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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des M K in L, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2019, W156 2190696-1/19E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus Afghanistan stammende Revisionswerber stellte am 23. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit dem Bescheid vom 26. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 5. März 2020, E 2794/2019-16, deren Behandlung ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 16. März 2020, E 2794/2019-19, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In der Folge wurde die vorliegende Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision wendet sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten und bemängelt in diesem Zusammenhang die Heranziehung veralteter Berichte, die mangelhafte Berücksichtigung einer im Beschwerdeverfahren übermittelten Stellungnahme und zweier länderkundigen Stellungnahmen sowie des in den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 erwähnten Risikoprofils von Personen, die mit den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften oder mit regierungsnahen Kräften verbunden seien oder diese vermeintlich unterstützten. Da der Revisionswerber das Militärgymnasium und die Militärakademie in Kabul besucht habe, sei nach außen hin für regierungsfeindliche Kräfte eindeutig erkennbar, dass er der afghanischen Nationalarmee nahe stehe.
10 Das BVwG verneinte nicht nur die Gefahr einer individuellen Verfolgung des Revisionswerbers, sondern ging - alternativ - davon aus, dass dem Revisionswerber die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar sei. Beruht ein angefochtenes Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, so ist die Revision unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass die anderen Begründungsalternativen rechtlich unzutreffend sind (vgl. etwa VwGH 1.6.2017, Ra 2017/20/0145; 6.11.2018, Ra 2018/18/0203; 19.5.2020, Ra 2020/14/0163). Zwar enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revision ein Vorbringen, das die vom BVwG vorgenommene Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Sinn von § 11 AsylG 2005 bemängelt, auf dieses Vorbringen wird in den Revisionsgründen aber nicht mehr zurückgekommen, weshalb es schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzeigt (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/19/0175; 14.3.2019, Ra 2018/20/0387, mwN).
11 Weiters ist dem Zulässigkeitsvorbringen zur vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 23.12.2019, Ra 2019/01/0479, mwN).
12 Liegt - wie im vorliegenden Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049, mwN).
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-Verfahrensgesetz maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
14 Das BVwG setzte sich im Rahmen seiner Interessenabwägung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen auseinander. Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung ist nicht zu erkennen, dass die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung, in der insbesondere auch auf die nachhaltigen Deutschkenntnisse des Revisionswerbers, die Aufnahme eines ordentlichen Studiums, sein ehrenamtliches Engagement und seine Bindung zu österreichischen Staatsbürgern Bedacht genommen wurde, selbst unter Berücksichtigung seines vierjährigen Aufenthalts, des in der Revision vorgebrachten Fortschritts im Studium und seines diesbezüglichen Engagements, unvertretbar wäre (vgl. VwGH 31.3.2020, Ra 2019/14/0417).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 29. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200153.L00Im RIS seit
16.03.2021Zuletzt aktualisiert am
16.03.2021