TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/30 96/01/0191

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Veröffentlicht am 30.04.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1995, Zl. 4.345.527/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 11. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am selben Tag den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. November 1994 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen am 11. und 15. November 1994 angegeben, er komme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei Moslem. Zu seinen Fluchtgründen gab er an:

"Ich habe im Juli 1994 einen Einberufungsbefehl erhalten. Ich begab mich sofort zu meiner Tante. Dort lebte ich bis zu meiner Ausreise am 10.11.1994. Ich wollte keinesfalls zum Militär, da man nach Bosnien an die Front geschickt wird.

Frage: Wie kommen Sie darauf?

Antwort: Alle werden dorthin geschickt.

Frage: Kennen Sie konkrete Fälle?

Antwort: Ein Freund von mir hatte einen Einberufungsbefehl erhalten. Im Sommer 1994, genauer kann ich das nicht angeben, wurde er gewaltsam zum Militärdienst gebracht. Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist.

Frage: Wie kommen Sie darauf, daß er nach Bosnien geschickt wurde?

Antwort: Ich nehme es an, da man den serbischen Behörden

nicht trauen kann.

Frage: Gibt es dafür einen Beweis?

Antwort: Nein.

Frage: Nachdem Sie im Juli 1994 den Einberufungsbefehl

erhielten, warum sind Sie jetzt erst geflüchtet?

Antwort: Ich hatte bisher nicht die Möglichkeit und nicht

das Geld dazu.

Frage: Woher kam jetzt beides?

Antwort: Mein Vater hat eine Kuh verkauft und sich einen Teil ausgeborgt.

Frage: Warum hat der Vater die Kuh nicht früher verkauft?

Antwort: Es gelang ihm bisher nicht.

Frage: Wann entschlossen Sie sich zur Flucht?

Antwort: Als ich den Einberufungsbefehl erhielt.

Frage: Wie hoch wäre die Strafe bei Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles gewesen?

Antwort: 13 Monate Haftstrafe.

Frage: Warum wollten Sie diese Strafe nicht verbüßen?

Antwort: Obwohl diese Strafe im Strafgesetzbuch festgelegt ist, bin ich geflüchtet. Ich wollte kein Häftling sein, obwohl ich gerechterweise bestraft worden wäre.

Wenn die Belagerung des Kosovo durch die serbische Polizei und Armee eines Tages aufgehoben sein sollte, würde ich wieder zürückkehren wollen."

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag des Beschwerdeführers unter anderem mit der Begründung ab, daß die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Fronteinsatz in Bosnien bloße Behauptungen seien, die einer Überprüfung an der Wirklichkeit nicht standhielten. Weiters habe der Beschwerdeführer nicht einmal angedeutet, daß seine Einberufung mit seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Zusammenhang stünde. Er sei somit nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor:

"Im Juli 1994 habe ich den Einberufungsbefehl erhalten. Da ich keinesfalls zum Militär wollte, bin ich zu meiner Tante gegangen. Wir wissen, daß Männer aus dem Kosovo nach Bosnien an die Front geschickt werden. Nachdem ich meinen Einberufungsbefehl erhalten hatte, wollte ich den Kosovo verlassen. Ich besaß aber zu wenig Geld für eine Flucht. Mein Vater mußte eine Kuh verkaufen, um mir Geld zu geben.

Am 10.11.94 hat mich ein Verwandter von Podujevo nach Skopje gefahren. Ich bin zu Fuß über die Grenze gegangen, mein Verwandter hat auf der anderen Seite gewartet. In Skopje waren wir um 7 Uhr. 1.500 DM mußte ich bezahlen um mit einem Lkw nach Österreich gebracht zu werden. Ich weiß nicht welche Länder passiert wurden, da ich nie ausgestiegen bin. In einem kleinen Ort in Österreich mußte ich den Lkw verlassen. Ein Albaner hat mich, nachdem ich ihm mein Problem geschildert hatte, nach Traiskirchen gefahren.

Am 11.11.94 habe ich in Traiskirchen einen Antrag auf Asylgewährung gestellt."

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie gelangte zur Auffassung, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei, da die Einberufung zur Militärdienstleistung für sich allein noch keine Verfolgung darstelle, solange - wie im konkreten Fall - keine staatliche Verfolgungsmotivation gegeben sei. Auch eine unter Umständen strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion als solche stelle für sich allein keine Verfolgung dar. Die Beweggründe des Beschwerdeführers, der von ihm geforderten Militärdienstpflicht nicht nachzukommen, seien asylrechtlich insoferne unbeachtlich, als sie für sich noch keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates zuließen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß mit seiner Einberufung eine asylrechtlich relevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre, und es sei nicht glaubwürdig ableitbar, daß der Beschwerdeführer wegen eines in der Genfer Konvention bzw. im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Grundes im Hinblick auf seine Volksgruppenzugehörigkeit eine unterschiedliche Behandlung oder im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu serbischen Volksgruppenangehörigen zu erwarten hätte.

In der "Jugoslawischen Föderation" bestünde grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen und der praktischen Verwendung keine Unterschiede hinsichtlich ethnischer Kriterien gemacht würden. Dies gelte auch für die Strafverfolgung und -bemessung. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die Jugoslawische Volksarmee alle albanisch-stämmigen Rekruten an die bosnische Front sende, widerspreche den tatsächlichen Gegebenheiten, da sich die "Jugoslawische Föderation" nicht im Kriegszustand befinde und auch nicht in die Auseinandersetzungen in Bosnien-Herzegowina involviert sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt vor, "dem Verfasser dieser Beschwerde ist weder der erstinstanzliche Bescheid, noch das Protokoll über die Vernehmung des Beschwerdeführers inhaltlich bekannt. Er vermutet jedoch, daß die Außenstelle Traiskirchen des Bundesasylamtes sich nur an den üblichen Fragenkatalog gehalten und im übrigen die Ausführungen des Beschwerdeführers als zu allgemein nicht protokolliert hat". An diese Vermutung schließt der Beschwerdeführer die Behauptung von Verfahrensmängeln bei der erstinstanzlichen Einvernahme an.

Der "Verfasser dieser Beschwerde" (= Vertreter des Beschwerdeführers) hätte sich durch Akteneinsicht über den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides und des Protokolles über die Vernehmung des Beschwerdeführers vertraut machen können. Aus der oben wörtlich wiedergegebenen Einvernahme des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen ist zudem ersichtlich, daß dem Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, seine Gründe vorzutragen, und das Behördenorgan auch bemüht war, durch konkrete Fragen zur Klärung des vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhaltes beizutragen. Die Berufung des Beschwerdeführers enthält eine - gekürzte - Wiederholung seiner erstinstanzlichen Angaben, jedoch keine darüber hinausgehenden Behauptungen, sodaß die "Spekulation" des Beschwerdeführers in der Beschwerde zum Vorliegen von Mängeln anläßlich der niederschriftlichen Einvernahmen vor der Behörde erster Instanz ins Leere geht.

Die in der Beschwerde enthaltenen neuen Sachverhaltsbehauptungen unterliegen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verwaltungsverfahren lediglich angegeben, der Einberufung deshalb keine Folge geleistet zu haben, weil er Angst vor der Verschickung an die "Front" in Bosnien habe. Damit ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen aufzuzeigen, daß seine Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010191.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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