TE Vwgh Beschluss 2021/2/9 Ra 2020/19/0185

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der N S H A in W, vertreten durch Mag.a Irene Oberschlick, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2020, L524 2167224-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige des Irak, stellte am 24. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte sie vor, nach der Ermordung ihres Vaters und ihrer beiden Brüder aus Angst um ihr eigenes Leben den Irak verlassen zu haben.

2        Mit Bescheid vom 14. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. In seiner Entscheidung traf das BVwG Feststellungen zur Revisionswerberin, ihrem Gesundheitszustand sowie zur Lage im Irak, insbesondere auch zur Situation der Frauen im Irak. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung legte das BVwG - soweit von Relevanz für das vorliegende Verfahren - dar, weshalb es das Vorbringen der Revisionswerberin zur Ermordung ihres Vaters und ihrer Brüder für nicht glaubwürdig erachtete. Dabei zog es die Angaben der Revisionswerberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, bei der Einvernahme vor dem BFA und bei der Erstbefragung heran und führte im Detail aus, worin es Widersprüche und Ungereimtheiten in ihren Aussagen erkannte.

4        Mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 3110/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 6. November 2020, E 3110/2020-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG sei von - nicht näher bezeichneter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen und habe zu Unrecht die Berichte des UNHCR vom Mai 2019 sowie die EASO Country Guidance vom Juni 2019 außer Acht gelassen. Der Verfassungsgerichtshof habe aber in einer - näher bezeichneten - rezenten Entscheidung die mangelnde Auseinandersetzung mit diesen Berichten gerügt. Weiters habe es sich mit der Lage von westlich orientierten, alleinstehenden Frauen im Irak nicht auseinandergesetzt. Das BVwG habe zudem keine Feststellungen zum Vorbringen zur westlichen Orientierung der Revisionswerberin getroffen und die Gefährdung von alleinstehenden westlich orientierten Frauen bei einer Rückkehr außer Acht gelassen. Schließlich wendet sich die Revision auch gegen die Beweiswürdigung. Das BVwG habe die Feststellung zur Religionszugehörigkeit der Revisionswerberin sowie zum Fluchtvorbringen mangelhaft begründet, es hätte auch Negativfeststellungen zur Religionszugehörigkeit sowie zur Ermordung des Vaters und der Brüder treffen können. Die Beweiswürdigung erweise sich als „nicht schlüssig“ und sei unvertretbar.

9        Soweit die Revision vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ist festzuhalten, dass pauschale, nicht näher - insbesondere nicht durch Bezugnahme auf bestimmte Entscheidungen - konkretisierte Behauptungen, das Gericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, nicht ausreichen, um das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen (vgl. VwGH 1.9.2020, Ra 2020/20/0239). Mit der bloßen Bezugnahme auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes übersieht die Revision zudem, dass ein (behauptetes) Abweichen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen vermag (vgl. erneut VwGH Ra 2020/20/0239, mwN).

10       Wenn nun in der Revision erstmals vorgebracht wird, die Revisionswerberin sei eine westlich orientierte Frau, die im Fall einer Rückkehr in den Irak Gefahr laufe, Opfer von gewalttätigen Angriffen zu werden, entfernt sie sich damit vom festgestellten Sachverhalt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen. Dementsprechend entzieht sich das Revisionsvorbringen einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren. Auch kann das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0389). Die Revisionswerberin hätte bereits in der Einvernahme vor dem BFA sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG die Möglichkeit gehabt, das Vorliegen einer westlichen Orientierung vorzubringen.

11       Soweit die Revision einen Verfahrensmangel - wie hier Feststellungsmängel betreffend die vom BVwG getroffenen Länderfeststellungen - als Zulassungsgründe ins Treffen führt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2020/14/0189, mwN). Der Revision gelingt es angesichts der vom BVwG getroffenen Feststellungen zur persönlichen Situation der Revisionswerberin sowie zur Situation von Frauen im Irak nicht aufzuzeigen, dass das BVwG mit seiner Begründung von der Rechtsprechung abgewichen ist oder vor dem Hintergrund der EASO Country Guidance sowie Berichten des UNHCR zu einem anderen Ergebnis betreffend die Möglichkeit einer Verletzung von durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten hätte gelangen müssen (vgl. VwGH 21.2.2020, Ra 2020/18/0002, mwN).

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 22.5.2020, Ra 2020/19/0073, mwN).

13       Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung sowohl mit der Religionszugehörigkeit als auch mit dem Vorbringen der Revisionswerberin zur behaupteten Ermordung des Vaters und der Brüder auseinandergesetzt. Das BVwG stützte sich in seiner Beweiswürdigung auf die Angaben der Revisionswerberin sowohl im Rahmen der Ersteinvernahme als auch im Zuge der Einvernahme durch das BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und führte aus, dass das zur Ermordung des Vaters und der Brüder getätigte Vorbringen aufgrund unterschiedlicher zeitlicher Angaben, unterschiedlicher Angaben zu den Gründen der Ermordung sowie zu den Todesumständen nicht glaubwürdig sei. Auch setzte es sich mit der Religionszugehörigkeit und den Angaben der Revisionswerberin dazu auseinander. Die Revision legt mit ihrem - bloß pauschalen - Vorbringen nicht dar, dass diese Beweiswürdigung unvertretbar wäre.

14       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190185.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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