TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/30 96/01/0160

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Veröffentlicht am 30.04.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1995, Zl. 4.334.522/7-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 18. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. Dezember 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. Jänner 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 23. Dezember 1991 angegeben, er stamme aus dem Kosovo, seine Muttersprache sei albanisch und er sei Moslem. Als Fluchtgründe hatte er vorgebracht:

"Ich hätte am 8.12.1991 zur Bundesarmee nach Pristina einrücken müssen. Aus Gewissensgründen, ich gehöre der alb. Minderheit im Kosovo an, hätte ich unter Umständen gegen die eigenen Leute schießen müssen, bin ich diesem Einberufungsbefehl nicht nachgekommen, sondern habe mich sogleich entschlossen zu fliehen."

In seiner Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich brachte er vor, daß der Bescheid nur allgemeine Feststellungen treffe. Es könne nicht nachvollzogen werden, aufgrund welcher Tatsachen die Behörde zur Ansicht gelangt sei, daß auf den Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zutreffe. Als Fluchtgründe wiederholte er:

"Ich gehörte der albanischen Minderheit im Kosovo an. Ich hätte am 8.12.91 zur Bundesarmee nach Pristina einrücken müssen. Da ich dem Einberufungsbefehl nicht nachkommen wollte, weil ich aus Gewissensgründen nicht zum Heer wollte, bin ich geflüchtet. Einen weiteren Einberufungsbefehl bekamen meine Eltern für mich am 16.01.92. Dieser besagt, daß ich mich am 31.01.1992 beim Militärkommando in Pristina melden sollte."

Die Berufung wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. September 1993 abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, welcher mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 94/01/0237, den Bescheid infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, aufgehoben hat.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde gelangte zu der Ansicht, daß der Beschwerdeführer seine Heimat ausschließlich deshalb verlassen habe, da er einen Einberufungsbefehl zum Militärdienst erhalten habe. In der Folge sei er über Slowenien illegal nach Österreich gelangt. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß mit seiner Einberufung eine asylrechtlich relevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre, und es sei nicht glaubwürdig ableitbar, daß er wegen eines in der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. im § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Grundes im Hinblick auf seine Volksgruppenzugehörigkeit eine unterschiedliche Behandlung oder im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu serbischen Volksgruppenangehörigen zu erwarten hätte. In der "Jugoslawischen Föderation" gelte grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, es würden keine ethnischen Unterschiede gesetzlich vorgesehen noch in der Praxis gemacht. Auch in der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. Angehörige der albanischen Volksgruppe würden in der Armee lediglich in der "Etappe" und nur mehr in technischen Einheiten eingesetzt. Die jugoslawische Armee sei offiziell an den Bürgerkriegshandlungen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina nicht beteiligt. Es gebe nur die "normalen Einberufungen von Wehrpflichtigen". Die Verweigerung des Wehrdienstes sei strafbar, aufgrund der hohen Anzahl von Kosovo-Albanern, die das Land in Erwartung des Marschbefehles verlassen hätten, sei zwar in mehreren tausend Fällen formal Anklage erhoben worden. Ein diesbezüglich erhöhtes Gefährdungspotential könne "lediglich bei kosovo-albanischen Offizieren unterstellt werden", weil diese mit der Organisation des Widerstandes und einem damit verbundenen Aufbau militärischer Strukturen in Zusammenhang gebracht würden. Es stehe fest, daß Anklageerhebung und tatsächlich erfolgte Verurteilungen in keinem Verhältnis zueinander stünden, die gesetzlich möglichen Höchststrafen würden kaum verhängt.

Des weiteren begründete die belangte Behörde, daß die Befürchtung des Beschwerdeführers, unter Umständen auf die "eigenen Leute" schießen zu müssen, nur eine subjektive Vermutung des Beschwerdeführers darstelle, aus welcher bei objektiver Betrachtung keine staatliche Verfolgung seiner Person ableitbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Insoferne der Beschwerdeführer vorbringt, daß bereits die Behörde erster Instanz ausgeführt habe, daß es im Kosovo üblicherweise massivste Menschenrechtsverletzungen gebe, und daraus Rückschlüsse auf eine generelle Verfolgungssituation zieht, verwechselt der Vertreter des Beschwerdeführers offensichtlich verschiedene Beschwerdeakte, denn solche Ausführungen sind im konkreten erstinstanzlichen Bescheid nicht enthalten.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, die Behörde habe ihn zu seinen Fluchtgründen nur befragt, jedoch die Hintergründe der Furcht vor dem Einrücken niemals erforscht. Ihm ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht gerügt hat, daß die niederschriftliche Einvernahme mangelhaft erfolgt sei, und er insbesondere auch keine über die erstinstanzlichen Angaben hinausgehenden Fluchtgründe in der Berufung vorgebracht hat.

Daher unterliegt das nunmehrige, in der Beschwerde erstmals erstattete Sachverhaltsvorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in dem betroffenen Heimatstaat ein Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren lediglich angegeben, der Einberufung deshalb keine Folge geleistet zu haben, weil er der Minderheit im Kosovo angehöre und unter Umständen gegen die eigenen Leute hätte schießen müssen. Damit hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt, daß seine Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während des Militärdienstes nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides zur Erlangung der Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Slowenien sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010160.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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