Entscheidungsdatum
14.09.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W105 2150518-3/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.08.2020, Zl. 1087992310/200711732, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , XXXX geb., StA. Afghanistan, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, spätestens im September 2015 nach Österreich ein und stellte am 16.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach niederschriftlicher Einvernahme des BF wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 27.02.2017, Zl. 1087992310-151376877, den Antrag sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei sechs Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.
Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt und die Probezeit des bedingten Strafteils zu XXXX auf fünf Jahre verlängert.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen des versuchten sowie vollendeten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Auch wurde die zu XXXX gewährte bedingte Nachsicht der Strafe und der zu XXXX bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 dritter Fall StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , XXXX , zu einer Zusatzstrafe von drei Monaten verurteilt.
2. Aufgrund der strafgerichtliche Verurteilungen des BF erließ das BFA am 07.06.2018 einen weiteren Bescheid mit der Zl. 1087992310-151376877, mit welchem dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG nicht erteilt wurde, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt wurde, ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen wurde und festgestellt wurde, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe.
3. Gegen beide Bescheide erhob der BF Beschwerde. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 22.07.2019, W266 2150518-1/45E bzw. W233 2150518-2/12E, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.02.2017 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.06.2018 wurde teilweise Folge gegeben und die Spruchpunkte hinsichtlich der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, der Rückkehrentscheidung, der Zulässigkeit der Abschiebung und der Frist für die freiwillige Ausreise behoben. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom 17.09.2019 setzte das BFA den BF davon in Kenntnis, dass aufgrund der bevorstehenden Haftentlassung beabsichtigt sei, die gegenwärtige Rückkehrentscheidung durchzusetzen und es bis zur Ausstellung eines Ersatzreisedokuments bzw. zur Sicherung erforderlich sei, über den BF die Schubhaft zu verhängen. Gleichzeitig wurde dem BF die Möglichkeit gewährt, hierzu Stellung zu nehmen, wovon der BF allerdings Abstand nahm.
Am 20.01.2020 wurde bei der afghanischen Botschaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikats angesucht. Unter Anwesenheit einer afghanischen Delegation fand am 14.02.2020 eine Vorführung im PAZ XXXX statt, wobei die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats erteilt wurde. Seit 21.02.2020 liegt ein Heimreisezertifikat vor.
Mit Mandatsbescheid vom 24.04.2020, Zl. 1087992310/151376877, widerrief das BFA die dem BF mit Bescheid vom 27.02.2017 eingeräumte Frist für die freiwillige Ausreise.
Mit Bescheid des BFA vom 24.04.2020, Zl. 1087992310/190945201, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und zugleich festgehalten, dass die Rechtsfolgen des Bescheids nach der Entlassung aus der derzeitigen Haft bzw. nach Bezahlung der offenen Verwaltungsstrafen einträten.
Der BF erhob durch seine rechtliche Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.04.2020, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.05.2020, Zl. G310 2231077-1/5E, als unbegründet abgewiesen wurde.
4. Am 20.07.2020 stellte der genannte aus dem Stande der Strafhaft den nunmehr gegenständlichen Asylantrag.
Im Rahmen der am 21.07.2020 erfolgten Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF auf die Frage nach den Gründen für seine neuerliche Asylantragstellung und die Frage, was sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber seinem bereits entschiedenen Verfahren geändert habe wörtlich an: „Weil ich konvertieren möchte und aufgrund der Probleme, die ich im Iran habe und hatte, kann ich nicht zurückkehren und möchte hierbleiben. Auf der persönlichen Ebene gibt es Veränderungen. Ich möchte konvertieren und was die Problematik im Herkunftsland betrifft, gibt es nichts Neues. Mit „Konvertieren“ meine ich, dass ich Moslem war, ich möchte nun Christ werden. Ich habe im Gefängnis oft die Kirche besucht und mich dort erkundigt, aber dort haben sie mir gesagt, dass ich erst nach einer Entlassung aus dem Gefängnis konvertieren kann. Der Grund für meine erneute Antragstellung ist, dass ich einerseits konvertieren möchte, andererseits besteht die Gefahr, sowohl im Iran als auch in Afghanistan für mich. Ich fürchte um mein Leben in den beiden Ländern. Die Gründe habe ich bereits in meinen ersten Befragungen angegeben.“
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.07.2020 verneinte der BF die Frage, ob es seit rechtskräftigem Abschluss seines Erstasylverfahrens am 23.07.2019 irgendeine Änderung in seinem Privat- und Familienleben gebe. Auf die Frage, weshalb er einen neuerlichen Asylantrag stelle trotz des rechtskräftig mit 23.07.2019 abgewiesenen ersten Asylantrags vom 16.09.2015, gab er an, dass es die gleiche Geschichte sei, er habe keine neuen Gründe.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.08.2020 gab der BF nach Vorhalt, dass er eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG erhalten habe, womit mitgeteilt worden sei, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebungsschutz aufzuheben und er nun Gelegenheit habe, zu dieser geplanten Vorgangsweise Stellung zu nehmen, an, dass er dazu keine Stellungnahme abgeben wolle.
Auf die Frage, ob er Gelegenheit gehabt habe, alles vorzubringen, was ihm wichtig erscheine und ob er noch etwas hinzufügen wolle, gab er an, dass er eigentlich alles gesagt habe. Die allgemeine und Lage und die Sicherheitslage in Afghanistan sei bekannt. Die Lage sei nach wie vor sehr kritisch. Das wisse die ganze Welt. Er sei seit über 5 Jahren in Österreich und wolle gern hierbleiben.
5. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 27.08.2020 wurde der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan unter Bezugnahme auf den aktuellen Stand der Covid-19 Kriste in Afghanistan ausgeführt, dass er bei seinem Erstantrag als Fluchtgrund angeführt habe, dass er im Iran Probleme mit seiner ehemaligen Ehefrau wegen einer außerehelichen Beziehung mit einem Mädchen namens Aisha gehabt habe. Sie seien wegen dieses Ehebruchs angezeigt worden. Einer Ladung zum Gericht hätte er nicht Folge geleistet. Er wäre dann von seiner damaligen Frau in Abwesenheit geschieden worden. Sein Großvater wäre in Afghanistan auf Anordnung des Präsidenten entführt worden und seither verschollen. Zudem wäre der Bruder seiner Freundin Aisha in Afghanistan. Dieser könnte ihn finden und töten. Durch das BVwG seien die Fluchtgründe zum Iran und zu Afghanistan als nicht glaubhaft beurteilt worden. Bei seinem 2. Asylantrag habe er angeführt, dass sein Fluchtgrund gleich wie im Erstverfahren sei. Auf die konkrete Frage, ob seine Fluchtgründe im gegenständlichen Verfahren dieselben wären wie bei seinem Vorverfahren habe er dies bestätigt. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft dieses Verfahrens nicht geändert. Die Lage im Herkunftsstaat des BF sei seit der Entscheidung über seinen vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Heimatstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen drohe dem Beschwerdeführer keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben. Sein neuer Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des BF ein Folgeantrag vorliege, weil sein Vorverfahren mit 23.07.2019 rechtskräftig entschieden sei. Die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung bzw. Ausweisung sei aufrecht, zumal er zwischenzeitlich das Bundesgebiet nicht verlassen habe bzw. 18 Monate ab einer Ausreise noch nicht verstrichen seien. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt glaubwürdig vorgebracht und er sich auf seine schon abgehandelten Fluchtgründe bezogen habe, welche bereits als unglaubwürdig gewertet worden seien. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeit für eine Abschiebung bzw. die Ausstellung eines Heimreisezertifikates seien bereits gegeben bzw. stünden unmittelbar bevor. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF habe sich nicht entscheidungsrelevant geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Selbiges gelte für seine persönlichen Verhältnisse, auch bezüglich dieser sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben drohe. Es würden somit alle Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei.
6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt mit einem als „Beschwerdevorlage“ bezeichneten Schreiben vom 27.08.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Mit Mitteilung vom 28.08.2020 gem. § 22 Abs. 2 BFA-VG bestätigte das BVwG dem BFA gegenüber das Einlangen der Verwaltungsakten am 28.08.2020.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt und den Gerichtsakten des BF.
2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.
Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
2.1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).
Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.
Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.
2.2. Die Verfahren über den ersten Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde – wie im Verfahrensgang dargestellt – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig abgeschlossen. Beim gegenständlichen, eingebrachten Antrag des BF auf internationalen Schutz handelt es sich somit um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.
2.3. Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.07.2019, Zl. W266 2150518-1/45E bzw. W233 2150518-2/12E wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.02.2017 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.06.2018 wurde teilweise Folge gegeben und die Spruchpunkte I. bis inklusive IV. behoben. Die Beschwere gegen Spruchpunkt V. wurde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs mit 23.07.2019 in Rechtskraft.
2.5. Der Antrag vom 20.07.2020 (Einbringungsdatum) ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist:
Eine maßgebliche Änderung der Rechtsgrundlage ist nicht eingetreten.
Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048; 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; 31.07.2014, 2013/08/0163; vgl. dazu ausführlich die – zu einer früheren Rechtslage des AsylG 2005 getätigten, aber auch auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren – Erwägungen in VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).
Im Folgeantragverfahren können – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra/2014/18/0089).
Der Antragsteller bezieht sich im zweiten Rechtsgang auf dieselben Gründe, welche er bereits in seinem Erstverfahren angegeben hat und wurde dieser Sachverhaltskreis bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgehandelt.
Der Vollständigkeit halber zwei erwähnt, dass der BF zwar in seiner Erstbefragung anlässlich der nunmehrigen Folgenantragstellung auch eine Gefährdung seiner Person aufgrund einer Konversion ins Treffen geführt hat, er jedoch hiervon in keiner der beiden folgenden Einvernahmen vor dem BFA am 29.07.2020 wie auch am 28.08.2020 auch nur ein Wort erwähnt hat, sondern ausdrücklich betont hat, dass er keine neuen Fluchtgründe habe. Das Vorbringen betreffend eine etwaige erfolgte Konversion des BF war daher letztlich keiner Beurteilung zu unterziehen.
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).
Aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2019 eingetreten ist.
2.6. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 MRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im vorliegenden Fall ist hervorgekommen, dass keine berufliche und soziale Verfestigung erkannt werden kann, kann auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.
Umgekehrt ist hervorgekommen, dass der Antragsteller mehrfach als rechtskräftig verurteilter Straftäter in Österreich in Erscheinung getreten ist und er sich derzeit in Schubhaft befindet.
Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 27.08.2020 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.
3. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG ist das Verfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig FolgeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W105.2150518.3.00Im RIS seit
10.03.2021Zuletzt aktualisiert am
10.03.2021