TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/11 L525 2169380-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.12.2020
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Entscheidungsdatum

11.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L525 2169380-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch den Verein ZEIGE, Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Straße 54/4/2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9.8.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.11.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer – ein pakistanischer Staatsangehöriger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 1.5.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er ein Schiit sei und Probleme mit den Taliban habe. Die Taliban hätten seinen Vater ermordet und habe er Angst, dass sie auch ihn umbringen würden. Die Taliban hätten gewollt, dass er ihnen beitreten müsse; wenn er das nicht mache, dann hätten sie ihm gedroht, dass sie ihn umbringen würden. Im Falle seiner Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass sein Leben stark gefährdet sei.

2. Am 20.1.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "BFA") einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass als er in den Ferien nach den ersten drei Monaten in der Koranschule nach Hause gekommen sei, er sei ca. 16 oder 17 gewesen, die Taliban von Wazirestan und Afghanistan in die Koranschule gekommen seien und die Schüler der Koranschule in der Art misshandelt hätten, dass sich die Taliban vor den Schülern ausgezogen und sie geküsst und mit ihnen geschlafen hätten. Der Vorgang sei die ganze Nacht, bis zu fünfmal gegangen. Am nächsten Morgen seien sie weggegangen und wären mit anderen Leuten am Abend zurückgekommen. Es sei eigentlich ein Trainingslager der Taliban. Die Schulleitung habe akzeptiert, was passiert sei. Es sei so für die nächsten zwei bis zweieinhalb Jahre weitergegangen. Es habe keine Möglichkeit aus der Schule zu flüchten gegeben, denn es habe furchtbare Situationen mit Folterungen vor ihrem Auge gegeben. Aber eines Abends seien etwa 25 Schüler ausgewählt worden in einem Minibus Platz zu nehmen, der Beschwerdeführer sei dabei gewesen. Vor ihrem Bus sei ein Pick-up gefahren, als er auf eine Mine aufgefahren und explodiert sei. Als zwei Aufpasser ausgestiegen seien, um beim Pick-up nachzusehen, hätten sie flüchten können.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren vor dem BFA zwei Prüfungszeugnisse des ÖIF vom 21.12.2016 und 28.4.2017 über die Prüfungen "A1 – Fit für Österreich" Niveaustufe A1 und "ÖIF-Test" Niveaustufe A2 sowie eine pakistanische Geburtsurkunde vor.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 9.8.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer zweieinhalb Jahre lang von Taliban bzw. Mujahedeen ohne Kontakt zu seiner Familie in einer Koranschule festgehalten worden sei. Es habe insgesamt nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer in Pakistan eine Verfolgung drohe.

4. Mit Schriftsatz vom 24.8.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 9.8.2017. Darin machte er unter Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen geltend, dass er seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nachgekommen sei und weder widersprüchliche Aussagen gemacht noch Sachen verheimlicht oder bewusst falsch dargestellt oder später gesteigert habe. Seitens der Behörde seien keinerlei Ermittlungen durchgeführt worden, obwohl der Beschwerdeführer zu Ermittlungen in seinem Herkunftsstaat seine ausdrückliche Zustimmung gegeben habe. Die Behörde habe es verabsäumt, zum Vorbringen des Beschwerdeführers über die Vorfälle in der Koranschule im Zusammenhang mit der Taliban konkrete Ermittlungen durchzuführen und habe ihm hierzu auch keine personenbezogenen Fragen gestellt. Die belangte Behörde habe sich nur oberflächlich mit seiner Fluchtgeschichte auseinandergesetzt. Auch zum Tod seines Vaters hätte die Behörde Ermittlungen anstellen können. Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme von jenen Erlebnissen und Fluchtgründen erzählt, die ihm wichtig erschienen seien. Sofern Antworten mit Asylrelevanz ausgeblieben seien, wäre er jederzeit gerne bereit gewesen, noch detailliertere Antworten zu geben. Es sei unverständlich, weshalb die Behörde seinen Ausführungen keinen Glauben schenke. Sollte seinem Vorbringen dennoch keine Asylrelevanz beigemessen werden, beantrage der Beschwerdeführer in eventu die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten; aus den Länderfeststellungen gehe hervor, dass die Sicherheitslage in Parachinar, von wo der Beschwerdeführer herkomme, prekär sei. Der Beschwerdeführer habe sich bemüht, alle ihm zur Verfügung stehenden Deutschkurse zu besuchen und sei weiterhin bestrebt, seine Integration fortzusetzen. Er habe sich beim AMS als Interessent für eine Lehrstelle gemeldet und sei dort vorgemerkt.

5. Am 31.8.2017 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 2.12.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme. Darin erklärte er, dass er psychisch krank (Depressionen und Schlafstörungen) sei und deswegen in ärztlicher Behandlung stehe und Psychopharmaka einnehme. Es werde um Berücksichtigung der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers ersucht und sei davon auszugehen, dass in Pakistan die erforderliche Behandlungsmöglichkeit nicht zur Verfügung stehe. Durch die derzeitige Medikation sei er so stark beeinträchtigt, dass er nicht in der Lage sei, den Verhandlungstermin am 6.12.2019 wahrzunehmen. Mit der Stellungnahme vorgelegt wurden ein Befundbericht eines Allgemeinmediziners vom 29.11.2019 sowie ein Schreiben eines Allgemeinmediziners vom 22.11.2019.

7. Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 16.11.2020 erstattete der Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme. Zum Beschwerdeführer wurde ausgeführt, dass er ein Angehöriger der schiitischen Minderheit der Turi sei. Als Schiit sei er Diskriminierung ausgesetzt gewesen. Bereits in der Koranschule sei er Übergriffen ausgesetzt gewesen, sogar auch dem sexuellen Missbrauch. Seine Peiniger seien Taliban gewesen, die ihn nicht nur lange Zeit misshandelt hätten, sondern auch für ihre Zwecke zwangsweise rekrutieren wollen hätten. Dieser misslichen Lage in Pakistan habe er sich durch Flucht entzogen. Er sei im Jahr 2014 in den Iran, dort habe er sechs Monate gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei aufgrund der traumatisierenden Erfahrung durch den sexuellen Missbrauch psychisch krank. Er leide an Depressionen und stehe in Behandlung. Aufgrund seines über fünfjährigen Aufenthalts komme dem Grad seiner Integration bzw. seinen als wahrscheinlich anzunehmenden Zukunftsperspektiven in Österreich – insbesondere hinsichtlich seiner Selbsterhaltungsfähigkeit – besondere Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer habe einen österreichischen Führerschein erworben und sei aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Gewerbetreibender im Kleintransportgewerbe selbsterhaltungsfähig und lege zwei Einstellzusagen vor. Weiters wurde eine Stellungnahme zur Lage in Pakistan erstattet. Mit der Stellungnahme wurden eine Kopie eines österreichischen Führerscheins, Schreiben des Finanzamtes vom 30.6.2020, ein Auszug aus dem GISA vom 10.3.2020, ein Schreiben der BH XXXX vom 10.3.2020 betreffend eine Gewerbeanmeldung, zwei Einstellungszusagen sowie ein Prüfungszeugnis des IÖF vom 28.4.2017 "ÖIF-Test" Niveaustufe A2 vorgelegt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.11.2020 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung durch.

Im Zuge der Ladung zur Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte zu Pakistan übermittelt; eine Stellungnahme wurde in der mündlichen Verhandlung nicht abgegeben. Informationen zur COVID-19-Pandemie sowie aktuelle Zahlen der WHO zu COVID-19 in Pakistan wurden vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebracht und vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen; eine Stellungnahme wurde dazu ebenfalls nicht abgegeben.

Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung einen undatierten Frachtvertrag sowie eine Saldenliste per 19.11.2020 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und der Volksgruppe der Paschtunen zugehörig. Der Beschwerdeführer spricht als Muttersprache Paschto. Weiters spricht er Urdu. Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache, die es ihm ermöglichen, sich in einfachen Sätzen auf Deutsch zu verständigen. Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , Parachinar, Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Von 2000 bis 2002 besuchte er die Schule im Dorf, anschließend bis zum Jahr 2011 eine Privatschule in Parachinar. Die Familie besitzt ein Eigentumshaus und lebt nach wie vor im Heimatort; der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Beschwerdeführer hat zwei Brüder und eine Schwester, ein Bruder lebt im Iran.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2014 aus Pakistan aus und hielt sich für ca. sechs Monate im Iran auf. Dort arbeitete er in einer Fabrik für Verpackungsmaterial.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.

1.3. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer reiste Ende April 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 1.5.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Er lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihm sonst nahestehenden Person zusammen. Der Beschwerdeführer hat in Österreich eine Freundin; der Kontakt wird durch gegenseitige Besuche am Wochenende aufrechterhalten.

Der Beschwerdeführer verfügt über soziale Kontakte in Österreich; engere freundschaftliche Kontakte oder Beziehungen zu Österreichern können nicht festgestellt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation wäre oder sich auf andere Weise in Österreich ehrenamtlich engagieren würde.

Der Beschwerdeführer hat im Dezember 2016 eine Deutschprüfung "A1-Fit für Österreich" sowie im April 2017 einen "ÖIF"-Test" auf dem Sprachniveau A2 erfolgreich abgelegt.

Der Beschwerdeführer besitzt eine österreichische Lenkberechtigung der Klasse B. Seit dem 7.1.2020 verfügt der Beschwerdeführer über eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt". Im Rahmen dieser Gewerbeberechtigung ist der Beschwerdeführer als Zusteller tätig. Der Beschwerdeführer hat zwei Einstellungszusagen für Beschäftigungen als Hilfsarbeiter in einem Bauunternehmen bzw. einem Malereibetrieb eingeholt. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Vom Beschwerdeführer begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.

1.4. Länderfeststellungen:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan ca. 207,8 Millionen Einwohner ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit-Baltistan (PBS 2017a), wo zusammengerechnet weitere ca. 5,5 Millionen Menschen leben (AJK PDD 2017 + Khan 2017 S 88-89). Das Land ist der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 5.2.2019).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf (USDOS 13.3.2019), jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019) insbesondere gegen die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League–Nawaz (PML-N) (FH 1.2019). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlverlauf als transparent und gut durchgeführt ein, jedoch erschwerte die Selbstzensur der Berichterstatter das Treffen von qualifizierten Wahlentscheidungen für die Wähler (EUEOM 27.7.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Der Fokus der PTI-Koalitionsregierung liegt laut offizieller Darstellung auf dem Kampf gegen Korruption, der Sanierung von Wirtschaft und Finanzen sowie einem besseren Bildungs- und Gesundheitssystem (AA 1.2.2019a). In der Praxis dominiert das Militär wichtige Politikbereiche, insbesondere innere sowie äußere Sicherheit und Beziehungen zu - für Pakistans äußere Sicherheit zentralen - Staaten wie Afghanistan, Indien und USA (AA 21.8.2018; vgl. FH 1.2019). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des Inter-Services Intelligence (ISI) gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019

?        AJK PDD – Azad Government of the State of Jammu and Kashmir – Planning & Development Department (2017): Azad Jammu & Kashmir at a Glance 2017, https://pndajk.gov.pk/uploadfiles/downloads/At%20a%20Glance%202017.pdf, Zugriff 4.4.2019

?        CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2019): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 21.2.2019

?        Dawn (2.7.2018): Mechanism for filling reserved seats seen as flawed, https://www.dawn.com/news/1417406, Zugriff 23.4.2019

?        EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019

?        ET - Express Tribune, the (3.8.2018): MQM support gives PTI required majority in NA, https://tribune.com.pk/story/1772639/1-mqm-p-throws-weight-behind-pti/, Zugriff 23.4.2019

?        FH – Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019 – Pakistan, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/pakistan, Zugriff 12.3.2019

?        Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002256.html, Zugriff 12.3.2019

?        Khan, Ehsan Mehmood (2017): Constitutional Status of Gilgit Baltistan: An Issue of Human Security, https://www.ndu.edu.pk/issra/issra_pub/articles/margalla-paper/Margalla-Paper-2017/7-Constitutional-Status-Dr-Ehsan-Mehmood-Khan.pdf, Zugriff 4.4.2019

?        PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): Press Release on Provisional Results of 6th Population and Housing Census – 2017, http://www.statistics.gov.pk/assets/publications/Population_Results.pdf, Zugriff 1.4.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

Sicherheitslage

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).

Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“, Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).

Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

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Wichtige Terrorgruppen

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte der in Pakistan aktiven militanten regierungsfeindlichen Gruppen. Die TTP ist eine Dachorganisation 13 verschiedener – also ungefähr der Hälfte aller pakistanischen - Talibanfraktionen. Die Hochburgen der TTP in den ehem. FATA wurden durch militärische Operationen beseitigt, jedoch hält die TTP nach wie vor Rückzugsgebiete in Ostafghanistan. Analysten meinen, dass die TTP sich Mitte 2018 unter neuer Führung in Süd-Wasiristan vereinen konnte und wieder schlagkräftiger würde (EASO 10.2018 S 24f). PIPS hingegen gibt an, dass TTP verzweifelt darum kämpfe, ihr Netzwerk zu erhalten, innere Streitereien zu überwinden und die Finanzierung sicherzustellen (PIPS 7.1.2019 S 74).

Gemäß PIPS war die TTP im Jahr 2018 für 79 Terroranschläge mit 185 Toten verantwortlich. 57 dieser Anschläge wurden in Khyber Pakhtunkhwa, wo die Gruppe für den größten Teil aller Anschläge verantwortlich war, und 18 in Belutschistan durchgeführt (PIPS 7.1.2019 S 74f). Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 hat die TTP die Verantwortung für mehrere Anschläge übernommen (EASO 10.2018 S 26).

Kleinere militante Organisationen, die in Khyber Pakhtunkhwa – insbesondere in den ehem. Stammesgebieten – aktiv sind, werden als Lokale Taliban bezeichnet. Diese Gruppen führten 2018 28 terroristische Anschläge mit elf Todesopfern durch. Die meisten dieser Vorfälle sind religiös motiviert und zielen auf Mädchenschulen, NGOs, Sicherheitskräfte oder Stammesälteste ab. Eine Talibangruppe unter Mullah Nazir ist in Nord-Wasiristan aktiv. Sie wurde einst als „gute Taliban“ bezeichnet und nennt sich heute Friedenskommittee. Sie bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement [siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.] (PIPS 7.1.2019 S 74f).

Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Die Hizbul Ahrar (HuA) spaltete sich 2017 von der JuA ab (EASO 10.2018 S 26f). Gemäß PIPS waren im Jahr 2018 JuA für 15 terroristische Anschläge (2017: 37) mit elf Toten, alle in Khyber Pakhtunkhwa, sowie HuA für sechs Anschläge in vier verschiedenen Provinzen verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 74).

Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (IS / ISKP / Daesh) ist seit 2015 in Pakistan aktiv. Der IS konnte seinen Einfluss durch taktische Bündnisse mit ähnlich ausgerichteten örtlichen Gruppen vergrößern. IS hat lokale Zweigstellen und Rekrutierungsnetzwerke in einigen Großstädten wie Peschawar oder Karatschi (EASO 10.2018 S 29f). Der IS war 2018 für zwei große Anschläge im Zusammenhang mit den Wahlen in Belutschistan verantwortlich und war vermehrt in konfessionelle Gewalt involviert. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt fünf Anschlägen durch den IS 224 Menschen getötet. Der IS ist insbesondere in Belutschistan präsent, wo er 2018 vier große terroristische Anschläge durchführte; ein weiterer Anschlag geschah in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019 S 76f).

Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen (EASO 10.2018 S 32). Im Jahr 2018 war LeJ für sieben terroristische Angriffe, darunter sechs in Belutschistan und einem in Khyber Pakhtunkhwa, mit insgesamt neun Toten, verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 78). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke zu erklären (PIPS 7.1.2018 S 87).

Die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen ist trotz einer verminderten Zahl an durchgeführten Anschlägen intakt. Die Balochistan Liberation Army (BLA) und die Baloch Liberation Front (BLF) führten 2018 addiert 45 terroristische Anschläge in Belutschistan und zwei in Karatschi durch [siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.]. 2018 wurden erstmals zwei Selbstmordangriffe durchgeführt. Diese Taktik wird normalerweise von religiösen Gruppierungen verwendet, hingegen sind die belutschischen Gruppierungen nationalistisch und politisch links einzuordnen (PIPS 7.1.2019).

Quellen:

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019

?        PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019

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Khyber Pakhtunkhwa

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (PBS 2017d) und sieben Tribal Districts unterteilt (Dawn 31.5.2018). Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) wurden Ende Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (AA 1.2.2019a). Die sieben Tribal Districts Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan waren bis 31. Mai 2018 Agencies der FATA (FRC 15.1.2019; vgl. PBS 2017d, Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions der FATA wurden als Subdivisions in die bestehenden Distrikte Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank eingegliedert (Dawn 31.5.2018; vgl. PBS 2017d).

Laut Zensus 2017 hat die Provinz [im Gebietsstand ab 1.6.2018] ca. 35,5 Millionen Einwohner, wovon ca. fünf Millionen auf dem Gebiet der ehemaligen FATA leben. Die Hauptstadt Peschawar hat 4,3 Millionen Einwohner (PBS 2017d).

2009 begann die pakistanische Armee mit einer Reihe militärischer Einsätze gegen Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) in Khyber Pakhtunkhwa. Diese Offensive war gekennzeichnet durch Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen. Die militärischen Einsätze gegen Aufständische trugen auf lange Sicht zu mehr Sicherheit in der Provinz bei (EASO 10.2018 S 67); auch auf dem Gebiet der ehem. FATA hat sich die Lage verbessert und viele Gebiete sind von Aufständischen geräumt worden (EASO 10.2018 S 82; vgl. FRC 15.1.2019). In den ehemaligen FATA konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018; vgl. FRC 15.1.2019), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018).

Dennoch bleibt die Bedrohung durch Gewalttaten der TTP weiter aufrecht. Zahlreiche Taliban-Fraktionen konnten ihre Netzwerke auf afghanischer Seite der Grenze wieder herstellen und sind in der Lage, terroristische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in den Tribal Districts Nord- und Süd-Wasiristan durchzuführen (FRC 15.1.2019; vgl. AA 21.8.2018). Andere Gruppen, die zur Instabilität in den Stammesdistrikten beitragen und ebenfalls grenzüberschreitend von Afghanistan aus operieren, sind der Islamische Staat, die Wazir- und Mahsud-Taliban, Lashkar-e-Islam und Tauheed-ul-Islam (FRC 15.1.2019). In Süd-Wasiristan wurde eine bewaffnete Gruppe, die als „gute Taliban“ bezeichnet wird, zu einer staatlich gestützten Miliz (EASO 10.2018 S 82). Eine lokale Talibangruppe um Mullah Nazir aus Nord-Wasiristan, die ebenfalls als „gute Taliban“ bezeichnet wurde, ist jetzt unter dem Deckmantel eines Friedenskommittees tätig und bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement (PTM, siehe auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) (PIPS 7.1.2019 S 75).

Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation Zarb-e-Azb, die sich im Wesentlichen auf das Gebiet der ehem. FATA konzentrierte, mussten rund 1,4-1,8 Mio. Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs (ÖB 10.2018; vgl. AA 21.8.2018). Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum, ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 21.8.2018; vgl. Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

Gegen die Ausdehnung des Rechtssystems auf die Tribal Districts gibt es starken Widerstand der Stammeseliten. Ebenso besteht Widerstand gegen die Finanzierung des infrastrukturellen und institutionellen Aufbaus von Gerichten und anderen Behörden (FRC 15.1.2019; vgl. Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

Nach der Aufnahme der Stammesgebiete in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa begann die Polizei gemeinsam mit den paramilitärischen Einheiten in den ehem. Stammesgebieten tätig zu werden. Die Provinzpolizei ist im Prozess der Aufnahme und der Ausbildung zusätzlichen Personals, um die Präsenz auf das gesamte Gebiet der ehem. FATA auszudehnen (USDOS 13.3.2019). Es gibt jedoch großen Widerstand gegen die Auflösung paramilitärischer Einheiten, die bis zur Eingliederung der FATA in die Provinz KP dort tätig waren und die Übernahme deren Personals in die Provinzpolizei (FRC 15.1.2019).

Die militärische Führung hat durch Zugangssperren u.a. zu Teilen von Khyber Pakhtunkhwa, sowie durch Aufforderungen zur Selbstzensur mittels direkter und indirekter Einschüchterungsmethoden auf unauffällige, jedoch sehr effektive Art, die Berichterstattung beschränkt (ÖB 10.2018). Es gibt Hinweise, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden, da Journalisten und Blogger Selbstzensur betreiben (EASO 10.2018 S 13).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Khyber Pakhtunhkwa 29 terroristische Angriffe mit 16 Todesopfern. Von diesen fanden 15 Anschläge mit drei Todesopfern auf dem Gebiet der ehemaligen FATA statt. 14 Anschläge zielten auf die staatlichen Sicherheitskräfte und acht auf Zivilisten. Unter den Toten waren zwölf Sicherheitskräfte und vier Zivilisten. Insgesamt zehn der 29 Vorfälle mit insgesamt zwei Toten entfielen auf den Tribal District Nord-Wasiristan. Für einen Großteil der Anschläge waren die Taliban verantwortlich (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Bei einem Angriff der Indischen Luftwaffe nahe Balakot im Februar 2019 kamen keine Menschen zu Schaden (PIPS 7.3.2019). Dies war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019).

Im Jahr 2018 war Khyber Pakhtunkhwa die Provinz, die von der höchsten Zahl terroristischer Angriffe betroffen war, wobei es im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der Anzahl der Anschläge um 19 Prozent und Rückgänge bei der Zahl der Todesopfer und Verletzten um 43 bzw. 46 Prozent gab. Insgesamt wurden bei 125 terroristischen Anschlägen 196 Personen getötet und 376 Personen verletzt. Davon wurden 75 Anschläge mit 116 Todesopfern und 194 Verletzten in den sieben Tribal Districts verzeichnet (PIPS 7.1.2019 S 36).

Die Sicherheitslage im Tribal District Nord-Wasiristan war 2018 am volatilsten (FRC 15.1.2019). Die höchste Zahl an Anschlägen wurden in den Distrikten Nord-Wasiristan (33; 44 Tote), Dera Ismail Khan (18; 19 Tote), Peschawar (12; 28 Tote), Bannu (11; 10 Tote), Khyber (11; 7 Tote), Süd-Wasiristan (10; 9 Tote) und Bajaur (10; 8 Tote) registriert. Insgesamt wurde in 18 Distrikten, darunter in allen sieben Tribal Districts, Terroranschläge registriert (PIPS 7.1.2019 S 36).

Weiters waren im Jahr 2018 13 operative Schläge der Sicherheitskräfte sowie sechs bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen zu verzeichnen. Zudem fanden 15 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan statt, vorwiegend von pakistanischen Talibanmitgliedern, die sich dorthin zurückgezogen hatten, und es gab sechs Fälle von politischer bzw. wahlbezogener Gewalt (PIPS 7.1.2019 S 35-36).

Insgesamt 62, d.h. die Hälfte aller terroristischen Angriffe in Khyber Pakhtunkhwa, hatten im Jahr 2018 Sicherheitskräfte zum Ziel. Bei diesen Angriffen wurden 63 Sicherheitskräfte, zwölf Aufständische und zwei Zivilisten getötet. Im Vergleich zum Vorjahr fanden deutlich weniger High-Profile-Angriffe auf Sicherheitskräfte statt (PIPS 7.1.2019 S 36-37). Bei 27 gezielten Angriffen auf Zivilisten, die vorwiegend in den Tribal Districts stattfanden, wurden 28 Personen getötet; der deutliche Rückgang der Opferzahlen im Vergleich zum Vorjahr (130 zivile Todesopfer bei 32 Anschlägen auf Zivilisten 2017) lässt darauf schließen, dass es sich vorwiegend um Angriffe niederer Intensität handelte (PIPS 7.1.2019 S 38).

Es gab elf politisch motivierte terroristische Anschläge, die vorwiegend durch die Taliban verübt wurden, bei denen 34 Menschen ums Leben kamen. Im Vorfeld der Wahlen kam es im Juli 2018 in Peschawar zu einem Selbstmordanschlag auf eine politische Veranstaltung, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen. Bei fünf konfessionell motivierten Anschlägen kamen 40 Personen ums Leben; alleine bei einem Anschlag in Orakzai durch den Islamischen Staat im November 2018 kamen 35 Personen, darunter ca. 25 Schiiten, ums Leben (PIPS 7.1.2019 S 39-40, 54).

Im Jahr 2017 wurden von PIPS 154 terroristische Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa registriert, bei denen 344 Personen getötet wurden. Von diesen fanden 83 Anschläge mit 253 Todesopfern auf dem Gebiet der damals noch existenten FATA statt. Im Tribal District Kurram (damals: Kurram Agency) kamen bei elf Terrorangriffen insgesamt 154 Menschen ums Leben (PIPS 7.1.2018).

Quellen:

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?        Dawn (29.5.2018): Fata’s historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019

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?        FRC – FATA Research Center (15.1.2019): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2018, http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2019/01/1-Revied-Draft-of-Security-Report-2018-converted-final.pdf, Zugriff 26.2.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]

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?        Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019). Die pakistanische Verfassung und die Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 10.2018).

Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt. Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts (je einer pro Provinz und im Islamabad Capital Territory) fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll (ÖB 10.2018).

Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen werden und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden (ÖB 10.2018).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Der Supreme Court und die High Courts gelten als chronisch überlastet (ÖB 10.2018).

Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).

Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019).

Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).

Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für normale Pakistaner kaum eine Rolle (AA 21.8.2018). Vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans bestehen informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen und die oft Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 10.2018). Für mehr Details siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..

Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gemäß Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas - PATA, und Federally Administered Tribal Areas - FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung). Mit Ende Mai 2018 wurden die Stammesgebiete durch die 31. Verfassungsänderung v.a. in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert, wodurch das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem nach einer zweijährigen Übergangsfrist auf FATA und PATA ausgeweitet werden soll (ÖB 10.2018; vgl. Dawn 31.5.2018). Außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2018). Siehe dazu die Abschnitte Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. und Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.

Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf den Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren (USDOS 13.3.2019; vgl. News 19.1.2019). Für mehr Informationen zu den Militärgerichten siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.

Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 13.3.2019).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.

Auf dem Index des „World Justice Project“ zur Rechtsstaatlichkeit 2019 rangiert Pakistan auf Platz 117 von 126; gemäß Bereinigung um die 13 im Vergleich zum Vorjahr hinzugefügten Staaten würde das eine Verschlechterung um einen Rang darstellen (WJP 2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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