TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/15 G302 2238744-2

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Veröffentlicht am 15.02.2021
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Entscheidungsdatum

15.02.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G302 2238744-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Tadschikistan, zu BFA-Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder BFA) vom XXXX , Zl. XXXX , wurde über XXXX , geb. XXXX alias XXXX (im Folgenden: BF), gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung angeordnet.

Am 12.02.2021 wurde der Verwaltungsakt von der belangten Behörde dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der BF befindet sich seit XXXX durchgängig in Schubhaft, die derzeit im Anhaltezentrum in XXXX (AHZ Vordernberg) vollzogen wird. Festgestellt wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erwecken.

Der BF ist zu einem unbekannten Zeitpunkt, laut seinen eigenen Angaben ca. im XXXX , illegal ins Bundesgebiet eingereist und hielt sich seither in einem Massenquartier in XXXX , ohne ordentliche Wohnsitzmeldung, auf.

Am XXXX wurde der BF einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, dabei sein illegaler Aufenthalt festgestellt und aufgrund des Festnahmeauftrages gemäß §§ 34 Abs. 3 iVm § 47 Abs. 1 BFA-VG um 15.00 Uhr festgenommen.

Mit dem gegenständlichen Bescheid des BFA vom XXXX wurde über den BF die Schubhaft verhängt. Der Bescheid wurde dem BF am XXXX um 17:15 Uhr persönlich ausgefolgt. Dieser ist mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsen.

Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl: XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG nicht zugesprochen, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Tadschikistan zulässig ist, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt, eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt und gegen ihn ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid ist mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsen.

Am XXXX beantragte der BF im Stande der Schubhaft erstmalig internationalen Schutz und gab in der Erstbefragung am XXXX an, in seinem Heimatstaat eine heimliche Beziehung zu einem Mädchen gehabt zu haben, sie sei ungewollt schwanger geworden, was im Islam vor der Eheschließung strengstens verboten sei, daher sei er nach Russland geflüchtet. Er fürchte entweder eine Haftstrafe oder den Tod durch die Brüder seiner Geliebten bei Rückkehr. Am XXXX , um 15:30 Uhr wurde dem BF der Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG zur weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft persönlich zugestellt.

Mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF vom XXXX auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in nach Tadschikistan zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt, und gegen den BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Diese Entscheidung wurde dem BF am XXXX persönlich zugestellt. Bis dato hat der BF keine Beschwerde eingebracht.

Gegen den BF liegen eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ein dreijähriges Einreiseverbot vor.

Der BF ist gesund. Er verfügt über kein Reisedokument und keine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet. Der BF ist Staatsbürger von Tadschikistan, verfügt im Bundesgebiet über keine wesentlichen familiären, beruflichen oder sozialen Bindungen. Er verfügt nicht über ausreichende Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren und geht keiner legalen Beschäftigung nach, laut eigenen Angaben geht er seit einem Jahr einer illegalen Beschäftigung in Österreich nach. Er verfügt weder über eigene Barmittel, noch über eigene Ersparnisse. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF ist sozial nicht im Bundesgebiet verankert und verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz. Seinen nicht vorhandenen Rückkehrwillen brachte er durch entsprechende Angaben deutlich zum Ausdruck.

Das am 25.09.2020 mit der tadschikischen Botschaft Kontakt eingeleitete Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) wird von Seiten der belangten Behörde intensiv betrieben. Der BF wurde am XXXX zur Identifizierung vorgeführt und wurde er bei dieser Vorführung eindeutig als tadschikischer Staatsbürger identifiziert. Er konnte dabei auch Kontakt mit seinen Verwandten in Tadschikistan aufnehmen.

Die Zustimmung zur Ausstellung eines HRZ durch die tadschikische Botschaft wurde bereits am 07.10.2020 in Aussicht gestellt.

Einer Abschiebung innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer steht aus aktueller Sicht kein Hindernis entgegen. Es ist davon auszugehen, dass das Asylverfahren in Kürze abgeschlossen sein wird.

Rechtliche oder faktische Hindernisse hinsichtlich der Effektuierung der Rückkehrentscheidung sind derzeit nicht zu erkennen. Der BF hätte aber auch die Möglichkeit, aus dem Stande der Schubhaft freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BF untertaucht, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt und er anschließend abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist.

Aus der Sicht des erkennenden Gerichtes liegen die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft noch immer vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts. Hinsichtlich Verfahrensgang und Sachverhalt wird ebenso auf die mündliche Verhandlung vom 22.01.2021 und die mündlich verkündete Entscheidung des BVwG G312 2238744-1/7Z verwiesen.

Aufgrund der eigenen Angaben des BF sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte und nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten.

Dass der BF bisher über keinen ordentlichen Wohnsitz verfügt hat, ist aus dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister (ZMR) ersichtlich.

Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass er in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen wird, durch Untertauchen seiner Abschiebung zu entziehen. Der BF verhält sich unkooperativ und wirkt im Verfahren nicht mit.

Die Feststellungen zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats und zur mangelnden sozialen Verankerung in Österreich ergeben sich aus dem vorliegenden Behördenakt und den Angaben des BF vor dem BFA.

Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da der BF haftfähig ist und das Verfahren vom BFA effizient geführt wird. Insbesondere bestehen gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein auf drei Jahre erlassenes Einreiseverbot vor. Die Ausstellung eines HRZ sowie die auch zeitnah durchführbare Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ gelten weiterhin als sehr wahrscheinlich und auch tatsächlich möglich.

Im Hinblick auf das bereits eingeleitete HRZ Verfahren ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die belangte Behörde hat das Verfahren zeitgerecht eingeleitet, ist mit dem betroffenen Staat laufend in Kontakt und wird nach Beendigung der aktuellen Corona-Virus-Situation eine Abschiebung am Flugwege erfolgen können. Die Zustimmung zur Ausstellung eines HRZ durch die tadschikische Botschaft wurde bereits am 07.10.2020 in Aussicht gestellt. Somit ist von einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates auszugehen und mit einer darauffolgenden Abschiebung zu rechnen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A):

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(…)

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(…)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(…)“

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit der Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als notwendig und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf seine persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Zunächst ist festzuhalten, dass den vom BVwG im Erkenntnis GZ: G312 2238744-1/7Z vom 22.01.2021 dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt.

Der BF verfügt über kein Reisedokument. Gegen ihn liegen eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ein auf drei Jahre erlassenes Einreiseverbot vor.

Da der BF in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige Bezugspersonen, keinen ordentlichen Wohnsitz bzw. niemanden hat, bei dem er längerfristig Unterkunft nehmen könnte, er ferner bis dato keiner legalen Beschäftigung nachging und auch über kein Barvermögen verfügt, mangelt es in seinem Fall an der gesicherten Existenz eines Wohnsitzes sowie der Sicherung seines Lebensunterhalts in Österreich.

Vielmehr hat sich der BF ein Jahr lang im Untergrund aufgehalten und ist illegalen Beschäftigungen nachgegangen.

Angesichts des Gesamtverhaltens des BF kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass er (in Freiheit) an seiner Abschiebung mitwirken wird und muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft unterzutauchen ausgegangen werden, wobei er bereits ausdrücklich erklärte, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen.

Das BFA hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus den Angaben des BF, der sowohl erklärtermaßen als auch durch Handlungen untermauert nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückwill, mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern bzw. zu behindern beabsichtigt. Zudem hat er durch sein Verhalten mangelnde Bereitschaft gezeigt, mit der Behörde zusammenarbeiten zu wollen.

Im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet hat das BFA zu Recht das Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr sowie einen akuten Sicherungsbedarf angenommen.

Der BF hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig.

Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen.

In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird, die belangte Behörde ist mit dem betreffenden Staat in laufenden Kontakt und ist zeitnah mit einer Abschiebung auf dem Flugweg nach Ende der Corona-Virus-Situation zu rechnen.

Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für ihn ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ra 2016/21/0144).

Es haben sich keine Umstände ergeben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer nicht möglich wäre, somit ist die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vorgegeben.

Ein gelinderes Mittel gemäß § 77 FPG, etwa in Gestalt einer periodischen Meldeverpflichtung bei einer Polizeidienststelle, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr und des Umstandes, dass sich der BF bereits durch seinen unangemeldeten Aufenthalt im Bundesgebiet dem Zugriff der Behörden entzogen hatte, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft entgegenstehen, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen. Die Schubhaft ist trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs und der Aussetzung von Einzelrückführungen derzeit noch verhältnismäßig.

Der erkennende Richter geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer auch erfolgen könnte.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die andauernde Schubhaft kann daher – auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung – fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G302.2238744.2.00

Im RIS seit

11.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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