TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/1 G306 2228612-1

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Veröffentlicht am 01.02.2021
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Entscheidungsdatum

01.02.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G306 2228612-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Dr. Günter SCHMID, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit per E-Mail am 22.08.2019 eingebrachtem Schreiben, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), vom Magistrat der Stadt XXXX (im Folgenden: MAG XXXX ) darüber in Kenntnis gesetzt, dass beim Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) der Verdacht des Eingehens einer Scheinehe bestehe und dieser zudem die notwendige Integrationsvereinbarung nicht fristgerecht erfüllt habe.

2. Am 30.09.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme der ehemaligen Lebensgefährtin des BF, XXXX , im gegen den BF geführten Aufenthaltsbeendigungsverfahren vor dem BFA statt.

3. Am 08.10.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt.

4. Mit jeweils per Telefax am 18.10.2019 und 12.11.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz gab der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) eine Stellungnahme ab und brachte Unterlagen in Vorlage.

5. Mit oben im Spruch genannten Bescheid, dem RV des BF zugestellt am 09.01.2020, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm. § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BiH) gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), sowie festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe (Spruchpunkt III.).

6. Mit per Telefax am 06.02.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

7. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, und langten am 17.02.2020 ein.

8. Mit per Telefax am 27.04.2020 beim BFA eingebrachtem, und vom BFA an das BVwG am 28.04.2020 weitergeleitetem Schreiben brachte der BF durch seinen RV eine Beschwerdeergänzung ein.

9. Am 23.10.2020 fand in der Grazer Außenstelle des BVwG eine mündliche Verhandlung statt, an jener der BF und sein RV persönlich teilnahmen und die Lebensgefährtin des BF, XXXX , als Zeugin einvernommen wurde.

Die belangte Behörde wurde korrekt geladen, verzichtete jedoch auf die Teilnahme an der Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF trägt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik BiH, geschieden, ohne Sorgepflichten, der bosnischen Sprache mächtig, gesund und arbeitsfähig.

Der BF wurde in BiH geboren, wo er die Schule besuchte, Erwerbstätigkeiten nachging und den überwiegenden Teil seines Lebens verbrachte. Seit 02.12.2016 hält sich der BF durchgehend in Österreich auf. Am XXXX ehelichte er die österreichische Staatsbürgerin XXXX , geborene XXXX , in BiH. Die Eheleute lebten von 05.12.2016 bis 31.01.2018 in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt. Am 31.01.2018 zog der BF aus der damaligen gemeinsamen Ehewohnung aus und reichte letztlich am XXXX .2018 die Scheidung seiner Ehe in BiH ein. Die besagte Ehe wurde mit Urteil des Grundgerichts in XXXX , Nr.: XXXX , am XXXX .2018, wegen der unüberwindbaren Zerrüttung der Ehe geschieden. Im besagten Urteil wurde jedoch kein Schuldausspruch getroffen und die Verfahrenskosten beiden Parteien zu gleichen Teilen auferlegt.

Der BF lernte Mitte Februar 2018 die österreichische Staatsbürgerin XXXX kennen, mit welcher er in weiterer Folge im Mai/Juni 2018 eine Beziehung einging. Von 01.10.2018 bis 29.07.2019 lebte er mit dieser im gemeinsamen Haushalt. Die Beziehung ging jedoch in die Brüche und führt der BF nunmehr mit XXXX eine Beziehung. Der BF lebt mit seiner aktuellen Lebensgefährtin jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt.

Dem BF wurde erstmals am 09.12.2016 ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger von Österreicher/EU-Bürger/Schweizer“ erteilt, welcher einmal verlängert wurde, und zuletzt bis 09.12.2018 in Geltung stand. Zuletzt stellte der BF, unter Berufung auf seine Ehe mit XXXX , am XXXX .2018 einen Antrag auf Verlängerung des besagten Aufenthaltstitels. Die zuständige NAG-Behörde hat der BF weder von seinem Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung noch über die Einbringung einer Scheidungsklage in Kenntnis gesetzt. Erst am XXXX .2019 setzte der BF die zuständige NAG-Behörde von seiner Scheidung in Kenntnis, welche daraufhin das BFA informierte.

Dem BF waren die einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen bekannt.

Der BF hat am XXXX .2018 an der Integrationsprüfung A2 teilgenommen, diese jedoch nicht bestanden. Am XXXX .2019 hat der BF die besagte Prüfung wiederholt und diese bestanden. Der BF hat keinen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung iSd. § 9 Abs. 2 2. Satz IntG gestellt.

Der BF ging beginnend mit 19.06.2017 beinahe durchgehend Erwerbstätigkeiten in Österreich nach. Aktuell ist der BF bei der Firma XXXX , in XXXX Vollzeit für einen brutto Stundenlohn von EUR 11,- beschäftigt.

Der BF hat im Jahr 2018 zwei Deutschsprachkurse der Niveaustufe A2 besucht und ist der Deutschen Sprache auf dem Niveau A2 mächtig.

Im Herkunftsstaat halten sich die Mutter und der erwachsene Sohn des BF auf. Im Bundesgebiet bestehen keine familiären Bezüge.

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Integration konnten nicht festgestellt werden.

Der BF erweist sich in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten.

BuH gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zu den Feststellungen:

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und vorgenommenen mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1.  Die oben getroffenen Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) zur Staatsbürgerschaft, zum Familienstatus, zum Fehlen familiärer Bezüge in Österreich, sowie zur Geburt, zum Schulbesuch und zum überwiegenden Aufenthalt des BF in BiH, beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, jenen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wurden.

Der durchgehende Aufenthalt des BF in Österreich beruht wiederum auf den konkreten und konsistenten Angaben des BF, welche durch Wohnsitzmeldungen und Erwerbszeiten in Österreich bekräftigt werden.

Durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister konnten die Wohnsitzmeldungen des BF und damit einhergehend die jeweiligen gemeinsamen Haushalte mit seiner geschiedenen Ehefrau sowie seiner damaligen Lebensgefährtin ermittelt werden. Ferner kann dem besagten Register entnommen werden, dass der BF keine gemeinsame Wohnsitzmeldung mit seiner aktuellen Lebensgefährtin aufweist. Zudem gestand der BF in der mündlichen Verhandlung selbst ein, mit dieser nicht zusammenzuwohnen.

Die Erteilung des oben genannten Aufenthaltstitels an den BF, die einmalige Verlängerung sowie die letzte Antragstellung des BF auf Verlängerung desselben beruhen auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister. Ferner wird die letzte Antragstellung des BF unter Berufung auf seine aufrechte Ehe in einem Schreiben des MAG XXXX bestätigt (siehe AS 33). Dies wird vom BF bis dato auch nicht bestritten. Zudem geht aus dem besagten Schreiben hervor, dass der BF die zuständige NAG-Behörde, konkret das MAG XXXX , nicht von der Einbringung einer Scheidungsklage und erst am XXXX .2019 diese über seine Scheidung in Kenntnis gesetzt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die NAG-Behörde über seinen Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung in Kenntnis gesetzt hätte, konnten zudem nicht festgestellt werden und wurde eine diesbezüglich Inkenntnissetzung der besagten Behörde durch den BF auch bis dato nicht behauptet. Der BF gestand jedoch in der mündlichen Verhandlung ein, sich der Rechtsfolgen aufgrund seiner Scheidung, konkret bei aufgelöstem Eheleben seinen Aufenthaltstitel nicht verlängert zu bekommen, bewusst gewesen zu sein.

Die Einbringung einer Scheidungsklage am XXXX .2018, die erfolgte Scheidung wegen der Zerrüttung der Ehe sowie der nicht erfolgte Schuldausspruch, beruhen auf einer in Vorlage gebrachten Urteilsausfertigung des oben zitierten Scheidungsurteils. (siehe AS 7f) Diesem können ferner das Eheschließungsdatum, das Datum der Einbringung der Scheidungsklage, die Auflösung des gemeinsamen Ehelebens im Vorfeld sowie die unheilbare Zerrüttung der Ehe entnommen werden. Ein Schuldausspruch kann dem besagten Urteil jedoch nicht entnommen werden. Vielmehr wurde bloß festgehalten, dass es zu einer Zerrüttung der Ehe kam und diese mit der faktischen Trennung bereits den Wunsch die Ehe nicht mehr fortführen zu wollen zum Ausdruck gebracht hätten. Ferner wurden die Verfahrenskosten den beiden Parteien zu gleichen Teilen auferlegt, was letztlich wiederum weder ein Obsiegen noch eine Schuld einer Partei erkennen lässt.

Den konkreten und konsistenten Angaben des BF folgen ferner die Feststellungen zum Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung, zum Kennenlernen von XXXX samt Eingehens einer Beziehung und Begründung eines gemeinsamen Haushaltes mit dieser, zur Beendigung der besagten Beziehung sowie zur aktuellen Beziehung des BF. Die aktuelle Beziehung wird zudem durch die Angaben der nunmehrigen Lebensgefährtin des BF in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung sowie der Einzug bei XXXX können auch anhand der Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich nachvollzogen werden.

Das Nichtbestehen der Integrationsprüfung am XXXX .2018 beruht auf einer in Vorlage gebrachten diesbezüglichen Bestätigung (siehe AS 37). Durch die Vorlage einer weiteren entsprechenden Bestätigung konnte der BF das Bestehen der besagten Prüfung vom XXXX .2019 nachweisen (siehe AS 179, 285).

Die Nichtstellung eines Antrages auf Erstreckung der Erfüllungspflicht iSd. § 9 abs. 2 2. Satz IntG durch den BF, beruht auf den konkreten Angaben des BF in dessen Beschwerde. Der BF hat ausgeführt mangels diesbezüglicher Manuduktion durch die NAG Behörde nichts von der Möglichkeit einer Einbringung eines solchen Antrages gewusst zu haben, was letztlich impliziert, dass der BF keinen solchen Antrag gestellt hat. Auch wurde die Stellung eines solchen nicht behauptet.

Die Teilnahme an Deutschsprachkursen konnte der BF belegen (siehe AS 115,117) und können einem Sozialversicherungsaufzug sowie in Vorlage gebrachten Arbeitsverträgen und Arbeitszeugnissen (siehe AS 135ff) die Erwerbstätigkeiten des BF in Österreich entnommen werden.

Die familiären Bezüge im Herkunftsstaat beruhen ebenfalls auf den konkreten Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung.

Die Nichtfeststellbarkeit von Anhaltspunkten, welche eine besonderen Integration des BF nahelegen könnten, beruht auf dem Nichtvorbringen eines diesbezüglichen substantiieren Sachverhalts seitens des BF. Weder hat der BF ein besonderes soziales Engagement noch Bemühungen seine Deutschsprachkenntnisse zu vertiefen behauptet oder nachgewiesen Zudem hält sich der BF erst kurz im Bundesgebiet auf, sodass letztlich nicht vom Vorliegen einer tiefgreifenden Integration in Österreich auszugehen ist.

Das BiH als sicherer Herkunftsstaat gilt beruht auf § 1 Z 1 Herkunftsstaatenverordnung (HStV).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1.  Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2.         dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.         ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.1.2.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

3.1.2.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der BF ist aufgrund seiner bosnischen Staatsangehörigkeit sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2.2. Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Der mit „Verlängerungsverfahren“ betitelte § 24 NAG lautet:

„§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) Anträge, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn

1.       der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, rechtzeitig den Verlängerungsantrag zu stellen, und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, und

2.       der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt wird; § 71 Abs. 5 AVG gilt.

Der Zeitraum zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels und der Stellung des Antrages, der die Voraussetzungen der Z 1 und 2 erfüllt, gilt nach Maßgabe des bisher innegehabten Aufenthaltstitels als rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt.

(3) Fremden ist im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für diesen weiterhin vorliegen.

(4) Mit einem Verlängerungsantrag (Abs. 1) kann bis zur Erlassung des Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.

(5) Stellt der Fremde entgegen § 9 Abs. 5 Z 3 IntG einen weiteren Verlängerungsantrag, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.“

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

3.1.2.3. Der mit „Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel“ betitelte § 11 NAG lautet:

„§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.       gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.       gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.       eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.       eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.       er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1.         der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2.         der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.       der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.       der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.       der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7.       in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.         der Grad der Integration;
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn
1.         sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder
2.         der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.“

Der mit „Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels“ betitelte § 25 NAG lautet:

„§ 25. (1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.“

Der mit „Niederlassungsrecht von Familienangehörigen“ betitelte § 27 NAG lautet:

„§ 27. (1) Familienangehörige mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5 und 8 haben ein eigenständiges Niederlassungsrecht. Liegen die Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht mehr vor, ist dem Familienangehörigen ein Aufenthaltstitel auszustellen, dessen Aufenthaltszweck jedenfalls dem bisherigen Aufenthaltszweck entspricht, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 vorliegt und er die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 erfüllt.

(2) Dem Familienangehörigen ist trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 bis 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 ein Aufenthaltstitel auszustellen, dessen Aufenthaltszweck jedenfalls dem bisherigen Aufenthaltszweck entspricht,
1.         bei Tod des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Elternteils;
2.         bei Scheidung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft wegen überwiegenden Verschuldens des anderen Ehegatten oder eingetragenen Partners oder
3.         aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen.

(3) Besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des Abs. 2 Z 3 liegen insbesondere vor, wenn
1.         der Familienangehörige Opfer einer Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) ist;
2.         der Familienangehörige Opfer von Gewalt wurde und gegen den Zusammenführenden eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder

3.       der Verlust des Aufenthaltstitels des Zusammenführenden die Folge einer Maßnahme nach dem FPG war, die auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Zusammenführenden wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung gesetzt wurde.

(4) Der Familienangehörige hat die Umstände nach Abs. 1 bis 3 der Behörde unverzüglich, längstens jedoch binnen einem Monat, bekannt zu geben.“

Der mit „Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption“ betitelte § 30 NAG lautet:

„§ 30. (1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.

(2) An Kindes statt angenommene Fremde dürfen sich bei der Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nur dann auf diese Adoption berufen, wenn die Erlangung und Beibehaltung des Aufenthaltstitels nicht der ausschließliche oder vorwiegende Grund für die Annahme an Kindes statt war.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten auch für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.“

Gemäß § 9 Abs. 1 IntG sind Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen. Gemäß Abs. 2 leg cit haben Drittstaatsangehörige der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

Der mit „Modul I der Integrationsvereinbarung“ betitelte mit BGBl. I Nr. 68/2017 am 30.09.2017 aufgehobene § 14a NAG idF. BGBl. I Nr. 100/2005 lautete auszugsweise:

„§ 14a. (1) Drittstaatsangehörige sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder
4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.
…“

Gemäß § 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Gemäß Abs. 37 leg cit. Richten sich bei Drittstaatsangehörigen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 zur Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 verpflichtet sind, dieses aber noch nicht erfüllt haben, die Bedingungen für die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung bis 36 Monate nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 nach diesem Bundesgesetz in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017. Erfüllt ein Drittstaatsangehöriger, für den Satz 1 gilt, Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Abs. 4 IntG, gilt dies als Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017. Die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung nach dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt richtet sich nach den Bestimmungen des IntG.

3.1.2.4. „Beruft man sich nach Auflösung des gemeinsamen Familienlebens für die Erteilung eines beantragten Aufenthaltstitels (zum Zweck der Familiengemeinschaft mit dem Ehemann/der Ehefrau) auf eine Ehe, wird der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG 2005 erfüllt. Es liegt der absolute Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG 2005 vor. In einem solchen Fall ist eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG 2005 (Art. 8 MRK) nicht vorzunehmen (vgl. E 10. Mai 2016, Ra 2016/22/0015).“ (vgl. VwGH 30.09.2020, Ra 2020/22/0136)

„Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG 2005 ist ua dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG 2005 nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des VwG kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK (mehr) geführt wird (vgl. B 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0058).“ (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0020)

“Vorliegend steht nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 2 Z 2 NAG einem geschiedenen Familienangehörigen ein vom bisherigen Aufenthaltszweck abgeleitetes Aufenthaltsrecht (nur) bei Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des anderen Ehegatten zu (vgl. auch VwGH 27.4.2017, Ro 2016/22/0014).“ (vgl. VwGH 06.07.2020, Ra 2017/22/0124)

„Im Fall der Scheidung sieht § 27 Abs. 2 Z 2 NAG 2005 unter bestimmten Voraussetzungen ein vom bisherigen Aufenthaltszweck (unmittelbar) abgeleitetes Aufenthaltsrecht des (geschiedenen) Familienangehörigen vor. Der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG 2005 kann einem Ehegatten eines Zusammenführenden dann verweigert werden, wenn eine Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG 2005 vorliegt.“ (vgl. VwGH 27.04.2017, Ro 2016/22/0014)

3.1.2.5. Der BF war im Besitz eines zuletzt bis 09.12.2018 gültigen befristeten Aufenthaltstitels und hat am 15.11.2018 einen Verlängerungsantrag gestellt. Aufgrund der rechtzeitigen Stellung eines Verlängerungsantrages und bis dato ausstehender Entscheidung seitens der NAG-Behörde darüber, erweist sich der Aufenthalt des BF gemäß § 31 Abs. 1 FPG iVm. 24 Abs. 1 2. Satz NAG als durchgehend rechtmäßig.

Der BF ist jedoch am 31.01.2018 aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen, hat am XXXX .2018 eine Scheidungsklage eingebracht und ist im Mai/Juni 2018 eine neue Beziehung mit einer anderen Frau eingegangen. Letztlich wurde die Ehe des BF mit Scheidungsurteil mit der Begründung der heillosen Zerrüttung der Ehe am XXXX .2018 geschieden.

Der BF führte mit seiner Ehefrau sohin beginnend mit seinem Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung, spätestens jedoch mit Einbringung der Scheidungsklage und Aufnahme einer neuen Beziehung, kein Eheleben mehr. Dennoch hat der BF sich am 15.11.2018 bei seiner Antragstellung auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels auf seine aufrechte Ehe berufen. Damit hat der BF den Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG erfüllt und damit den absoluten Versagungsgrund des § 11 Abs. 4 Z 4 NAG verwirklicht.

Im Scheidungsurteil des BF wurde zudem kein Ausspruch über die Schuld eines der Ehepartner getroffen, weshalb im Lichte der oben zitierten Judikatur – entgegen der Meinung des BF – der Ausnahmetatbestand iSd. § 27 Abs. 2 Z 2 NAG gegenständlich nicht zur Anwendung gelangt.

Darüber hinaus hat der BF das Modul I der Integrationsvereinbarung nicht fristgerecht, innerhalb von zwei Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der ersten Erteilung seines Aufenthaltstitels an, nicht erfüllt.

Demzufolge sind die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG iVm. 11 Abs. 1 Z 4 NAG und § 52 Abs. 4 Z 5 FPG iVm. § 11 Abs. 2 Z 6 NAG erfüllt und erweist sich die Stützung einer Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 4 FPG dem Grunde nach als zulässig.

3.1.2.6. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

-        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

-        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

-        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

-        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

-        die Bindungen zum Heimatstaat,

-        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

-        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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