TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/1 W214 2199727-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.2020
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Entscheidungsdatum

01.12.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W214 2199727-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Iran, vertreten durch: RA Mag. Philipp Tschernitz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß
§ 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin XXXX (alias XXXX ), geb. am XXXX (alias XXXX ), eine iranische Staatsangehörige, stellte am XXXX .01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am XXXX .02.2016 gab die Beschwerdeführerin an, vor ca. zwei Monaten illegal in die Türkei ausgereist zu sein und anschließend schlepperunterstützt über Griechenland und weitere unbekannte Länder gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Cousin illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Von Österreich aus hätten sie versucht, nach Deutschland zu gelangen, wo ihnen jedoch die Einreise verweigert worden sei.

Befragt nach ihren Fluchtgründen gab sie an, dass ihr Stiefvater erfahren habe, dass ihre Mutter und sie aufgrund ihrer Interessen für das Christentum aus dem Islam hätten austreten wollen. Da ihr Stiefvater die Beschwerdeführerin nicht gemocht habe, habe er beabsichtigt, sie bei den Behörden zu verraten. In diesem Falle hätten die Beschwerdeführerin und ihre Mutter mit dem Tod rechnen müssen, weshalb sie in der Folge das Land verlassen hätten.

Am XXXX .03.2018 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen.

Im Zuge der Einvernahme legte die Beschwerdeführerin ihre Geburtsurkunde im Original, eine Kopie ihres Maturazeugnisses sowie ihrer nationalen ID-Karte, ihren Taufschein vom XXXX , eine Stellungnahme der evangelischen Pfarrgemeinde A. u. H.B XXXX vom 06.03.2018, Deutschkursbesuchsbestätigungen des XXXX vom 05.07.2016 und 11.03.2018, eine Bestätigung über die Teilnahme an einer Theateraufführung der XXXX vom 06.03.2018, eine Teilnahmebestätigung des XXXX vom 06.03.2018, ein privates Empfehlungsschreiben vom 06.03.2018 sowie Zeitbestätigungen des ÖIF über die Teilnahme an Informationsveranstaltungen vom 04.12.2017 und 14.02.2018 vor.

Zunächst befragt nach den getätigten Angaben in der Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin an, dass sie bei der Erstbefragung nicht gesund gewesen sei, es habe hauptsächlich ihre Mutter auf die Fragen geantwortet. Ihr Familienname, ihr Geburtsdatum sowie ihr Geburtsort seien nicht richtig protokolliert worden, ihre gesamte Reise habe nur 10 Tage und keine zwei Monate gedauert und sie sei auch nicht gemeinsam mit einem Cousin nach Österreich eingereist.

Weiter vernommen gab die Beschwerdeführerin an, dem Christentum zugehörig zu sein, sie sei am XXXX getauft worden und bezeichne sich seitdem als protestantische Christin. Am Islam habe sie gestört, dass Frauen nichts sagen dürften, wenn Frauen heiraten würden, dann dürften die Männer nochmal vier Frauen heiraten, im Islam gebe es Gewalt und es sei alles verboten, man könne nicht ohne Kopftuch aus dem Haus gehen, man könne nicht alles essen, sich nicht frei kleiden und bewegen.

Befragt nach ihren Fluchtgründen gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Stiefvater sehr religiös gewesen sei, weswegen er nicht gewollt habe, dass sie das Haus verlasse und ihr nur erlaubt habe, mit gewissen Leuten zu sprechen. Er habe ihr auch vorgegeben, wie sie sich zu kleiden habe und dass sie immer ein Kopftuch tragen müsse. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr habe sie immer mit der Schwester des Stiefvaters zusammen sein und die Moschee besuchen müssen. Sie habe aber nicht von Herzen an die islamische Religion geglaubt. Als sie ca. 20 Jahre alt gewesen sei, habe sie im Jahr 2015 für sechs Monate in einem Mädchenheim gelebt, wo sie eine Freundin namens XXXX gehabt habe, mit der sie immer über das Christentum gesprochen habe. XXXX habe ihr von der Freiheit im Christentum und, dass die Leute freundlich zueinander seien, erzählt. Ihr Stiefvater habe davon erfahren, er habe nicht gewollt, dass sie die Religion wechsle und habe sie auch vergewaltigt, weshalb sie den Iran verlassen habe.

In Österreich gehe sie jeden ersten Sonntag im Monat in die XXXX , dort werde eine Messe abgehalten, sie lese dort die Bibel in Farsi. Vor der Taufe habe sie für ein Jahr einen Taufkurs besucht, dieser habe einmal in der Woche für eine Stunde stattgefunden.

Der Beschwerdeführerin wurden bei der Einvernahme eine Reihe von Fragen zum Christentum und zum Protestantismus gestellt, die sie teilweise korrekt beantworten konnte.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowie auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung, (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.), und setzte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Entscheidung (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen und der Identität der Beschwerdeführerin fest, dass die Beschwerdeführerin iranische Staatsangehörige und Zugehörige der Volksgruppe der Fars sei. Sie sei ledig und habe keine Kinder. Im Iran habe sie die Schule erfolgreich abgeschlossen und für ein halbes Jahr die Universität besucht. Sie sei in der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX getauft worden.

In Österreich sei die Beschwerdeführerin strafrechtlich unbescholten.

Es sei glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin im Iran durch ihren Stiefvater sexuell belästigt worden sei; hingegen sei nicht glaubhaft, dass sie sich im Iran christlich betätigt und sich aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben angeschlossen habe. Nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr in den Iran aufgrund ihres angeblichen Religionswechsels eine Gefährdung durch die Polizei oder andere staatliche Organe und Behörden oder von Privaten drohen würde.

Die Mutter der Beschwerdeführerin sei freiwillig in den Iran zurückgekehrt und stehe mit der Beschwerdeführerin in Kontakt. Sie könne auf die Unterstützung durch ihre Mutter zählen und werde weder in eine wirtschaftlich oder finanziell ausweglose oder sonst existenzbedrohende Lage geraten, noch als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts ausgesetzt sein.

Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin wurde festgehalten, dass sie sich seit ihrer Asylantragstellung im Jänner 2016 in Österreich aufhalte, sie keine familiären Beziehungen oder besonders enge soziale Kontakte habe, die sie an Österreich binden würden. Eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführerin in Österreich habe nicht festgestellt werden können.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde hinsichtlich des sexuellen Übergriffs des Stiefvaters auf die Beschwerdeführerin aus, dass die Mutter der Beschwerdeführerin mittlerweile von ihm geschieden sei und auch getrennt lebe. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin zukünftig Kontakt mit diesem habe werde und somit der Gefahr eines neuerlichen sexuellen Übergriffs ausgesetzt sein werde. Der iranische Staat sei verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen, es wäre der Beschwerdeführerin freigestanden, eine Anzeige zu erstatten. Weiters sei festzuhalten, dass ein vollkommener Schutz gegen jedwede gewalttätigten Übergriffe seitens Privater in keinem Staat der Welt gewährt werden könne. Aus diesem in der Vergangenheit liegenden, einmaligen Ereignis könne daher keine Gefahr einer zukünftigen Bedrohung oder Verfolgung erkannt werden.

Einen Konfessionswechsel im Iran habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft darlegen können, sie habe keinerlei christliche Aktivitäten, wie etwa das Beschaffen von Informationen oder den Besuch von Hauskirchen, gesetzt und habe ihre Mutter bei deren freiwilliger Rückkehr in den Iran auch diesbezüglich keine Probleme gehabt, weshalb davon ausgegangen werden müsse, dass ihr Stiefvater keine Anzeigen bei den Behörden sowohl gegen ihre Mutter als auch gegen sie erstattet habe und somit die iranischen Behörden keine Kenntnisse von dem angeblichen Interesse der Beschwerdeführerin für das Christentum hätten.

In Österreich besuche die Beschwerdeführerin sporadisch die Gottesdienste und sei getauft worden, die belangte Behörde sei jedoch keinesfalls davon überzeugt, dass die angebliche Hinwendung zum Christentum Ausdruck einer innerlich gefestigten Überzeugungsbildung und eines ernst gemeinten, religiösen Einstellungswandels sei. Vielmehr werde davon ausgegangen, dass sich die Beschwerdeführerin oberflächliches Wissen über den christlichen bzw. protestantischen Glauben angeeignet habe, um in Österreich ein Aufenthalts- und Bleiberecht zu erlangen. Die Beschwerdeführerin habe nur pauschale und äußerst oberflächliche Angaben hinsichtlich ihrer Einstellung zum Christentum und hinsichtlich dessen getätigt, weshalb sie sich gerade für den protestantischen Zweig entschieden habe. Sie habe nicht plausibel darlegen können, aus welchen Gründen sie sich vom Islam abgewandt habe und sich nicht mit den Unterschieden zwischen dem Islam und dem Christentum auseinandergesetzt, zumal das Thema der Gewalt auch in der Bibel kein unbekanntes sei. Zu den Grundlagen des Christentums und dem protestantischen Glauben habe die Beschwerdeführerin nur oberflächliche Kenntnisse vorweisen können, die Bedeutung der Taufe sei der Beschwerdeführerin überhaupt nicht bewusst. Das vorgelegte Referenzschreiben der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX könne nur äußere Umstände wiedergeben, welche kein Indiz dafür zu sein vermögen, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich aus einem tiefgläubigen Beweggrund eine Konversion durchgeführt habe. Da bei der Beschwerdeführerin eine Scheinkonversion vorliege, sei davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten in Österreich bei einer Rückkehr in den Iran mit keinen behördlichen Schwierigkeiten zu rechnen hätte.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte (nach Wiederholung des Sachverhaltes und des Vorbringens bei der belangten Behörde aus), dass die belangte Behörde die tatsächliche Bedrohungssituation der Beschwerdeführerin verkannt habe, wenn sie die sexuellen Übergriffe des Stiefvaters als einmaliges Ereignis bezeichne, welches keine Gefahr einer zukünftigen Bedrohung oder Verfolgung erkennen lasse. Die Beschwerdeführerin habe sich weiteren sexuellen Übergriffen nur durch ihre Flucht nach Europa entziehen können, die erfolgte Scheidung von der Mutter der Beschwerdeführerin stelle zudem kein Hindernis dar, die Beschwerdeführerin trotzdem ausfindig zu machen, zumal die Mutter noch in der gleichen Stadt wie der Stiefvater wohne. Die Beschwerdeführerin beschäftige sich mit der Bibel, gehe in die Kirche und bete daheim auch regelmäßig. Sie habe christliche Feiertage und auch etwas über Martin Luther wiedergeben können, auch wenn sie für sie derzeit noch schwierig sei, all diese neugewonnenen Informationen und Bräuche ganz detailgetreu wiederzugeben. Überdies nehme die Beschwerdeführerin regelmäßig an kirchlichen Veranstaltungen teil und gestalte auch die Gottesdienste durch Lesungen mit. Auch habe die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme keinesfalls nur oberflächliche und vage Angaben hinsichtlich ihrer inneren Einstellung zum Christentum getätigt. Sie habe nachvollziehbar angegeben, dass sie einerseits am Islam störe, wie Frauen behandelt werden würden, dass es einen Kopftuchzwang gebe und dass Frauen kein Recht auf Meinungsäußerung hätten und andererseits, dass es im Christentum mehr Freiheit und Nächstenliebe gebe und dass sie in ihrer Muttersprache zu Gott beten könne. Vor allem aufgrund ihres streng religiösen Stiefvaters, von dem sie nur Zwang und Gewalt erfahren habe, fühle sie sich wegen der Freundlichkeit der christlichen Kirche dieser zugehörig. Die Beschwerdeführerin müsse im Falle einer Rückkehr in den Iran aufgrund ihrer Apostasie und ihrer Konversion fürchten, von den staatlichen Behörden religiös verfolgt zu werden, es sei nicht auszuschließen, dass die Informationen über die Taufe der Beschwerdeführerin bereits an die Behörden herangetragen worden seien.

4. Die belangte Behörde legte die Beschwerde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und gab eine Stellungnahme dahingehend ab, dass der belangten Behörde durchaus bewusst sei, dass Frauen im Iran nicht die gleichen Rechte hätten, wie in europäischen Staaten, die Beschwerdeführerin habe jedoch die Schule besuchen und anschließend studieren können, ein völlig formloses Leben ohne Einhaltung jeglicher Vorschriften sei in keinem Land der Welt möglich, die Bekleidungsvorschriften im Iran würden für alle Frauen im Iran gleichermaßen gelten, es sei nicht ersichtlich, dass sich die Situation für die Beschwerdeführerin diesbezüglich anders oder schlechter darstelle.

5. Am 23.06.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein der Beschwerdeführerin, deren Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt.

Die Beschwerdeführerin legte in der mündlichen Verhandlung eine Deutschkursbesuchsbestätigung A2 der XXXX Volkshochschulen, eine Bestätigung über die Teilnahme an interkulturellen Veranstaltungen Zeitraum Juli 2019 bis Februar 2020 vom 25.02.2020, das Zeugnis zur bestandenen Integrationsprüfung A1 vom 01.10.2019, einen Nachweis der Caritas über die ehrenamtliche Tätigkeit im Zeitraum 22.01.2020 bis 05.02.2020 vom 15.06.2020 sowie eine Bestätigung der XXXX Volkshochschulen über den Besuch des Vorbereitungslehrganges zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses vom 02.03.2020 vor.

Befragt nach dem unmittelbaren Anlass zur Flucht aus dem Iran gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Stiefvater sie immer kontrolliert habe. So habe er z.B. eines Tages ein Telefongespräch mitgehört, in welchem sie einer Freundin ihre Probleme geschildert habe, woraufhin diese Freundin ihr mitgeteilt habe, dass Gott und Jesus immer mit ihnen seien. Ihr Stiefvater habe sie daraufhin geschlagen, beschimpft und ihr vorgeworfen, ungläubig werden und Affären mit Männern haben zu wollen. Dann sei er auf sie losgegangen und habe sie vergewaltigt. Er habe ihr gedroht, sollte sie mit jemandem darüber sprechen, zur Polizei gehen oder bekanntgeben, dass sie konvertiert sei.

Befragt nach der behaupteten Konversion zum Christentum gab die Beschwerdeführerin an, bereits im Iran über ihre Freundin XXXX mit dem Christentum in Kontakt gekommen zu sein. Sie habe damals viele Probleme gehabt und sei depressiv gewesen, XXXX habe ihr immer gesagt, sie solle sich an Gott erinnern, Gott werde ihr helfen. Sie habe sich dann im Iran nicht mehr um das Christentum gekümmert, als sie jedoch aus dem Iran ausgereist sei, habe sie bemerkt, dass Gott ihr geholfen und sie vor dieser schweren Situation gerettet habe. Sie habe von Jesus Christus gelernt, dass man mitten in Schwierigkeiten froh sein und leben könne. Seit sie sich erinnere, sei sie von der Familie und von der Gesellschaft immer schlecht behandelt worden. Seit sie mit dem Christentum in Verbindung gekommen sei, fühle ich sie sich anders, sie fühle sich als Tochter Gottes und nur das zähle für sie. Als sie getauft worden sei, habe sie sich noch nicht so sehr als Christin bezeichnen können, ihre Situation in Österreich sei so arg und schlimm gewesen, weshalb sie auch mit Jesus Christus nicht stark in Verbindung gewesen sei, nach einer Weile habe sie sich wieder an Jesus Christus gewandt, sie fühle sich jetzt vielleicht seit einem Monat als Christin. Im Iran habe sie schon die Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum gesehen, sie habe ihren sehr konservativen, muslimischen Stiefvater auf der einen Seite und die Worte von XXXX über das Christentum auf der anderen Seite gesehen. Vor ihrer Taufe habe sie einen Taufvorbereitungskurs absolviert, die Taufe bedeute „sterben und wiedergeboren werden“, sie sei gestorben, durch das Wasser seien ihre Sünden weggewaschen und sie sei wiedergeboren worden. Wenn sie etwas Wichtiges tun wolle, bespreche sie es zuerst mit Gott, sie bete beim Aufstehen und beim Schlafengehen, und bedanke sich, dass sie gesund sei, Gott sei immer in ihr.

Sie besuche jeden Sonntag den Gottesdienst der evangelische Pfarrgemeinde XXXX , einmal habe sie bei einem Fest geholfen und saubergemacht, weiters habe sie an einem Theaterstück mitgewirkt und einmal im Chor gesungen.

Auch bei ihrer Rückkehr in den Iran würde sie ihre Konversion zum Christentum nicht verleugnen, dann würde sie sicher festgenommen.

Der Beschwerdeführerin wurden weiters einige Wissensfragen zum Christentum gestellt, von denen sie einige korrekt, andere wiederum nicht richtig beantworten konnte.

In der mündlichen Verhandlung wurde auch der Pfarrer der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX , XXXX , als Zeuge einvernommen. Er gab an, die Beschwerdeführerin Anfang 2016 kennengelernt zu haben, als in der XXXX ein Vorbereitungskurs auf die Taufe von Menschen mit iranischer und afghanischer Herkunft stattgefunden habe. Ab Februar 2016 habe die Beschwerdeführerin dann die Taufvorbereitung besucht, im Zuge des Kurses hätten sie sich über Glaubensfragen ausgetauscht, es habe diesbezüglich auch Gespräche vor oder nach dem Gottesdienst gegeben. Eine Taufvorbereitung würde grundsätzlich in etwa ein Jahr dauern. Die Beschwerdeführerin sei ab Beginn der Taufvorbereitung über die Jahre regelmäßig, zumindest mehrmals im Monat zum Gottesdienst gekommen. Sie habe aber im Jahr 2017 an einem Theaterstück mitgewirkt und bis zum Jahr 2018 biblische Lesungen auf Farsi übernommen. Die Beschwerdeführerin sei von der Nächstenliebe im Christentum fasziniert, sie habe ihm auch erzählt, dass sie außerhalb der Gottesdienste in die XXXX gegangen sei, um zu beten.

6. Am 06.07.2020 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in welcher sie ihre bisherigen Ausführungen wiederholte und abermals vorbrachte, dass davon ausgehen sei, dass sie, im Falle ihrer Rückkehr, bei Bekanntwerden der Tatsache, dass sie zum christlichen Glauben übergetreten ist, Verfolgung ausgesetzt sei, groben Benachteiligungen im gesellschaftlichen Leben gegenüberstehe und mit möglichen Denunziationen leben müsse. Auch wenn derzeit kein Kontakt zu ihrem ehemaligen Stiefvater bestehe, bleibe doch zu befürchten, dass dieser, da er bereits Kenntnis von ihrer Absicht, zum christlichen Glauben überzulaufen gehabt habe, sie den Behörden gegenüber namhaft machen und somit Verfolgung aussetzten könnte. Es sei somit in Zusammenschau mit den Rechten lediger Frauen im Iran, der Tatsache, dass sie zum christlichen Glauben konvertiert sei und der Situation mit ihrem ehemaligen Stiefvater, jedenfalls von einer Gefährdungssituation für sie auszugehen.

Der Stellungnahme beigelegt wurde ein Artikel der evangelischen Allianz sowie ein Beitrag von BCC Persien vom 01.07.2020 über die Verurteilung von sieben Christen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang wird als maßgeblich festgestellt.

1.1 Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist iranische Staatsangehörige und Zugehörige der Volksgruppe der Fars. Sie trägt den im Spruch angeführten Namen und das im Spruchkopf genannte Geburtsdatum. Die Beschwerdeführerin wurde als Muslimin geboren. Sie ist ledig und hat keine Kinder. Sie wurde im Iran im Dorf XXXX geboren und war zuletzt in der Stadt XXXX wohnhaft. Sie hat im Iran die Schule mit Matura abgeschlossen und anschließend ein halbes Jahr lang Buchhaltung studiert.

Die Beschwerdeführerin ist am XXXX .01.2016 gemeinsam mit ihrer Mutter illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am XXXX .02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Mutter der Beschwerdeführerin kehrte in der Folge freiwillig in den Iran zurück.

Im Herkunftsstaat leben noch die Mutter und Tanten der Beschwerdeführerin. Der Vater und die Großmutter der Beschwerdeführerin sind hingegen bereits verstorben. Mit ihrer Mutter steht die Beschwerdeführerin aktuell in Kontakt.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen Freund, welcher ebenfalls iranischer Staatsangehöriger und Asylwerber ist.

Die Beschwerdeführerin geht derzeit keiner legalen Arbeit nach und ist somit nicht selbsterhaltungsfähig. Seit der Antragstellung befand sich die Beschwerdeführerin lediglich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig im Bundesgebiet. Sie bezieht Leistungen aus der Grundversorgung des Bundes. In der Vergangenheit war die Beschwerdeführerin einige Tage ehrenamtlich bei der Caritas tätig.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig.

Sie verfügt über Deutschkenntnisse, sie hat in Österreich mehrere Deutschkurse besucht und das Deutschzertifikat A1 des ÖIF erlangt.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

Es liegen keine Asylausschlussgründe vor.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Als maßgeblich wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ursprünglich muslimischen Glaubens war und zum Christentum konvertiert ist.

In Österreich ist die Beschwerdeführerin kurz nach ihrer Einreise mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Dabei wurde sie von einem anderen Asylwerber zur evangelischen Pfarrgemeinde XXXX gebracht. Ab Februar 2016 hat die Beschwerdeführerin für ca. ein Jahr den Taufvorbereitungskurs, welcher einmal wöchentlich für etwa jeweils 1,5 Stunden stattfand, besucht. Seit diesem Zeitpunkt nimmt die Beschwerdeführerin auch regelmäßig am sonntäglichen Gottesdienst teil und betet auch regelmäßig. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin am XXXX getauft. In der Vergangenheit hat die Beschwerdeführerin bei einem Theaterstück in der Kirche mitgewirkt und Lesungen auf Farsi übernommen.

Die Beschwerdeführerin ist vom christlichen Glauben überzeugt. Sie hätte das Bedürfnis, den christlichen Glauben auch bei ihrer Rückkehr in den Iran innerlich und äußerlich auszuleben. Im Falle einer Rückkehr in den Iran wäre die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Eigenschaft als mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Verhaftung und Folter durch die iranischen Behörden ausgesetzt.

Weiters wird als maßgeblich festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Iran von ihrem Stiefvater vergewaltigt wurde. Er bedrohte sie überdies damit, ihre Hinwendung zum Christentum den Behörden zu melden.

Die Beschwerdeführerin ist gefährdet, auch wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „Frauen“ im Iran asylrelevant verfolgt zu werden und läuft Gefahr, abermals Opfer von Eingriffen in ihre körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung zu werden, wobei der iranische Staat im vorliegenden Fall diesbezüglich als nicht schutzwillig anzusehen ist.
1.3. Zur hier relevanten Situation im Iran

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran, Stand 14.06.2019

1. Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA 12.1.2019).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem “Implementation Day” am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.2.2019). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr 2018 zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in „politischen“ Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 12.1.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 30.4.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.4.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 30.4.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 30.4.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 30.4.2019

- WZ – Wiener Zeitung (11.1.2017): Das politische System des Iran, https://www.wienerzeitung.at/archiv/iran-2017/iran-hintergrund/524691-Das-politische-System-des-Iran.html?em_no_split=1, Zugriff 30.4.2019

2. Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

- BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 11.6.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 11.6.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T. dem Regime nahe stehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

- Spionage für fremde Mächte;

- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen – auch für Ersttäter – vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes („Diya“) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf, Zugriff 24.5.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 24.5.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 24.5.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 24.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 24.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 24.5.2019

- US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 24.5.2019

4. Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 12.2018).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 12.1.2019). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.2.2019). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden eine bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018). Der Oberste Führer hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009, zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 13.3.2019).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 12.2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 27.5.2019

- DW – Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802, Zugriff 27.5.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 27.5.2019

- Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/, Zugriff 27.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 27.5.2019

- Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html, Zugriff 27.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 27.5.2019

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefängnissen, aber auch aus offiziellen Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwürfen von Inhaftierten gehen die Behörden grundsätzlich nicht nach (AA 12.1.2019, vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In ein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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