Entscheidungsdatum
04.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L512 2174933-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge „Pakistan“ genannt), stellte am 05.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF in der Erstbefragung am 06.07.2016 Folgendes vor:
Er sei ledig, gehöre der Religionsgemeinschaft der Ahmadi und der Volksgruppe der Punjabi an und habe 10 Jahre die Grundschule sowie zwei Jahre das College besucht. Zuletzt habe er bis zum XXXX als XXXX gearbeitet.
Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er zu der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya gehöre, welche in Pakistan nicht anerkannt werde. Sie würden in Pakistan in allen Bereichen diskriminiert werden und hätten dort keine Religionsfreiheit. Da er schlecht behandelt worden sei, habe er nicht weiter studieren können. Er habe dort keine Zukunft mehr. Bei einer Rückkehr habe der BF Angst um sein Leben. Aufgrund des pakistanischen Gesetzes für Ahmadi würde ihm bei seiner Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe oder irgendwelche Sanktionen drohen [Aktenseite (AS) 11 ff].
Es wurde ein Konsultationsverfahren mit XXXX geführt, da der BF zuvor in XXXX um Asyl angesucht hatte. Mit Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 AsylG als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Artikel 18 Absatz 1 b iVm Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung Nr 604/2013 XXXX zuständig sei. Gemäß § 61 Absatz 1 Ziffer 1 FPG wurden gegen den BF eine Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach XXXX gemäß § 61 Absatz 2 FPG für zulässig erachtet. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom XXXX stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben, dies mit der Begründung, dass die Zuständigkeit zur Führung des gegenständlichen Verfahrens auf Österreich übergegangen sei, weil der BF nicht innerhalb der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach XXXX überstellt worden sei.
Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 24.04.2017 Folgendes ergänzend vor:
Zum Fluchtgrund gab der BF an, dass die allgemeine Verhaltensweise in Pakistan gegenüber Ahmadis in der Öffentlichkeit sehr schlecht sei. Schon als Kind in der Schule werde man schlecht behandelt. Seine Religion werde mit zahlreichen Verboten des Staates belegt, bspw. würden sie sich nicht als Muslime bezeichnen dürfen usw. und jeder pakistanische Staatsbürger könne einen Ahmadi auf der Straße töten, ohne dass gegen diesen ein Verfahren eingeleitet oder eine Strafe verhängt werde. Was normale pakistanische Staatsbürger bekommen würden, würden Ahmadis nicht bekommen. Das tägliche Leben des BF sei so schwer geworden, dass es nicht einfach gewesen sei, ein anständiges Leben zu führen. Ständig habe er Angst gehabt, weil er ein Ahmadi sei. Wenn sie höhere Qualifikationen wollen, müssten sie aus XXXX rausgehen, wobei es dann immer schlimmer und gefährlicher für sie werde. Nachdem er die höchste Schulstufe in XXXX abgeschlossen habe, habe er beschlossen bei einer XXXX tätig zu sein, wo er jeden Tag Bilder von Misshandlungen gesehen habe. Irgendwann habe er dies sattgehabt und habe in seinem Land nicht mehr leben wollen (AS 317 ff.).
I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Absatz 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.; AS 341 ff.).
I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde die vom BF vorgebrachten Diskriminierungen gegenüber Ahmadis sowie die psychische Belastung aufgrund seiner Tätigkeit für den XXXX als glaubhaft und nachvollziehbar. Die beschriebenen diskriminierenden Verhaltensweisen würden jedoch nicht ein derartiges Ausmaß erreichen, um von einer Verfolgung gegenüber der Person des BF sprechen zu können; die Belastungssituation des BF hätte durch einen Wechsel seines beruflichen Umfelds geändert werden können.
I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 FPG vorliegen würden.
I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften vollumfänglich Beschwerde erhoben und gleichzeitig auf das bisherige Vorbringen verwiesen (AS 465 ff.).
I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.
I.4.1. Mit Schreiben vom 23.06.2020 wurden den Verfahrensparteien aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.
I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen. Der BF gab an, er sei gesund, nehme derzeit keine Medikamente und sei nicht in ärztlicher Behandlung.
I.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der Beschwerdeführer
Beim BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher aus der Stadt XXXX (ehemals XXXX ), Provinz Punjab, stammt. Der BF ist ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi und Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya. Der BF spricht die Sprachen Urdu, Punjabi, Englisch sowie etwas Deutsch und hat 10 Jahre die Grundschule sowie zwei Jahre das College besucht.
Der BF ist Drittstaatsangehöriger.
Die Identität des BF steht fest.
Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Erkrankung.
Der BF ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann. Er verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Familienangehörige des BF – wie seine Mutter und seine drei Brüder leben im Herkunftsstaat des BF. Der BF hat zu seiner Familie ein bis zwei Mal in der Woche telefonischen Kontakt.
Vor seiner Ausreise hat der BF als XXXX für einen XXXX in Pakistan gearbeitet.
Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF reiste im XXXX 2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Der BF hat vom XXXX bis XXXX Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber bezogen. Er ist seit XXXX für XXXX als XXXX beschäftigt und bestreitet dadurch seinen Lebensunterhalt. Für diese Beschäftigung ist der BF im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung vom XXXX bis XXXX . Zuvor hat der BF von XXXX bis XXXX für die Firma XXXX , einem XXXX , als XXXX gearbeitet. Der BF verfügt seit dem XXXX über eine Gewerbeberechtigung für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt.
Der BF hat mehrere Deutschkurse besucht und die ÖSD-Prüfung zuletzt auf dem Niveau A2 am XXXX mit „bestanden“ absolviert. Der BF verfügt somit über Kenntnisse der Deutschen Sprache auf A2 Niveau.
Der BF ist Mitglied der XXXX und beteiligt sich auch aktiv daran, vor allem ist er zuständig für die XXXX Der BF war auch eine Zeit lang XXXX tätig.
Der BF hat insgesamt 20 Stunden ehrenamtliche Arbeit für die XXXX Österreich verrichtet, wo er überwiegend bei der Obdachlosenausspeisung ausgeholfen hat. Darüber hinaus hat der BF bereits mehrmals an dem freiwilligen Neujahrsputz in Innsbruck teilgenommen sowie an einer Hobbyfußballgruppe des Vereins XXXX .
Der BF wohnt in einer Mietwohnung zusammen mit einem weiteren Bewohner. Sie teilen sich zu zweit die Miete in Höhe vom XXXX
Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF hat Freunde in Österreich, mit denen er seine Freizeit verbringt. In seiner Freizeit macht der BF auch viel Sport und hat unter anderem bereits an mehreren Badminton Turnieren teilgenommen.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).
Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).
Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).
Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League–Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).
Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).
Quellen:
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? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
? AJK PDD – Azad Government of the State of Jammu and Kashmir – Planning & Development Department (2017): Azad Jammu & Kashmir at a Glance 2017, https://pndajk.gov.pk/uploadfiles/downloads/At%20a%20Glance%202017.pdf, Zugriff 4.4.2019
? CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019
? Dawn (2.7.2018): Mechanism for filling reserved seats seen as flawed, https://www.dawn.com/news/1417406, Zugriff 23.4.2019
? EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019
? ET - Express Tribune, the (3.8.2018): MQM support gives PTI required majority in NA, https://tribune.com.pk/story/1772639/1-mqm-p-throws-weight-behind-pti/, Zugriff 23.4.2019
? FH – Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019
? Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019
? Khan, Ehsan Mehmood (2017): Constitutional Status of Gilgit Baltistan: An Issue of Human Security, https://www.ndu.edu.pk/issra/issra_pub/articles/margalla-paper/Margalla-Paper-2017/7-Constitutional-Status-Dr-Ehsan-Mehmood-Khan.pdf, Zugriff 4.4.2019
? PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census – 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
Sicherheitslage
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).
Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).
Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).
Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):
Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).
Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019).
Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“, Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).
Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
? BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019
? Dawn (8.4.2019): India-Pakistan conflict: Experts warn of harmful implications, https://www.dawn.com/news/1474645/india-pakistan-conflict-experts-warn-of-harmful-implications, Zugriff 8.4.2019
? Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019
? Dawn (29.5.2018): Fata’s historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019
? DW – Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019
? EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
? EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019
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? Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019
? Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019
? Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019
? Standard, der (2.4.2019): Pakistan meldet mehrere Tote nach Beschuss aus Indien, https://derstandard.at/2000100638494/Pakistan-meldet-mehrere-Tote-nach-Beschuss-aus-Indien-in-Kaschmir, Zugriff 3.4.2019
? Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (7.3.2019): Foreign travel advice – Pakistan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/pakistan, Zugriff 3.4.2019
? USDOS – US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019
Wichtige Terrorgruppen
Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte der in Pakistan aktiven militanten regierungsfeindlichen Gruppen. Die TTP ist eine Dachorganisation 13 verschiedener – also ungefähr der Hälfte aller pakistanischen - Talibanfraktionen. Die Hochburgen der TTP in den ehem. FATA wurden durch militärische Operationen beseitigt, jedoch hält die TTP nach wie vor Rückzugsgebiete in Ostafghanistan. Analysten meinen, dass die TTP sich Mitte 2018 unter neuer Führung in Süd-Wasiristan vereinen konnte und wieder schlagkräftiger würde (EASO 10.2018 S 24f). PIPS hingegen gibt an, dass TTP verzweifelt darum kämpfe, ihr Netzwerk zu erhalten, innere Streitereien zu überwinden und die Finanzierung sicherzustellen (PIPS 7.1.2019 S 74).
Gemäß PIPS war die TTP im Jahr 2018 für 79 Terroranschläge mit 185 Toten verantwortlich. 57 dieser Anschläge wurden in Khyber Pakhtunkhwa, wo die Gruppe für den größten Teil aller Anschläge verantwortlich war, und 18 in Belutschistan durchgeführt (PIPS 7.1.2019 S 74f). Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 hat die TTP die Verantwortung für mehrere Anschläge übernommen (EASO 10.2018 S 26).
Kleinere militante Organisationen, die in Khyber Pakhtunkhwa – insbesondere in den ehem. Stammesgebieten – aktiv sind, werden als Lokale Taliban bezeichnet. Diese Gruppen führten 2018 28 terroristische Anschläge mit elf Todesopfern durch. Die meisten dieser Vorfälle sind religiös motiviert und zielen auf Mädchenschulen, NGOs, Sicherheitskräfte oder Stammesälteste ab. Eine Talibangruppe unter Mullah Nazir ist in Nord-Wasiristan aktiv. Sie wurde einst als „gute Taliban“ bezeichnet und nennt sich heute Friedenskommittee. Sie bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement (PIPS 7.1.2019 S 74f).
Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Die Hizbul Ahrar (HuA) spaltete sich 2017 von der JuA ab (EASO 10.2018 S 26f). Gemäß PIPS waren im Jahr 2018 JuA für 15 terroristische Anschläge (2017: 37) mit elf Toten, alle in Khyber Pakhtunkhwa, sowie HuA für sechs Anschläge in vier verschiedenen Provinzen verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 74).
Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (IS / ISKP / Daesh) ist seit 2015 in Pakistan aktiv. Der IS konnte seinen Einfluss durch taktische Bündnisse mit ähnlich ausgerichteten örtlichen Gruppen vergrößern. IS hat lokale Zweigstellen und Rekrutierungsnetzwerke in einigen Großstädten wie Peschawar oder Karatschi (EASO 10.2018 S 29f). Der IS war 2018 für zwei große Anschläge im Zusammenhang mit den Wahlen in Belutschistan verantwortlich und war vermehrt in konfessionelle Gewalt involviert. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt fünf Anschlägen durch den IS 224 Menschen getötet. Der IS ist insbesondere in Belutschistan präsent, wo er 2018 vier große terroristische Anschläge durchführte; ein weiterer Anschlag geschah in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019 S 76f).
Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen (EASO 10.2018 S 32). Im Jahr 2018 war LeJ für sieben terroristische Angriffe, darunter sechs in Belutschistan und einem in Khyber Pakhtunkhwa, mit insgesamt neun Toten, verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 78). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke zu erklären (PIPS 7.1.2018 S 87).
Die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen ist trotz einer verminderten Zahl an durchgeführten Anschlägen intakt. Die Balochistan Liberation Army (BLA) und die Baloch Liberation Front (BLF) führten 2018 addiert 45 terroristische Anschläge in Belutschistan und zwei in Karatschi durch [siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]. 2018 wurden erstmals zwei Selbstmordangriffe durchgeführt. Diese Taktik wird normalerweise von religiösen Gruppierungen verwendet, hingegen sind die belutschischen Gruppierungen nationalistisch und politisch links einzuordnen (PIPS 7.1.2019).
Quellen:
? EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
? PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
Punjab und Islamabad
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).
Quellen:
? ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 5.4.2019
? EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
? Guardian, the (8.5.2019): Pakistan: 10 dead after blast near Sufi shrine in Lahore, https://www.theguardian.com/world/2019/may/08/pakistan-dead-blast-near-major-sufi-shrine-lahore, Zugriff 15.5.2019
? ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 5.4.2019
? PBS – Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019
? PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019
? Reuters (8.5.2019): Militant bomb near Sufi shrine kills 10 in Pakistan's Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/militant-bomb-near-sufi-shrine-kills-10-in-pakistans-lahore-idUSKCN1SE0C2, Zugriff 15.5.2019
? SAV – South Asian Voices (29.6.2018): What the Case of Punjab Says about Pakistan’s Counterterrorism Policy, https://southasianvoices.org/pakistan-counterterrorism-punjab/, Zugriff 23.4.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019). Die pakistanische Verfassung und die Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 10.2018).
Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt. Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts (je einer pro Provinz und im Islamabad Capital Territory) fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll (ÖB 10.2018).
Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen werden und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden (ÖB 10.2018).
Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Der Supreme Court und die High Courts gelten als chronisch überlastet (ÖB 10.2018).
Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).
Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019).
Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).
Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für normale Pakistaner kaum eine Rolle (AA 21.8.2018). Vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans bestehen informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen und die oft Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 10.2018). Für mehr Details siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..
Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gemäß Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas - PATA, und Federally Administered Tribal Areas - FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung). Mit Ende Mai 2018 wurden die Stammesgebiete durch die 31. Verfassungsänderung v.a. in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert, wodurch das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem nach einer zweijährigen Übergangsfrist auf FATA und PATA ausgeweitet werden soll (ÖB 10.2018; vgl. Dawn 31.5.2018). Außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2018).
Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf den Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren (USDOS 13.3.2019; vgl. News 19.1.2019). Für mehr Informationen zu den Militärgerichten siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.
Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 13.3.2019).
Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.
Auf dem Index des „World Justice Project“ zur Rechtsstaatlichkeit 2019 rangiert Pakistan auf Platz 117 von 126; gemäß Bereinigung um die 13 im Vergleich zum Vorjahr hinzugefügten Staaten würde das eine Verschlechterung um einen Rang darstellen (WJP 2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
? Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 26.2.2019
? JPP – Justice Project Pakistan (4.10.2018): Counting the Condemned – Data Analysis of Pakistan’s Use of the Death Penalty, https://www.jpp.org.pk/wp-content/uploads/2018/10/2018_10_04_Counting-the-Condemned-Final.pdf, Zugriff 26.2.2019
? News, the (19.1.2019): Decision on military courts’ extension rests with parliament: DG ISPR, https://www.thenews.com.pk/latest/420639-decision-on-military-courts-extension-rests-with-parliament-dg-ispr, Zugriff 26.2.2019
? ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
? WJP - World Justice Project (2019): Rule of Law Index 2019, https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP-ROLI-2019-Single%20Page%20View-Reduced_0.pdf, Zugriff 8.4.2019
Militärgerichte
Als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar 2014 genehmigte das Parlament im Jänner 2015 die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und religiös-konfessioneller Gewalt (USDOS 13.3.2019). Der Fortbestand der Militärgerichte wurde im März 2017 (ÖB 10.2018; vgl. AI 21.2.2018) und im Jänner 2019 für jeweils weitere zwei Jahre – vorerst bis 2021 – von der Regierung beschlossen (News 19.1.2019), jedoch bis Mai 2019 von der Nationalversammlung noch nicht ratifiziert, da der Regierung die Unterstützung von Oppositionsparteien für die notwendige Zweidrittelmehrheit fehlt. Die Zuständigkeit der Militärgerichte zur Verhandlung gegen Zivilisten unter Terrorismusanklage ist somit im März 2019 ausgelaufen. Falls es zu keiner Erneuerung der Zuständigkeit der Militärgerichte kommt, will das Militär noch nicht abgeschlossene Verfahren an zivile Gerichte zur weiteren Bearbeitung übergeben (Dawn 2.5.2019).
Die Prozesse vor Militärgerichten werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). So ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen (ÖB 10.2018); die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018, PIPS 7.1.2019) und es ist keine Kaution vorgesehen (USDOS 13.3.2019). Augenzeugenberichte werden nicht berücksichtigt und bei berechtigtem Zweifel wird nicht zugunsten der Beschuldigten entschieden (HRCP 3.2019).
Über den Ablauf der Verfahren vor diesen Gerichten dringt so gut wie nichts an die Öffentlichkeit, Einzelheiten über Militärgerichtsverfahren gegen zivile Terrorverdächtige werden nicht bekannt. Einzige Informationsquelle über die Verfahren sowie über die Vollstreckung von Urteilen ist der Informationsdienst des Militärs (AA 21.8.2018).
Im Falle der Aburteilung ziviler Terrorverdächtiger hat sich der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung vom 05.08.2015 das Recht vorbehalten, Urteile der Militärgerichte nach bestimmten Kriterien zu überprüfen. Bislang ist nicht bekannt, dass eine solche Überprüfung zur Aufhebung des Urteils eines Militärgerichtes geführt hätte (AA 21.8.2018). Die Familien von 16 von Militärgerichten Verurteilten wandten sich an den Supreme Court; dieser sprach allerdings im August 2016 aus, dass die Beschwerdeführer die Verletzung ihres Grundrechts auf ein faires Verfahren nicht beweisen konnten (ÖB 10.2018).
Gemäß einer Aussendung des militärischen Pressedienstes Inter-Services Public Relations (ISPR) von Mitte Dezember 2018 wurden seit Bestehen 717 Fälle an Militärgerichte verwiesen. Von 546 abgeschlossenen Fällen erhielten 310 Personen die Todesstrafe, die in 56 Fällen bereits exekutiert wurde. Weitere 234 Personen erhielten Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich. Nur zwei Angeklagte wurden bisher freigesprochen (PIPS 7.1.2019).
Quellen
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
? AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 26.2.2019
? Dawn (2.5.2019): Military authorities contemplate transferring terror cases to govt, https://www.dawn.com/news/1479688/military-authorities-contemplate-transferring-terror-cases-to-govt, Zugriff 15.5.2019
? HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (3.2019): State of Human Rights in 2018, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2019/04/State-of-Human-Rights-in-2018-English-1.pdf, Zugriff 23.4.2019
? News, the (19.1.2019): Decision on military courts’ extension rests with parliament: DG ISPR, https://www.thenews.com.pk/latest/420639-decision-on-military-courts-extension-rests-with-parliament-dg-ispr, Zugriff 26.2.2019
? ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
Informelle Rechtsprechungssysteme
Neben dem in den vorigen Abschnitten dargestellten staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den ehem. semi-autonomen Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der in Unrechtsfällen vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Diese neben dem formellen Rechtssystem bestehenden ad hoc-Gerichte führen unter anderem zu einem Rechtspluralismus, der Opfer von Verfolgung, insbesondere Frauen, stark benachteiligt (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). Besonders in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ist es trotz gesetzlichen Verbots verbreitet, zur Beendigung von Blutfehden eine junge Frau (oft Mädchen unter 18 Jahren) als Blutzoll an eine verfeindete Familie zu übergeben (ÖB 10.2018).
Jirgas sind in Pakistan generell auch außerhalb paschtunischer Gebiete nach wie vor weit verbreitet (neben den ehem. FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an. Ähnliche Systeme existieren auch unter Hindus (Panchayat); daneben üben in Sindh und Punjab manche Feudalherren zum Teil richterliche Funktionen aus (ÖB 10.2017; vgl. USDOS 13.3.2019). Diese informellen Rechtssysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 13.3.2019).
Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil im Jahr 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hergabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings bisher nicht verhindern konnte (ÖB 10.2018).
Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von „Sharia Courts“ zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore H