beendigung des aktuellen Strafvollzugs angeordnet, weil die Staatsanwaltschaft XXXX gegen ihn einen Europäischen Haftbefehl erlassen hatte.

Am XXXX .2018 wurde der BF nach dem Vollzug von zwei Dritteln der Haftstrafe unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt entlassen und anschließend den deutschen Behörden übergeben. In Deutschland wurde er mittlerweile mit Urteil vom XXXX wegen schweren Bandendiebstahls (Tatzeit XXXX ) zu einer zweijährigen Freiheitstrafe verurteilt.

Der BF ist im Bundesgebiet weder beruflich noch privat oder familiär integriert. Ihm wurde nie eine Anmeldebescheinigung ausgestellt; er war in Österreich nie sozialversichert. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen basieren insbesondere auf der Stellungnahme des BF, dem Strafurteil des Landesgerichts XXXX , den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR), Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und Strafregister sowie auf den Sozialversicherungsdaten.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus den Angaben zu seiner Person im IZR und im Strafurteil. In den Verwaltungsakten und den Unterlagen des Landesgerichts Leoben scheinen sowohl B?rbule?ti als auch Urziceni als Geburtsort des BF auf. Da beide Orte in geringer Entfernung voneinander in Südostrumänien liegen, kommt dieser Diskrepanz jedoch keine Entscheidungsrelevanz zu.

Die familiären Verhältnisse des BF werden anhand der plausiblen Angaben in seiner Stellungnahme festgestellt, zumal sich auch aus dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX (OZ 7) ergibt, dass seine Ehefrau in XXXX lebt.

Aufgrund der Herkunft des BF ist von entsprechenden Kenntnissen der rumänischen Sprache auszugehen, zumal er nach eigenen Angaben in Rumänien die Schule besuchte.

Laut dem Versicherungsdatenauszug war der BF in Österreich nie legal erwerbstätig oder anderweitig krankenversichert. Aus dem ZMR geht hervor, dass abgesehen von der Anhaltung in der Justizanstalt XXXX zwischen XXXX und XXXX keine Wohnsitzmeldungen im Inland bestanden. Aus dem IZR ergibt sich weder die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung noch ein darauf gerichteter Antrag. Eine Verankerung des BF in Österreich kann daher trotz des Beschwerdevorbringens, wonach er drei Jahre in Österreich verbracht habe, nicht festgestellt werden, zumal er ab August 2016 durchgehend in Ungarn, Österreich und Deutschland in Haft war. Im Inland lebende Bezugspersonen gehen aus dem Akteninhalt nicht hervor; insbesondere nennt der BF keine in seiner Stellungnahme.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seinen Verurteilungen und zu den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Strafregister und dem vorliegenden Urteil des Landesgerichts XXXX . Die anderen im europäischen Rechtsraum erfolgten Verurteilungen ergeben sich aus den vom BVwG eingeholten ECRIS-Auszügen (OZ 8). Die Verurteilung in Ungarn geht auch aus dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX hervor.

Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation der Justizanstalt XXXX . Der Haftbefehl der Staatsanwaltschaft XXXX und die Übergabe des BF an die deutschen Strafverfolgungsbehörden nach der bedingten Entlassung werden anhand des Beschlusses des Landesgerichts XXXX vom XXXX (AS 135 ff) festgestellt.

Mangels anderslautender aktenkundiger Informationen ist davon auszugehen, dass beim BF keine relevanten gesundheitlichen Probleme bestehen. Seine Arbeitsfähigkeit folgt daraus, aus seinem erwerbsfähigen Alter und dem Umstand, dass er während der Haft als Koch tätig war.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF als EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Hier hat sich der BF weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben (das gemäß § 53a NAG idR einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt). Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden.

Das persönliche Verhalten des BF stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Moral) berührt. Die strafrechtliche Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Vermögensdelinquenz im Rahmen einer kriminellen Vereinigung führt in Zusammenschau mit dem Fehlen einer legalen Erwerbstätigkeit und der massiven, einschlägigen Vorbelastung dazu, dass für den BF keine positive Zukunftsprognose erstellt werden kann, sodass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Verurteilung durch das Landesgericht XXXX die Vorstrafen des BF in Rumänien, Frankreich und Deutschland nicht bekannt waren, sodass bei der Strafbemessung irrigerweise angenommen wurde, er sei vor der Verurteilung in Ungarn, auf die bei der Verhängung der Zusatzstrafe Bedacht genommen wurde, unbescholten gewesen.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich nach dem Vollzug einer Haftstrafe in Freiheit wohlverhalten hat (siehe etwa VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Der BF beging bis XXXX gewerbsmäßig Diebstähle in Österreich und machte sich im XXXX in Ungarn der Schlepperei schuldig. Nach dem Strafvollzug in Österreich wurde er an die deutschen Justizbehörden übergeben und zuletzt im XXXX zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Der seit der bedingten Entlassung XXXX verstrichene Zeitraum reicht daher jedenfalls noch nicht aus, um einen nachhaltigen Gesinnungswandel anzunehmen.

Der BF hat kein Familienleben in Österreich. Allfällige hier geknüpfte Sozialkontakte begründen vor dem Hintergrund seiner Straffälligkeit ein vergleichsweise geringes persönliches Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet. Eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung ergibt daher, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privatleben des BF verhältnismäßig ist, zumal nach wie vor Anknüpfungen iSd § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG zu Rumänien bestehen, wo seine gesamte Familie lebt.

Das Aufenthaltsverbot wurde somit dem Grunde nach zu Recht erlassen. Da der BF in Österreich zu einer vergleichsweise geringen Zusatzstrafe verurteilt wurde, aus der er vorzeitig bedingt entlassen werden konnte, und seine letzte Straftat im XXXX erfolgte, ist die Dauer des Aufenthaltsverbots trotz der mittlerweile erfolgten weiteren Verurteilung in Deutschland auf sechs Jahre zu reduzieren. Ein Aufenthaltsverbot in dieser Dauer ist notwendig, aber auch ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung wirksam zu begegnen. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist in diesem Sinn abzuändern.

Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des oder der Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn oder sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Hier sind weder die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung noch die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs korrekturbedürftig. Aufgrund der vom BF vor seiner Verhaftung in Ungarn begangenen massiven, arbeitsteilig organisierten Vermögensdelinquenz ist seine sofortige Ausreise nach dem Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit jedenfalls notwendig, zumal aufgrund der Gewerbsmäßigkeit eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist. Dies führt auch dazu, dass ihm kein Durchsetzungsaufschub zu erteilen ist, zumal nach Beendigung des Strafvollzuges in Österreich die Überstellung an die deutschen Vollzugsbehörden erfolgte. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids ist somit abzuweisen.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, liegt ein eindeutiger Fall vor, sodass eine Beschwerdeverhandlung, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist, gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleibt.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

befristetetes Aufenthaltsverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2211044.1.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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