TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/12 L502 2234191-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2020
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Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L502 2234191-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2020, FZ. XXXX zu Recht erkannt:

A)       

In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise am 15.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 16.05.2015 fand dazu eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, am 26.01.2017 wurde er zu seinem Antrag vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge des Verfahrens brachte er mehrere Stellungnahmen und Beweismittel beim BFA ein.

2. Mit Bescheid des BFA vom 01.08.2017 wurde seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 15.05.2015 gemäß § 3 AsylG stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

In einem Aktenvermerk vom selben Tag hielt das BFA die wesentlichen Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten fest.

3. Im Gefolge einer Anzeige des BF vom 17.09.2018 hielt das BFA in einem Aktenvermerk vom 29.10.2018 fest, dass die vermeintlich begangene Straftat die Einleitung eines Asylaberkennungsverfahrens nicht rechtfertige.

4. Im Gefolge einer Mitteilung zu zwei gegen den BF geführte und seitens der Staatsanwaltschaft eingestellte Ermittlungsverfahren hielt das BFA in einem weiteren Aktenvermerk vom 16.06.2020 fest, dass infolge geänderter persönlicher Umstände des BF Anhaltspunkte für den Wegfall der Umstände, die zur Asylzuerkennung geführt haben, vorlägen.

5. Mit Mitteilung des BFA vom 17.06.2020 wurde der BF von der Einleitung eines Asylaberkennungsverfahrens in Kenntnis gesetzt.

6. Am 09.07.2020 wurde er vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der Einvernahme bzw. danach brachte er mehrere Beweismittel in Vorlage, die in Kopie zum Akt genommen wurden. Außerdem wurden ihm die Länderfeststellungen des BFA zum Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht.

7. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 22.07.2020 wurde ihm der mit Bescheid des BFA vom 01.08.2017 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI).

8. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 23.07.2020 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

9. Mit Eingabe vom 28.07.2020 brachte er ein weiteres Beweismittel in Vorlage.

10. Gegen den mit 24.07.2020 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob er mit Schriftsatz seiner Vertretung vom 14.08.2020 fristgerecht Beschwerde.

Unter einem wurden eine schriftliche Stellungnahme zur Einvernahme vom 09.07.2020 sowie mehrere Beweismittel übermittelt.

11. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 19.08.2020 beim BVwG ein und wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren in der Folge der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichtes zur Entscheidung zugewiesen.

12. Am 21.08.2020 wurde er zur Vorlage weiterer Urkunden binnen zwei Wochen aufgefordert.

13. Am 24.08.2020 erfolgte im Wege seiner Vertretung die entsprechende Urkundenvorlage.

14. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters den BF betreffend.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der og. Verfahrensgang steht fest.

1.2. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger, Araber und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung. Er ist ledig und hat eine Tochter mit einer deutschen Staatsangehörigen. Dass er mit dieser aktuell eine sexuelle Beziehung unterhält, konnte nicht festgestellt werden. Er übt das Sorgerecht für seine Tochter zusammen mit der Kindsmutter aus. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt mit seiner in Deutschland lebenden Tochter, sondern lebt diese bei der Kindsmutter. Er besucht seine Tochter und die Kindsmutter wöchentlich.

Er stammt aus XXXX , wo er vor seiner Ausreise im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern lebte. Sein Vater arbeitet im dortigen Krankenhaus und betreibt nebenbei ein Möbelgeschäft, in welchem er vor seiner Ausreise mithalf. Seine Mutter ist Ingenieurin.

Er verließ den Irak Anfang März 2015 und gelangte in der Folge illegal in das österreichische Bundesgebiet, wo er am 15.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither – mit Ausnahme regelmäßiger kurzer Aufenthalte in Deutschland – aufhält.

Er absolvierte in Österreich am 18.01.2019 eine Integrationsprüfung zur Sprachkompetenz auf dem Niveau B1 und zu Werte- und Orientierungswissen. Im Vorfeld dieser Prüfung nahm er an mehreren Sprachkursen und einem Werte- und Orientierungskurs teil. Er verfügt folglich über gute Deutschkenntnisse. Er absolvierte im Mai 2019 zudem eine Maschinenführerausbildung für verschiedene Arten von Kränen sowie im August 2019 einen Erste-Hilfe-Kurs. Von Jänner 2020 bis Februar 2020 absolvierte mehrere Module des ECDL Base Certificates, welches ihm am 25.02.2020 ausgestellt wurde.

Er ging in Österreich bislang für etwa acht Monate einer sozialversicherungspflichten Erwerbstätigkeit als Arbeiter nach. Im Übrigen bestritt er seinen Lebensunterhalt vorwiegend durch den Bezug staatlicher Sozialleistungen in Form von Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und Arbeitslosengeld bzw. Notstands- und Überbrückungshilfe. Er schloss am 01.09.2020 einen Lehrlingsausbildungsvertrag mit der XXXX für den Lehrberuf Metalltechniker – Maschinenbautechnik.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Der BF ist homosexuell und unterhielt vor seiner Ausreise im Irak eine homosexuelle Beziehung. Anfang des Jahres 2013 wurde er deshalb von ihm unbekannten Personen angegriffen und trug dabei mehrere Verletzungen davon.

Er verließ den Irak aus Angst vor Verfolgung wegen seiner Homosexualität und wegen der ihm daraus erwachsenen Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung.

Dass sich seine sexuelle Orientierung zwischenzeitlich änderte, konnte nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und des Bescheides des BFA vom 01.08.2017 über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des dazugehörigen Aktenvermerks vom 01.08.2017 sowie durch die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Der gg. Verfahrensgang stellt sich im Lichte des vorliegenden Akteninhaltes als unstrittig dar.

2.3. Die Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie regionalen Herkunft des Beschwerdeführers, zu seinem Lebenswandel vor der Ausreise aus dem Irak sowie seinen aktuellen Lebensumständen und denen seiner Verwandten stützen sich in unstrittiger Weise auf die Feststellungen im ersten Verfahrensgang, den Inhalt der og. Datenbanken und die Angaben des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 09.07.2020 sowie auf die von ihm vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zur Vaterschaft zu seiner Tochter beruhen auf dem von ihm im Beschwerdeverfahren beigebrachten Vaterschaftsanerkenntnis des XXXX , jene zum gemeinsamen Sorgerecht mit der Kindsmutter auf der von ihm beigebrachten Urkunde des XXXX . Die Feststellungen zum fehlenden gemeinsamen Haushalt mit seiner Tochter und der Kindsmutter beruhen auf den Angaben des BF, die vor dem Hintergrund des Umstandes, dass er in Österreich über eine aufrechte Meldeadresse verfügt, glaubhaft sind. Während dem gesamten Akteninhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen einer längerfristigen sexuellen Beziehung zur Mutter seiner Tochter zu entnehmen waren, stellte der BF selbst das Bestehen einer solchen durchwegs in Abrede, weshalb eine solche Beziehung auch nicht feststellbar war.

Die Feststellungen zu seinen hiesigen Integrationsbemühungen stützen sich auf die von ihm vorgelegten Nachweise. Der Bezug von staatlichen Sozialleistungen war anhand des von der belangten Behörde eingeholten Auszuges der Datenbank des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (AJ-Web) sowie des eingeholten GVS-Auszuges feststellbar. Die Feststellung seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf dem eingeholten Strafregisterauszug.

2.4. Die Feststellung zu den Ausreisegründen des BF stützt das erkennende Gericht auf den Bescheid des BFA im ersten Verfahrensgang vom 01.08.2017 und den dazugehörigen Aktenvermerk vom 01.08.2017 sowie auf die seitens des BFA für glaubhaft erachteten Angaben des BF in den dessen niederschriftlichen Einvernahme im ersten Verfahrensgang am 26.01.2017.

2.4.1. Infolge der dem BFA übermittelten Mitteilung der Grenzpolizeiinspektion XXXX vom 06.06.2020 und seiner Angaben in der Einvernahme am 09.07.2020 ging die belangte Behörde davon aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten infolge des Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung geführt hätten, nicht mehr vorliegen würden.

Begründend führte das BFA dazu im angefochtenen Bescheid aus, dass erhoben worden sei, dass er Vater eines etwa zweijährigen Mädchens sei, wobei die Vaterschaft auf einen einmaligen sexuellen Kontakt mit einer deutschen Staatsangehörigen zurückzuführen sei. Ausgehend davon ging die belangte Behörde davon aus, dass sein damals als glaubhaft gewerteter Fluchtgrund – nämlich seine glaubhaft gemachte Furch vor Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität – nun nicht mehr nachvollzogen werden könne. Neben diesem sexuellen Kontakt lasse sich auch eine in einer Sachverhaltsdarstellung festgehaltene Äußerung nur schwer mit seiner sexuellen Orientierung in Einklang bringen. Der Fluchtgrund der Homosexualität erscheine daher nicht mehr glaubhaft.

Weiters unterzog die belangte Behörde auch die ehemaligen Aussagen des BF im ersten Verfahrensgang, wegen der ihm rechtskräftig der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einer diesmal anderslautenden Würdigung und ging davon aus, dass seine ehemalige Beziehung zu einem irakischen Jungen ebenso wie der Angriff durch Unbekannte wegen seiner Homosexualität lediglich konstruiert gewesen seien.

2.4.2. Dem wurde in der Beschwerde im Wesentlichen entgegnet, dass der einmalige sexuelle Kontakt mit einer Frau auf den Wunsch des BF ein normales Leben führen zu wollen zurückzuführen sei, welcher wiederum darauf zurückgehe, dass der BF auch in Österreich wegen seiner Homosexualität Drohungen und Schikanen durch andere hier aufhältige Angehörige der arabischen Volksgruppe ausgesetzt gewesen sei. Vor allem stelle ein einmaliger sexueller Kontakt mit einer Frau für sich allein genommen keinen Aberkennungsgrund dar und gehe die belangte Behörde fälschlich davon aus, dass der BF nicht homosexuell sei. Auch die Kindsmutter hätte in einer Aussage entkräften können, dass der BF nicht homosexuell sei. Die Lage für Homosexuelle im Irak habe sich im Übrigen seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht verändert.

2.4.3. Für das erkennende Gericht ergaben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen eine wesentliche Änderung jener Umstände eintrat, wegen der ihm mit Bescheid des BFA der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Vorweg ist festzuhalten, dass eine wie vom BFA im konkreten Fall vorgenommene Neubeurteilung des Fluchtvorbringens des BF, aufgrund dessen im ersten Verfahrensgang der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung der Zuerkennungsentscheidung nur dann zulässig ist, wenn inzwischen neue Sachverhaltselemente hinzugetreten sind, die sein vormaliges Vorbringen unglaubhaft erscheinen lassen würden (vgl. in diesem Sinne das zu § 9 Abs. 2 Z. 2 AsylG ergangene Erkenntnis des VwGH vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).

Eine solche Änderung auf Tatsachenebene erblickte das BFA fallbezogen wohl darin, dass es dem BF unterstellte, er sei nicht (mehr) homosexuell. Gerade für die Annahme dieser Folgerung bestehen jedoch aus Sicht des erkennenden Gerichts keine ausreichenden Anhaltspunkte. Nun ist dem BFA zwar nicht gänzlich entgegenzutreten, wenn es angesichts der Zeugung eines Kindes durch den BF mit einer deutschen Staatsangehörigen durch unmittelbaren sexuellen Kontakt vorweg Zweifel an dessen Homosexualität entwickelte. Allerdings konnte der BF in nachvollziehbarer Weise in seiner Einvernahme vor dem BFA darlegen, dass es sich beim sexuellen Kontakt mit dieser Frau um einen einmaligen Vorfall handelte. Aus diesem einmaligen Ereignis sei dann ein Kind entstanden, weitere sexuelle Kontakte oder eine intime Beziehung zu der Mutter seines Kindes verneinte er jedoch. Seine Schilderung, wonach er vor dem sexuellen Kontakt mit der Mutter seines Kindes ein freundschaftliches Verhältnis pflegte und er es aufgrund der gegenseitigen Sympathie mit dem sexuellen Kontakt „probieren“ habe wollen (AS 134 f), stellt sich als denkmöglich dar und steht für sich genommen nicht einer nach wie vor von ihm behaupteten Homosexualität entgegen. In diesem Zusammenhang wurde in der Beschwerde zudem zurecht darauf hingewiesen, dass sich das BFA zur Bestätigung bzw. Widerlegung dieser Darstellung des BF jedenfalls einer Aussage der Mutter seines Kindes – die er auch namhaft machte – bedienen hätte können.

Die vom BFA als weitere Begründung der fehlenden Glaubhaftigkeit seiner Homosexualität herangezogene Unmutsäußerung im Zuge eines eskalierten Streits in Deutschland – dem polizeilichen Protokoll zufolge bezeichnete er eine weibliche Person als „geile Albanerin“ (vgl. AS 41) – war per se nicht als maßgebliches Indiz für eine Änderung seiner sexuellen Orientierung anzusehen. Überdies übersah die belangte Behörde, dass es sich dabei nicht um eine wörtliche Wiedergabe des Sachverhalts handelte, zumal dem Akteninhalt zu entnehmen war, dass die deutsche Polizei festhielt, dass er „mehrfach etwas wie ‚geile Albanerin‘“ gesagt habe.

Ausgehend davon, dass seine Homosexualität vom BFA im ersten Verfahrensgang für glaubhaft erachtet wurde, wären sohin jedenfalls weitergehende Ermittlungsergebnisse erforderlich gewesen um aufzuzeigen, dass sich die sexuelle Orientierung zwischenzeitlich nachhaltig änderte bzw. diese von vornherein nicht der Wahrheit entsprach. Schließlich übersah die belangte Behörde, dass sich dem Aktenvermerk des BFA zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten entnehmen lies, dass auch sein Engagement in Österreich im Verein XXXX als maßgeblicher Hinweis für die Glaubhaftigkeit seiner homosexuellen Orientierung gewertet wurde und sich seine Homosexualität nicht zuletzt auch deshalb einst als „unzweifelhaft“ darstellte.

Vor dem Hintergrund dessen, dass eine Neubeurteilung seines ehemaligen Vorbringens, wegen dem ihm letztlich rechtskräftig der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war, eine Sachverhaltsänderung voraussetzt und eine solche fallbezogen nicht ersichtlich wurde, stellte sich das behördliche Vorgehen in Bezug auf die Neubeurteilung der Glaubhaftigkeit seines einstigen Fluchtvorbringens als rechtswidrig dar.

2.5. Im Lichte dessen gelangte das BVwG zur Annahme, dass weder eine nachhaltige Änderung seiner sexuellen Orientierung noch der Wegfall einer Verfolgungsgefahr wegen seiner sexuellen Orientierung feststellbar war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. § 7 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.       ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2.       einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3.       der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

§ 7 Abs. 4 AsylG 2005 lautet:

Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

Art. 1 Abschnitt C der GFK lautet:

Eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen,

1.       wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt; oder

2.       wenn sie nach dem Verlust ihrer Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat; oder

3.       wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie erworben hat, genießt; oder

4.       wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat; oder

5.       wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Hierbei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt;

6.       wenn es sich um eine Person handelt, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, falls sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat. Dabei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in das Land abzulehnen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

1.2. Für die Anwendbarkeit der hier maßgeblichen Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG iVm Art 1 Abschnitt C Z. 5 GFK ist zu beachten, dass grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet ist, zwar die Annahme begründen können, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht, allerdings darf es sich dabei nicht nur um vorübergehende Veränderungen handeln (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121, mwN).

Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 der GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde bzw. das VwG von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121 mit Hinweis auf VwGH 19.12.2001, 2000/20/0318).

Bei "Umständen" im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der GFK muss es sich insbesondere um solche handeln, die sich auf grundlegende, die in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der GFK angeführten Fluchtgründe betreffende (objektive) Veränderungen im Heimatstaat des Flüchtlings beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht. Diese Umstände sind gemäß dem Wortlaut der angeführten Konventionsstelle solche, auf Grund deren der Asylwerber als Flüchtling anerkannt worden ist (vgl. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121).

Eine entsprechende Änderung der Umstände muss sich jedoch nicht zwangsläufig nur auf eine (objektive) Veränderung der Situation im Herkunftsstaat beziehen, sondern umfasst auch eine allfällige erhebliche und nicht nur vorübergehende Veränderung jener persönlichen Umstände des anerkannten Flüchtlings, auf Grund derer er als Flüchtling anerkannt wurde, wie etwa die Abkehr von einer im Heimatland verfolgten Religion oder politischen Gesinnung, sofern damit nach den objektiven Umständen im Herkunftsstaat eine gefahrlose Rückkehr möglich ist. Der bloße Wegfall subjektiv empfundener Furcht reicht hingegen nicht für den Eintritt des Endigungsgrunds des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK (vgl. VwGH 29.06.2020, Ro 2019/01/0014 mit Hinweis auf VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121).

Weiters hielt der VwGH dazu fest, dass eine für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft erhebliche und nicht nur vorübergehende Veränderung der persönlichen Umstände eines Asylberechtigten auch eine grundlegende Änderung der Lage in seinem Herkunftsland in Bezug auf seine dortige Verfolgungsgefahr bewirkt. Der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, soweit er sich auf den Endigungsgrund des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK bezieht, ist somit auch dann erfüllt, wenn sich (bloß) die für die Zuerkennung des Asylstatus wesentlichen in der Person des Asylberechtigten gelegenen Umstände nachträglich derart erheblich und nicht nur vorübergehend verändern, dass für den Asylberechtigten in seinem Heimatstaat keine Verfolgungsgefahr mehr besteht, obwohl sich die dortige Lage seit Zuerkennung des Asylstatus nicht (erheblich) verändert hat (VwGH 29.06.2020, Ro 2019/01/0014).

1.3. Das BFA hat in seinem Bescheid vom 01.08.2017 festgehalten, dass die behauptete Furcht vor Verfolgung aufgrund der behördlichen Ermittlungen in Verbindung mit dem Vorbringen des BF als glaubhaft gemacht gewertet werden konnte, was schließlich zur Asylgewährung führte. Präzisiert wurden die konkreten Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Aktenvermerk des BFA vom selben Tag, wo zum Ausdruck gebracht wurde, dass der BF seinen Herkunftsstaat aufgrund seiner homosexuellen Orientierung und der ihm daraus erwachsenen Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung verlassen hat.

Wie bereits in der Beweiswürdigung oben dargelegt wurde, war keine nachhaltige Änderung der sexuellen Orientierung des BF festzustellen, weshalb ein Vorgehen nach § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt C Z. 5 GFK mangels tatsächlicher Änderung der Umstände von vornherein ausschied.

Im Lichte dessen war nicht von einer objektiven, nicht bloß vorübergehenden Änderung jener Umstände auszugehen, derentwegen der BF als Flüchtling anerkannt worden war.

1.4. Vor diesem Hintergrund war daher der Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dieser aufzuheben.

2. Infolge der Aufhebung von Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides waren auch die Spruchpunkte II bis VI aufzuheben.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG abgesehen werden, zumal schon auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

4. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Änderung maßgeblicher Umstände Behebung der Entscheidung Neubeurteilung sexuelle Orientierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L502.2234191.1.00

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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