TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/1 G306 2233495-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.2021
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Entscheidungsdatum

01.02.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §55 Abs1a

Spruch


G306 2233495-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA.: Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 24.06.2020 wiederholt einen Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes.

2. Am 25.06.2020 fand die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

3. Am 03.07.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.

4. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA (im Folgenden: BFA), dem BF zugestellt am 21.07.2020, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 24.06.2020 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ferner wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht bestehe (Spruchpunkt IV.).

5. Mit per Telefax am 22.07.2020 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung (im Folgenden: RV), Verein Menschenrechte Österreich, Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Darin wurde die Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde, in eventu die Stattgabe des Antrages des BF auf Zuerkennung des Internationalen Schutzes beantragt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und langten am 29.07.2020 ein

7. Mit Beschluss des BVwG, GZ.: 2233495-1/8Z, vom 08.09.2020, wurde die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 22 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

8. Mit an das BVwG gerichtetem Schreiben vom 23.11.2020, wurde seitens der RV des BF die Auflösung aller ihr, dem Verein Menschenrechte Österreich, erteilten Vollmachten mit 31.12.2020 bekannt gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch genannten Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, geschieden und kinderlos. Der BF gehört der Volksgruppe der Serben an.

Er reiste im Jahr 2001 im Besitz eines 15 Tage gültigen Arbeitsvisums ins Bundesgebiet ein, und hält sich seither durchgehend in Österreich auf.

Nachdem der BF am XXXX .2016 im Bundesgebiet betreten wurde stellte er am selben Tag einen Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes. Begründend führte er aus, dass er aufgrund des damaligen Krieges auf der Flucht sei. Er sei 8 ½ Monat, nachdem er von der Armee desertiert sei in Gefangenschaft gehalten worden, wo er gequält worden sei, weil er Serbe wäre. Nach seiner Entlassung sei er weiterhin von den Serben schlecht behandelt worden. Letztlich drohe ihm Gefahr von der Partei „SDS“ welche aktuell die regierende Partei im Herkunftsstaat sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 09.11.2016 mangels Glaubwürdigkeit und Asylrelevanz des Vorbringens des BF abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der BF erhob gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel und erwuchs dieser sohin am 29.11.2016 in Rechtskraft.

Am 07.11.2019 stellte der BF erneut einen Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes. Dieser Folgeantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 13.02.2020 wegen entschiedener Rechtssache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Ferner wurde gegen den BF neuerlich eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie ein auf 2 Jahre befristetes Einreiseverbote erlassen. Auch gegen diesen Bescheid erhob der BF kein Rechtsmittel und erwuchs die Entscheidung sohin in Rechtskraft.

Am 13.03.2020 stellte der BF zum dritten Mal einen Antrag auf Zuerkennung des Internationalen Schutzes. Auch dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 07.05.2020, gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen. Auch gegen diesen Bescheid erhob der BF kein Rechtsmittel und erwuchs die besagte Entscheidung in Rechtskraft.

Am XXXX .2020 wurde der BF im Bundesgebiet betreten und über ihn die Schubhaft verhängt. Am 24.06.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft den gegenständlich und mittlerweile vierten Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes.

Seinen neuerlichen Antrag begründend brachte der BF vor, dass ihm nach wie vor dieselbe Gefahr im Herkunftsstaat drohe. Nachdem er im Jahr 1992 8 ½ Monate in Gefangenschaft angehalten worden sei, sei er von der bosnischen Bevölkerung mit dem Tod bedroht worden, da er als Verräter angesehen werde, zumal er im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen Serbischen und Bosnischen Truppen an der Front von Bosniern festgenommen worden sei. Dabei seien zudem viele Serben gestorben.

Der BF hat im Jahr 2015 einen Herzinfarkt erlitten und muss er daher blutverdünnende- und blutdrucksenkende Medikamente einnehmen. Der BF befindet sich jedoch nicht in ärztlicher Behandlung. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, sein Gesundheitszustand sich seit seinem ersten Asylantrag verschlechtert hat und/oder er arbeitsunfähig ist.

Der BF wurde am XXXX .2020 in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.

Die maßgebliche, den BF betreffende allgemeine und medizinische Lage im Herkunftsstaat hat sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens des BF nicht wesentlich relevant verändert.

Bosnien und Herzegowina gilt als sicherer Herkunftsstaat.

Zur aktuellen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF:

Bosnien und Herzegowina:

Politische Lage

Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina (BiH) wurde im November/Dezember 1995 durch das Daytoner „Rahmenabkommen für den Frieden“ geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. Er hat heute ca. 3,5 Millionen Einwohner. BiH ist in zwei flächenmäßig nahezu gleich große, weitgehend autonome Entitäten geteilt: die überwiegend bosniakisch-kroatische Föderation BiH, (FBiH, 51 % des Territoriums, ca. 63 % der Gesamtbevölkerung) und die überwiegend serbische Republika Srpska (RS, 49 % des Territoriums, ca. 35 % der Gesamtbevölkerung). Neben den beiden Entitäten gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Br?ko. Die FBiH gliedert sich in zehn Kantone, die wiederum aus mehreren Gemeinden bestehen. Die RS ist zentral organisiert und nur in Gemeinden gegliedert. Als „Staatsoberhaupt“ des Gesamtstaats fungiert das Staatspräsidium, das in direkter Wahl für eine Amtszeit von 4 Jahren bestimmt wird. Es besteht aus je einem Vertreter der drei konstituierenden Völker. Der Vorsitz rotiert alle 8 Monate. Die Regierungen des Gesamtstaates, der beiden Entitäten, des Distrikts Br?ko und der zehn Kantone in der FBiH kommen zusammen auf über 150 Ministerien. Der Anteil des Staatsapparats am Staatsbudget ist infolgedessen fast doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Im Übrigen ist die Besetzung von Ämtern in Regierungen und Verwaltungen auf allen Ebenen durch die institutionalisierte Machtteilung zwischen den konstituierenden Völkern geprägt (AA 16.4.2018).

In BiH fanden am 7.10.2018 landesweit in beiden Entitäten allgemeine Wahlen statt. Gewählt wurden die drei ethnisch besetzten Mitglieder des Staatspräsidiums, das gesamtstaatliche Parlament von BiH, das Parlament der Föderation von BiH, die Versammlung der 10 Kantonsparlamente, der Präsident und der Vizepräsident der Republik Srpska (RS) sowie die Nationalversammlung der RS. Die Wahlbeteiligung lag bei 53 %. Die SDA und die SNSD sind beide die großen Wahlsieger. In das Staatspräsidium von BiH wurden der kroatische Mitglied Željko Komši? aus der DF (Demokratska Fronta), der serbische Mitglied Milorad Dodik von der SNSD (Union unabhängiger Sozialdemokraten) und bosniakischer Mitglied Šefik Džaferovi? von der SDA (Partei der demokratischen Aktion) gewählt. In Bezug auf die Parlamentswahlen zeichnen sich gegenwärtig mögliche Koalitionen nicht ab (KAS 10.10.2018).

Die konstituierende Sitzung der RS-Volksversammlung fand am 19.11.2018 statt - zur neuen RS-Präsidentin wurde die bisherige Premierministerin Željka Cvijanovic gewählt (VB 16.4.2019).

Die Wahlen sind im Allgemeinen ordnungsgemäß verlaufen und die IEOM-Beobachter (Election Observation Mission) konnten den Prozess ohne Einschränkungen verfolgen (OSCE 25.1.2019).

Trotz permanenter politischer Versprechungen, den EU Beitrittsstatus so bald wie möglich erreichen zu wollen, ging die Beantwortung des von der EU diesbezüglich übermittelten Fragebogens nur sehr schleppend voran. Der Vorsitzende des BiH Staatspräsidiums hat am 4.3.2019 in Brüssel die Antworten auf die Zusatzfragen der EU Kommission eingereicht. Es fehlt auch an der konsequenten Umsetzung der für einen EU-Beitritt maßgeblichen gesetzlichen Richtlinien. Es wird vermieden, bestehende Schlupflöcher zu schließen. Nach wie vor ist die allgegenwärtige Korruption eines der Hauptprobleme im Land (VB 16.4.2019).

Die klassische rechtsstaatliche Gewaltenteilung wird schließlich ergänzt durch den im Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden vorgesehenen Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (HR) und die ihm unterstehende Behörde, dem „Office of the High Representative“ (OHR). Der HR ist die höchste Instanz im Land für die Auslegung und Implementierung des Daytoner Rahmenabkommens für den Frieden und steht damit rechtlich über den staatlichen Stellen. Seit 26.3.2009 ist der Österreicher Valentin Inzko Amtsinhaber (AA 16.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (10.10.2018): Auslandsbüro Bosnien und Herzegowina, Publikationen, Länderberichte, Bosnien nach den Wahlen, https://www.kas.de/web/bosnien-herzegowina/laenderberichte/detail/-/content/bosnien-nach-den-wahlen, Zugriff 24.4.2019

- OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (25.1.2019): Bosnia and Herzegovina, General Elections, 7 October 2018: Final Report, https://www.osce.org/odihr/elections/bih/409905?download=true, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitslage

Wichtigstes Ziel der Sicherheits- und Verteidigungspolitik von BiH ist die Annäherung und schließlich Integration in die euroatlantische Partnerschaftsarchitektur. Jedoch gibt es hiergegen auch Widerstände, insbesondere von Politikern der Republika Srpska (AA 16.4.2018).

In BiH ist man seit vielen Jahren an aggressive nationalistische Rhetorik gewöhnt, allerdings geht es schon lange nicht nur mehr um Worte, sondern auch um Taten. So will die Regierung des Landesteils RS nun eine Reservepolizei aufbauen. Medienberichten zufolge soll diese Polizei dafür sorgen, die "Entitätsgrenzen" - das sind die administrativen Grenzen zwischen den bosnischen Landesteilen RS und Föderation - zu "sichern", wenn der Chef der nationalistischen Partei SNSD, Milorad Dodik, die Sezession der RS ankündigt. Der Gesetzesvorschlag sieht zudem vor, dass Polizisten aus anderen Staaten angestellt werden und "undercover" arbeiten könnten. Das erinnert viele an die Paramilitärs, die im Krieg hier Schrecken verbreiteten. Für Ängste hat zudem gesorgt, dass die Polizei der RS 2017 mit 2.500 automatischen Langwaffen - ähnlich jenen, die eine Armee hat - ausgestattet wurden (derStandard 25.4.2019).

Sowohl die politische Situation als auch die allgemeine Konfliktlage in der Region bleiben auch 23 Jahre nach Kriegsende labil und angespannt. Im Rahmen der EUFOR Mission Operation Althea, die 2004 mit dem Ende von SFOR die Überwachung des Dayton-Abkommens übernahm, sind derzeit 1.600 Soldaten aus 26 Staaten stationiert. Die OSZE-Mission in BiH ist mit etwa 68 Personen weiterhin in dem Land präsent und operiert unter der Führung der USA. Ziel der Mission ist es, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern und die Verteidigungsstrukturen zu stärken. Darüber hinaus hat die Mission zum Ziel, die bosnische Regierung beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, einer funktionierenden Zivilgesellschaft und einem guten Regierungssystem zu unterstützen. Zwischen BiH und Kroatien bestehen einige ungelöste, andauernde Grenz- und Territorialfragen. Zwischen BiH und Serbien wiederum existieren ungelöste Grenz- und Territorialfragen entlang des Flusses Drina (BICC 12.2018; vgl. KAS 12.2017).

Kürzlich wurde publik, dass der kroatische Geheimdienst SOA versuchte, das Nachbarland BiH als Hort des islamischen Terrorismus darzustellen, um es zu diskreditieren. Das bosnische Medium "Žurnal" deckte auf, dass der kroatische Geheimdienst versucht hatte, über einen Mittelsmann Waffen in Moscheen in BiH zu verstecken, um diese angeblichen Waffendepots danach "aufzudecken" und behaupten zu können, es gäbe dort militanten Islamismus. Es gibt seit Jahrzehnten Versuche von kroatischer Seite, BiH als Terrorzentrum zu diskreditieren. Nun bestätigte der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mekti? die Vorwürfe gegen SOA (derStandard 12.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- BICC - Bonn International Center for Conversion (12.2018): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen osnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2018_bosnien.pdf, Zugriff 24.4.2019

- derStandard (12.4.2019): International, Kroatien, Ausspionieren: Kroatischer Geheimdienst verärgert Nachbarn, derstandard.at/2000101246246/Ausspionieren-und-diskreditieren-kroatischer-Geheimdienst-veraergert-Nachbarn, Zugriff 15.4.2019

- derStandard (25.4.2019): International, Bosnien-Herzegowina, Republika Srpska will Sondereinheiten der Polizei aufbauen, https://derstandard.at/2000102024422/Republika-Srpska-will-Sondereinheiten-der-Polizei-aufbauen, Zugriff 26.4.2019

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.2017): Länderbericht, Ethnische Politik in Bosnien und Herzegowina, http://www.kas.de/wf/doc/kas_51222-1522-1-30.pdf?180102110250, Zugriff 5.4.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Staatsverfassung sieht das Recht auf eine faire Gerichtsverhandlung in Zivil- und Strafsachen vor. Die Entitätsverfassungen sehen eine unabhängige Justiz vor. Dennoch beeinflussen manchmal politische Parteien und Persönlichkeiten die Justiz in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption, sowohl auf staatlicher als auch auf Entitätsebene. Die Behörden haben es manchmal versäumt, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörde und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führte das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den 16 Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlichen Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Die Gerichte sind verpflichtet, einen Verteidiger zu bestellen, wenn der Angeklagte taub oder stumm ist oder einer Straftat beschuldigt wird, für die eine langjährige Haft verhängt werden kann. Der Angeklagte hat das Recht auf einen gerichtlich bestellten Dolmetscher, die Zeugen und Beweise in seinen eigenen Namen vorzulegen und Urteile anzufechten. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die meisten dieser Rechte, die sich auf alle Angeklagten erstrecken (USDOS 13.3.2019).

Mit der Schließung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) im Dezember 2017 bekam die Verfolgung von Kriegsverbrechen vor nationalen Gerichten eine neue Bedeutung. In der Praxis gibt es jedoch wenige Fortschritte. Im September 2018 gab es 114 Fälle von Kriegsverbrechen vor dem Staatsgericht mit 296 Angeklagten. Zwischen Jänner und September 2018 verkündete das Gericht 29 Urteile, davon 14 Verurteilungen, 12 Freisprüche und drei Teilfreisprüche. Zwischen Jänner und September 2018 erhielt der Oberste Gerichtshof der RS sieben Fälle von Kriegsverbrechen, von denen vier zu Verurteilungen führten und drei zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses bearbeitet wurden (HRW 17.1.2019).

Der Hohe Justiz- und Staatsanwaltschaftsrat von BiH (HJPC) und die Regulierungsbehörde für das ganze bosnische Gerichtswesen ernannten am 23.1.2019 Gordana Tadic zur Oberstaatsanwältin. Laut dem hohen Repräsentanten in BiH hat sich Situation mit der Rechtsstaatlichkeit in BiH verschlechtert. Korruption und politische Schirmherrschaft sind offensichtlich. Ein großer Grund zur Besorgnis und große Enttäuschung stellen Politiker dar, welche die Justiz kontrollieren und nutzen und dafür wenige oder gar keine Konsequenzen tragen müssen (VB 16.4.2019).

Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in BiH ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Problematisch ist zudem, dass oft die existierenden, transparenten Regelungen zur Auswahl des Richters in einem Verfahren (gesetzlich bestimmter Richter) in der Praxis nicht angewandt werden. Sippenhaft wird in BiH nicht praktiziert (AA 16.4.2018).

Grundsätzlich gilt, dass sich jeder bosnische Staatsbürger im Falle von "Verfolgungshandlungen gegen seine/ihre Person" an Polizei oder direkt an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden bzw. sollte es sich bei der Verfolgungshandlung gegen den Betroffenen um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Auch hat das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge in der Sektion für Menschenrechte eine Abteilung zum „Schutz von individuellen Menschenrechten und Bürgerrechten“, welche u.a. Anliegen und Beschwerden annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet (VB 16.4.2019).

Der Hohe Repräsentant für BiH, Valentin Inzko, berichtete am 11.6.2018 an den UN-Sicherheitsrat, dass BiH neben der Frage der nicht umgesetzten Gerichtsentscheidungen auch vor einem Problem der tief verwurzelten öffentlichen Enttäuschung über die scheinbare Unfähigkeit des Strafrechtssystems Korruption zu bekämpfen und mit dem organisierten Verbrechen umzugehen steht (OHR 11.6.2018).

Das Repräsentantenhaus des BiH-Parlaments verabschiedete am 17.9.2018 das Gesetz zu Änderungen der BiH-Strafprozessordnung im Zuge einer einberufenen Krisensitzung. Somit tritt eine Reihe von Neuheiten hinsichtlich der Voraussetzungen für den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen in Kraft. In den Änderungen der Strafprozessordnung werden auch Fristen neu definiert, innerhalb derer die Ermittlungen abgeschlossen werden müssen. Die Änderungen präzisieren klar die Ermittlungsdauer oder den Zeitpunkt, bis zu dem Anklage erhoben werden muss. Das Gesetz präzisiert ebenfalls Straftaten, für die besondere Ermittlungsmaßnahmen, wie zum Beispiel Abhörmaßnahmen, angeordnet werden können (VB 16.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002240.html, Zugriff 24.4.2019

- OHR – Office of the High Representative (11.6.2018): emarks by High Representative Valentin Inzko to the UN Security Council, http://www.ohr.int/?p=100185, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitsbehörden

Auch im Bereich Sicherheit schlägt sich die komplexe BiH Verfassung nieder: Auf Gesamtstaatsebene existiert neben der dem deutschen BKA vergleichbaren Polizeibehörde SIPA (u.a. zuständig für Kriegsverbrechen, OK und Korruption) die Grenzpolizei sowie die Direktion zur Koordinierung der Polizeidienste, der u.a. Interpol und der Objektschutz zugeordnet sind. Aufsicht über diese gesamtstaatlichen Polizeibehörden liegt beim Sicherheitsministerium. In der FBiH existiert eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajevo, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet FBiH erstreckt, die aber keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den auf Kantonsebene bestehenden Polizeibehörden hat. In der RS übt die Gesamtpolizei der RS hingegen auch Aufsicht über die 6 regionalen Polizeibehörden der Entität aus. Die Polizei im Sonderdistrikt Brcko ist unabhängig. Jede dieser Behörden verfügt wiederum über Spezialeinheiten. Daneben besteht ein gesamtstaatlicher, sowohl In- als auch Auslandsaktivitäten abdeckender Geheimdienst (OSA), der aus der Zusammenlegung der früher existierenden beiden Entitätsgeheimdienste entstanden ist. Seit 2006 steht er unter parlamentarischer Kontrolle. Es ist nicht auszuschließen, dass insbesondere die Polizeibehörden der RS zumindest teilweise nachrichtendienstliche Parallelstrukturen unterhalten. Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u.a. in Hinblick auf die weitere NATO-Annäherung BiHs). Durch das Verteidigungsgesetz und das Wehrdienstgesetz (beide 2005) wurde mit den „Armed Forces“ eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebene Truppenteile der drei konstitutiven Volksgruppen wurden abgeschafft (AA 16.4.2018).

Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess statt. Erfolge bestehen darin, dass die Polizei, die einst Rückkehrer drangsalierte und Kriegsverbrecher schützte, nun zu den angesehensten Institutionen im ganzen Land zählt (BICC 12.2018).

Durch die permanente Ausbildung von bosnischen Polizeibeamten durch europäische und österreichische Experten (z.B. Twinning Project „Strenghtening in Law Enforcement“ und „Moneylaundering“) wurde die internationale Zusammenarbeit wesentlich ausgebaut. Die Kooperation zwischen heimischen [österreichischen; Anm.] und bosnischen Sicherheitsbehörden hat sich unter anderem auch dadurch weiter intensiviert. Besonders hervorzuheben ist die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen dem BVT und den bosnischen Sicherheitsbehörden (VB 16.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- BICC - Bonn International Center for Conversion (12.2018): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2018_bosnien.pdf, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung von BiH schreibt für alle Menschen das Recht auf Freiheit von Folter fest. BiH ist danach an die Antifolterkonvention (1984) und die Europäische Folterverhütungskonvention gebunden. BiH hat 2003 vorbehaltlos die Zuständigkeit der Antifolterkommission nach Art. 22 der VN-Antifolterkonvention anerkannt. Folter ist in BiH strafbar. Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, CPT) überprüft seit 2011 Polizeistationen, Haftanstalten und psychiatrische Einrichtungen in BiH. Es kommt nach Angaben des CPT im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen verbreitet und innerhalb der Gefängnisse nach wie vor vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen Angehörige der Roma. Beschwerden von Betroffenen werden uneinheitlich behandelt und nur wenige werden aufgeklärt (AA 16.4.2018).

Das Gesetz verbietet solche Praktiken. Obwohl es in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 keine Berichte gab, dass Regierungsbeamte solche Maßnahmen ergriffen haben, gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass die Sicherheitskräfte die Praxis der schweren Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen, die in den Vorjahren gemeldet wurden, beendet hatten. Die Regierung verfügt über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption. Allerdings verhindert der politische Druck oft die Nutzung dieser Mechanismen. Die Beobachter halten die polizeiliche Straflosigkeit für weit verbreitet. In Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, stellt die Regierung für die Sicherheitskräfte Schulungen zur Bekämpfung von Korruption und Missbrauch zur Verfügung bzw. fördert die Einhaltung von Menschenrechten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Jahr 2018 gab es im Bereich der Menschenrechte kaum sichtbare Fortschritte. Mitglieder nationaler Minderheiten hatten bei den Parlamentswahlen 2018 keinen Anspruch auf einen Präsidentschaftskandidaten, da die diskriminierenden Bestimmungen der Verfassung nach wie vor nicht geändert wurden. Die Behörden leisteten Tausenden von Asylbewerbern und Migranten, die 2018 ankamen, keine Grundversorgung. Journalisten sahen sich weiterhin Bedrohungen und Einmischungen in ihre Arbeit ausgesetzt. Kriegsverbrecherfälle wurden weiterhin nur langsam bearbeitet. Mitglieder von Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender-Gemeinschaften (LGBT) sehen sich weiterhin Hassreden und Bedrohungen ausgesetzt (HRW 17.1.2019).

Im September 2019 soll die erste offizielle Gay Pride durchgeführt werden. Seit der Bekanntgabe werden LGBT-Personen vermehrt zur Zielscheibe des Hasses. Dies zeigen viele homophobe Kommentare in den sozialen Netzwerken. Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung und Hassverbrechen sind verboten. In der Realität sind LGBT-Personen immer wieder verbalen und gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt (BAMF 15.4.2019).

Eine Beschränkung der Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition durch den Staat und seine Organe erfolgt grundsätzlich nicht. Die Vereinigungsfreiheit wird durch die Verfassung sowie durch beide Entitätsverfassungen gewährleistet. Vereine und Stiftungen können auf Gesamtstaatsebene registriert werden. Die Versammlungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Die Informationsfreiheit ist insofern gewährleistet, als es insgesamt ein breit gefächertes Medienangebot gibt, so dass bei Lektüre einer Vielzahl von Medien eine umfassende Information möglich ist. Jedoch gibt es kein Medium, das unabhängig von parteipolitischer Einflussnahme ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird seinem Informationsauftrag nicht gerecht. Unabhängige Beobachter wie die OSZE, Human Rights Watch, der hiesige Presserat und die EU sehen kritische Journalisten neben wirtschaftlichem Druck vereinzelt Bedrohungen und Nötigung ausgesetzt (AA 16.4.2018).

Grundlegende Menschen- und Bürgerrechte sind zwar durch die Verfassung gedeckt, werden jedoch weiterhin missachtet. Die Diskriminierung in weiten Teilen des öffentlichen und privaten Lebens ist weit verbreitet. Sehr problematisch ist das mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügte Wahlrecht, das Minderheiten keine ausreichende Vertretung garantiert. Auch Teile der Verfassung, die stellenweise nur einen provisorischen Charakter haben, sind aus Sicht des Gerichtshofs kritisch. Trotz Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes und sich daraus ergebender Fortschritte bei der Bekämpfung der Diskriminierung, verdeutlichen beispielsweise die allgemeine Segregation und Diskriminierung in öffentlichen Schulen dieses grundlegende Problem, das das Zusammenleben zukünftiger Generationen weiterhin erschweren wird. Defizite bestehen weiterhin bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und der gesellschaftlichen Versöhnung. Bei der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen treten weiterhin Mängel auf (BICC 12.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (15.4.2019): BN - Briefing Notes, per E-Mail

- BICC - Bonn International Center for Conversion (12.2018): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2018_bosnien.pdf, Zugriff 24.4.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002240.html, Zugriff 24.4.2019

Todesstrafe

Das EMRK-Protokoll Nr. 6 ist in BiH am 1.11.2003 in Kraft getreten; die Todesstrafe wurde hierdurch abgeschafft, aber in der Verfassung der RS ist sie weiterhin zu finden. Beide Entitäten haben die Todesstrafe inzwischen aus ihren Strafgesetzbüchern gestrichen (AA 16.4.2018; vgl. AI 12.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- AI - Amnesty International (12.4.2018): Death Sentences and Executions 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1429291/90_1523523827_act5079552018english.pdf, Zugriff 24.4.2019

Bewegungsfreiheit

Soweit Angehörige einer der drei konstitutiven Volksgruppen Repressionen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe entgehen möchten, können sie sich i.d.R. in einen anderen Teil des Staatsgebiets begeben. Für Angehörige gemischter Ehen und gemischter Familien gibt es kein „Mehrheitsgebiet“ ihrer Volksgruppe. In der RS stellt sich die gesellschaftliche Akzeptanz gemischt-ethnischer Ehen bzw. Familien schwieriger dar. Reisende BiH-Staatsangehörige wie auch andere Staatsangehörige werden an den Außengrenzen kontrolliert. Allein oder mit nur einem der beiden Sorgeberechtigten reisende Kinder benötigen eine schriftliche Zustimmung der Eltern bzw. des mit sorgeberechtigten Elternteils (AA 16.4.2018).

Die Freiheit sich innerhalb des Landes frei zu bewegen, zu reisen, zu emigrieren und wieder zurückzukehren ist gesetzlich garantiert, wobei es jedoch in der Praxis zu gewissen Einschränkungen kommen kann. Die Regierung arbeitet mit dem Büro des UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Schutz und Hilfe für Binnenvertriebene, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und andere gefährdete Personen zu gewähren (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019

IDPs und Flüchtlinge

Anfang 2018 explodierte die Anzahl der illegalen Migranten, die nach BiH drängten. Neue Migrationsrouten von Serbien und Montenegro nach BiH sind entstanden. Wurden im Gesamtjahr 2017 lediglich etwas über 750 illegale Migranten verzeichnet, so waren es bis Anfang Dezember 2018 23.300, die registriert wurden. Dieser enorme Anstieg brachte die bosnischen Sicherheitsbehörden an den Rand der logistischen Leistungsfähigkeit. Ohne internationale Hilfe wäre die Situation nicht zu bewältigen gewesen. Mittlerweile war im Zeitraum Dezember 2018 - Jänner 2019 aufgrund der herrschenden Witterung eine leichte Entspannung des Zuflusses von illegalen Migranten nach BiH zu bemerken. Mit Frühlingsbeginn 2019 ist die Anzahl der illegalen Migranten erneut gestiegen und betrug z.B. im März 2019 2038 (VB 16.4.2019).

Bosnien ist zur neuen Sackgasse auf der sich ständig ändernden Balkanroute geworden. Nach offiziellen Angaben sind etwa 20.000 Migranten registriert. Viele halten sich im Nordwesten des Landes auf, mitunter seit mehr als einem Jahr. Die Versorgung überfordere die bosnische Regierung, kritisieren Hilfsorganisationen. Tausende sind weitgehend sich selbst überlassen und auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen (BAMF 29.10.2018).

Die Behörden leisteten Tausenden von Asylbewerbern und Migranten, die 2018 ankamen, keine Grundversorgung. Der Staat bietet den Neuankömmlingen, insbesondere in Nordwesten des Landes, keine angemessene Unterkunft, Nahrung und Zugang zu medizinischer Hilfe. Im November 2018 gab es nur zwei staatlich geführte Zentren für Migranten und Flüchtlinge - ein offenes Asylzentrum mit einer Kapazität von rund 154 und ein offenes Flüchtlingsaufnahmezentrum mit einer Kapazität von rund 290 und zwei temporäre Unterkünfte für Migranten, die mit Unterstützung internationaler Organisationen eingerichtet wurden. Der Mangel an Unterkünften und Dienstleistungen zwang Tausende, auf den Straßen, in verlassenen Gebäuden oder Zelten zu leben. Der Mangel an offizieller Unterkunft führt dazu, dass viele potenzielle Asylbewerber bei der Einreise keinen Aufenthaltsort eintragen können, was eine Voraussetzung für einen Asylantrag ist. Von den im Jahr 2018 eingereisten Migranten haben nur 1.314 einen Asylantrag gestellt (HRW 17.1.2019).

Am 24.10.2018 ist das Aufnahmezentrum Ušivak bei Sarajevo, das Platz für 400 Migranten bietet, offiziell eröffnet. Die Migranten können das Zentrum während des Tages verlassen, müssen jedoch am Abend zurückkehren, damit ihre Bewegungsbereiche überwacht werden können. Die Gesundheitsministerin des Kantons Sarajevo dementierte Berichte, dass die lokalen Gesundheitseinrichtungen keine medizinische Versorgung für die Migranten bieten wollen. „Ärzte ohne Grenzen“ aus Belgrad hat angeboten, die Migranten in Ušivak medizinisch zu versorgen, sobald ein Vertrag mit dem Gesundheitszentrum des Kantons Sarajevo unterzeichnet wird (VB 16.4.2019).

Quellen:

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (29.10.2018): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001556/Deutschland+_+Bundesamt+f%C3%Bcr+Migration+und+Fl%C3%Bcchtlinge%2C+Briefing+Notes%2C+29.10.2018+%28deutsch%29.pdf, Zugriff 24.4.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002240.html, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 30

Grundversorgung / Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit (Grund-)Nahrungsmitteln, Kleidung, Heizmaterial, Strom ist landesweit sichergestellt. Insgesamt ist aber der Lebensstandard der Gesamtbevölkerung niedrig. Die Höhe der Sozialhilfe beträgt zwischen 5 und 50 Euro pro Monat. Ein Fünftel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze und hat weniger als 150 Euro monatlich zur Verfügung. Armut gilt als einer der Gründe für die erhöhte Kindersterblichkeitsrate (zwischen 9 und 10 Kinder pro 1000 Lebendgeburten) (AA 16.4.2018).

Die Gesetzgebung in BiH garantiert Sozialhilfe. Über die Empfänger und die Höhe der Unterstützungsgelder wird im Einzelfall entschieden. Die Höhe der jeweiligen Unterstützung (z.B. monatliche Geldbeträge) bzw. Qualität der Einrichtungen für Unterbringung, falls notwendig, hängt auch von den Möglichkeiten der jeweiligen administrativen Einheit (z.B. Kanton) ab. Weiters besteht die Möglichkeit, dass örtliche NGOs (kirchliche, humanitäre etc.) verschiedene Hilfeleistungen für Bedürftige zur Verfügung stellen (VB 16.4.2019).

Der Verband unabhängiger Gewerkschaften von BiH (SSSBiH) gab bekannt, dass der Warenkorb im Februar 2019 2.019,80 KM (ca. 1.030 €) ausmachte, während der Durchschnittslohn in der Föderation BiH 914 KM (ca. 466 €) betrug (SSSBiH 3.2019).

In der Föderation BiH betrug die Mindestpension im März 2019 359,20 KM (ca. 184,00 €), die garantierte 450,12 KM (ca. 230,00 €) und die höchste Pension 2.174,48 KM (ca. 1.111,00 €) (FZMIO-PIO 3.2019). Die Durchschnittspension in Republika Srpska (RS) im März 2019 betrug 374,45 KM (ca. 191,00 €) (Fond PIORS 3.2019).

Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2017 bei 20,5 % und 2018 bei 18,4 %. Laut Schätzungen von Germany Trade & Invest soll sie im Jahr 2019 bei 18 % liegen (GTAI 11.2018).

Laut dem bosnischen Arbeitsamt sind (Stand November 2018) 435.358 Personen in Bosnien und Herzegowina arbeitslos, 55,9 % davon sind Frauen. Die Daten zeigen, dass die Arbeitslosenrate sinkt, jedoch in schleppender Geschwindigkeit. Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen sind Personen mit Hochschulausbildung (VB 16.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- FZMIO-PIO (Pensionsversicherungsfonds der Föderation BiH) (3.2019): Penzije za mart (Höhe der Pensionen im März 2019), http://www.fzmiopio.ba/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=35&lang=ba, Zugriff 16.4.2019

- Fond PIORS (Pensionsversicherungsfonds der Republika Srpska) (10.4.2019): Penzije za mart (Höhe der Pensionen im März 2019), http://www.fondpiors.org/2019/04/10/%d0%bf%d0%b5%d0%bd%d0%b7%d0%b8%d1%98%d0%b0-%d0%b7%d0%b0-%d0%bc%d0%b0%d1%80%d1%82-3/, Zugriff 16.4.2019

- SSSBiH - Savez samostalnih sindikata Bosne i Hercegovine (Unabhängiger Gewerkschaftsbund BiH) (3.2019): Sindikalna potroša?ka korpa za mart 2019. godine (Warenkorb für März 2019), http://www.sssbih.com/wp-content/uploads/2019/04/Sindikalna-potrosacka-korpa_mart-2019..pdf, Zugriff 16.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen ist nicht in der Kompetenz des bosnischen Gesamtstaates, sondern wird auf Stufe der beiden Entitäten, respektive des Distrikts Br?ko geregelt. In der Gesetzgebung und der Verfassung ist, trotz komplexen politisch-administrativer Rahmenbedingungen, ein deutlicher Wille zu erkennen, für alle Bürger der bosnisch-kroatischen Föderation eine Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Die Organisation der medizinischen Versorgung nach Kriegsende basiert auf den Strukturen vor dem Krieg. Das Gesetz über das Gesundheitswesen sowie die Verfassung der Föderation BiH legen in allgemeiner Weise fest, dass allen Personen, Bosniaken, Serben, Kroaten als konstitutiven Völkern und allen anderen Bürgern auf dem Gebiet der Föderation die gleichen Rechte garantiert sind. Laut diesen Bestimmungen haben gemäß Artikel 12 des Gesundheitsgesetzes alle Bürger und Bevölkerungsgruppen der Föderation das gleiche Recht auf soziale Sicherung und Gesundheitsversorgung (BFA-SEM 1.2018).

Eine Krankenversicherung ist garantiert für alle Personen in einem Angestelltenverhältnis, RentnerInnen/Pensionierte und ihren EhepartnerInnen, Arbeitslose und ihre Verwandten (verheiratete Paare und Kinder bis zu 15 Jahren, welche in einem Zentrum für Beschäftigung (Center for Employment) registriert sind, behinderten Personen, Landwirtschaftlichen ArbeiterInnen, Personen, die Sozialhilfe empfangen. Personen mit geistigen Einschränkungen erhalten entsprechend bestimmter Kriterien eine staatliche Krankenversicherung. Dazu müssen gewisse Voraussetzungen bestätigt werden und eine medizinische Untersuchung, durch eine staatlich-medizinische Kommission, ist notwendig. Generell haben alle Staatsangehörigen aus BiH zudem die Möglichkeit an einer freiwilligen privaten Krankenversicherung teilzunehmen. Die EmpfängerInnen einer staatlichen Krankenversicherung erhalten den Großteil der Medikamente kostenlos. Die Kosten für einige spezielle Medikamente müssen teilweise selbst übernommen werden. Die Beiträge zur Krankenversicherung in BiH sind festgelegt, aber variieren je nach Einrichtung und Kanton. Wenn keine Krankenversicherung vorliegt, ist die Eigenbeteiligung 100 %, ansonsten schwankt sie je nach Art der Behandlung. Die medizinische Versorgung im öffentlichen Gesundheitssektor ist aufgrund der Wirtschaftslage nicht vollständig kostenlos. Abhängig von der Form der medizinischen Behandlung, müssen selbst kleine Beträge einer Behandlung selbst übernommen werden (IOM 1.4.2019).

Alle Bürger in Bosnien-Herzegowina haben das Recht auf Sozialversicherung (beinhaltet: Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung); arbeitslose Personen werden bei ihrer Anmeldung beim Arbeitsamt versichert und können so ihr Recht wahrnehmen (VB 16.4.2019).

Die folgenden Personengruppen werden gratis behandelt und sind daher auch von der Zahlung der Patientenbeteiligung (Co-Payment) befreit: Kinder bis zu 15 Jahren, Schüler zwischen 16 und 18 Jahren, Studierende bis zu 26 Jahren, Schwangere und Frauen während der Mutterschaft, Frauen, die präventiv gegen Brust- und Gebärmutterkrebs behandelt werden, Personen über 65 Jahre, Sozialhilfeempfänger, Personen, die an Tuberkulose, HIV oder anderen ansteckenden Krankheiten leiden, Transplantations-, -Dialyse- und Diabetespatienten, Patienten mit malignen Erkrankungen, Kriegsinvalide, Zivile Kriegsopfer, Menschen mit Behinderungen von über 60 % Personen mit psychischen Erkrankungen (BFA-SEM 1.2018).

In der bosnisch-kroatischen Föderation und in der Republika Srpska ist die medizinische Versorgung dreistufig aufgebaut. Gemäß übereinstimmenden Aussagen verschiedenster Akteure im Gesundheitswesen der Föderation BiH wurden seit Kriegsende im Jahr 1995 im staatlichen Gesundheitswesen große Fortschritte erzielt und sind grundsätzlich in allen drei Versorgungsstufen genügend Strukturen vorhanden. Herausforderungen bestünden bis heute noch in den Bereichen Finanzierung des Gesundheitswesens, Spitalsadministration und -management, der Vereinfachung administrativ-bürokratischer Abläufe sowie der Bekämpfung der teilweise bestehenden Korruption (BFA-SEM 1.2018).

Es gibt Krankheiten, die auch an den drei besten Spitälern der Föderation BiH - den Universitätskliniken in Sarajevo, Tuzla und Mostar - nur eingeschränkt oder nicht behandelt werden können. Dazu zählen namentlich die Kinderonkologie, die Kinderkardiochirurgie und die Transplantationschirurgie in den Bereichen Herz und Leber. Dieselbe Feststellung gilt auch für die Universitätsklinik Banja Luka. Nierentransplantationen werden in den Transplantationszentren der Universitätskliniken Sarajevo und Tuzla vorgenommen, in der Republika Srpska im Transplantationszentrum in Banja Luka. In der Zeit von 1999 bis 2012 wurden allein in Tuzla 100 Transplantationen durchgeführt. Gemäß Aussagen verschiedenster Quellen sind Krankheitsbilder, die abteilungsübergreifende Behandlungspakete in unterschiedlichen Kliniken benötigen, weiterhin anspruchsvoll, beispielsweise nach schweren Unfällen jeglicher Art. In Westeuropa erfolgen die Behandlungen oft mittels abteilungsübergreifender Teams von Spezialisten. Bei diesen Behandlungsformen, die in BiH keine Tradition haben, fehlen die Erfahrungen in allen Bereichen, auch bei der begleitenden psychiatrischen Unterstützung (BFA-SEM 1.2018).

Grundsätzlich sind in BiH alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldeten Personen gesetzlich krankenversichert. Das Krankenversicherungsgesetz (der Föderation) deckt aber nur Rückkehrer ab, die bereits vor ihrer Ausreise krankenversichert waren. Es gibt über 300 Ambulanzen, die jeweils zwischen 2.000 und 10.000 Einwohner versorgen. Grundsätzlich existiert in jeder größeren Gemeinde (ca. 120 in BiH) ein Gesundheitshaus, das eine medizinische Versorgung für 20.000 bis 50.000 Einwohner sicherstellen soll. Rehabilitationsmaßnahmen können nur in Fojnica, Gra?anica, Tuzla, Olovo (FBiH) und in Slatina (Laktaši) und Tesli?, beide in der RS, durchgeführt werden. Die finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitswesens ist unzureichend. Aufgrund fehlender Medikamente sind einige Behandlungen (HIV- und Krebserkrankungen, Hepatitis B/C, Versorgung nach Organtransplantationen und anderen schwerwiegenden operativen Eingriffen, bei frühgeburtlichen Komplikationen, etc.) nur in eingeschränktem Umfang durchführbar. Herzoperationen bei Erwachsenen können oft nur unter Anleitung ausländischer Experten, herzchirurgische Eingriffe an Kindern nur durch ausländische Gastchirurgen durchgeführt werden. Die schlechte Haushaltslage erschwert die Versorgung von Pflegefällen. Zur Behandlung psychisch Kranker und traumatisierter Personen fehlt es weitgehend an ausreichend qualifizierten Ärzten und an klinischen Psychologen und Sozialarbeitern. Therapien beschränken sich überwiegend auf Medikamentengaben. Gängige Medikamente sind auf dem örtlichen Markt erhältlich und werden, soweit Krankenversicherungsschutz besteht, bei ärztlicher Verordnung von der Krankenversicherung bezahlt. Kosten für Spezialmedikamente werden in der Regel nicht erstattet. Sie können auf dem Importweg oder privat aus dem Ausland beschafft werden (AA 16.4.2018).

Regionalspitäler (Kantonalna Bolnica / Bolnica), auch als General Hospitals bezeichnet, sind zuständig für Behandlungen durch spezialisierte Ärzte und stationäre Unterbringungen auf der sekundären Stufe. In der Föderation BiH finden sich in den folgenden Städten Regionalspitäler: Sarajevo, Zenica, Tuzla, Mostar, Travnik, Biha?, Goražde, Tešanj, Konjic und Bugojno. Regionalspitäler verfügen in der Regel über die folgenden Abteilungen: Innere Medizin, Chirurgische Interventionen, Pädiatrie, Gynäkologie und Geburtshilfe, HNO-Erkrankungen, Neuropsychiatrie, Infektionserkrankungen, Dermatologie, Orthopädie und Urologie. Dialyse fällt ebenfalls in die Zuständigkeit der Regionalspitäler (BFA-SEM 1.2018).

Die psychiatrische Versorgung war bis zum Kriegsausbruch im Frühjahr 1992 größtenteils spitalbasiert, respektive fand zusätzlich in psychiatrischen Kliniken mit oft mehreren Hundert Betten statt. Ein Teil dieser psychiatrischen Einrichtungen wurde während des Krieges zerstört, andere sollen geschlossen werden. Die noch bestehenden Einrichtungen, beispielsweise diejenige in Jagomir bei Sarajevo, setzt sich zum Ziel, die Bettenzahl deutlich zu vermindern. Wie in anderen jugoslawischen Teilrepubliken basierte die staatliche psychiatrische Versorgung hauptsächlich auf der Verschreibung von Antidepressiva und Beruhigungsmitteln. Vor dem oben angeführten Hintergrund wurde das Konzept der psychiatrischen Behandlung den veränderten Bedürfnissen und modernen westeuropäischen Konzepten und Behandlungsansätzen angepasst. Das heißt, die bereits während des Krieges verfolgte Neuausrichtung wurde sukzessive fortgeführt. Diese bestand darin, in mit der primären Gesundheitsversorgung verbundenen multidisziplinären Zentren für geistige Gesundheit, «Prävention, Behandlung und Rehabilitation von psychischen Erkrankungen anzubieten.» Umgesetzt wurde das landesweit in Form von so genannten «Mental Health Centers» (MHC), in der Region und in einzelnen Dokumenten teilweise auch als «Community Mental Centers» (CMHC) bezeichnet. Gemäß einem Projekt-Faktenblatt der DEZA [Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, eine Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)] vom Januar 2017 bestehen landesweit 72 dieser Zentren, davon 48 in der bosnisch-kroatischen Föderation. Es ist durchaus üblich, dass Patienten mit leichten psychischen Krankheitsbildern zu Hause betreut und gepflegt werden. Bei psychischen Krankheiten werden den erkrankten Personen Renten zwischen € 45 und € 100 bezahlt. Die Betreuungsleistung von Familienmitgliedern wird nicht entschädigt. In der Republika Srpska verfügt die Universitätsklinik in Banja Luka über vier Abteilungen und verschiedene Unterabteilungen und Zentren für die Behandlung psychischer Probleme, namentlich für Allgemeine Psychiatrie, für Kinder- und Jugendpsychiatrie, für neurotische und affektive Störungen sowie für Behandlungen von Suchtkrankheiten. Die verschiedenen Abteilungen bieten verschiedene Behandlungen für ein breites Spektrum von psychischen Erkrankungen an, darunter auch Psychotherapie, Gruppen- und Spieltherapien (BFA-SEM 1.2018).

Gesundheitseinrichtungen aller drei Versorgungsstufen und psychiatrische Strukturen verfügen jeweils über eigene Spitalsapotheken. Diese Apotheken decken den spitalsinternen Bedarf ab, Patienten können dort aber keine Medikamente kaufen. Heute bestehen sowohl staatliche als auch reichlich private Apotheken. Auf Rezept können Medikamente der «Essential Drug List» in den staatlichen Apotheken in der Regel kostenlos bezogen. In privaten Apotheken ist heute die überwiegende Mehrheit der Medikamente vorhanden, auch modernere und teurere als die in den Essential Drug Lists enthaltenen. Private Apotheken können Medikamente im Ausland bestellen. Das Apothekennetz ist heute flächendeckend, auch in kleineren Ortschaften finden sich in der Regel mehrere, kleinere oder größere staatliche und/oder private Apotheken. In den ersten Jahren nach dem Konflikt boten eine Reihe von NGOs Behandlungen für traumatisierte Personen an, die meisten Organisationen haben diese Angebote jedoch nach einigen Jahren eingestellt, wie das UNHCR bereits im Jahr 2003 feststellte. Medica in Zenica und Amica in Tuzla bestehen bis heute und haben ihre Angebote und Dienstleistungen für Frauen, Kinder und nachgelagert auch für Familien ausgebaut (BFA-SEM 1.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- BFA Staatendokumentation/EJPD | SEM Schweiz (1.2018): Bosnien und Herzegowina, Bericht zur Bosnien und Herzegowina: Bericht zur medizinischen Grundversorgung, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 28 von 30

https://www.ecoi.net/en/file/local/1422887/1729_1516952331_bosn-bfa-sem-bericht-zu-medizinischen-grundversorgung-2018-01.pdf, Zugriff 16.4.2019

- IOM - International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt Bosnien und Herzegowina (geändert am 1.4.2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/9003505/18364039/Bosnien_und_Herzegowina_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20100936&vernum=-2, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

Rückkehr

Die Situation für Rückkehrer, die während des Balkankriegs aus dem Land flohen, hat sich verbessert. Ist die ursprünglich verlassene Wohnung beziehbar, ist eine Registrierung an einem anderen Ort als dem ursprünglichen Wohnort nicht möglich. Bei Zerstörung oder Besetzung der Wohnung erfolgt die Registrierung anderweitig, in der FBiH in dem Kanton, der dem Vorkriegswohnort am nächsten liegt. Wer über kein Identitätsdokument verfügt, muss ein solches beantragen. Zum Teil werden hierfür eine Reihe von Dokumenten verlangt (z.B. Wehrdienst-, Steuerbescheinigung). Die Zuständigkeit für die Koordination der Flüchtlingsrückkehr liegt beim BiH Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge, das die staatliche Rückkehrkommission zur Durchführung von Wiederaufbaumaßnahmen gebildet hat. Zurückgeführte Staatsangehörige aus dem Ausland werden zur Aufnahme der Personalien von der Polizei befragt. Die Rückführungen erfolgen über den Flughafen Sarajevo oder über den Flughafen Tuzla (AA 16.4.2018).

Der Ministerrat nahm den Bericht des Ministeriums für Menschenrechte und Flüchtlinge über die Umsetzung der revidierten Strategie der Durchführung des Annex 7 des Dayton Vertrages an. Von den 1.050.000 registrierten Rückkehrern sind etwa 600.000 oder 67 % als Vertriebene und etwa 450.000 oder 43 % als Flüchtlinge zu zählen. 220.000 Besitztümer wurden an ihre Vorkriegsbesitzer bzw. an die rechtmäßigen Inhaber zurückgegeben, was einer Umsetzung des Eigentumsgesetzes von 99,9 % entspricht. Weiters wurden 330.000 Häuser und Wohnungen restauriert. In den letzten zehn Jahren, seit BiH die Zuständigkeit auf diesem Gebiet übernommen hatte, wurden mehr als eine Milliarde Konvertible Mark (KM) in BiH für Rückkehrer investiert, wovon 620 Millionen in die Wiederherstellung von Häusern und beinahe 500 Millionen für ergänzende, nachhaltige Maßnahmen verwendet wurden. Laut Angaben des Ministerrates sind für die kommenden Jahre weitere 1,2 Millionen KM für dauerhafte Lösungen im Bereich Wohnungen notwendig (VB 16.4.2019).

Die Schlechterstellung von Rückkehrern, die einer Minderheit angehören, durch öffentliche Stellen hat abgenommen, ist aber in einigen Regionen wie im Osten der RS und der Herzegowina noch Praxis. Dies betrifft u. a. die Versorgung mit Strom, Wasser, Gas und Telefon durch die öffentlichen Versorgungsunternehmen, Rentenversorgung, Arbeitsaufnahme, Ausgabe von Personaldokumenten sowie den Zugang zu Bildung. Bei Roma ergeben sich oft zusätzliche Probleme darin, dass sich diese bereits vor Ausreise nicht ordnungsgemäß registrieren ließen und dadurch nach Rückkehr zunächst keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die Behandlung der Rückkehrer durch Dritte ist abhängig davon, ob eine Rückkehr in Minderheitengebiete (z. B. Bosniaken in die RS) oder Mehrheitsgebiete (z.B. Serben in die RS) erfolgt. Dort, wo sich die Volksgruppe, der die Rückkehrer angehören, in der Minderheit befindet, kommt es immer wieder zu Übergriffen. Während sich die Vorfälle in der FBiH meist auf verbale Angriffe und Sachbeschädigungen beschränken, kommt es auch heute noch in der RS gelegentlich zu schwereren Angriffen. Selbst Rückkehrer in Gebiete, in denen die eigene Volksgruppe die Bevölkerungsmehrheit stellt, sind zuweilen Feindseligkeiten ausgesetzt, da gegen Rückkehrer an sich Vorbehalte bestehen. In Einzelfällen werden Rückkehrer als vermeintlich vermögende und privilegierte Personen beraubt oder erpresst. Der polizeiliche Schutz für Rückkehrer vor diesen Angriffen ist unzureichend, wie generell die Polizeiarbeit im Land oft wenig effektiv ist. Racheakte für im Krieg verübtes Unrecht sind bisher nicht bekannt geworden (AA 16.4.2018).

Die Regierung arbeitet mit dem Büro des UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Schutz und Hilfe für Binnenvertriebene, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und andere gefährdete Personen zu gewähren (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2018): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432989/4598_1526981108_auswaertiges-amt-bericht-einstufung-von-bosnien-herzegowina-als-sicheres-herkunftsland-im-sinne-des-c-29-a-asylvfg-stand-april-2018-16-04-2018.pdf, Zugriff 24.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004276.html, Zugriff 24.4.2019

- VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (16.4.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

Die Verbreitung des "neuartigen Coronavirus" SARS-CoV-2 hat zu einer weltweiten Pandemie geführt. Die Erkrankung, die das Virus hervorruft, wird als COVID-19 bezeichnet. Eine ursächliche Behandlung der Erkrankung gibt es derzeit nicht. Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, sind Hygienemaßnahmen das Um und Auf.

Bei rund 80 Prozent der Betroffenen nimmt COVID-19 einen milden oder moderaten Verlauf, das heißt, die Symptome sind eher leicht ausgeprägt und klingen ohne spezielle Behandlung und ohne Spitalsaufenthalt von alleine wieder ab. Erkrankungen mit schwerem oder tödlichem Verlauf treten gehäuft bei älteren und immungeschwächten Personen sowie bei Personen mit Vorerkrankungen auf.

Die Angaben zur Sterblichkeit der Erkrankung sind teilweise sehr unterschiedlich. Sie variieren zwischen einzelnen Ländern und unterscheiden sich insbesondere in verschiedenen Altersgruppen.

Aktuelle Untersuchungen gehen derzeit von einer durchschnittlichen Infektionssterblichkeit (infection fatality rate, IFR) von rund 0,27 Prozent in den meisten Weltregionen aus.

Allerdings hat die Infektionssterblichkeit eine große Schwankungsbreite – je nach Alter, Geschlecht, Bevölkerungsdichte und der Situation des Gesundheitssystemes etc. der jeweiligen Population.

Bei den unter 25-jährigen liegt die IFR bei nahezu 0 Prozent, bei den 25 bis 50-Jährigen unter 0,1 Prozent und bei den über 65-Jährigen je nach Risikofaktoren zwischen einem und zehn Prozent, in Ausnahmefällen sogar noch höher.

Bei bestimmten Risikogruppen (z.B. Krebspatientinnen/-patienten, Patientinnen/Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen) steigt die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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