TE Bvwg Beschluss 2020/8/12 L518 2232176-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2020
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Entscheidungsdatum

12.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53
VwGVG §28 Abs3

Spruch


L518 2232176-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.03.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (idF bP) ist Staatsangehöriger von Georgien.

I.2. Am 28.01.2018 hat sie in Österreich vor der belangten Behörde (idF bB) ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens wurde der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten von der bB gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz war gemäß Artikel 18 (1) (c) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Deutschland zuständig.

Gemäß § 61 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge war gemäß § 61 Absatz 2 FPG Ihre Abschiebung nach Deutschland zulässig.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des BVwG vom 12.04.2018, W240 2191101 abgewiesen.

I.3. Die bP wurde am XXXX 2018 nach Deutschland abgeschoben.

I.4. Die bP stellte am 15.11.2019 in Österreich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz vom 15.11.2019 wurde von der bB hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist.

Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Diese erstinstanzliche Entscheidung ist am 12.02.2020 in Rechtskraft in I. Instanz erwachsen.

I.5. Am 18.02.2020 wurde ein Heimreisezertifikat für die bP beantragt. Dieses wurde durch die georgische Botschaft am XXXX 2020 ausgestellt und hatte eine Gültigkeit bis zum XXXX 2020.

Die bP wurde am 14.02.2020 auf Anordnung der Behörde festgenommen, gemäß § 120 FPG angezeigt und der Behörde vorgeführt.

Sie wurde am 14.02.2020 durch einen Organwalter des Bundesamtes einvernommen und wurde ihr die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise gewährt.

Sie hätte am 02.03.2020 freiwillig mit Unterstützung von XXXX nach Georgien fliegen sollen, ist ihrer Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nachgekommen.

I.6. Sie wurde am 06.03.2020 wiederum aufgegriffen, auf Anordnung der Behörde festgenommen, durch die PI XXXX befragt und in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

I.7. Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG wurde über die bP von der bB am 07.03.2020 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

I.8. Mit im Spruch genannten Bescheid vom 10.03.2020 wurde gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen die bP ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Mit Verfahrensanordnung vom 10.03.2020 wurde der bP ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt.

Der Bescheid wurde der bP gemeinsam mit der Information über die bevorstehende Abschiebung am 10.03.2020 ausgehändigt.

I.9. Die bP wurde am 12.03.2020 nach Georgien abgeschoben.

I.10. Mit Schreiben vom 27.05.2020 brachte die bevollmächtigte Diakonie eine Beschwerde ein.

Aufgrund des 1. Covid 19 Gesetz wurden alle verfahrensrechtlichen Fristen, die am 22. März 2020 noch nicht abgelaufen waren, bis 30. April 2020 unterbrochen. Die Frist zur Einbringung der Beschwerde begann daher am 01.05.2020 in voller Länge neu zu laufen.

Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass das Einreiseverbot nicht ohne Rückkehrentscheidung erlassen hätte werden dürfen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.

Die bB hat nachstehende Ausführungen in ihrem Bescheid getroffen:

-        Beweismittel

Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:

Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:

Sie brachten keine Beweismittel in Vorlage.

Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:

Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden zur Ermittlung sämtliche Bestandteile Ihres Verwaltungsaktes mit der Zahl IFA XXXX , sowie sämtliche zur Verfügung stehenden, computerunterstützten Programme herangezogen. Im Speziellen wurden dabei berücksichtigt.

Auszüge IFA, ZMR, AJ-Web, IZR

Niederschrift BFA vom 14.02.2020

Asyl Akt Zahl IFA XXXX , VZ XXXX mit dem Bescheid, mit dem die Rückkehrentscheidung erlassen worden ist.

-        Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Es steht fest, dass Sie den Besitz der Mittel zu Ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen.

-        Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbots begründen sich aus Abfragen im Zentralen Melderegister, dem Zentralem Fremdenregister, beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und anhand der mit Ihnen am 14.02.2020 aufgenommen Niederschrift beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Neben Wiedergabe von gesetzlichen Bestimmungen wurde hinsichtlich § 53 FPG festgehalten, dass die Z 6 erfüllt sei. Weiters wurde von der bB ausgeführt:

Persönlichkeitsbild und Gefährlichkeitsprognose:

Der Tatbestand der Mittellosigkeit alleine wurde zur Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes nicht herangezogen. Vielmehr wurde der Zweck Ihres Aufenthalts in Österreich berücksichtigt. Sie führen kein tatsächliches Familienleben in Österreich, sind weder beruflich, sprachlich, sozial, noch privat im Bundesgebiet integriert. Sie sind nicht im Besitze von Vermögen und Ihre Ersparnisse sind zur Gänze aufgebraucht.

Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens ist unter Bedachtnahme auf Ihr Gesamtverhalten, d.h. im Hinblick darauf, wie Sie Ihr Leben in Österreich insgesamt gestalten, davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, dass Sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, gerechtfertigt ist.

Bei der Beurteilung der Notwendigkeit sowie bei der Bemessung des Einreiseverbotes, kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, sind Ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletzt in Ihrem Fall Art. 8 EMRK nicht. Es muss daher nun, unter Berücksichtigung des in § 53 Abs. 2 FPG genannten Tatbestandes ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

II.2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und den vor der bB durchgeführten Verfahren sowie der Beschwerde.

II.3.   Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

II.3.1.  Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

II.3.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG (hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen), bietet jedoch im Fall der Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes keine von § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 unabhängige Rechtsgrundlage für eine Bescheidaufhebung durch das VwG zwecks Eröffnung einer neuen Entscheidungsmöglichkeit durch die Verwaltungsbehörde (VwGH v om 25. März 2015, Zl. Ro 2015/12/0003).

II.3.3. Beginnend mit dem Erkenntnis des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, wurde zur Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes ausgeführt, dass die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme zur grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Das in § 28 VwGVG verankerte System verlange im Sinne der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Im angeführten Erkenntnis des VwGH wird diesbezüglich ausgeführt: „Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden [...]“.

II.3.4. Im gegenständlichen Fall ergibt sich Folgendes:

II.3.4.1. § 59 FPG lautet:

Besondere Verfahrensbestimmungen

§ 59.

(Anm.: Abs. 1 und 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) Eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung ist im Reisedokument des Drittstaatsangehörigen ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird.

(4) Der Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(5) Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.

(6) Wenn der Drittstaatsangehörige einen Antrag auf internationalen Schutz einbringt, wird eine Rückkehrentscheidung vorübergehend nicht durchführbar,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

bis einer Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird (§ 17 BFA-VG) oder

2.

bis einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (§ 18 BFA-VG).

Handelt es sich um einen Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 so gilt § 12a AsylG 2005.

II.3.4.2. Im Hinblick auf § 59 Abs. 5 FPG, wonach im Falle einer gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits bestehenden rechtskräftigen Rückkehrentscheidung es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, festgehalten:

"Der Wortlaut des § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 idF des FNG 2014 ist missglückt. Vor allem die Bezugnahme auf alle "nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005", bei denen es bei Existenz einer aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung "bedarf", ist sprachlich offenkundig verfehlt. So versteht es sich etwa - um nur die primäre "Verfahrenshandlung" nach dem 7. Hauptstück des FrPolG 2005 herauszugreifen - von selbst, dass es im Zuge einer Abschiebung (oder allenfalls auch für eine solche) bei Bestehen einer aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keiner wiederholten Rückkehrentscheidung bedarf. Insoweit kann der Bestimmung daher, nimmt man sie wörtlich, keine sinnvolle Handlungsanweisung entnommen werden.

Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 idF FNG 2014 (1803 BlgNR 24. GP 67) lauten:

Existiert bereits eine rechtskräftige und noch aufrechte Rückkehrentscheidung (vgl. E 19. November 2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087 - es muss eine solche sein, die mit einem Einreiseverbot verbunden ist), die als Titel für eine Außerlandesbringung des Drittstaatsangehörigen herangezogen werden kann, so "bedarf" es ausnahmsweise - sofern nicht aufgrund "neu hervorgekommener" Tatsachen eine Neubemessung des bestehenden Einreiseverbotes erforderlich ist - entgegen den diesbezüglichen gesetzlichen Anordnungen (in § 10 AsylG 2005 bzw. in § 52 FrPolG 2005) nicht der Erlassung einer wiederholten - unter dem Blickwinkel der beabsichtigten Außerlandesbringung entbehrlichen - Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot). Für die Rückkehrentscheidungs-Tatbestände nach § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bzw. nach § 52 Abs. 2 Z 1 FrPolG 2005 (weil ein Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatssicherheit zurückgewiesen wurde) ergibt sich das im Grunde auch aus § 16 Abs. 2 Z 1 iVm Z 2 BFA-VG 2014. Neben dem Fall, dass ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen und damit eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verbunden ist, wird dort nämlich auch der Konstellationen gedacht, dass ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht, also keine neue Rückkehrentscheidung mit der Zurückweisung verbunden wird (vgl. § 16 Abs. 4 BFA-VG 2014 und ErläutRV zum FNG-AnpassungsG 2014 (2144 BlgNR 24. GP 11).

Gemäß § 59 Abs. 5 FPG kann im Falle einer rechtskräftigen und aufrechten, mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung, die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung unterbleiben, sofern keine neuen Tatsachen hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer des Einreiseverbotes erforderlich machen (VwGH vom 31.03.2020, Ra 2019/14/0209; vgl. zu alldem ausführlich VwGH vom 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087, mwN; vgl. auch VwGH vom 26.03.2019, Ra 2019/19/0018;).

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 19.11.2015, Ra 2015/20/0082, die Bestimmung des § 59 Abs. 5 FPG wie folgt ausgelegt:

§ 59 Abs. 5 FPG soll demnach der Verfahrensökonomie dienen und bewirken, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen.

Durch den Verweis auf § 53 FPG, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FPG nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings - wie hier - von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm.

In solchen Fällen ist daher - mangels anderer gesetzlicher Anordnung - die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Erforderlichkeit der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung der Asylbehörden mit einer Ausweisung, unabhängig davon, ob zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Mai 2008, Zl. 2007/19/0466, und vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/01/0344) auf die ab 1. Jänner 2014 geltende Rechtslage übertragbar.

Ist die Rückkehrentscheidung von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich von § 59 Abs. 5 FPG. Im gegenständlichen Fall war die Rückkehrentscheidung vom 12.02.2020 nicht mit einem Einreiseverbot verbunden und konnte sich die bB – entgegen der Erwähnung dieser Bestimmung in ihrem Bescheid – nicht darauf stützten.

Es setzt eben - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - die Erlassung eines Einreiseverbotes voraus, dass es "mit" einer Rückkehrentscheidung erlassen, also mit ihr verbunden wird (vgl. in diesem Sinn auch Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot "einher" gehen; siehe auch VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349, Rn. 40, wonach die Erlassung eines Einreiseverbotes die Erlassung einer Rückkehrentscheidung voraussetzt; vgl. VwGH vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0146)

Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198). Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige - Einreiseverbot iSd § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 EMRK angesprochen wird (VwGH 3.09.2015, Ra 2015/21/0111; VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0179; VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289)

Im gegenständlichen Fall wäre die Erlassung eines Einreiseverbotes nur zusammen mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zulässig.

II.3.4.4. Hinsichtlich der Frage, ob eine nachträgliche Erlassung eines - zwingend und ausnahmslos mit einer (neuerlichen) Rückkehrentscheidung zu verbindenden - Einreiseverbotes überhaupt zulässig wäre, wenn die hierfür maßgeblichen Tatsachen bereits vor der Rechtskraft der schon erlassenen Rückkehrentscheidung bestanden haben, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass diesfalls ein Einreiseverbot eben nicht Sache des vorangegangenen Verfahrens war (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146).

II.3.4.5. Grundsätzlich wäre im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die bB neben den Ausführungen zur Mittellosigkeit bei Abwägung der gegenläufigen Interessen zu dem Ergebnis kommt, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse der bP an einem Verbleib überwiegt, zumal der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407). Die bP hat dadurch, dass sie nach dem Abschluss des Vorverfahrens ohne weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verblieb, gegen diese Normen verstoßen. Sie wäre grundsätzlich verpflichtet gewesen, aus dem Bundesgebiet auszureisen und hat den Termin für die freiwillige Ausreise nicht wahrgenommen. Der Umstand, dass sie dies unterlassen hat, mindert das Gewicht des durch ihre Integration und ihre privaten Anknüpfungen erworbenen Interesses an einem Verbleib in Österreich entscheidend.

II.3.4.6. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die bP bereits nach Georgien abgeschoben wurde.

Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts der bP im Bundesgebiet und der erfolgten Abschiebung wird die Zulässigkeit einer etwaigen (neuerlichen) Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG zu prüfen sein (vgl. VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Seit der Abschiebung der bP findet die Rückkehrentscheidung in § 52 Abs 1 Z 2 FPG ihre weitere Rechtsgrundlage, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren offenbar schon davor (und daher jedenfalls vor Ablauf der in § 52 Abs 1 Z 2 FPG vorgesehenen Frist) eingeleitet wurde. Ergänzend ermöglicht § 52 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 unter der Voraussetzung, dass das Verfahren binnen sechs Wochen ab der Ausreise eingeleitet wird, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auch gegen Drittstaatsangehörige, die sich im Bundesgebiet unrechtmäßig aufgehalten haben, die also nach einem unrechtmäßigen Aufenthalt bereits ausgereist sind oder abgeschoben wurden. Die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FrPolG 2005 ist somit die Reaktion auf den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen (VwGH vom 28.05.2020, Ra 2020/21/0128)

Die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FrPolG 2005 ist die Reaktion auf den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen. Sie knüpft nach Neufassung dieser Bestimmung durch das FNG-AnpassungsG 2014 nicht mehr zwingend an einen aktuellen inländischen Aufenthalt des betreffenden Drittstaatsangehörigen an. Eine Rückkehrentscheidung ist nämlich gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 seither auch dann anzuordnen, wenn sich der Drittstaatsangehörige bereits außerhalb des Bundesgebietes befindet, sofern er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde. Die in § 52 Abs. 8 erster Satz FrPolG 2005 umschriebene normative Wirkung einer Rückkehrentscheidung (Verpflichtung des Drittstaatsangehörigen zur (unverzüglichen) Ausreise) steht dazu nur scheinbar in einem Spannungsverhältnis. Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 bleiben - ua - Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FrPolG 2005 nämlich 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht (vgl. VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0131), sodass die angesprochene Wirkung auch bei bereits erfolgter Ausreise - im Falle einer neuerlichen Einreise des Fremden nach Österreich - nicht von vornherein ins Leere geht (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

II.3.4.7. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

II.2.5. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Wie sich aus der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zur Frage der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG eine Rechtsprechung. Die vorliegende Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot rechtswidriger Aufenthalt Rückkehrentscheidung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L518.2232176.1.00

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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