TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/30 94/01/0786

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Veröffentlicht am 30.04.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §20;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/01/0047 95/01/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des D M in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, 2. der S M in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, und 3. der C M in L, vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, diese insoweit vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 24. Oktober 1994, Zl. 4.273.288/11-III/13/94 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers, hg. Zl. 94/01/0786), Zl. 4.273.288/10-III/13/94 (hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin, hg. Zl. 95/01/0047) und Zl. 4.273.288.9-III/13/94 (hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin, hg. Zl. 95/01/0050), alle betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- sowie der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um eine Familie mit rumänischer Staatsangehörigkeit. Der Erstbeschwerdeführer war mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Juni 1989, die Zweitbeschwerdeführerin mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. September 1989 und die Drittbeschwerdeführerin mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 8. August 1990 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit den gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres jeweils vom 24. Oktober 1994 wurde jedoch in Erledigung der Berufung der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 19. April 1994 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt, daß hinsichtlich der Person der Beschwerdeführer jeweils der im Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei.

Über die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der im Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.

Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Die Bescheide, mit denen die Beschwerdeführer jeweils als Flüchtling anerkannt wurden, enthalten gemäß § 58 Abs. 2 AVG keine Begründung. Aus den Aussagen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer anläßlich der Vernehmung zu ihren Asylanträgen ergibt sich aber, daß die Anerkennung deshalb erfolgte, weil der Erstbeschwerdeführer nach seiner Weigerung, der kommunistischen Partei beizutreten, Benachteiligungen am Arbeitsplatz erlitt und nach der Flucht seines Cousins von der Miliz verhört und dabei geschlagen wurde sowie weil die Zweitbeschwerdeführerin nach der Flucht ihres Mannes von der Miliz verhört, geschlagen und aufgefordert wurde, sich scheiden zu lassen. Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin ergibt sich aus der Aktenlage lediglich, daß der zum Asylantrag der Drittbeschwerdeführerin befragte Erstbeschwerdeführer auf die Anerkennung der Erst- und Zweitbeschwerdeführer als Flüchtling und die angestrebte Familienzusammenführung verwiesen hat.

Die Beschwerdeführer haben in der von ihnen gemeinsam eingebrachten Berufung gegen die erstinstanzlichen Bescheide, mit denen jeweils der Eintritt des im Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestandes festgestellt wurde, ausgeführt, jene Strukturen, die im Zeitpunkt der Flucht aus Rumänien bestanden hätten, seien nach wie vor aufrecht, sodaß die Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführer nicht weggefallen sei. Zum Beweis für dieses Vorbringen beriefen sich die Beschwerdeführer unter anderem auf die Einholung von Länderberichten von Menschenrechtsorganisationen sowie durchzuführende Erhebungen der österreichischen Botschaft in Rumänien.

Die belangte Behörde vertrat in den jeweils angefochtenen Bescheiden die Ansicht, das totalitäre Staatssystem in Rumänien, vor dessen Hintergrund die Beschwerdeführer als Flüchtlinge anerkannt worden seien, existiere nicht mehr. Wegen der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland könnten es die Beschwerdeführer nicht weiter ablehnen, sich unter den Schutz dieses Staates zu stellen. Sie führte - ebenso wie die Erstbehörde - jedoch keinerlei Ermittlungsverfahren zur Frage der geänderten Umstände in Rumänien durch.

Die Durchführung von Ermittlungen über die tatsächliche Situation im Heimatland der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wäre aber im Hinblick auf das bereits im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen der Beschwerdeführer, die Verfolgungssituation in Rumänien habe sich (trotz Änderung des Staatssystems) nicht geändert, erforderlich gewesen (vgl. etwa das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des Asylgesetzes (1968) ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0590, m.w.N.).

Da der Erstbeschwerdeführer - der auch als Vertreter der Drittbeschwerdeführerin vernommen wurde - die Änderung der Verhältnisse in Rumänien bereits bei seiner Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren bestritten hat und die Zweitbeschwerdeführerin nach Ausweis der Verwaltungsakten bei ihrer Vernehmung zur Frage der geänderten Umstände in ihrem Heimatland nicht befragt wurde, kann es unerörtert bleiben, ob die Bestimmung des § 20 Asylgesetz 1991 auf Verfahren nach § 5 Abs. 1 leg. cit. anwendbar ist, weil die belangte Behörde auch bei Anwendung dieser Bestimmung nach deren Abs. 2 infolge der jeweils vorliegenden Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens verpflichtet gewesen wäre, auf das Berufungsvorbringen aller drei Beschwerdeführer einzugehen. Es sei hinzugefügt, daß die angefochtenen Bescheide - entgegen der Ansicht der Drittbeschwerdeführerin - erst nach der Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, und dessen Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994 am 5. August 1994 erlassen wurden.

Die den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheide hat die belangte Behörde auch darauf gestützt, daß die "subjektive Komponente der Furcht" nicht mehr gegeben sei. Selbst wenn dies zutreffen sollte, würde sich an der Rechtswidrigkeit dieser angefochtenen Bescheide nichts ändern, weil durch den Wegfall (lediglich) des subjektiven Furchtempfindens eines Flüchtlings die in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Voraussetzungen noch nicht als erfüllt angesehen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zlen. 95/01/0449, 0450).

Entgegen der Ansicht der Drittbeschwerdeführerin wurde auf diese nicht das ihren Eltern gewährte Asyl ausgedehnt, sondern sie als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) - welches eine Ausdehnung der Asylgewährung auf Angehörige nicht vorsah - anerkannt. Gemäß § 25 Abs. 3 Asylgesetz 1991 ist sie wie eine Fremde zu behandeln, der gemäß § 3 leg. cit. Asyl gewährt wurde. Ihre Rechtsansicht, daß aufgrund des - gemäß § 27 Asylgesetz 1991 seit 1. Juni 1992 außer Kraft getretenen - Asylgesetzes (1968) in erster Instanz die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zu entscheiden gehabt hätte, findet im Gesetz keine Deckung.

Da der jeweils festgestellte Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide jeweils gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994010786.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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