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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;Norm
B-VG Art140 Abs7;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/06/0083Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, in den Beschwerdesachen 1. des Anton M in T, 2. des Josef und der Inge F in E, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung vom 28. März 1996, Zl. Ve1-554-68/1-2 (betreffend den Erstbeschwerdeführer, protokolliert nunmehr zu Zl. 97/06/0082, früher Zl. 96/06/0132), und vom 9. April 1996, Zl. Ve1-554-67/1-1 (betreffend die Zweitbeschwerdeführer, protokolliert nunmehr zu Zl. 97/06/0083, früher zu
Zl. 96/06/0137), betreffend Feststellung eines Freizeitwohnsitzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,--, und den Zweitbeschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren aller Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
I.
Mit Bescheiden vom 31. Oktober 1995 stellte der Bürgermeister der Gemeinde T jeweils fest, daß die von den Beschwerdeführern angemeldeten Freizeitwohnsitze von den Beschwerdeführern weiterhin als solche verwendet werden dürften. Beide Bescheide enthielten auch die Angabe, daß der Freizeitwohnsitz zur ganzjährigen Wohnnutzung geeignet sei. Die Beschwerdeführer erhoben jeweils Berufung gegen jenen Teil des Bescheides, der die Feststellung der Eignung zur ganzjährigen Wohnnutzung enthielt.
Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab (die Bescheide wurden den Beschwerdeführern am
5. bzw. 7. April 1996 zugestellt; in den Beschwerdefällen ist daher das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 4/1996, die u.a. in bezug auf die §§ 15 und 16 TROG 1994 am 1. Februar 1996 in Kraft getreten ist, anzuwenden). Begründend führte die belangte Behörde zunächst in beiden angefochtenen Bescheiden aus, daß bei der Beurteilung der Frage der ganzjährigen Wohnnutzung ein objektiver Maßstab anzulegen sei.
In dem erstangefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde weiters aus, daß nach § 16 der Technischen Bauvorschriften (TBV) Mindestanforderungen an die Wärmedämmung eines Gebäudes vorgeschrieben seien, die der Beschwerdeführer nach seinen Angaben eingehalten habe. Das Argument, es sei keine ausreichende Wärmeisolierung gegeben, ginge daher ins Leere. Dasselbe treffe für den Einwand hinsichtlich der mangelnden Isolierung von Decke und Boden zu. Aus dem dem Bauakt angeschlossenen Plan sei zu entnehmen, daß das Haus mit dem Erdboden verbunden und keineswegs frei aufgestellt worden sei. Hinsichtlich des Fehlens von Heizungsmöglichkeiten in den Zimmern werde darauf hingewiesen, daß gemäß § 28 Abs. 7 TBV an einen Fang drei Feuerstätten der gleichen Wohn- oder Betriebseinheit angeschlossen werden dürften, sodaß eine ausreichende Beheizung des Hauses durchaus möglich sei. Auch könne die angeblich freiliegende Wasserinstallation durch geringfügigen Aufwand wintertauglich gemacht werden. Eine Wohnnutzfläche von 40 m2 sei aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens zur ganzjährigen Befriedigung eines dauernden Wohnbedürfnisses geeignet. Es gebe viele Kleinwohnungen dieses Ausmaßes in Tirol, die zur Befriedigung eines ganzjährigen und dauernden Wohnbedürfnisses benützt würden. Das verfahrensgegenständliche Haus entspreche somit den Mindestausstattungskriterien des § 22 TBV, wie sich dies aus dem Baubescheid, den Planunterlagen und dem Bauansuchen samt Baubeschreibung ergebe.
In dem die Zweitbeschwerdeführer betreffenden Bescheid führte die belangte Behörde weiters aus, daß die Behauptung, es sei keine ausreichende Isolierung (Wände, Decke, Böden) vorhanden, mit dem für das Objekt vorliegenden Baubescheid samt der Baubeschreibung im Widerspruch stehe. Aus der Einwendung, der Zufahrtsweg müsse alleine schneefrei gehalten werden, könne nichts gewonnen werden, da es in Tirol genügend dauernd bewohnte Häuser gebe, die in entfernteren Lagen vom Ort gelegen seien, durch Privatwege erschlossen seien und diese dadurch von der Gemeinde nicht schneefrei gehalten würden. Es obliege den Gebäudeeigentümern, dafür Sorge zu tragen, daß sie das von der Gemeinde schneefrei gehaltene Straßennetz erreichen. Die Zufahrt sei weiters durch Servitut sichergestellt. Hinsichtlich des Fehlens von Heizungsmöglichkeiten werde darauf hingewiesen, daß gemäß § 28 Abs. 2 TBV an einen Fang drei Feuerstätten der gleichen Wohn- oder Betriebseinheit angeschlossen werden dürften, sodaß eine ausreichende Beheizung des Hauses durchaus möglich sei, zumal ein doppelzügiger Rauchfang vorhanden sei. Die diesbezügliche Einwendung ginge daher ebenfalls ins Leere. Die angeblich freiliegende Wasserinstallation könne mit geringfügigem Bauaufwand wintertauglich gemacht werden. Eine Wohnnutzfläche von 36 m2 eigne sich zur ganzjährigen Befriedigung eines dauernden Wohnbedürfnisses. Aus den Regelungen des Gesetzes sei erkennbar, daß bei der Beurteilung der ganzjährigen Benützbarkeit eines Freizeitwohnsitzes kein allzu strenger Maßstab anzulegen sei. Das verfahrensgegenständliche Haus entspreche den Mindestausstattungskriterien des § 22 TBV, wie sich dies aus dem Baubescheid, den Planunterlagen und dem Bauansuchen samt Baubeschreibung ergebe.
Gegen diese Bescheide richten sich die ursprünglich zu den Zlen. 96/06/0132 und 96/06/0137 (nunmehr: Zlen. 97/06/0082 und 0083) protokollierten Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat jeweils die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Aus Anlaß der Prüfung der vorliegenden Beschwerdefälle sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs. 1 lit. e und des § 16 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 4/1996 entstanden, worauf der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. Oktober 1996, A 70/96-1, A 71/96-1, Gesetzesprüfungsanträge (davon zwei Eventualanträge) auf Aufhebung des § 16 Abs. 1 und 2 (in verschiedenem Umfang) bzw. der §§ 15, 16 und 16a TROG 1994, LGBl. Nr. 81/1993 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 4/1996, zur Gänze gestellt hat.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1997, G 114/96-11 u.a. (der vorliegende Prüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes erhielt die Geschäftszahl G 323/96), sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die §§ 15, 16 und 16a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 81/1993 i.d.F. der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, verfassungswidrig waren. Der Verfassungsgerichtshof erachtete im Hinblick auf diesen Gesetzesprüfungsantrag den Primärantrag betreffend nur den § 16 Abs. 1 lit. c TROG 1994 in der angeführten Fassung für zulässig. Die Aufhebung bezog sich in bezug auf diese Fälle nur auf diese Bestimmung.
Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem Gesetzesprüfungsantrag davon ausgegangen, daß die ebenfalls im vorliegenden Verwaltungsverfahren im erstinstanzlichen Bescheid getroffene Feststellung gemäß § 16 Abs. 2 erster Satz Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der Fassung der angeführten Novelle, daß der verfahrensgegenständliche Freizeitwohnsitz weiterhin als solcher verwendet werden dürfe, von der im Instanzenzug bekämpften Feststellung der Eignung des Freizeitwohnsitzes zur ganzjährigen Wohnnutzung gemäß § 16 Abs. 2 zweiter Satz TROG 1994 trennbar ist. In diesem Sinne wurde zulässigerweise nur Berufung bezüglich jenes Teiles des erstinstanzlichen Bescheides erhoben, der die Feststellung der Eignung des Freizeitwohnsitzes zur ganzjährigen Wohnnutzung im Sinne des § 16 Abs. 2 zweiter Satz Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 betrifft.
Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz bzw. ein als verfassungswidrig festgestelltes, bereits außer Kraft getretenes Gesetz mit Ausnahme des Anlaßfalles auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden. Bei den vorliegenden Beschwerdeverfahren handelt es sich um Anlaßfälle im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG.
Die jeweils angefochtene Feststellung der belangten Behörde, daß der verfahrensgegenständliche Freizeitwohnsitz zur ganzjährigen Nutzung geeignet sei, stützte sich auf § 16 Abs. 1 lit. e Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der angeführten Fassung. Diese Bestimmung ist in den vorliegenden Anlaßfällen gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG im fortgesetzten Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof nicht mehr anzuwenden.
Damit ist aber die maßgebliche Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid betreffend die bekämpfte Feststellung weggefallen. Die verfahrensgegenständliche Feststellung verletzte die Beschwerdeführer somit in Rechten. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Aussprüche über den Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Soweit in den Beschwerden Ersatz für Stempelgebühren jeweils betreffend die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde begehrt wurde, war dieses Mehrbegehren abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997060082.X00Im RIS seit
03.04.2001