TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/16 L508 2157575-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L508 2157575-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit: Pakistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan und der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 19.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 20.04.2016 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er wegen seiner Religion Streitigkeiten gehabt habe, wobei er verletzt worden sei. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

3. In der Folge wurde ein Konsultationsverfahren mit Ungarn gemäß der Dublin-Verordnung geführt, welches keine Zuständigkeit Ungarns ergab.

4. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 15.03.2017 legte der BF dar, dass er seine Glaubenszugehörigkeit von den Sunniten zu den Schiiten geändert habe. XXXX hätten ihn bedroht und geschlagen. Man habe ihm seinen Glaubenswechsel vorgeworfen, ihm mit dem Tode gedroht und ihn an seinem Fuß verletzt. Seine Familienangehörigen würden aufgrund seines Wechsels keinen Kontakt wollen.

Nachgefragt zu Details schilderte der BF unter anderem, dass er seinen Glauben gewechselt habe, weil er die Schiiten für besser halten würde. Diese würden denken, dass alle Religionen gleich seien. Er sei im Juni 2015 konvertiert. Diesbezüglich habe er sich in eine Art Tempel in Lahore begeben. Dort sei er mehrere Male gewesen, habe den Schiiten zugehört und gedacht, dass es ein besserer Glaube sei. Man habe ihm den Koran gezeigt und habe er auch selbst lesen müssen. Er habe kein Formular ausfüllen müssen. Er sei offiziell Schiit und streng religiös. Erstmals sei er im August 2015 bedroht worden. Er sei nach der Arbeit mit dem Motorrad unterwegs nach Hause gewesen. Sie hätten ihn zu sich beordert und mit den Stöcken und Messern bedroht. Er sei aufgefordert worden, binnen acht Tagen wieder zu den Sunniten zu wechseln, andernfalls er mit der Pistole erschossen werden würde. Acht Tage später hätten sie auf ihn auf dem Heimweg von der Arbeit geschossen. Daraus sei die Narbe auf dem Fuß entstanden. Drei Anrainer, die den Vorfall gesehen hätten, hätten ihm nach Hause geholfen. Seine Eltern hätten ihn aufgrund seines Glaubenswechsels aus dem Haus geworfen. Die Menschen hätten von seinem Glaubenswechsel erfahren, weil dies die Dorfbewohner weitererzählt hätten. Schiiten seien immer schwarz gekleidet und würden keine Schuhe tragen, weshalb die Menschen die Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung erkennen würden. Zwischen seinem Glaubenswechsel und der ersten Bedrohung seien zwei Monate vergangen. Insgesamt sei er zweimal bedroht worden. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor der religiösen Gruppe.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Dies im Wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens.

6. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.04.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (AS 167 – 197).

7. Der Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2020, Zl. L508 2157575-1/6E (AS 219 - 236) stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Diese Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht wie folgt begründet:

„2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat respektive erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.1.1. Der Beschwerdeführer brachte vor, im Jahr 2015 von religiösen Gruppierungen bedroht und durch einen Schuss in den Fuß verletzt worden zu sein, wovon er eine große Narbe davongetragen habe (AS 67 ff). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bestritt das Vorhandensein dieser Verletzung bzw. Narbe am Fuß nicht, tätigte diesbezüglich jedoch aber auch keinerlei weitere Ermittlungsschritte.

Damit ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen Ermittlungspflichten jedoch nicht gerecht geworden, sondern belastete das Verfahren mit einem Ermittlungsmangel, indem es die Verletzung des BF keinerlei näherer Beweiswürdigung und auch keiner (sachverständiger) Begutachtung zuführte. Durch Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens wäre es der belangten Behörde möglich gewesen, Aufschluss über Alter und Ursprung jener Verletzung bzw. Narbe zu erlangen, um derart eine Überprüfung zu ermöglichen, ob sie mit dem seitens des BF geschilderten Tatherganges in Einklang steht.

Insofern die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen ihrer Beweiswürdigung bezüglich der Konvertierung zudem - ohne nähere Präzisierung - als vage erachtet, so ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer von sich aus ein relativ umfangreiches Fluchtvorbringen erstattet hat (vgl. AS 67 ff) und kann dem belangten Bundesamt daher in dieser Hinsicht nicht gefolgt werden. Was die Ausführungen in der Beweiswürdigung betrifft, wonach sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig erweise, da dieser in der Erstbefragung keine Angaben über seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit getätigt habe, so ist zunächst festzuhalten, dass sich die Niederschrift im Erstbefragungsprotokoll hinsichtlich des Fluchtgrundes des Beschwerdeführers auf eineinhalb Zeilen beschränkte (AS 13). Auch wenn der Beschwerdeführer in der Erstbefragung noch keine abschließende Darstellung seiner Fluchtgründe zu Protokoll gegeben hat, so stellen seine späteren Angaben keine gravierende Abänderung seines Vorbringens gegenüber seinen Angaben anlässlich seiner Erstbefragung - welche weitergehende Ermittlungen entbehrlich machen würde - dar, zumal es in der Erstbefragung in erster Linie um die Erhebung der persönlichen Daten und die Ermittlung der Fluchtroute geht, auf die genauen Fluchtgründe jedoch nicht näher einzugehen ist (vgl. § 19 AsylG 2005: "(...) Ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. (...)" sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27.06.2012 zu U98/12). Vor diesem Hintergrund entbindet allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe anlässlich der Erstbefragung noch nicht im Detail dargelegt hat, die Behörde jedenfalls nicht gänzlich von weiteren diesbezüglichen Erhebungen, welche eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben (davon unabhängig) ermöglichen würden. Darüber hinausgehende Unschlüssigkeiten oder Widersprüchlichkeiten innerhalb der Angaben des Beschwerdeführers, welche eine Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig stützen würden, werden im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar aufgezeigt und stehen die anlässlich der Erstbefragung protokollierten Angaben grundsätzlich mit den später im Verfahrensverlauf erstatteten Schilderungen im Einklang. Was die fehlenden Angaben zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit in der Erstbefragung betrifft (AS 5), so kann es keineswegs ausgeschlossen werden, dass das Nichtvorhandensein von entsprechenden Eintragungen anlässlich seiner polizeilichen Erstbefragung, wie in der Beschwerdeschrift dargelegt, auf einem Versehen bzw. Missverständnis oder auch Zeitmangel beruht. Insoweit im Rahmen der Beweiswürdigung ferner moniert wird, dass der BF keine Details bezüglich seines Glaubenswechsels im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA darlegen konnte, so erweisen sich diese Ausführungen ebenso wenig als tragfähig, zumal der BF - unter Berücksichtigung seines Bildungsgrades - durchaus einige Angaben zum Vorgang des Glaubenswechsels zu Protokoll gab (AS 68). Im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes wird in diesem Zusammenhang zudem darauf hingewiesen, dass es bezüglich des Glaubenswechsels zum Islam schiitischer Prägung keinen formalen Prozess gebe, was wiederum erklären könnte, weshalb die Schilderungen des BF diesbezüglich eher kurz und prägnant gehalten sind. Jedenfalls hätte es weiterer Ermittlungen des BFA, etwa unter Heranziehung entsprechender Dokumentationsunterlagen zu den Voraussetzungen und den Formalitäten eines Glaubenswechsels zwischen den Strömungen des Islam bedurft, um abschließend beurteilen zu können, ob die Ausführungen des BF bezüglich des Glaubenswechsels mit den wahren Gegebenheiten zur Frage einer derartigen Konversion übereinstimmen.

Auch die Argumentation der belangten Behörde, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei, weil der Beschwerdeführer die Frage, ob er jemals Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt habe, verneint habe, ist nicht geeignet die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der BF stets gleichbleibend im Verfahren vorgebracht habe, dass er aufgrund seines Glaubenswechsels verfolgt worden sei, ist diese Argumentation der belangten Behörde letztlich nicht tragfähig.

Bei den sonstigen Ausführungen des Bundesamtes zur Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens (was sich vorwiegend auf das Verhalten seiner Widersacher und seiner Person in Bezug auf die ihm gegenüber ausgesprochenen Drohungen und das Verhalten der Hilfeleistenden nach der Schussverletzung stützt) handelt es sich schließlich um reine Mutmaßungen, welche einer Schlüssigkeitsprüfung nicht Stand halten. Es handelt sich dabei um bloße Spekulationen, die demnach nicht geeignet sind, die Unglaubwürdigkeit des (gesamten) Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen. So baut das BFA die Beweiswürdigung zum überwiegenden Teil auf mangelnde Nachvollziehbarkeit und Plausibilität des Fluchtvorbringens auf, was jedoch keiner schlüssigen Beweiswürdigung entspricht.

Die belangte Behörde hat auch keine Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers in haltbarer Weise aufzuzeigen vermocht. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass bei genauerer Betrachtung der Niederschrift vom 15.03.2017 - entgegen den Ausführungen in der Beweiswürdigung - auch kein Widerspruch hinsichtlich der geschilderten Bedrohungslage erblickt werden kann. Der BF legte gleichbleibend dar, bei der ersten Begegnung bedroht und gleichzeitig - unter Setzung einer Frist - aufgefordert worden zu sein, zu den Sunniten zurückzukehren, wobei er bei diesem ersten Zusammentreffen nicht verletzt worden sei. Insoweit die belangte Behörde zudem ausführt, dass es nicht ganz korrekt sei, wenn der BF behaupte, dass Schiiten immer schwarze Kleidung tragen würden, zumal dies lediglich für den Monat Muharram zutreffe, so wird bereits von Seiten der belangten Behörde selbst eingestanden, dass diese Schilderungen doch in gewissem Maße stimmen würden. Mit dieser Argumentation hat das BFA daher ebenfalls keinen wesentlichen Widerspruch bzw. wesentliche Ungereimtheit aufzuzeigen vermocht. Das BVwG kann daher nicht davon ausgehen, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers um ein wahrheitswidriges Konstrukt handeln würde; dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass beim Vorbringen des Beschwerdeführers Asylrelevanz (vgl. die seitens des BFA getroffenen Länderfeststellungen) jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Das Vorbringen des Beschwerdeführers erscheint daher auch nicht von vornherein als unmöglich.

Überdies ist nochmals darauf hinzuweisen, dass sich die erfolgte Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der Konversion wie auch die rechtliche Würdigung als unschlüssig erweisen. So hat das BFA ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, seinen Entschluss zum schiitischen Glauben zu konvertieren, ernsthaft zu begründen bzw. den Ablauf der Konversion näher darzulegen. Da die Feststellung der religiösen Einstellung von Antragstellern naturgemäß gewisse Schwierigkeiten bereiten kann, zumal es sich dabei um innere Vorgänge handelt, die regelmäßig schwer zu objektivieren sind, erscheint es gerade deswegen unerlässlich, alle sich bietenden Beweise zu erheben, was jedoch vom belangten Bundesamt nur in unzureichender Weise durchgeführt wurde. Es wäre am belangten Bundesamt gelegen durch konkrete Fragestellungen an den Beschwerdeführer zu ermitteln, inwieweit von einer nachhaltigen Auseinandersetzung mit Glaubenseinstellungen oder den von den involvierten Religionen vermittelten Weltbildern ausgegangen werden könne. Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer nun aber lediglich sehr oberflächlich zu seiner Konversion befragt und insbesondere keine nähere Erörterung seines Wissensstandes über die verschiedenen Strömungen des Islam befragt. Dass der Übertritt zum schiitischen Islam nicht glaubhaft sei, hat das Beweisverfahren des belangten Bundesamtes nicht ergeben. Der Beschwerdeführer wurde lediglich kurz, nicht aber im Detail über das Motiv und die Umstände seines Übertritts zum schiitischen Islam befragt. Glaubensinhalte des schiitischen Islam wurden mit dem BF überhaupt nicht erörtert. Die vom belangten Bundesamt getroffenen Ausführungen erweisen sich somit als nicht schlüssig und ohne weitere Erhebungen ungeeignet, die Entscheidung tragfähig zu begründen. Im Hinblick auf die religiöse Einstellung des BF wären dem belangten Bundesamt jedenfalls weitere Ermittlungsmöglichkeiten offen gestanden, um einer ganzheitlichen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes gerecht zu werden. Derartige Schritte wurden vom Bundesamt offensichtlich jedoch nicht als notwendig erachtet, womit es jedoch gegen die ihm obliegende Ermittlungspflicht verstößt. Das Bundesamt hätte jedenfalls sohin auch eine nähere Befragung des Beschwerdeführers zur Konversion (Teilnahme an religiösen Veranstaltungen und Feierlichkeiten, Grund für das erstmalige Aufsuchen schiitischer Zusammenkünfte, Zeitpunkt des erstmaligen Kontaktes mit dem schiitischen Glauben, Kenntnisse über den schiitischen Glauben usw.) vorzunehmen gehabt und wären die Angaben des Beschwerdeführers anschließend auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen sowie entsprechend rechtlich zu würdigen gewesen. Wenngleich es die Aufgabe des BF ist, begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen, wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, den maßgeblichen Sachverhalt durch entsprechendes Nachfragen aufzuklären und dem BF die Möglichkeit einzuräumen, zu allfälligen Ungereimtheiten Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hat es somit auch aus diesem Grunde unterlassen, sich ausreichend mit dem Fluchtvorbringen des BF auseinanderzusetzen.

2.2.1.2. Das vor der belangten Behörde geführte Verfahren gestattet somit keine abschließende Beurteilung, ob die religiöse Einstellung des Beschwerdeführers ein maßgebender Faktor für die Verfolgungshandlungen durch gegnerische religiöse Gruppierungen sein kann. Anhand der vom BFA herangezogenen Berichtslage ist es nicht auszuschließen, dass allfällige Bedrohungen und/ oder Verfolgungen des Beschwerdeführers aufgrund seiner religiösen Einstellung erfolgen könnten. Ausgehend davon kann im Lichte der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im angefochtenen Bescheid nicht schlüssig nachvollzogen werden, worauf die Würdigung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers in Bezug auf den von ihm vorgebrachten Sachverhalt gestützt wurde.

Insofern ist dem Bundesamt vorzuwerfen, dass es im vorliegenden Fall einerseits keine ausreichenden Ermittlungen in Hinblick auf das fluchtrelevante Vorbringen des Beschwerdeführers getätigt hat und sich auch die getroffene Beweiswürdigung als nicht haltbar erweist. Um die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers beurteilen zu können, bedarf es sohin einerseits entsprechender Ermittlungen zu den Voraussetzungen und den Formalitäten eines Glaubenswechsels zwischen den Strömungen des Islam, um abschließend beurteilen zu können, ob die Ausführungen des BF bezüglich des Glaubenswechsels mit den wahren Gegebenheiten zur Frage einer derartigen Konversion übereinstimmen und andererseits einer vertiefenden Befragung des Beschwerdeführers zu den fluchtauslösenden Ereignissen; gegebenenfalls wird es eventuell auch der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens in Bezug auf dessen - behauptetermaßen im Konnex mit den fluchtauslösenden Vorfällen entstandene - Verletzung bzw. Narbe bedürfen.

Aufgrund der dadurch gewonnen Ermittlungsergebnisse wird eine entsprechende Würdigung des Sachverhaltes zu erfolgen haben. Insofern bedarf es jedenfalls detaillierter Erhebungen der die Person des Beschwerdeführers treffenden Sachlage, um zu einer haltbaren Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und zu einer tragbaren Entscheidung überhaupt im Verfahren gelangen zu können.

Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes samt den vorgelegten Unterlagen nunmehr Teil des vom BFA zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen auseinanderzusetzen haben wird.“

8. In der Folge wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.06.2020 erneut niederschriftlich einvernommen (AS 281 - 315). Hierbei legte der BF – abermals zu seinen Ausreisegründen befragt - dar, dass er in Pakistan seine Religion von sunnitischer auf schiitischer Moslem gewechselt hätte, weshalb er von einer Gruppierung mit dem Namen „XXXX“ bedroht worden sei. Diese hätten ihn gefragt, warum er seinen Glauben von sunnitischer auf schiitischer Moslem gewechselt habe und hätten ihn umbringen wollen.

Weitere Angaben zu dem behaupteten Problem machte der Beschwerdeführer nach entsprechenden Fragen durch den Leiter der Amtshandlung.

So wurden dem BF verschiedene Fragen zu dem behaupteten Religionswechsel gestellt, etwa wann genau er diesen von ihm beschriebenen Glaubenswechsel vom sunnitischen zum schiitischen Moslem vollzogen habe, ob er detailliert zu Protokoll geben könne, wie die Konversion vom sunnitischen zum schiitischen Moslem verlaufen sei, was nun seine konkreten Motive und/ oder Umstände gewesen seien, weshalb er einen Glaubenswechsel vom Sunniten zum Schiiten vollzogen habe, was die wesentlichen Unterschiede zwischen der sunnitischen und schiitischen Glaubensrichtung seien, wann diese Drohungen seitens der Gruppierung mit dem Namen „XXXX“ gegen seine Person begonnen hätten, wie oft er von dieser Gruppe bedroht worden sei, welcher Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten Bedrohung liege, von wem er bedroht worden sei, wie viele Personen ihn bedroht hätten und wann nach der letzten Bedrohung er sein Heimatland Pakistan verlassen habe.

Der BF war nur in geringem Maße in der Lage, die oben angeführten Fragen zutreffend oder schlüssig zu beantworten, zum Großteil waren seine Erklärungen widersprüchlich zu seinen Schilderungen vor der belangten Behörde am 15.03.2017 oder unzureichend bzw. gab er auf die Fragen als Antwort beispielsweise „Ich erinnere mich nicht mehr daran." oder „Ich weiß es nicht mehr.“

Im Übrigen wurden dem BF die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen von der Dolmetscherin nachweislich zur Kenntnis gebracht. Er verzichtete auf eine vollständige Übersetzung und gab hierzu folgende Stellungnahme ab: „Ich verzichte auf die Länderfeststellung. Ich kenne die Situation in Pakistan.“

Im Zuge der Einvernahme brachte der BF - jeweils im Original - insbesondere eine Bestätigung des Arbeitgebers für Arbeitskräfte kritischer Infrastruktur bzw. in der Daseinsvorsorge vom 18.03.2020, eine Begründung für Betretungen öffentlicher Orte vom 20.03.2020, eine Teilnahmebestätigung bezüglich eines Alphabetisierungskurses vom 02.03.2020 samt Rechnung, einen Mitevertrag samt „Zusatz zum Mietvertrag“ vom 05.05.2020 und einen Engerieliefervertrag Strom vom 18.05.2020 in Vorlage (AS 249 - 265).

9. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 15.06.2020 (AS 321 - 436) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt. In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

10. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

11. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 13.07.2020 zur Gänze Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, wobei der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, bekämpft wurde. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

11.1. Zunächst wurde nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges und Wiederholung des Vorbringens moniert, dass die belangte Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken habe, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrags geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrags notwendig erscheinen. Diesen Anforderungen habe die belangte Behörde nicht entsprochen. Trotz des Auftrags im Beschluss des BVwG vom 03.03.2020 habe das BFA erneut keine Ermittlungen zu der vom BF erlittenen Schussverletzung am Fuß getätigt, weshalb beantragt werde, das BVwG möge ein medizinisches Gutachten zur Frage, ob die am Fuß vorhandene Verletzung auf die vom BF beschriebene Art und Weise zustande gekommen sei, einholen. Die vom BFA herangezogenen Länderberichte seien zwar umfassend, würden sich jedoch nur am Rande mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF befassen. Zudem seien die herangezogenen Berichte nicht als ausreichend aktuell anzusehen, da sich insbesondere aufgrund der COVID-19-Situation noch wesentlich neue Entwicklungen in Pakistan ergeben hätten. Die Länderberichte seien dadurch als Begründung zur Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz unzureichend. Des Weiteren tätige das BFA keine näheren Ermittlungen zur Herkunftsregion des BF, zur Lage von Personen, die vom sunnitischen zum schiitischen Islam konvertieren, zu den Formalitäten des Glaubenswechsels zwischen den Strömungen des Islam und zu den vom BF genannten extremistischen Gruppierungen. In diesem Zusammenhang wurden - abgesehen von den vom BFA herangezogenen Passagen des Länderinformationsblatts bezüglich der Sicherheitslage - seitenweise Auszüge mehrerer Länderberichte zitiert, welche insbesondere Ausführungen zur aktuellen COVID-19-Situation und zur Lage und Bedrohung von Schiiten (AS 464 - 475) zum Gegenstand haben.

11.2. Zur Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass das BFA den Antrag des BF abgewiesen habe, weil es sein Vorbringen als unglaubwürdig erachte. Diese Feststellung basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG. In der Folge wurden Überlegungen zu den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen. Im Besonderen wurde angemerkt, dass der BF auch in Österreich als schiitischer Moslem lebe, wobei zum Beweis dafür die zeugenschaftliche Einvernahme des XXXX beantragt wurde. Ferner sei es in der Einvernahme vor dem BFA am 09.06.2020 zu Verständigungsschwierigkeiten mit der Dolmetscherin gekommen, da die Muttersprache des BF Urdu sei, wohingegen die Dolmetscherin Hindi gesprochen habe. Der BF verstünde Hindi nur einigermaßen und habe selbst auf Urdu gesprochen, was offensichtlich von der Dolmetscherin nur schlecht verstanden worden sei. Auch habe sich der BF von der Dolmetscherin in der Einvernahme unter Druck gesetzt gefühlt und sei nicht in der Lage gewesen, dem zuständigen Referenten seine Verständigungsschwierigkeiten zu vermitteln. Darüber hinaus habe den BF der Umstand belastet, dass sein Vater erst wenige Tage zuvor verstorben gewesen sei.

11.3. Der BF habe Paksitan aus Furcht vor Verfolgung durch radiakle sunnitische Gruppierungen verlassen. Die Verfolgung des BF stünde in Zusammenhang mit seiner Konversion vom sunnitischen zum schiitischen Islam. Der pakistanische Staat sei auch nicht in der Lage, dem BF ausreichend Schutz zu gewähren. Eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben. Dem BF wäre daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen. Die Verfahrensfehler seitens des BFA und die mangelhafte Rechtsanwendung hätten allerdings zu einer Nichtgewährung jenes internationalen Schutzes geführt.

11.4. Zur allfälligen Gewährung subsidiären Schutzes wurde nochmals festgehalten, dass aufgrund der beschriebenen Gründe im Falle der Rückkehr eine ernsthafte Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit, der Menschenwürde und des Lebens des BF gegeben sei. Denn selbst wenn man aufgrund der Prüfung des Sachverhaltes zum Ergebnis käme, dass die Flüchtlingseigenschaft nicht bestünde, wäre im vorliegenden Fall zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren gewesen.

11.5. Was die Rückkehrentscheidung betrifft, so sei der BF unbescholten und gefährde der Aufenthalt des BF weder die öffentliche Ruhe oder Ordnung, noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl. Der BF sei bemüht die deutsche Sprache zu erlernen, arbeite als Zeitungs- und Reklamezusteller, habe ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeführt und verfüge über viele Freunde und Bekannte in Österreich.

11.6. Gemäß Artikel 47 Abs. 2 GRC habe jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt werde. Gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG könne eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspreche. Der VwGH habe im Zuge der Auslegung der Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ die folgenden Kriterien erarbeitet. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde müsse die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde dürfe kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleiben könne wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstoße.

In der gegenständlichen Beschwerde sei die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens aufgezeigt worden. Da das BVwG seiner Entscheidung aktuelle Länderberichte zugrunde zu legen habe und die Feststellungen des Bundesamtes zumindest insofern zu ergänzen haben werde, sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung schon allein aus diesem Grunde erforderlich. Zudem sei der Beweiswürdigung des Bundesamtes substantiiert entgegengetreten worden. Auch in Hinblick auf die bekämpfte aufenthaltsbeendende Maßnahme und die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen des BF in Österreich, habe der VwGH wiederholt festgestellt, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände, besondere Bedeutung zukomme. Zweck einer Verhandlung vor dem BVwG sei darüber hinaus nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen.

11.7. Abschließend wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes IV. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8 EMRK erteilt werde und in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

11.8. Mit diesem Rechtsmittel wurde kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

Der Beschwerde sind - abgesehen von den bereits vor dem BFA vorgelegten Unterlagen - eine Bestätigung über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten vom 04.01.2018, eine Teilnahmebestätigung bezüglich eines Deutschkurses A1 Basis vom 22.12.2017, eine Auszeichnung zum Klima & Engergie-Botschafter Grundkurs II und eine Sterbeurkunde bezüglich seines Vaters (AS 490 ff) angeschlossen.

12. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhalts sowie des Inhalts der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer wurde als Moslem (Sunnit) geboren und gehört weiterhin der islamischen Glaubensrichtung sunnitischer Prägung an.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat und seinem Wohnort, sowie des Umstands, dass der Antragsteller eine für Pakistan gebräuchliche Sprache spricht sowie aufgrund seiner Kenntnisse über Pakistan ist festzustellen, dass es sich bei ihm um einen pakistanischen Staatsangehörigen handelt.

Der von ihm vorgebrachte Ausreisegrund (Bedrohung und Verfolgung durch extremistische Gruppierungen wegen einer Konversion zum Islam schiitischer Prägung) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. dessen Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

Selbst wenn man sein gesamtes Vorbringen als wahr unterstellen und daher annehmen würde, dass der BF durch extremistische Gruppierungen wegen einer Konversion zum Islam schiitischer Prägung bedroht und verfolgt worden war, muss diesbezüglich festgestellt werden, dass sein Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe die rechtliche Würdigung zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative), zumal dem BF jedenfalls auch eine Rückkehr nach Islamabad möglich und zumutbar wäre. Es wären dort die existentiellen Lebensgrundlagen des Beschwerdeführers angesichts einer finanziellen Unterstützung durch seine in Pakistan lebenden Familienangehörigen - etwa durch Überweisungen - oder durch Aufnahme einer eigenen beruflichen Tätigkeit gesichert. In Anbetracht der Quellenlage sowie den vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, Pakistan betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität in größeren Städten sicherer als auf dem Land. Selbst Menschen, die die Polizei wegen Mordes sucht, können in einer Stadt unbehelligt leben, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt (AA 21.08.2018 sowie auch der aktuelle Bericht des deutschen Auswärten Amtes vom 29.07.2019 (Stand: Mai 2019). Die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher. Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Im Jahr 2017 verzeichnet das Hauptstadtterritorium drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet (PIPS 7.1.2019 S 49). Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen terroristischen Angriff (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019), weshalb hier von einer stabilen Sicherheitslage auszugehen ist. Diese Stadt ist für den Beschwerdeführer auch direkt erreichbar.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Er lebte vor seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern in einer Eigentumswohnung in einem Dorf mit dem Namen XXXX . Der BF hat in Pakistan sechs Jahre die Schule besucht. Anschließend trat er ins Berufsleben ein und absolvierte eine vierjährige Lehre zum Maler, Dachdecker und Bodenleger. Nach seiner Ausbildung arbeitete er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes weitere vier Jahre als Maler, Dachdecker und Bodenleger. Seine Mutter und sieben Geschwister leben nach wie vor in seinem Heimatdorf bzw. in Pakistan. Sein Vater ist im Juni 2020 verstorben. Der Beschwerdeführer steht - wenn auch nur wenig - in Kontakt mit seiner Familie. Der BF verließ Pakistan - das genaue Datum kann nicht festgestellt werden - zwischen August 2014 und Anfang 2016 und reiste etwa Mitte April 2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 19.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Er unterhält in Österreich keine Beziehung.

Er verfügt hier über einen Freundes- und Bekanntenkreis, dem auch österreichische Staatsangehörige bzw. in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigte Personen angehören. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Bekannten/ Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung. Unterstützungserklärungen wurden nicht vorgelegt.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihm erlauben, eine sehr einfache Unterhaltung in deutscher Sprache zu führen. Er hat in Österreich zwar Deutschkurse besucht, aber noch keine Bestätigung über die erfolgreiche Absolvierung einer Deutschprüfung vorgelegt.

Der Beschwerdeführer bezieht seit April 2016 laufend Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und lebte in dieser Zeit von staatlicher Unterstützung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich zudem als Zeitungszusteller bzw. Werbemittelverteiler beruflich tätig.

Er ist als voll erwerbsfähig anzusehen, etwaige gesundheitliche Einschränkungen des Beschwerdeführers sind nicht aktenkundig.

Der Beschwerdeführer hat am 14.03.2017 an einem Grundkurs für die Ausbildung zum Klima & Energie-Botschafter teilgenommen. Abgesehen von gemeinnützigen Tätigkeiten im Rahmen eines Beschäftigungsprojektes für Flüchtlinge im zweiten, dritten und vierten Quartal 2017 war bzw. ist der BF weder gemeinnützig noch ehrenamtlich tätig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen.

Der BF gilt als strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthalts in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil in Pakistan verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr jedenfalls bei seiner Mutter wohnen wird können. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Der Beschwerdeführer spricht Urdu.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Pakistan festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan war insbesondere unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer - seitens der belangten Behörde im Zuge der Einvernahme vom 09.06.2020 - offengelegten Quellen festzustellen:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 9.8.2019: Aufhebung Sonderstatus für Jammu und Kaschmir (Betrifft Abschnitte 2. Politische Lage)

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019).

Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außen- wie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in Neu-Delhi dar (ARTE 7.8.2019).

Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass die hindu-nationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine „Hinduisierung“ des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019).

Damit Unruhen verhindert werden, haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen, zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019), Medienberichten zufolge wurden bei Razzien im Bundesstaat Jammu und Kashmir mittlerweile mehr als 500 Personen festgenommen (HP 8.8.2019).

Pakistan, das ebenfalls Anspruch auf die gesamte Region erhebt (ORF 5.8.2019), verurteilt den Schritt als illegal und richtet durch das pakistanische Militär eine klare Drohung an Indien und kündigt an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen (ZO 6.8.2019). Der pakistanische Regierungschef Khan warnt vor den verheerenden Folgen, die eine militärische Auseinandersetzung haben könnte (FAZ 7.8.2019).

Kritik an dem Schritt der indischen Regierung kommt auch aus Peking (FAZ 6.8.2019). Chinas Außenminister Hua Chunying hat den Schritt Indiens zur Abschaffung des Sonderstatus Kaschmirs als „nicht akzeptabel“ und „nicht bindend“ bezeichnet (SCMP 7.8.2019).

Es gibt vereinzelte Berichte über kleinere Aktionen des Wiederstandes gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte, welche jedoch offiziell nicht bestätigt worden sind (BBC 7.8.2019).

Anmerkung:

Zuletzt drohte die Situation im Februar 2019 zu eskalieren, nachdem bei einem Selbstmordanschlag dutzende Polizisten in der Region und Hindu-Nationalisten die Bewohner Kaschmirs für das Attentat verantwortlich gemacht haben (ARTE 7.8.2019).

Die Krise zwischen Indien und Pakistan spitzte sich daraufhin derart zu, dass es zu gegenseitigen Luftschlägen gekommen war [siehe KI vom 20.2.2019].

KI vom 28.5.2019: Nord-Wasiristan: drei Tote bei Zusammenstößen zwischen Militar und PTM (Betrifft Abschnitte 17.3 . Ethnische Minderheiten/Paschtunen; 13 . Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition; 3.3 . Sicherheitslage/Khyber Pakhtunkhwa)

Während einer Demonstration der Pashtun Tahafuz Movement (PTM) kam es bei einem Kontrollpunkt in Boya, im Stammesdistrikt (Tribal District) Nord-Wasiristan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa) am 26.5.2019 zu einem Schusswechsel (Standard 28.5.2019; vgl. AI 27.5.2019).

Gemäß Angaben des Nachrichtendienstes der pakistanischen Armee (Inter Services Public Relations, ISPR) wurde der Kontrollposten von einer von zwei führenden Mitgliedern der PTM sowie Mitgliedern der Nationalversammlung, Mohsin Dawar und Ali Wazir, angeführten Gruppe angegriffen. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurden drei Personen getötet und 15 Personen – darunter fünf Soldaten – verletzt (Dawn 26.5.2019).

PTM-Aktivist Mohsin Dawar bestritt diese Version und beschuldigte die Armee, das Feuer auf die friedliche Kundgebung eröffnet zu haben (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM wurden dabei fünf Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt (PT 27.5.2019). Der Abgeordnete zur Nationalversammlung Ali Wazir wurde gemeinsam mit einigen anderen Aktivisten der PTM verhaftet. Mohsin Dawar ist hingegen untergetaucht (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 27.5.2019).

Gemäß Angaben von Dawar wollte das Sicherheitspersonal verhindern, dass die Gruppe an einer Demonstration teilnimmt, die gegen mutmaßliche Übergriffe durch das Militär im Zuge einer Suchoperation gerichtet war (VOA 26.5.2019). Besagtem Protest durch die ortliche Bevölkerung, der am 25.5.2019 in Doga Macha Madakhel (Nord Wasiristan) begann, haben sich später Mitglieder der PTM angeschlossen (Dawn 26.5.2019; vgl. PT 27.5.2019). Im Zuge der Suchoperation wurde eine Frau zusammengeschlagen (VOA 26.5.2019; vgl. Dawn 26.5.2019) sowie einige Personen verhaftet (VOA 26.5.2019). Gemäß Angaben der PTM verlief diese Veranstaltung ruhig, bis Dawar und Wazir in der Gegend ankamen, um ebenfalls am Protest

teilzunehmen. Nachdem bei dieser Demonstration Unruhen ausgebrochen waren, wurden mindestens 20 Personen verletzt (Dawn 26.5.2019).

In Folge dieser Zwischenfälle wurde in Nord-Wasiristan eine Ausgangssperre verhängt sowie Telefon- und Internetdienste abgeschalten (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, PT 27.5.2019), weswegen es schwierig ist, Berichte aus dieser Region zu erhalten (VOA 26.5.2019).

Am 26.5.2019 wurde Ali Wazir einem Anti-Terror-Gericht in Bannu vorgeführt. Vom Gericht wurde eine achttägige Untersuchungshaft angeordnet und Wazir muss am 4.6.2019 wieder vor Gericht erscheinen. Er wurde u.A. wegen Terrorismus und Mordes angezeigt (Dawn 27.5.2019)

Die pakistanischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen die PTM intensiviert (AI 27.5.2019). Im April 2019 richtete sich Premierminister Imran Khan an das PTM, wobei er die Anliegen der Paschtunen würdigte, jedoch klar machte, dass er Eskalationen nicht gutheiße (Dawn 26.5.2019). Ende April 2019 erhob die Armee Vorwürfe, dass die PTM Finanzierung durch afghanische und indische Geheimdienste erhalte (Dawn 26.5.2019; vgl. VOA 26.5.2019, Dawn 30.4.2019) und warnte die PTM, dass „ihre Zeit vorbei“ sei, und dass diese die „roten Linien“ nicht überschreiten solle (Dawn 26.5.2019; vgl. Dawn 30.4.2019). Es wurde eine mögliche nicht näher spezifizierte Aktion gegen die PTM angekündigt, wobei der Armeesprecher angab, dass diese Ansage keine „Kriegserklärung“ sei und weder illegale Aktionen noch Unannehmlichkeiten für normale Paschtunen geplant seien (Dawn 30.4.2019).

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a). Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018). Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019). Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League–Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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